Dimitrios Kisoudis: Der neue Kalte Krieg und das dritte Rom. Edition Sonderwege, Waltrop und Leipzig 2015. 120 Seiten. € 14,-
Spätestens seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise wird auch den Deutschen wieder bewusst, dass an dem bei ihnen lange verpönten Begriff „Geopolitik“ doch etwas dran ist. Beim Untergang der Sowjetunion und des „Ostblocks“ konnte für kurze Zeit die Illusion vom Ende des Kalten Krieges aufkommen. Damals schien die der Finanzindustrie nahestehende transatlantische „Elite“ nach einem Ersatz-Feindbild zu suchen und sich dabei nicht zwischen dem Klimawandel und dem Islamismus entscheiden zu können. Im Rückblick wird aber klar, dass die Konfrontation zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt von Anfang an weniger ideologisch, sondern eher geopolitisch begründet war und dass die durch die Truman-Doktrin definierte US-Einflusssphäre, entgegen einer Abmachung mit Michail Gorbatschow, in den vergangenen 20 Jahren Schritt für Schritt nach Osten verschoben wurde – bis an die Grenzen Russlands. Während der Warschauer Pakt sich auflöste, wurde die NATO deutlich vergrößert.
Bei der europäischen Linken hält sich eigenartigerweise noch immer die Gleichsetzung von US-Imperialismus und Liberalismus. Doch nichts ist abwegiger als das. Linke und rechte Transatlantiker sind sich vielmehr weitgehend einig in der postmodernen Ablehnung des Wahrheitsbegriffes und des Naturrechts im Sinne Thomas von Aquins. Ihren Niederschlag findet diese Abkehr vom griechisch-römischen und jüdisch-christlichen Erbe des Westens in der Ablösung des Geldzeichens vom Wert des Goldes. Seither können echte Liberale keine Transatlantiker mehr sein, folgert Dimitrios Kisoudis. Tatsächlich stehen sich nun der postmoderne Geldsozialismus des Westens und der traditionsbewusste beziehungsweise autoritäre Liberalismus des Ostens gegenüber. In der angeblich freiheitlichen EU liegt die durchschnittliche Staatsquote am Bruttosozialprodukt nahe 50 Prozent gegenüber weniger als 38 Prozent in Russland. Dabei kann die reziproke Staatsquote direkt als Maß für die persönliche Freiheit gelten. Denn ein schlanker Staat mischt sich höchst wahrscheinlich weniger in das tägliche Leben seiner Bürger beziehungsweise Untertanen ein als ein fetter.
Während der ehemals liberale Westen immer tiefer im geldsozialistischen Schuldensumpf versinkt, sind China und Russland dabei, das eurasische Projekt einer neuen Seidenstraße in die Tat umzusetzen. Der große Zuspruch, den die zu diesem Zweck neu gegründete Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (AIIB) zum Ärger der US-Strategen auch in Westeuropa bekommen hat, zeigt, dass dahinter kein lebensfremder Traum steht. Eine „Übernahme“ durch Chinesen und (orthodoxe) Russen wäre vielleicht das Beste, was der festgefahrenen EU passieren könnte. Aber damit greife ich der mutigen weltgeschichtlichen Skizze von Dimitrios Kisoudis schon vor…