Bürgerfreundliche Abfallverwertung statt Müllkartell
Von Edgar Gärtner
Dem Bundeskartellamt ist das Monopol der Duales System Deutschland AG (DSD) und der mit ihm über Leistungsverträge verflochtenen Mitgliedsfirmen des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) seit längerem ein Dorn im Auge. Nach der Auswertung einer Ende 2001 angeordneten Durchsuchung der Geschäftsräume von DSD und BDE sowie einiger Spitzenverbände des Handels hat das Bundeskartellamt nun gegen das DSD und Entsorgungsunternehmen wie RWE Umwelt (Ex-Trienekens) ein zweites Verfahren wegen „Verstoß gegen das kartellrechtliche Boykottverbot“ eingeleitet.
Nach Aussage von Kartellamtspräsident Ulf Böge hat die großangelegte Durchsuchungsaktion den Verdacht erhärtet, dass die genannten Verbände die für die Entsorgung zuständigen Gebietskörperschaften dazu aufgerufen haben, die Mainzer Firma Landbell zu boykottieren. Landbell versucht seit drei Jahren, ein konkurrierendes System zum Grünen Punkt des DSD aufzubauen. DSD-Chef Wolfram Brück habe die Entsorgungsunternehmen schriftlich aufgefordert, nicht mit Landbell zusammenzuarbeiten.
Nach Auskunft des Online-Nachrichtendienstes www.ne-na.de versuchte die vom DSD beauftragte Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss, Lutz, Hootz und Hirsch den Entsorgungsverband Saar (EVS) und das saarländische Umweltministerium von einer Zusammenarbeit mit Landbell abzubringen, indem sie behauptet, diese stehe der Abstimmungserklärung mit dem DSD entgegen. Dem entsprechend beschieden die EVS-Geschäftsführer das Angebot des Landbell-Geschäftsführers Wolfgang Schertz mit folgender Absage, die an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig lässt: „Abgesehen davon, dass es der EVS gewohnt ist, von ihm abgeschlossene Verträge korrekt einzuhalten, besteht auch unsererseits kein wirtschaftliches Interesse daran, der DSD AG in Köln irgendeinen Vorwand zu liefern, diesen Leistungsvertrag vorzeitig zu kündigen.“
Nur Pech für das Müllkartell, dass die EU-Kommission letztes Jahr entschieden hat, dass Wettbewerber die Infrastruktur des Grünen Punktes, ähnlich wie Wettbewerber auf dem Strom- oder Telekommunikationsmarkt, mitbenutzen dürfen. Nun drohen den aktiv am Boykott von Landbell und anderen Wettbewerbern beteiligten Strafen von bis zu 500.000 Euro.
Inzwischen mehren sich auch von Seiten der Wissenschaft die Stimmen, die eine Abkehr vom Dogma der Hausmülltrennung und der damit verbundenen privilegierten Stellung des DSD sowie der von ihm auf Gedeih und Verderb abhängigen privaten Müllsammler und –verwerter fordern. So wies etwa Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, der frühere Präsident des Wuppertal Instituts für Klima-Umwelt-Energie, der nun für die SPD im Bundestag sitzt, zwei Tage nach der Bundestagswahl auf einer Tagung in Wetzlar auf die blamable Ökobilanz des Grünen Punktes hin: „Den Verbrauchern sollte endlich reiner Wein eingeschenkt werden. Das DSD tut so, als sei der Grüne Punkt ein wichtiger Beitrag für den Umweltschutz. Dem ist aber nicht so. Und zudem ist das DSD viel zu teuer.“
Martin Kaimer von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg rechnete in Wetzlar vor: „Durch das Recycling von Leichtverpackungen wurden nach Angaben des Grünen Punktes im vergangenen Jahr 400.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart. Das entspricht 128 Millionen Litern Heizöl. Doch diese Einsparung kostete umgerechnet über 14 Euro pro Liter. Das ist etwa das 21-fache des derzeitigen Dieselpreises!“
Kein Wunder, dass das Bundesumweltministerium (BMU) sich angesichts dieser Bilanz inzwischen mit der lange Zeit verteufelten Müllverbrennung angefreundet hat. „Als mein Dienstherr Bundesumweltminister Jürgen Trittin sein Amt antrat, gehörte er wie die meisten Grünen zu den Gegnern der Abfallverbrennung. Heute hat er mit Müllverbrennungsanlagen keine Probleme mehr, sofern diese die geltenden strengen Abluft-Grenzwerte einhalten. Denn er weiß, dass bei der Verbrennung höchstens halb so viel Treibhausgase freigesetzt werden wie bei der Deponierung von Abfällen.“ So resümiert Dr. Helmut Schnurer, Leiter der Unterabteilung Abfallwirtschaft im BMU, den Lernprozess der letzten Jahre.
Aus Kostengründen setzt das BMU dabei verstärkt auf das bislang umstrittene Trockenstabilatverfahren der hessischen Firma Herhof. Dieses Verfahren nutzt die bei der siebentägigen Verrottung von unsortiertem feuchten Hausmüll in geschlossenen Rotteboxen entstehende Wärme zu dessen Trocknung. Der trockene Abfall lässt sich in vollautomatischen Sortieranlagen leicht von Störstoffen wie Batterien, Metallteilen, Glas, Keramik, Steinen und Sand befreien. Diese können energiesparend und gewinnbringend verwertet werden. Das gilt vor allem für energieaufwändig gewonnene Nichteisen-Metalle wie Aluminium, Kupfer usw. Das übrig bleibende organische Material (Trockenstabilat) eignet sich wegen seines hohen Brennwertes als Ersatzbrennstoff in Zementwerken und Papierfabriken oder als Rohstoff für die Methanerzeugung.
In einer mit Diethard Schade an der Stuttgarter Technikfolgen-Akademie erstellten Studie hat Martin Kaimer festgestellt, dass die Normalbürger mit dem derzeitigen Mülltrennsystem mithilfe von vier oder fünf verschiedenen Tonnen überfordert sind. In den Gelben Tonnen finden sich bis zu 50 Prozent Gegenstände, die dort nicht hineingehören. Umgekehrt findet sich in den Grauen Restmülltonnen ein vergleichbarer Prozentsatz von ausgedienten Verpackungen mit dem Grünen Punkt. Um die im Hausmüll enthaltenen Wertstoffe nutzen zu können, ist meist eine aufwändige Nachsortierung nötig.
Aufgrund der Erfahrungen mit der automatischen Mülltrennung in den Trockenstabilatanlagen von Aßlar im hessischen Lahn-Dill-Kreis, Rennerod im Westerwald und Dresden schlägt Kaimer deshalb vor, in Zukunft (wie vor dem Aufbau des DSD) nur noch Papier, Karton, Glasflaschen und Textilien sowie größere Kunststoffbehälter, deren werkstoffliche Verwertung sich rechnet, getrennt zu sammeln. Alles andere (auch die stinkenden Bioabfälle) soll mit möglichst hohem Nutzungsgrad verbrannt werden. Helmut Schnurer vom BMU hat dafür sogar eine Förderung nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) in Aussicht gestellt.
(erschienen 2002 in: Chemische Rundschau)