Salomon Kroonenberg: Der lange Zyklus. Die Erde in 10 000 Jahren. Primus Verlag (Wissenschaftliche Buchgesellschaft). Darmstadt, 2008. Geb. 256 Seiten. € 24,90. ISBN 978-3-89678-362-2
„Die Leser dieses Buches wissen, dass der Gärtner keine Chance hat. Er denkt nur im Rahmen des menschlichen Maßes.“ Nach diesem ernüchternden Resumé könnte der Rezensent, der nicht nur Gärtner heißt und selbst zwei Gärten pflegt, sondern sich auch zu einer Art von Gärtner-Philosophie bekennt, das Buch des niederländischen Geologie-Professors Salomon Kroonenberg gleich wieder aus der Hand legen. Doch was Kroonenberg als Fachmann für langfristige Betrachtungen seinen Kollegen von der unklar umrissenen Disziplin „Klimaforschung“ ins Stammbuch schreibt, sollte meines Erachtens alle naturwissenschaftlich und politisch interessierten zum Nachdenken bringen.
Kroonenberg möchte mit seinem Verdikt nur klar machen, dass er es für absolut illusorisch hält, die Entwicklung des Klimas bzw. der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde durch Drehen am CO2-Schräubchen gezielt beeinflussen zu wollen. Die Menschen haben keine andere Wahl, als sich dem Wechsel von Kalt- und Warmzeiten anzupassen. Dieser wird im Maßstab von zehn bis hunderttausend Jahren vom Milankowic-Zyklus der Erdachsen-Neigung und im Maßstab von Jahrhunderten von Sonnenfleckenzyklen bestimmt. Es gebe kein Grundrecht auf einen konstanten Meeresspiegel. Dieser werde wegen der bis dahin einsetzenden nächsten Eiszeit in 10.000 Jahren mit großer Wahrscheinlich wieder 100 Meter unter dem heutigen Niveau liegen. Dabei schließt Kroonenberg einen untergeordneten Einfluss des atmosphärischen Spurengases Kohlenstoffdioxid (CO2) auf die Temperatur des Bodens und der Luft nicht von vornherein aus. In geologischen Zeiträumen sei der CO2-Gehalt der Atmosphäre aber eher dem Temperaturverlauf gefolgt als umgekehrt.
Keine Gnade findet deshalb Al Gores CO2-Spar-Propaganda-Film „Eine unbequeme Wahrheit“ in den Augen des an der Technischen Universität Delft lehrenden Geologen. Er sieht darin „ein erstaunliches Stückchen Demagogie.“ Gore zeige beispielsweise den austrocknenden Aralsee, erwähne aber nicht, dass man auf dem trocken gefallenen Seeboden ein mittelalterliches Mausoleum gefunden hat. Die Wissenschaftler dürften der Politik nicht den Gefallen tun, Fragen zu beantworten, die sie noch längst nicht gelöst haben. Sie dürften unter keinen Umständen der Illusion Vorschub leisten, durch die Abscheidung von CO2 aus Rauchgasen und dessen Einleitung in den Boden könne irgendjemand in Bangladesh vor dem Ertrinken gerettet werden.
Eiszeiten seien für die Menschen ein weitaus größeres Problem als Warmzeiten, betont Kroonenberg. Mit gebotener akademischer Zurückhaltung, aber doch mit deutlichen Worten bewertet der erfahrene Geologie deshalb die sogenannte Hockey-Schläger-Temperaturkurve von Michael Mann. Dieses vom vorletzten Bericht des UN-Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC) zum zentralen Beweisstück für eine durch die industrielle Revolution ausgelöste katastrophale Überhitzung unseres Planeten hochstilisierte statistische Auswertung von Proxydaten soll belegen, dass die Durchschnittstemperatur der Erde in den letzten tausend Jahren niemals höher war als heute. Dabei verschwindet die historisch gut belegte mittelalterliche Warmzeit in einem schwarzen Loch. „Es könnte sein“, meint Salomon Kroonenberg, „dass Mann noch tief fallen wird und mit ihm auch der IPCC-Bericht, der Manns Kurve als Ausgangspunkt genommen hat.“
Kroonenbergs Buch bringt aber viel mehr als diese pointierte Stellungnahme zur aktuellen Klima-Debatte. Es verschafft einen guten Überblick über die Entwicklung der Geologie und der Evolutionstheorie. Interessant dabei der Vergleich zwischen geologischen und genetischen Zeitskalen. Dadurch wird deutlich, dass zentrale Rätsel der Evolution noch immer ungelöst sind. Die Empirie spricht bislang mehr für die Kataklysmentheorie von Georges Cuvier als für die Selektionstheorie von Charles Darwin.