Das erstmals 1952 erschienene „politische Testament“ des Ökonomen der österreichischen Schule und Schweizer Bankiers Felix Somary galt bei ef nahestehenden Autoren schon länger als Geheimtipp, war aber nicht mehr auffindbar. Nun hat es der TvR-Medienverlag, versehen mit einem alten und einem neuen Vorwort von Otto von Habsburg und Nachworten von Carl J. Burkhardt und Wilhelm Röpke sowie einem Nachruf von Marion Gräfin Dönhoff, mit Zustimmung der Erben neu herausgebracht. Der belesene und weltläufige Somary war nicht nur mit den genannten Persönlichkeiten,
sondern auch mit Geistesgrößen wie Joseph Schumpeter, Otto Bauer, Max Weber und Ludwig von Mises eng befreundet. Und er galt schon zu Lebzeiten als Prophet, weil er, überzeugt vom unausweichlichen Machtantritt der Nazis, rechtzeitig Vermögenswerte in Sicherheit brachte. In der Politik hat freilich kaum jemand auf ihn gehört.
„Seit mehr als zwei Jahrtausenden hat man den Gegensatz zwischen Ost und West in Despotie und individueller Freiheit gesehen. Das Christentum, das selbst aus dem Osten kam, aber nur im Westen dauernd wirkte, hatte die Freiheit verallgemeinert. Das dünkte dem westlichen Bürgertum gerade um die Zeit, als es die Weltherrschaft anzutreten schien, nicht genug; es machte den gigantischen Versuch, auch die Souveränität, die unbeschränkte Macht, zu verallgemeinern. Dieses Beginnen ist misslungen, und sein Ende droht, die Scheidewand zwischen Orient und Okzident zu zerstören.“ Konkret: „Die drei großen Ideenbewegungen Europas haben zu Resultaten geführt, die den Absichten ihrer Schöpfer diametral entgegengesetzt waren und sind. Die Kreuzzüge sollten das Heilige Land dem Glauben gewinnen und die Einheit des Christentums dokumentieren; sie führten zum Fall von Konstantinopel und zur Löslösung der westlichen Nationen von der einheitlichen päpstlichen Oberhoheit. Die Reformation focht unter der Devise der Glaubensfreiheit und sie endigte mit stärkster religiöser Diktatur; der Grundsatz des ‚cuius regio, eius religio’, die Aufzwingung des Glaubens durch den Landesherrn, ist der Kernpunkt des Westfälischen Friedens, der diese Epoche beschloß. Ein Jahrhundert später eröffnete das französische Bürgertum den Kampf um die politische und ökonomische Souveränität, der nach vier Generationen zur doppelten Despotie führte.“
Mit dieser bitteren Bilanz entlarvt Somary, sich vor allem auf Alexis de Tocqueville berufend, den Größenwahn der Jakobiner verschiedener Couleur mit ihrem „Primat der Politik“. Mit de Tocqueville teilt er die Überzeugung von der unvermeidlichen Fortentwicklung der egalitären Demokratie zur kommunistischen Diktatur. In den planmäßig vorbereiteten Weltkriegen des 20. Jahrhunderts habe die kollektivistische Gleichheitsforderung über den Freiheitsdrang der Menschen gesiegt. Das Fortleben der Kriegsmentalität zeige sich nicht zuletzt in der klaglosen Hinnahme konfiskatorischer Steuern.
Im katholischen Mittelalter war das undenkbar. Da konnten die Könige Steuern nur mit Zustimmung der Steuerzahler erheben und diese unterwarfen sich ihnen nur im Austausch gegen nützliche Schutzleistungen. Vermögenssteuern waren nicht durchsetzbar. Die modernen Tyrannen hingegen, betont Somary, verlangen im Namen der Wissenschaft bedingungslose Unterwerfung. „In früheren Generationen war der Staat vom privaten Eigentum abhängig, jetzt hat sich das Verhältnis umgekehrt“, stellte er fest. Das Mittel der Wahl, um diese Umkehrung zu besiegeln, ist das staatliche Papiergeld-Monopol. Kaum jemand rege sich heute noch darüber auf, dass es mit der Abschaffung des Goldstandards „dem Schuldner überlassen wird, die Geldzeichen zu schaffen, die ihn entschulden“, schreibt Somary.
Der 1789 begonnene „Rückfall in die vorchristliche Zeit“ manifestiere sich in zwanzig „Sozialgesetzen der verkehrten Proportion“, legt Somary dar. Da Europa im Gefolge der Weltkriege als weltpolitischer Akteur ausfalle, hänge der weitere Verlauf der Geschichte von der Entwicklung des Verhältnisses zwischen den USA und Russland ab. Der Kommunismus genieße nach dem Sieg der Gleichheits-Idee den Ruf moralischer Überlegenheit. Der amerikanischen Demokratie hingegen falle es schwer, mit den teuersten Soldaten der Welt Krieg gegen arme Länder zu führen. „Das bisherige Streben der Vereinigten Staaten, allen anderen Nationen die Demokratie zu bringen, erwies sich als noble, aber gefährliche Utopie“, stellt Somary fest. Die USA müssten lernen: „Generosität erzeugt nicht Dankbarkeit, sondern das Gegenteil.“