Kann es Politik ohne Religion geben?



Die Trennung von Glauben und Wissen ist abwegig
Bei der diesjährigen Verleihung des Freiheitspreises der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit an die türkisch-deutsche Soziologin Dr. Necla Kelek schloss sich die feministische Publizistin Alice Schwarzer in ihrer Laudatio ausdrücklich dem von Kelek in einem Beitrag in der „FAZ“ erhobenen Vorwurf an, Bundespräsident Christian Wulf habe bei seinem Türkei-Besuch mit der Aussage, das Christentum gehöre zur Türkei wie der Islam zu Deutschland, der „Rückkehr der Religion als Kategorie der Politik“ das Wort geredet und stelle die säkulare Republik in Frage. Zustimmen muss man Frau Kelek sicher, wenn sie darauf hinweist, dass man Sozialbetrug durch türkische Einwandererfamilien nicht als „Verharren in Staatshilfe“ verharmlosen und sie somit von eigener Verantwortung freisprechen darf. Zu recht betont Necla Kelek auch, dass Muslime in Deutschland mit 3.000 Gebetsstätten keine benachteiligte Minderheit darstellen, während die wenigen in der einstmals urchristlichen Türkei verbliebenen Christen ihre Gottesdienste nur noch im Schutz dicker Mauern verrichten können, sofern sie ihre Identität nicht gänzlich verleugnen. Doch halte ich es für illusorisch, wenn sie die Gegenüberstellung von Glauben und Wissen und die damit verbundene Verbannung des Religiösen in die Privatsphäre als eine dauerhafte Lösung des Problems der Koexistenz unvereinbarer Weltsichten darstellt. Dabei ist die Trennung von Glauben und Wissen schon deshalb abwegig, weil alle Naturerkenntnis letztlich auf göttlicher Offenbarung beruht und nicht von Menschen konstruiert wird. Wissenschaftliche Experimente sind nur ein Weg neben anderen, Offenbarungen teilhaftig zu werden.

Gerade in Frankreich, dem Mutterland des „Laïzisme“, zeigt es sich, dass die rousseauschen Konstrukte „Volonté générale“ und „République“ in eine Sackgasse führen, weil Politik und Religion sich letztlich nicht trennen lassen. Vielmehr treten im öffentlichen Raum über kurz oder lang diesseitige Ersatzreligionen an die Stelle der ins Private verbannten transzendentalen Glaubenssysteme. In Frankreich ist zunächst der „Laïzisme“ selbst zur Ersatzreligion geworden. Das zeigt sich schon an der Verbissenheit, mit der linke Lehrergewerkschaften diesen „Acquis“ verteidigen. Ausdruck dieser ersatzreligiösen Überhöhung des Laizismus ist wohl auch das vor wenigen Wochen ausgesprochene gesetzliche Burkaverbot. Die Trennung von Glauben und Wissen führt in letzter Konsequenz zum Szientismus, der inzwischen die Form des Ökologismus angenommen hat.

Ich halte es nicht für einen Zufall, dass diesseits und jenseits des Rheins gerade liberale Politiker den Vormarsch des konstruktivistischen Weltbildes der Öko-Ersatzreligion maßgeblich gefördert haben. Nach deren Weltsicht ist es völlig egal, ob jemand an den dreieinigen Gott oder an Allah glaubt, solange er nur brav seinen Müll trennt, sein Haus mit Styropor dämmt und ansonsten auf Sparflamme lebt, um die angeblich globale Erderwärmung aufzuhalten. Leider haben bei uns in Europa auch die christlichen Kirchen eifrig an der Ablösung des christlichen Weltbildes durch das konstruktivistische und manichäische Weltbild des Ökologismus mitgewirkt und nicht beachtet, dass sie sich damit selbst abschaffen.

Wie die Erfahrungen mit der laizistischen US-Verfassung zeigen, kann nur ein kleiner Staat (Minimalstaat), der sich auf die Wahrung der Rechtssicherheit, die Gewährleistung innerer und äußerer Sicherheit und die Garantie der Vertragsfreiheit beschränkt, weltanschaulich neutral bleiben. In dem Maße, wie der Staat alle Lebensbereiche von der Kindererziehung über das Gesundheitswesen, die soziale Sicherheit und die Altersvorsorge bis zu Forschung und Lehre beherrscht, muss er mit seinem Neutralitätsanspruch in Konflikt geraten.    

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