Das Geschäft der Patent-Freibeuter

 

Edgar L. Gärtner

DownloadOberflächlich besehen, liefern sich führende Technologie-Konzerne wie Microsoft, Apple oder Google einen atemberaubenden Innovations-Wettbewerb: Ständig kommt etwas Neues auf den Markt. Kaum hat man die Funktionen seines Smartphone oder Tablet-Computers einigermaßen im Griff, ist schon wieder ein Update oder ein neues Modell verfügbar, das (scheinbar) alles besser kann. Vor allem ältere Personen haben damit ihre Mühe. Diesem Eindruck widerspricht aber die Tatsache, dass sowohl Apple als auch Google mehr Geld für Patentanwälte ausgeben als für Forschung und Entwicklung. Wie erklärt sich das?
Offenbar gewähren Patente auf wesentliche Erfindungen nur selten die erhoffte Rechtssicherheit. Denn immer häufiger werden auch große Firmen zu Angriffsobjekten von Patent-Privateers (auf deutsch: Patent-Freibeutern). Darunter versteht man juristische Personen, die Patente nur zu dem Zweck erwerben, um über Mahn- und Gerichtsverfahren an Entschädigungen und/oder laufende Lizenzgebühren zu gelangen. Sie werden als Freibeuter bezeichnet, weil ihr Geschäftsmodell stark an die Kaperfahrten Sir Francis Drakes und anderer bewunderter Piraten erinnert, die im Auftrag der britischen Krone Handelsschiffe anderer Länder enterten und ausraubten. So konnte die Seemacht England gegen verfeindete Mächte Krieg führen, ohne dafür auch nur einen Penny auszugeben. Dieses Geschäftsmodell wurde erst im Jahre 1856 durch die Pariser Seerechts-Deklaration verboten.
Ähnlich wie Queen Elizabeth I. an Francis Drake geben heute Technologiekonzerne Non-Practicing Entities (NPE), d.h. nicht operativ tätigen Inhabern von Patenten Freibriefe, damit diese ihren Wettbewerbern das Leben schwer machen. Kein Wunder, dass sie dann auch zum Ziel ähnlicher Machenschaften seitens ihrer Konkurrenten werden. Zu den Technology-Konzernen, die zahlreiche Patente an Freibeuter wie MobileMedia Ideas LLC, Rockstar IP oder Suffolk Technologies LLC abgetreten haben, zählen so bekannte Namen wie Microsoft, Nokia, Sony, BlackBerry und Alcatel-Lucent. Offiziell begründen sie das mit der Notwendigkeit, auch ungenutzte Patente gewinnbringend verwerten zu müssen. Ohnehin müsse das Lizenz-Geschäft ausgelagert werden, weil es spezifische Kompetenz erfordert und den Aufbau vertraulicher Beziehungen zu den Kunden stört. Außerdem schütze man sich damit vor Gegenangriffen gerichtlich belangter Konkurrenten. Denn oft ist nicht bekannt, wer alles einen Patent-Freibeuter sponsert.
Hinter den Patent Privateers stehen dagegen nicht selten bekannte Namen. Im Falle von Suffolk Technologies zum Beispiel Goldmann Sachs Group Inc, General Atlantic Partners LP und Boston Consulting Group Inc. Sie beanspruchen in der Regel mindestens die Hälfte der eingetriebenen Entschädigungen und Lizenzgebühren, tragen dafür aber auch das Risiko eines Misserfolgs in gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Man darf die Patent Privateers also nicht mit Patent-Trollen (beziehungsweise Patent-Jägern) in einen Topf werfen. Diese versuchen mit zwar legalen, aber unlauteren Methoden an Lizenzeinnahmen zu gelangen. Etwa indem sie breit angelegte Patente aus der Konkursmasse von Technologie-Unternehmen erwerben und dann alle Unternehmen abzuzocken versuchen, die weiterhin auf dem Gebiet der untergegangenen Firma tätig sind. Ein bei Trollen beliebter Trick ist auch das Ausgucken von Neuheiten auf Messen und deren Nachanmeldung als Patent in den USA entsprechend dem laschen US-Patentrecht. In Deutschland gilt die Firma IPCom als Troll. Sie hat sich auf Patentklagen gegen die Smartphone-Hersteller Apple, HTC und Nokia spezialisiert. Während sich also die Aktivitäten von Patent Privateers in der Regel für die hinter ihnen stehenden Technologie-Unternehmen auszahlen, spielen Patent-Trolle die Rolle von Parasiten. Laut einer Untersuchung der Boston University haben sie in den vergangenen 20 Jahren allein in den USA einen Schaden von 500 Milliarden Dollar verursacht.
Während innovative Unternehmen also daran interessiert sein müssen, Trollen mit gesetzlichen Vorkehrungen das Handwerk zu legen, können sie von der Tätigkeit von Patent-Freibeutern im Prinzip profitieren. Denn sie entlastet sie von der schwierigen Aufgabe, die Respektierung ihres geistigen Eigentums zu kontrollieren. In Deutschland sind dabei marktbeherrschende Unternehmen im Vorteil. Dort hat der Karlsruher Bundesgerichtshof am 6. Mai 2009 überraschender Weise dem niederländischen Konzern Koninklijke Philips Electronics N.V. in einem Rechtsstreit um die Nutzung der im so genannten Orange Book zusammengefassten Grundlagen-Patente für die Herstellung optischer Datenträger (CDR und CDRW) recht gegeben. Zwar verschaffe die Tatsache, dass jeder Hersteller marktüblicher CDR oder CDRW den im Orange Book niedergelegten Standard zwangsläufig benutzen muss, Philips eine marktbeherrschende Stellung, räumte das hohe Gericht ein. Das gebe aber niemandem das Recht, die Datenträger ohne Lizenz herzustellen. Wer darlegen könne, dass er sich erfolglos um einen Lizenzvertrag bemüht habe, könne ja ein Verfahren nach dem Kartellrecht anstrengen, was in der Praxis aber wohl bedeutet, dass Monopolisten mit dem Karlsruher Urteil gut leben können. Deshalb scheint das Karlsruher Orange-Book-Urteil dem juristischen Problem, das es klären sollte, nicht angemessen.

(Zuerst veröffentlicht am 24. Nov. 2014 in: EurActiv)