EU-Chemikalienpolitik schadet Psoriasis-Opfern

Polytar Plus shampoo, £8.99Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine verbreitete entzündliche Hautkrankheit, unter der allein in Deutschland in unterschiedlichem Ausmaß schätzungsweise zwei Millionen Personen leiden. Bei den meisten Psoriasis-Kranken ist die Kopfhaut besonders stark betroffen. Die beschleunigte Teilung der Hautzellen und die damit verbundene Ablösung von Schuppen verursachen dauerhaft rote Flecken und einen starken Juckreiz. Die Ursachen der unangenehmen Erkrankung mit potenziell schweren Folgen wie Gelenkentzündungen, Herzinfarkten und Depressionen liegen noch immer weitgehend im Dunkeln. Man weiß nur, dass Erbfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Dem entsprechend gibt es auch keine kausale Therapie. Die meisten Psoriasis-Patienten kämpfen ihr ganzes Leben lang mit den Symptomen.
Zur Linderung der Symptome auf der Kopfhaut haben sich seit über einem Jahrhundert Shampoos, Lotionen oder Cremes auf der Basis von Steinkohleteer bewährt. Am bekanntesten ist das Shampoo Polytar der zum britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) gehörenden Firma Stiefel. Das frei verkäufliche Produkt enthält neben einer ganzen Reihe weiterer pflanzlicher Öle und Teere auch 1 Prozent Steinkohleteer. Dieser entsteht als Nebenprodukt der Verkokung von Kohle und enthält mehr als 400 verschiedene Inhaltsstoffe, die erst zur Hälfte identifiziert sind. Darunter können sich auch polyzyklische Kohlenwasserstoffe wie Benzo(a)pyren befinden, die als potenziell krebserregend bekannt sind. Eine 1985 veröffentlichte Studie weist aus, dass fast die Hälfte der Arbeiter, die 40 Jahre lang mit Kohleteer in Berührung gekommen waren, Hautkrebs bekam. Ob das auch für die äußerliche Anwendung von teerhaltigen Shampoos gilt, ist allerdings zweifelhaft. Jedenfalls weiß die Medizin, dass Steinkohleteer in hohem Maße die Produktion der Erbsubstanz DNS und die Zellteilung hemmt und so die Kopfhaut besänftigt. Die US-Zulassungsbehörde FDA, die als sehr streng bekannt ist, hat deshalb die frei verkäuflichen Shampoos mit Steinkohleteer als „sicher und wirksam“ eingestuft.
In der EU liegen die Verhältnisse allerdings viel komplizierter. Im Jahre 2000 hat der für Kosmetik-Produkte zuständige EU-Wissenschaftsausschuss Kohlenteer-Shampoos ein „nicht akzeptables Hautkrebs-Risiko“ bescheinigt. Seit dem vergangenen Jahr darf Steinkohleteer nicht mehr in Kosmetik-Produkten enthalten sein. Allerdings fällt Polytar nicht darunter, müsste also nach wie vor lieferbar sein. Doch sowohl in England als auch auf dem europäischen Kontinent (wir haben das in Deutschland und Frankreich überprüft) finden Apotheker das bislang gut gehende Shampoo nicht einmal mehr in ihrem Computer. Nur in teureren verschreibungspflichtigen Shampoos ist Kohleteer noch zugelassen. Psoriasis-Patienten wurden dadurch, wie die britische Tageszeitung Daily Mail berichtet, in manchen Fällen an den Rand der Verzweiflung getrieben. Große Versandhändler wie Amazon vertreiben allerdings noch asiatische Restbestände von Polytar.
Was war geschehen? Im Jahre 2006 ist die EU-Chemikalienverordnung REACH (EG) Nr. 1907/2006 (Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals) in Kraft getreten. Danach müssen die Hersteller und Anbieter selbst kleinster Mengen von Stoffen nach einem Stufenplan für jede der vorgesehenen Verwendungen umfangreiche Sammlungen von Sicherheitsdaten vorlegen, die oft teure Tierversuche erfordern. Kleinere Anbieter, die sich diesen Aufwand nicht leisten können, drohen dadurch vom Markt zu verschwinden. So erklärt GSK seinen Kunden auf Facebook, Polytar Liquid und Polytar Plus müssten entsprechend der neuen EU-Stoff-Reglementation neu formuliert werden. Außerdem habe ein Zulieferer mehrerer Inhaltsstoffe von Polytar die Produktion eingestellt. GSK suche nun nach einem neuen Lieferanten. Der Konzern bittet seine Kunden dafür um Entschuldigung und vertröstet sie auf 2016. So zeigt es sich, dass das bürokratische Monstrum REACH, das eigentlich dazu dienen soll, den Verbraucher- und Umweltschutz zu verbessern, manchen Verbrauchern am Ende mehr schadet als nützt. Das ist sicher nicht das einzige Beispiel für konterproduktive Effekte gutmenschlicher Bürokratie.

Hier finden Sie eine aktuelle Übersicht über die Heilwirkungen von Steinkohlenteer und die Bezugsquellen von Steinkohlenteer-Shampoos.