Volkmar Weiss: Die Intelligenz und ihre Feinde. Aufstieg und Niedergang der Industriegesellschaft. Geb. 544 Seiten. € 34,90. Ares Verlag, Graz 2012
Mit Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ ist eine neue Debatte um die Erblichkeit der Intelligenz in Gang gekommen. Waren frühere Generationen von Sozialdemokraten wie selbstverständlich Anhänger der bewussten Zuchtwahl von Menschen (Eugenik), so wurde die Frage nach genetischen Grundlagen von sozialem Aufstieg oder Niedergang im gleichmacherischen Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung zum absoluten Tabu. Der ostdeutsche Genetiker und Sozialhistoriker Volkmar Weiss hat schon in der DDR dieses Tabu durchbrochen, indem er an Hand unangreifbarer Familiengeschichten und Statistiken aufzeigte, dass die Denkleistungsfähigkeit, die wir mithilfe standardisierter Tests in Form des Intelligenz-Quotienten (IQ) messen können, zum allergrößten Teil erblich ist. Im vorliegenden Buch fasst Weiss seine langjährigen Forschungen, die in der DDR eine partielle Abkehr von der sozialistischen Gleichheits-Ideologie durch die gezielte Förderung von Heiraten zwischen Spitzenforschern und Spitzensportlern bewirkten, in verständlicher Form zusammen.
Weiss postuliert, in Gegensatz zum herrschenden Dogma der polygenen Vererbung, dass die Vererbung der Intelligenz auf einem einzigen Haupt-Gen beruht, das in zwei verschiedenen Ausführungen, den Allelen M1 und M2 vorliegt. Dieses Gen soll für die Kurzzeitgedächtnisspanne, die ein Teil der Intelligenzforscher für die Grundlage komplexer Denkvorgänge hält, verantwortlich sein. Reinerbige Träger der Genkombination M2 und M2 haben einen mittleren IQ von nur 94, Träger der Kombination M2 und M1 haben einen mittleren IQ von 112 und Träger der Kombination M1 und M1 einen mittleren IQ von 130. Die erste Gruppe macht 68 Prozent der Bevölkerung aus, die zweite 27 Prozent und die dritte nur fünf Prozent. Der ostdeutsche Genetiker schließt sich der Auffassung an, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Landes in hohem Maße von der kleinen Spitzengruppe (M1/M1) und der etwas größeren mittleren Gruppe (M1/M2) abhängt. Der nordirische Psychologe Richard Lynn und der finnische Politologe Tatu Vanhanen hatten in der 2002 erschienen grundlegenden Untersuchung „IQ and the Wealth of Nations“ nachgewiesen, dass die Höhe des Bruttosozialproduktes jedes Landes mit dessen mittlerem IQ eng korreliert ist. Der historische Erfolg der Industriegesellschaft beruht nach Weiss auf drei Typen von Menschen: Menschen mit einem IQ über 123, die Maschinen erfinden können, Menschen mit einem IQ zwischen 104 und 123, die Maschinen reparieren, und Menschen mit einem IQ unter 105, die Maschinen bedienen können.
Weiss weist allerdings selbst darauf hin, dass er einen hohen IQ keineswegs für den einzigen Ausweis menschlicher Vortrefflichkeit hält. Immerhin stellt er fest, dass der mittlere IQ Deutschlands in den letzten Jahren um fünf Punkte abgesunken ist. Überdies liegt der Durchschnitts-IQ im Stadtstaat Bremen um zehn Punkte unter dem des Flächenstaates Bayern. Als Hauptursache dafür macht er die massive Einwanderung von Menschen aus Ländern mit einem niedrigen Durchschnitts-IQ aus. Bei den Kindern von Einwanderern aus der Türkei liegt der durchschnittliche IQ um 18 Punkte niedriger als bei den Deutschen. Kinder von Einwanderern aus China, Indien und Vietnam haben hingegen einen höheren IQ. Das sollte uns Sorgen bereiten, denn in den kommenden Jahrzehnten werden weltweit die meisten Kinder in Ländern mit einem niedrigen Durchschnitts-IQ geboren werden. Bis zur Jahrhundertmitte könnte dadurch der weltweite Durchschnitts-IQ auf 87 absinken.
Doch die Hypothese eines einzigen Intelligenz-Gens bleibt, gelinde gesagt, bis auf weiteres „umstritten“. Weiss richtet seinen Verdacht auf einen ganz bestimmten Ort (C2orf16 rs1919128) der inzwischen von Craig Venter entschlüsselten Karte des Human-Genoms. Wegen des herrschenden Tabus konnte Weiss jedoch kein Labor finden, das ihm geholfen hätte, diesem Verdacht nachzugehen. So bleibt die interessante Hypothese weiterhin Gegenstand eines Glaubenskrieges.
Edgar L. Gärtner