Paul K. Driessen: Öko-Imperialismus. Grüne Politik mit tödlichen Folgen. TvR Medienverlag, Jena 2006, 220 Seiten. € 19,-. ISBN-10: 3-00-018838-X
Das durch Science fiction (Rachel Carsons „Silent Spring“) und eine darauf aufbauende „grüne“ Heilslehre begründete weltweite DDT-Verbot hat dazu geführt, dass jahraus, jahrein etwa eine halbe Milliarde Menschen an Malaria erkrankt, wovon etwa drei Millionen sterben. Es brauchte Jahrzehnte, bis die Top-Bürokaten der Weltgesundheitsorganisation WHO einsahen, dass die beschränkte Wiederzulassung des umstrittenen chlorierten Insektizids für die Innenraumanwendung der einzige bezahlbare und verlässliche Weg ist, um die Ausbreitung der Krankheit vor allem in Afrika zu stoppen. Das DDT-Verbot zeigt am drastischsten, wie gut gemeinte politische Eingriffe in den Welthandel unter dem Banner der „nachhaltigen Entwicklung“ und des „Vorsorgeprinzips“ die gesundheitliche und wirtschaftliche Entwicklung ganzer Kontinente hemmen und die Lösung dringender Menschheitsprobleme erschweren, wenn nicht gänzlich vereiteln können.
Der US-amerikanische Ökologe und Jurist Paul K. Driessen setzt sich in seinem 2004 in den USA erschienen Buch „Öko-Imperialismus“ mit dem inzwischen auch im alten Europa beobachtbaren Trend auseinander, eingängige „grüne“ Ideologeme für das große Geschäft zu nutzen. Nun hat ein Mini-Verlag Driessens in der anglo-amerikanischen Welt zum Bestseller gewordenes Buch ins Deutsche übersetzt und bei der Gelegenheit aktualisiert und an die europäische Diskussion angepasst. Driessen macht vor allem auf folgendes aufmerksam: Der internationalen „grünen“ Bewegung, die immer noch im Gehabe einer benachteiligten Minderheit auftritt, steht inzwischen ein Budget von schätzungsweise 8 Milliarden Dollar zur Verfügung. Es handele sich also um eine multinationale Industrie, die aber (im Unterschied zur „bösen“ Öl- und Chemieindustrie) keinerlei Transparenz- und Haftungsregeln unterliegt. Auf Hauptversammlungen großer Konzerne setzen gut koordinierte „kritische Aktionäre“ immer öfters wirtschaftsfeindliche Anträge durch. Um ihre Kritiker zu besänftigen, bekennen sich Konzernchefs, die Geschäftsinteressen der Aktionäre missachtend, zur „Corporate Social Responsibility (CSR)“, die nicht selten auf schnöden Protektionismus hinausläuft und den Armen in Afrika und Asien manchmal mehr schadet als der Kolonialismus unseligen Angedenkens.
„Das Vorsorgeprinzip zwingt den Menschen in der Dritten Welt die Ideologien und die unbegründeten Phobien satter Aktivisten entwickelter Länder auf, um umfassende Nutzungsbeschränkungen bei Chemikalien, Pestiziden, fossilen Energieträgern und Biotechnologie für jene zu rechtfertigen, die sich diese Verbote am wenigsten leisten können“, schreibt Driessen. Als Beleg für diese Behauptung führt er u. a. das von einer Hungerkatastrophe bedrohte Entwicklungsland Sambia an, dessen Präsident Levy Mwanawasa auf Druck so genannter Nichtregierungsorganisationen (NGO) und der Europäischen Union eine Hilfslieferung aus den USA zurückwies, da diese gentechnisch optimierten Mais enthielt.
Driessen zeigt an weiteren Beispielen: Wer Eigentumsrechte mit Füßen tritt und den freien Welthandel beschneidet, nimmt – gewollt oder ungewollt – wachsende Armut in Kauf und setzt Millionen von Menschenleben aufs Spiel. So gilt etwa die Baseler Konvention über den grenzüberschreitenden Verkehr mit gefährlichen Abfällen als wirksame Vorsorgemaßnahme, um Giftmüllskandale wie zuletzt an der Elfenbeinküste zu verhindern. Übersehen wird dabei gerne, dass dieses Abkommen armen Ländern gleichzeitig Einkommensmöglichkeiten in der arbeitsintensiven Recycling-Industrie verschließt.
Einen besonderen Platz nimmt in Driessens Buch die Kritik am „Greenwashing“, dem Grünfärben der Investitionspolitik von Energiekonzernen, ein. Man kann darüber – angesichts des schwierigen Umfelds, in dem die Privatwirtschaft heute agieren muss – verschiedener Meinung sein. Als jedenfalls abschreckendes Beispiel führt Driessen die „Beyond Petroleum“-Werbekampagne des Öl-Konzerns BP an. Obwohl unter dessen inzwischen zurückgetretenen Chef Lord Browne 99,6 Prozent der Investitionen von BP in den Erwerb anderer Öl-Konzerne und die Erschließung neuer Ölquellen und nur der kleine Rest (weit weniger als die Werbekampagne kostete!) in die Solarenergie flossen, versuchte Browne den Eindruck zu erwecken, es sei umgekehrt. Zu allem Überfluss vernachlässigte BP, wie inzwischen von einer unabhängigen Untersuchungskommission bestätigt, die Wartung seiner Bohrinseln, Pipelines und Raffinerien. So kam es zu tödlichen Unfällen, Großhavarien und zuletzt im Sommer 2006 zu einem gefährlichen Leck in einer Pipeline in Alaska, das zu wochenlangen Lieferausfällen auf dem ohnehin schon angespannten US-Ölmarkt führte. In der Folge steht BP’s Erzrivale ExxonMobil heute (zumindest in der amerikanischen Öffentlichkeit und an der Börse) als weitaus besser da, obwohl er nie versucht hat, mit dem grünen Zeitgeist ins Bett zu gehen.
Driessen hat also allen Grund, Anleger vor Investmentfonds zu warnen, die ihre Aktienkäufe nicht entsprechend eines gesunden Geschäftssinnes, sondern nach vermeintlich ethischen Kriterien des „Klimaschutzes“ und der „Nachhaltigkeit“ ausrichten. Zu den Stars der Nachhaltigkeitsfonds gehörten (wohl nicht zufällig) Konzerne wie Enron, WorldCom und Global Crossing, die inzwischen zu Lehrbuchbeispielen für Investorenbetrug geworden sind. Im Jahre 2006 hat der Absturz eines Fonds, der auf eine (klimabedingte) Zunahme der Zahl schwerer Hurrikane spekuliert hatte, Driessens Warnungen bestätigt.
Edgar Gärtner (in: Chemische Rundschau, 2006)