Sisyphus im Dienste der Umwelt: Chemischer Pflanzenschutz

Von Edgar L. Gärtner

Chemische Pflanzenschutzmittel (Pestizide) gelten heute als Problemstoffe, deren Entwicklung, Herstellung, Vermarktung und Anwendung strengen gesetzlichen Vorschriften unterliegt. Gerade ist die Europäische Union wieder einmal dabei, mit der Verordnung EG 1107/2009, die im Juni 2011 in Kraft treten wird, die Zu-lassung von Pflanzenschutzmitteln neu zu regeln, um noch strengeren Umwelt-schutz-Anforderungen gerecht zu werden. Das Inverkehrbringen vieler hochwirk-samer, aber potenziell gesundheits- oder umweltschädlicher Substanzen wird dann von vornherein gar nicht mehr erlaubt sein, selbst wenn diese bislang sicher gehandhabt wurden. Weiterlesen

Was taugen Bio-Pestizide?

Die Landwirtschaft braucht dringend neue Pestizide. Doch deren Entwicklung ist sehr aufwändig. Auch große Agrochemie-Konzerne setzen deshalb neuerdings auf kostengünstigere Bio-Pestizide, die auf der originellen Kombination bekannter Pflanzenextrakte beruhen. Gerade im Hinblick auf das Resistenz-Management dürfte die Zukunft der Kombination sehr unterschiedlicher Wirkstoffe gehören.

Die Landwirtschaft braucht dringend neue Pestizide. Doch deren Entwicklung ist sehr aufwändig. Auch große Agrochemie-Konzerne setzen deshalb neuerdings auf kostengünstigere Bio-Pestizide, die auf der originellen Kombination bekannter Pflanzenextrakte beruhen.

Neue umweltverträgliche Techniken und Hilfsmittel zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität gelten nach dem Platzen der US-Immobilienblase für Kapitalanleger auf der Suche nach zukunftsträchtigen Investitionsmöglichkeiten als besonders interessant. Denn es gibt nach dem Auslaufen der Zulassung einer Reihe mehr oder weniger bewährter Pflanzenschutzmittel seit dem Inkrafttreten der neuen, strengeren Pestizidrichtlinie der EU einen wachsenden Markt für ökologisch sichere und gesundheitlich unbedenkliche Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel. Gewässerbelastungen infolge der Ausschwemmung von überschüssigem Stickstoffdünger mahnen die Entwicklung neuer Methoden der Pflanzenernährung an. Schließlich führt der Klimawandel zu wachsender Nachfrage nach widerstandsfähigeren Kulturpflanzen. Dabei ist Trocken- beziehungsweise Kälteresistenz ebenso gefragt wie Hitze- und Mangelernährungstoleranz. Weiterlesen

Chemikaliensicherheit

Die systematische Bestimmung von Schadstoffen in menschlichen Körperflüssigkeiten ist ein wichtiges Kontrollinstrument sowohl der Arbeitsmedizin als auch der Gesundheits- und Umweltpolitik. Human Biomonitoring kann aber auch missbraucht werden, um die Öffentlichkeit zu täuschen.

Human Biomonitoring:

Oft nützlich, mitunter aber auch irreführend

Die systematische Bestimmung von Schadstoffen in menschlichen Körperflüssigkeiten ist ein wichtiges Kontrollinstrument sowohl der Arbeitsmedizin als auch der Gesundheits- und Umweltpolitik. Human Biomonitoring kann aber auch missbraucht werden, um die Öffentlichkeit zu täuschen.

Als EU-Kommissarin Margot Wallström noch für die Vorbereitung und Durchsetzung der neuen, dem „Vorsorgeprinzip“ verpflichteten Chemikalienpolitik der EU (REACH) zuständig war, ließ sie sich vor laufender Kamera Blut abnehmen. Analytiker fanden darin Spuren von über 50 Chemikalien (darunter DDT und andere Pestizide), die da offenbar nicht hingehörten. Die Presse hatte wieder einmal eine Sensationsmeldung, mit deren Hilfe die EU-Kommission ihren Druck auf die damals noch widerständige Industrie zu verstärken dachte. Dabei war den meisten der Beteiligten schon damals klar, dass der bloße Nachweis von Fremdstoffen im menschlichen Blut oder Urin mit einem seriösen Human Biomonitoring (HBM) nichts gemein hat. Da es die chemische Analytik wegen ihrer früher kaum vorstellbaren Empfindlichkeit heute ermöglicht, in Körperflüssigkeiten selbst extrem geringe Mengen von Fremdstoffen bestimmen, ist es absehbar, dass man bald bei beliebigen Erdenbürgern das ganze Periodensystem der Elemente, wenn nicht beliebige Verbindungen aus dem europäischen EINECS-Verzeichnis der Altstoffe nachweisen könnte, sobald dafür anerkannte Analysemethoden verfügbar sind. Um zu verhindern, dass Ergebnisse des HBM irreführend interpretiert, wenn nicht politisch missbraucht werden, haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und der deutsche Chemieverband (VCI) Ende Januar 2009 in Bonn gemeinsam eine breite Diskussion von Fachwissenschaftlern über Möglichkeiten und Grenzen des HBM für Politik und Gesellschaft organisiert.

Historisch geht HBM auf die präventive Arbeitsmedizin, insbesondere in der chemischen Industrie zurück. Schon in den 50er Jahren hatte HBM, definiert als systematische Bestimmung von Schadstoffen bzw. deren Metaboliten in biologischem Material (insbesondere Urin oder Blut) mit dem Ziel, die Belastung und das Gesundheitsrisiko exponierter Individuen im Vergleich zu Referenzwerten zu erfassen und, falls notwendig, Gegenmaßnahmen einzuleiten, in Deutschland bereits große Bedeutung erlangt. Im Jahre 1980 legte die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe neben Grenzwerten für die Maximale Arbeitsplatzkonzentration luftgetragener Schadstoffe (MAK-Werte), erstmalig weltweit, auch Biologische Arbeitsstofftoleranzwerte (BAT-Werte) für die innere Schadstoffbelastung fest.

Etwa seit dieser Zeit gewinnt HBM auch in der Umweltmedizin an Bedeutung. Auslöser war die EU-Richtlinie 77/312/EEC vom 29. März 1977 über das biologische Screening der Bleibelastung der Bevölkerung. Da hierbei deutlich wurde, dass der Zusatz von Bleitetraäthyl als Anti-Klopfmittel in Ottokraftstoffen die Hauptursache hoher Blutbleiwerte war, wurde Blei im Benzin in den 80er Jahren sowohl in den USA als auch in Deutschland und in der EU schrittweise verboten, sobald bleifreie Kraftstoffe verfügbar waren. Mithilfe von HBM konnte nachgewiesen werden, dass die Politik damit an der richtigen Stelle angesetzt hatte. In den USA beispielsweise sank der durchschnittliche Blutbleispiegel vom Ende der 70er bis zum Beginn der 90er Jahre von etwa 160 auf unter 20 µg/l.

Oft begnügt sich die Umweltpolitik demgegenüber mit einem Ambient-Monitoring (AM) von Schadstoff-Konzentrationen in der Luft, im Wasser, im Boden oder in Nahrungsmitteln und rechtfertigt kostspielige Gegenmaßnahmen mit Worst-Case-Annahmen über möglicherweise davon ausgehende Gesundheitsgefahren. Der Nutzen solcher Maßnahmen erschöpft sich aber oft in Propaganda-Effekten, solange mithilfe von HBM nicht nachgewiesen wurde, dass es tatsächlich einen engen Zusammenhang zwischen Schadstoffkonzentrationen in Umweltmedien und Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit gibt. Prof. Jürgen Angerer von der Universität Erlangen-Nürnberg, einer der Pioniere des HBM in Deutschland, zitierte das Beispiel der Georg-Ledebour-Schule in Nürnberg, in deren Atemluft PCB (vermutlich aus Fugendichtungen) nachgewiesen worden war. Die Schule wurde sehr aufwändig von Handwerkern in Ganzkörper-Schutzanzügen saniert. Die Ergebnisse des von Angerer und Mitarbeitern durchgeführten HBM wurden von der Politik ignoriert. Diese zeigten, dass die PCB-Belastung des Blutes der Schüler der Ledebour-Schule mit durchschnittlich 0,44 µg/l deutlich unter dem im Umweltsurvey 1998 des Umweltbundesamtes (UBA) ermittelten Referenzwertes von 0,56 µg/l lag. Eine Sanierung der Schule wäre überhaupt nicht nötig gewesen.

Immerhin hatte HBM bereits zu Beginn der 90er Jahre für eine Versachlichung der politischen Auseinandersetzung um die Sanierung zahlreicher Sportplätze beigetragen, in deren Belägen dioxinhaltige Schlacke („Kieselrot“) von der Kupferhütte im sauerländischen Marsberg verwendet worden war. Die damals erhobenen HBM-Daten zeigten eindeutig keine besondere Dioxinbelastung der betroffenen Menschen. Worst-Case-Szenarien konnten als völlig unrealistisch verworfen und kostspielige Sanierungsmaßnahmen „auf Verdacht“ vermieden werden, da die im „Kieselrot“ enthaltenen Dioxine offenbar, wenn überhaupt, nur in geringem Maße in den menschlichen Organismus gelangten.

Von daher besteht Hoffnung, mithilfe von HBM auch andere durch Worst-Case-Annahmen emotional aufgeladene Auseinandersetzungen um Verdachtsstoffe versachlichen zu können. Zurzeit gilt das insbesondere für die seit etlichen Jahren schwelende Kontroverse um einige Phthalate, die in großen Mengen als Kunststoff-Weichmacher eingesetzt werden. Allen voran der bis vor einigen Jahren noch führende PVC-Weichmacher Diethylhexylphthalat (DEHP). Dieser Standard-Weichmacher ist zwar seit der Jahrtausendwende durch den längerkettigen Weichmacher Diisononylphthalat (DINP) wegen dessen günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnisses sukzessive aus den meisten Anwendungen verdrängt worden. Doch erwies sich DEHP gerade in sensiblen medizinischen Anwendungen wie Infusions- und Dialyseschläuchen, Magensonden oder Blutbeuteln wegen besonderer Materialeigenschaften (Flexibilität auch noch bei sehr niedrigen Temperaturen) bis vor kurzem als schwer oder gar nicht ersetzbar.

Wie andere Phthalate gilt DEHP aufgrund von Tierversuchen mit hohen Dosen als endokrin wirksam und wurde von der EU offiziell als potenziell die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigend eingestuft. Umso bedenklicher erscheint die außerordentlich hohe DEHP-Exposition künstlich ernährter Frühgeborener. Bei ihnen wird, wie Prof. Angerer betonte, die tolerierbare tägliche Höchstmenge (TDI) von DEHP zum Teil um mehr als das Zehnfache überschritten. Jürgen Angerer hat mithilfe eines heroischen Selbstversuches, bei dem er etwa 50 mg Deuterium-markiertes DEHP auf einem Butterbrot aß, erst die Grundlagen für ein HBM von DEHP gelegt. Durch die Untersuchung seines Urins in den zwei Tagen nach der DEHP-Aufnahme konnte er quantitativ bestimmen, in welchem Maße DEHP zu MEHP metabolisiert wird. Mithilfe des ermittelten Konversionsfaktors lässt nun leicht vom MEHP-Gehalt im Urin auf die DEHP-Belastung eines Organismus zurückschließen.

Das UBA in Dessau und Berlin hat auf dieser Grundlage in seinem Kinder-Umwelt-Survey (KUS) ermittelt, dass in Deutschland bei 1,4 Prozent der drei- bis vierzehn-jährigen Kinder der TDI für DEHP (50 µg/(kg KG.d) überschritten wird. Als weitaus bedenklicher erscheint die Quote der TDI-Überschreitungen beim problematischeren Weichmacher Dibutylphthalat (DBP), die bei DnBP 11,7 und bei DiBP 9,1 Prozent erreichen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der TDI von DBP nur ein Fünftel des TDI von DEHP beträgt. Nach Ansicht von Marike Kolossa-Gehring vom UBA ist das jedenfalls Grund genug, DEHP und DBP auf die Liste der „Kandidaten“ zu setzen, die nach REACH einer behördlichen Zulassung bedürfen.

Auch bei betrieblichen Störfällen in der chemischen Industrie oder bei Unfällen mit Chemikalien hat sich HBM bewährt. Michael Nasterlack, Arbeitsmediziner bei der BASF, illustrierte auf der Bonner Veranstaltung anhand konkreter Beispiele, auf welche Weise HBM helfen kann, chemiebezogene Gesundheitsgefahren realistisch einzuschätzen. So erkannte man erst mithilfe des HBM, dass o-Toluidin nicht in normalen Kesselwagen transportiert werden sollte. Denn diese lassen sich nicht sauber genug von Produktrückständen befreien und können deshalb nicht ohne Vollschutzanzug begangen werden. Nachdem Vergiftungssymptome beim Rangier- und Reinigungspersonal mithilfe von HBM eindeutig auf o-Toluidin und andere aromatische Amine zurückgeführt werden konnten, dürfen diese Stoffe heute nur noch in Kesselwagen aus Edelstahl transportiert werden und das betroffene Personal unterliegt Nachsorgeuntersuchungen im Rahmen des ODIN-Programms der Berufsgenossenschaften.

Noch in den Anfängen steckt die Anwendung von HBM bei der Ermittlung schichtenspezifischer Umwelt- und Gesundheitsbelastungen. Die Annahme, Kinder aus der Unterschicht seien generell höher belastet als Kinder aus der Mittelschicht, wird vom KUS nicht bestätigt. Vielmehr sind Kinder aus wohlhabenderen Elternhäusern in Deutschland eindeutig stärker durch PCB und andere Rückstände chlororganischer Verbindungen belastet als Kinder aus der Unterschicht. Ursache dafür ist nach Ansicht der Sozialmedizinerin Prof. Claudia Homberg von der Universität Bielefeld die in den Mittelschichten übliche längere Stillzeit.

Uwe Lahl vom BMU wies allerdings darauf hin, dass HBM mangels geeigneter Analyseverfahren bislang nur für etwa 200 Substanzen anwendbar ist. So sei zum Beispiel die beinahe ubiquitäre Verbreitung von Rückständen perfluorierter Verbindungen in der Umwelt lange übersehen worden, weil die üblichen Screening-Verfahren nicht darauf ausgelegt waren. Lahl machte sich für ein gemeinsames Programm der chemischen Industrie und der Politik für die systematische Entwicklung von Analysemethoden für bedenkliche Stoffe stark. Rückendeckung erhielt er dabei von Matthias Machnig, Staatssekretär im BMU. „Wir brauchen eine umfassende Kenntnis und Bewertung von Stoffen“, unterstrich Machnig. Damit wiederholte er den hinter REACH stehenden (illusionären) Anspruch. Schon der Start von REACH lässt allerdings ahnen, wohin dieses Streben nach Allwissen führt.

Edgar Gärtner

(veröffentlicht in: CR-Chemische Rundschau, Heft 3/2009, VS-Medien, CH-Solothurn)

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Es geht auch mit weniger Versuchstieren

Auch Industrie-Toxikologen sind in der Regel keine herzlosen Tierquäler. Sie bemühen sich schon lange darum, den „Verbrauch“ von kleinen wie großen Versuchstieren auf das Notwendigste zu beschränken, zumal Tierversuche als Kostentreiber gelten. Dennoch werfen ihnen Tierschützer vor, den Einsatz von tierfreien Testverfahren unnötig hinauszuzögern. Noch immer sind im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) nur zwei alternative toxikologische Testverfahren, der 3T3-NRU (Neutral Red Uptake)-Phototoxizitätstest (OECD Testguideline 432) und 3-D-Modelle menschlicher Haut aus Zellkulturen für die Untersuchung der Korrosivität und der Penetrationsfähigkeit von Stoffen (Episkin- und Epiderm-Test nach OECD 431 und 428) weltweit validiert. Hinzu kommt der Ersatz des schmerzhaften Haut- und Augenreizungstests an den Augen lebender Kaninchen (Draize-Test) durch gröbere Tests wie den vor allem in der Kosmetikindustrie gebräuchlichen HET-CAM-Test an angebrüteten Hühnereiern (OECD 405) oder Tests an den herausoperierten Augen toter Kaninchen oder Kücken. Diese gelten in der Kosmetikindustrie aber nur als Vorstufe für Tests an freiwilligen Versuchspersonen.

Wie die CR (in Nr. 6/2004) schon vor vier Jahren berichtet hat, gibt es inzwischen sowohl auf nationaler Ebene wie im Rahmen der Europäischen Union erhebliche finanzielle Annstrengungen, um alternative Testverfahren anwendungsreif zu machen. Da die Prüfung der Reproduktionstoxizität von Stoffen nach bisherigen Schätzungen etwa 70 Prozent des gesamten mit REACh verbundenen Bedarfs von etwa 40 Millionen Versuchstieren verursachen würde, fördert die EU im Rahmen ihres 6. Forschungs-Rahmenprogramms das integrierte Forschungsprojekt „ReprProTect“, an dem Labors aller 27 Mitgliedsländer beteiligt sind, mit 9 Millionen Euro. Ein weiteres EU-Programm mit dem Namen „AcuTox“ zielt auf die Verminderung des Versuchstierbedarfs bei Prüfungen auf akute Toxizität (LD50-Tests). Dafür ging bis vor kurzem noch etwa ein Drittel aller eingesetzten Versuchstiere drauf. In den letzten Jahren wurden hier aber durch die konsequente Anwendung des 3R-Prinzips – Reduce, Refine, Replace – von Russel und Burch (1959) ohnehin bereits erhebliche Fortschritte erzielt. Der Versuchstierbedarf je Prüfung sank von 150 in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts auf gerade noch 8 im Jahre 2002. Nun geht es vor allem darum, auf der Basis der Ergebnisse standardisierter in-vitro-Cytotoxizitätstests zu entscheiden, wieweit klassische LD50-Tests überhaupt noch notwendig sind.

Nach wie vor gibt es gerade für die teuren und langwierigen Tests auf Reproduktionstoxizität keine tierversuchsfreien Alternativen und es stehen auch keine in Aussicht. Wie Prof. Horst Spielmann vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Mitte Februar 2008 auf einem Kolloquium der DECHEMA in Frankfurt am Main ausführte, zeichnet es sich jedoch ab, dass schon bald bei den 18 Monate in Anspruch nehmenden Zwei-Generationen-Tests auf Fortpflanzungsschäden auf die zweite Generation verzichtet werden kann. Dadurch könnte die Hälfte der für diese Studien bislang erforderlichen großen Zahl von Versuchstieren eingespart werden. Denn das niederländische Bundesgesundheitsamt RIVM konnte anhand der Analyse der Bewertung von 140 Stoffen zeigen, dass die Untersuchung einer zweiten Generation von Versuchstieren keine zusätzlichen für die Einstufung und Kennzeichnung der Stoffe relevanten Erkenntnisse zutage förderte. Im Rahmen des European Partnership for Alternatives to Animal Experiments (EPAA) arbeiten maßgebliche europäische Industrieverbände seit 2005 zusammen mit der EU-Kommission in einem dialogischen Lernprozess daran, die Zwei-Generationen-Studien durch erweiterte und intelligentere Ein-Generationen-Studien zu ersetzen. Der Validierungsprozess für die abgespeckte Form von Reproduktionstoxizitätstests ist angelaufen.

Der Ersatz von Tierversuchen durch in-vitro-Testverfahren wirft eine Reihe grundsätzlicher Probleme der Eichung auf, die nicht leicht zu lösen sind. So können alternative Methoden zu aussagefähigen Testergebnissen im Hinblick auf Gesundheitsgefahren für Mensch und Umwelt gelangen, die aber unzureichend mit den Ergebnissen von Tierversuchen überlappen. Welche Ergebnisse können als „Goldstandard“ verwendet werden, wenn eine Eichung durch Versuche an Menschen aus ethischen Gründen unmöglich ist? Welche in-vitro-Testverfahren kommen für schwierige Aufgaben wie die Untersuchung der Kanzerogenität und der Reproduktionstoxizität von Stoffen überhaupt in Frage? Die geltenden Gesetze geben bis heute gerade bei der Untersuchung chronischer Belastungen Tierversuche als „Goldstandard“ vor, auch wenn deren Ergebnisse gerade bei den von REACh geforderten Kanzerogentitätsprüfungen alles andere als eindeutig sind. Es ist bekannt, dass Krebstests an Ratten mit hohen Dosen von Testsubstanzen im Schnitt zur Hälfte positiv ausgehen. Von diesen positiven Ergebnissen erweisen sich aber 90 Prozent als falsch. Hier helfen nur die Kombination verschiedener Testverfahren und die Auswertung von Erfahrungen mit Schadstoffexpositionen in der Arbeitswelt und der Ergebnisse epidemiologischer Studien weiter. Dennoch gelten dabei bis heute aus Tierversuchen gewonnene Daten als unverzichtbar.

Wenn heute das dritte R (Replace) des 3R-Konzepts gegenüber der Planung intelligenterer, Versuchstiere sparender Tierversuche zu kurz kommt, liegt das eher an solchen Problemen und nicht an fehlenden Forschungsmitteln. Darauf wies auf dem Frankfurter Kolloquium sogar Marcel Leist, der Inhaber des von der Schweizer Doerenkamp-Zbinden-Stiftung geförderten Lehrstuhls für Alternativmethoden zum Tierversuchsersatz an der Universität Konstanz, hin. Leist betont aber auch: „Betrachtet man nur die Zahl erfolgreicher internationaler Validierungen, unterschätzt man die Fortschritte, die bei der Implementierung des 3R-Prinzips schon erreicht wurden.“

Einen ebenso intelligenten wie originellen Weg der Anwendung des 3R-Konzepts scheinen Toxikologen der BASF gefunden zu haben: Die systematische Analyse des Einflusses von Testsubstanzen auf das Metabolom (die Gesamtheit der niedermolekularen Stoffwechselprodukte) der Testorganismen durch Hunderte von Chromatographen und deren Auswertung mithilfe der Bioinformatik. Dabei nutzt der Chemieriese seine langjährigen Erfahrungen und sein Equipment aus der Pflanzenschutzforschung. Wie der BASF-Toxikologe Karsten Müller in Frankfurt darlegte, leistet die BASF bei der Einführung dieser bislang nur in der Grundlagenforschung angewandten Methode in Routine-Stoffprüfungen Pionierarbeit. Deshalb sucht der Konzern den engen Kontakt zu den zuständigen nationalen und europäischen Behörden wie auch zu Meinungsbildnern, um die neue Testmethode international als Standardverfahren der Stoffprüfung nach REACh anerkannt zu bekommen. „Mangelnde Akzeptanz bei Behörden könnte sich als Engpass für die international ausgerichtete chemische Industrie erweisen“, warnt Karsten Müller. „Leider bedeutet auch das Vorhandensein einer OECD-Richtlinie noch nicht, dass ein nach dieser Vorschrift durchgeführter Test von Behörden in OECD-Ländern auch anerkannt wird.“

Selbst bei der Qualitätskontrolle von Medikamenten und Blutprodukten kommt der Ersatz von Tierexperimenten nur schleppend voran. Ein Beispiel ist der Pyrogentest für Medikamente, die gespritzt oder infundiert werden. Dabei geht es darum, herauszufinden, ob die flüssigen Medikamente oder Infusionslösungen bakterielle Endotoxine enthalten, die schweres Fieber auslösen können. Endotoxine, d.h. Zerfallsprodukte gramnegativer Bakterien stellen ein besonderes Problem dar, weil sie erst bei 250 Grad Celsius zerstört werden und folglich auch in handelsüblichem Aqua dest. enthalten sein können. Seit 1942 schreibt die US-Pharmakopöe (USP) vor, Chargen der fraglichen Flüssigkeiten an Kaninchen zu testen. Bekommen die Versuchstiere dadurch Fieber, müssen die Chargen verworfen werden. Schon in den 50er Jahren fand der US-Biologe James F. Cooper aber einen eleganten Weg, ohne Kaninchen auszukommen: Der jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit an verschiedenen Küsten des Ozeans massenhaft auftauchende urtümliche Pfeilschwanzkrebs Limulus reagiert sehr sensibel auf das Eindringen von Endotoxin in seinen Blutkreislauf durch die Bildung sogenannter Amöbozyten. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis entwickelte Cooper den heute weltweit gebräuchlichen Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL). Dafür wird den vorübergehend gefangenen Wildtieren nur ein wenig Blut abgenommen. Danach werden sie wieder ausgesetzt.

Seit 1977 wird dieser Test, zunächst in Form des qualitativen Gelklot, von der US Food and Drug Administration (FDA) empfohlen. Inzwischen wurden auf dieser Basis quantitative turbidimetrische und chromogene Testmethoden entwickelt. Nach der Übernahme von Coopers Firma Endosafe durch Charles River Laboratories, den weltgrößten Anbieter von Versuchstieren, wurde die chromogene Methode zu einem Schnelltestsystem weiterentwickelt, das heute weltweit unter dem Namen Endosafe PTS™ angeboten wird. Es liefert in nur 15 Minuten quantitative Messergebnisse.

Ein Nachteil des LAL-Tests ist seine Begrenzung auf den Nachweis von Endotoxin. Auf (weniger bedeutsame) andere Pyrogene spricht er nicht an. Aus diesem Grund werden Biologica und Blutprodukte vor allem in Europa nach wie vor an Kaninchen getestet. Deshalb entwickelten junge Forscher der Universität Konstanz, darunter Thomas Hartung, der heutige Leiter des European Center fort he Validation of Alternative Methods (ECVAM) in Ispra am Lago Maggiore, schon vor Jahren in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen (ZEBET) des BfR einen Test, bei dem eine geringe Blutmenge von gesunden menschlichen Spendern mit der Testsubstanz vermischt werden. Sind darin Pyrogene enthalten, bilden die Leukozyten den Botenstoff Interleukin-1. Dieser lässt sich mithilfe der Immun-Fluoreszenz (ELISA) nachweisen. Auch dieser inzwischen von ECVAM validierte und seit Dezember 2007 der European Medicines Agency (EMEA) als Richtlinienentwurf für die Europäische Pharmakopöe vorliegende „PyroCheck“-Test wird von Charles River in Europa angeboten. Nach Aussage von Beate Knörzer, der zuständigen Verkaufsleiterin, ist dieses Testsystem jedoch, im Unterschied zu Endosafe PTS™, bislang alles andere als ein kommerzieller Renner. Noch immer werden Tests an Kaninchen durchgeführt, weil Hersteller der betroffenen Produkte auf Nummer sicher gehen möchten. Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht am guten Willen der Toxikologen und der Behörden hängt, wenn der Ersatz von Tierversuchen nur langsam voran kommt.

Walter Aulmann, leitender Toxikologe der Henkel KGaA in Düsseldorf, sieht deshalb kaum Chancen, die in der EU-Kosmetik-Richtlinie und von REACh vorgegebenen Fristen einzuhalten, zumal der von der EU beschlossene gleichzeitige Übergang zum Globally Harmonised System (GHS) der Chemikalieneinstufung zusätzliche Arbeit bedeutet. Aber er sieht durchaus Möglichkeiten, durch intelligente Testplanung, die Nutzung bereits vorhandener Produktdaten und gewisse Tricks den durch REACh erzeugten Versuchstierbedarf von 40 Millionen auf etwa 9 Millionen Exemplare zu reduzieren, sofern die zuständigen Zulassungs- und Aufsichtsbehörden mitspielen.

Werde im Sinne des in REACh Anhang XI verwendeten Begriffs „Weight of Evidence“ auch auf bereits vorhandene ältere Testdaten und Ergebnisse von neuen in-vitro-Tests zurückgegriffen, könne man sich viele langwierige Tierversuche sparen. Dabei dürften aber nur positive Befunde verwertet werden. Voraussetzung dafür wäre die Veröffentlichung aller bis dato verfügbaren toxikologisch relevanten Stoffdaten. Im Einklang mit der EU-Zubereitungsrichtlinie von 1988 sei es überdies möglich, die Registrierung von Komplexestern zu vereinfachen, indem man auf die Testdaten ihrer Hydrolyseprodukte zurückgreift. Schließlich erübrigten sich viele Tierversuche, wenn beweisbar sei, dass die Exposition mit bestimmten bedenklichen Stoffen niedrig bleibe.

Auch Aulmann betont: „Alle diese Vereinfachungen erfordern eine Abstimmung mit den zuständigen Behörden und internationale Konventionen. Nur so können international tätige Unternehmen die für sie unabdingbare Planungs- und Rechtssicherheit erlangen.“ Da trifft es sich gut, dass nunmehr auch bislang gegenüber REACh eher skeptisch eingestellte US-Behörden wie die National Institutes of Health (NIH), das National Human Genome Research Institute (NHGRI), das National Chemical Genomics Center (NCGC) und die Environment Protection Agency (EPA) den europäischen Zulassungsbehörden eine enge Kooperation bei der Entwicklung und Verbesserung tierfreier Testmethoden anbieten.

Edgar Gärtner

(erschienen in: Chemische Rundschau Nr. 3 vom 17. März 2008, VS-Medien, CH-Solothurn)

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Vorsicht beim Transport von Peressigsäure

Die zu recht oder zu unrecht an die Wand gemalte Gefahr einer Vogelgrippe-Pandemie lässt in der Geflügelzucht den Bedarf am Desinfektionsmittel Peressigsäure (PES) hochschnellen. Doch dieses als besonders umweltfreundlich geltende organische Peroxid erfordert besondere Sorgfalt bei Verpackung und Transport.

Gegenüber kostengünstigen chlorierten Desinfektionsmitteln wie Kalium- oder Natrium-Hypochlorit („Eau de Javelle“) haben halogenfreie Desinfektionsmittel auf der Basis von Peressigsäure (PES) den Vorteil, weder dauerhaft die Gewässer zu belasten noch Rückstände in Nahrungsmitteln wie etwa Chloroform in Butter zu hinterlassen. Von Vorteil ist auch, dass PES bereits in niedriger Konzentration auch schon bei kühlen Temperaturen zwischen 4 und 20 °C mit hoher Sicherheit Viren, Bakterien sowie Pilze und deren Sporen abtötet. Das macht PES zum Mittel der Wahl für die Desinfektion von Geflügelmästereien, Molkereien, Brauereien, Feinkost- und Süßgetränkebetrieben sowie Großküchen.

Doch diese Vorzüge haben ihren Preis. Peroxyessigsäure (CH3CO-OOH) ist akut alles andere als harmlos. Die handelsüblichen Konzentrate von 5 bis 15 % PES, die aufgrund des chemischen Gleichgewichts gleichzeitig Wasserstoffperoxid (H2O2), Essigsäure, Wasser und manchmal einen für die Konzentrationsmessung nötigen Schwefelsäurezusatz enthalten, sind stark ätzend und brandfördernd. Oberhalb einer Konzentration von 17 % unterliegt PES dem Sprengstoffgesetz. Denn PES ist von Natur aus instabil. Sie zerfällt schon bei Zimmertemperatur langsam unter Freisetzung von Sauerstoff und Wärme in Essigsäure (CH3COOH). Dieser Zerfall kann bei höheren Temperaturen und/oder bei Anwesenheit von Katalysatoren gefährlich beschleunigt werden. Dann kann der frei werdende Sauerstoff in fest verschlossenen Transportgebinden rasch ein Druckpolster aufbauen und das Gefäß zum Bersten bringen. Das kann bei größeren Gebinden dramatische Folgen haben. Als Katalysatoren genügen schon Spuren von Zigarettenasche, Rost, Metallspänen oder Staub und Fasern von Putzlappen.

Deshalb hatten die Mitglieder des Industrieverbandes Hygiene und Oberflächenschutz für industrielle und institutionelle Anwendung (IHO) im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung bis 2004 darauf verzichtet, PES-Konzentrate in Großgebinden von über 220 Litern anzubieten und allen, die PES transportieren oder anwenden, dringend die folgenden Sicherheitsvorkehrungen empfohlen:

• PES-Produkte grundsätzlich kühl lagern.

• PES nur aus Originalgebinden dosieren.

• Tanklagerung vermeiden.

• Keine Verunreinigungen in die PES-Behälter gelangen lassen (z.B. durch das Einbringen ungeeigneter Sauglanzen).

• PES nur mit ausdrücklich zugelassen Materialien wie Glas und Porzellan bzw. den Kunststoffen PTFE, HDPE oder Hart-PVC in Kontakt bringen. (Da auch bei diesen grundsätzlich zugelassenen Kunststoffen Versprödungsgefahr besteht, ist bei PES-Konzentrationen über 5 % eine rezepturspezifische Prüfung der Gebinde erforderlich.) Kontakt mit Metallen wie vor allem Eisen, Aluminium und Kupfer absolut vermeiden.

• PES nicht in Leitungen und in Anlagen einschließen.

• Auf manuelles Umfüllen und Herstellen von Gebrauchslösungen verzichten.

Ende April 2004 hat der IHO diese Selbstverpflichtung dahingehend abgeändert, dass er nun wegen inzwischen erzielter Fortschritte auch Großpackmittel (IBC) bis zu einem Nennvolumen von 1.000 Litern akzeptiert, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

• Das Gewicht der Innenblase muss über 23 Kilo liegen.

• Im Gebinde muss eine Sauglanze mit Entnahmeadapter aus HDPE fest integriert sein. Es darf aber keinen Auslaufhahn am Boden haben.

• Das Gebinde muss einen Warmlagertest von 4 Tagen bei 55 °C und einen Falltest bestanden haben.

• Es muss eine verplombte Befüllöffnung mit Entgasungsventil aufweisen.

• Die Entgasungskapazität muss bei einem Druck von 0,2 bar höher als 220 Liter in der Stunde sein.

• Über der Belüftung muss eine zusätzliche verplombte Sicherheitsabdeckung mit dem Warnhinweis „Nicht öffnen!“ angebracht sein.

• Für sicher erachtet werden nur stabilisierte Produkte mit einen PES-Gehalt unter 17 und einem Gesamtaktivsauerstoffgehalt unter 16,5 Prozent.

• Diese Produkte müssen zweifelsfrei der Gefahrgruppe IV (schwer entzündbar) der Unfallverhütungsvorschrift „Organische Peroxide“ (BGV B4) zugeordnet werden können.

Seit dem 30. Juli 2004 unterliegt die Kennzeichnung von PES-Desinfektionsmitteln den in der EU-Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozidprodukten enthaltenen detaillierten Etikettierungsvorschriften, die in der deutschen Gefahrstoffverordnung (§ 12, Abs. 11 und § 54, Abs.7) umgesetzt wurden. Neben der Bezeichnung des Wirkstoffes und dessen Konzentration, der Zulassungsnummer, der Zubereitungsart (Flüssigkeit, Granulat, Pulver usw.), dem Verwendungszweck und den zugelassenen Anwenderkategorien muss nach deren Artikel 20, Absatz 3 auf beigefügten Merkblättern oder direkt auf der Verpackung nun auch die Chargennummer und das Verfallsdatum der Formulierung angegeben sein.

Neben der Biozidrichtlinie müssen auch die EU-Richtlinie 1999/45/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen und die ältere EG-Richtlinie 67/548/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (umgesetzt im deutschen Chemikaliengesetz) auf den Produktetiketten beachtet werden. Deutlich les- und unverwischbar müssen auf jeder Verpackung die Bezeichnung bzw. der Handelsname der Zubereitung, der Name und die vollständige Anschrift mit Telefonnummer der in der EU niedergelassenen Person, die für deren Inverkehrbringen verantwortlich ist, die chemische Bezeichnung der in der Zubereitung enthaltenen Stoffe, ein Hinweis auf deren besondere Gefahren (R-Sätze), Sicherheitsratschläge und Erste-Hilfe-Anleitungen (S-Sätze) sowie ausreichend große Gefahrensymbole an mehreren Stellen angebracht werden. Hinzu kommen zusätzliche Gefahrenkennzeichen und -zettel entsprechend dem ADR mit der UN-Nummer des verpackten Produkts.

Die ADR-Vorschriften für den Transport von PES-Produkten unterscheiden sich je nach der PES-Konzentration. Bestimmte gebrauchsfertige Desinfektionsmittel mit einem PES-Gehalt von lediglich 0,35 und einer Wasserstoffperoxid-Konzentration von unter 8 Prozent in wässriger Lösung unterliegen gar nicht dem ADR. Produkte mit einem PES-Gehalt von unter 5 Prozent, die mithilfe von mindestens 20 und höchstens 60 Prozent Wasserstoffperoxid stabilisiert sind, unterliegen dem ADR (UN-Nr. 3149). Sie gelten nur dann als thermisch stabil, wenn ihre Selbstzersetzung im Laborversuch erst oberhalb von 60 Grad Celsius beginnt. Sie werden der Gefahrenklasse 5.1 (entzündend wirkende Stoffe) zugerechnet können in geeigneten Versandstücken von 50 Kilogramm von Endanwendern relativ problemlos transportiert werden.

Produkte mit einem PES-Gehalt zwischen 5 bis 15 Prozent (UN 3109) werden jedoch der speziellen Gefahrstoffklasse 5.2 (organische Peroxide) zugeordnet. Solche Produkte gehören nicht in die Hand von Laien. Die für ihren Transport verwendeten Großpackmittel (IBC) müssen den Anforderungen der Verpackungsgruppe II (mittlere Gefahr) entsprechen. Für diese gelten die oben aufgezählten Selbstverpflichtungen und Hinweise des IHO. Nicht stabilisierte organische Peroxide (Typ A) sind überhaupt nicht zur Beförderung zugelassen und tragen folglich auch keine UN-Nummern.

Bei dieser Vielzahl von Sicherheitsinformationen und Ratschlägen zu einer Produktgruppe ist es leicht vorstellbar, dass insbesondere Anwender im ländlichen Raum manchmal die Übersicht verlieren. Wie wenig ernst die Warnungen mitunter genommen werden, zeigt ein Unfall mit Todesfolge, der sich im Sommer 2005 bei Garrel im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen ereignete. Ein kleinerer Putenmäster, der nebenbei gewerblich Dienstleistungen wie die Stalldesinfektion anbot, transportierte in einem Lieferwagen mehrere 50-Liter-Kanister mit Desinfektionsmitteln unbekannter Zusammensetzung. Dabei zerbarst einer der Kanister. Sein Inhalt ergoss sich über den Fahrer, der später in einer Spezialklinik in Hannover seinen schweren Verätzungen erlag. Auch Passanten auf einem vorbeiführenden Radweg, die sich als Ersthelfer betätigten, wurden zum Teil schwer verletzt. Intensiver Essiggeruch an der Unfallstelle und an den Trümmern des Gebindes, das in der Berliner Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) untersucht wurde, kann als untrügliches Zeichen für die Beteiligung von PES gelten.

Doch scheint das Unfallopfer PES regelwidrig umgefüllt und mit einer weiteren ätzenden Flüssigkeit (Ameisensäure oder Formaldehyd) gemischt zu haben. Jedenfalls transportierte er die Zubereitung nicht in den vom regionalen Chemikalienhandel einzig vertriebenen blauen Rücknahmegebinden, sondern in grünen Behältern. Ob die für diesen Zweck geeignet waren, ist fraglich. Zumindest die Staatsanwaltschaft Oldenburg, die dem Verdacht nachging, das Unfallopfer könne vom Chemikalienhandel mit unsachgemäß verpackten oder etikettierten PES-Konzentraten beliefert worden sein, schloss in ihren im März 2006 abgeschlossenen Ermittlungen ein Fremdverschulden am beschriebenen Gefahrgutunfall aus.

Dass der Verdacht auf Fremdverschulden nicht ganz abwegig war, zeigt das kürzlich veröffentlichte Ergebnis einer vom nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministerium (MUNLV) durchgeführten Schwerpunktuntersuchung über die Kennzeichnung potenziell gefährlicher Biozid-Produkte. Nur bei acht von insgesamt 94 untersuchten Produkten (darunter 14 Stalldesinfektions- oder Heimtiersprays) gab es keine Beanstandungen! Um zu vermeiden, dass sich tödliche Unfälle mit Biozidprodukten im Zuge der Vorbeugung oder Bekämpfung der Vogelgrippe häufen, wäre es nun an der Zeit, besser auf die Umsetzung der Etikettierungsvorschriften der EU-Biozidrichtlinie zu achten.

Edgar Gärtner

(veröffentlicht in: Chemische Rundschau, VS-Medien, CH-Solothurn, Nr. 6/2006)

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Verunsicherung über PVC-Weichmacher in der EU

Das von der EU Ende 2005 ausgesprochene Verbot von 6 Phthalaten in Baby-Spielzeug beeinflusst auch die Risikobewertung von PVC-Anwendungen in Medizinprodukten.

Im April 2006 veröffentlichte die EU-Kommission endlich drei von insgesamt fünf seit den 90er Jahren bei Instituten verschiedener EU-Mitgliedsstaaten erarbeiteten Risikobewertungen von Phthalaten auf der Basis der EU-Altstoffrichtlinie 793/93/EWG im Amtsblatt der EU (C90/04). Darunter befand sich zum einen Di-butyl-phthalat (DBP), das als „fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2“ eingestuft wird. Dieses Phthalat wird ohnehin nur in sehr geringen Mengen eingesetzt. Dagegen sind die beiden anderen Phthalate, die Gegenstand der Risikobewertungen waren, seit der Jahrtausendwende zu den am häufigsten verwendeten Weichmachern in PVC-Produkten wie Kabeln, Fußbodenbelägen, Planen, Folien, Regenbekleidung, Verpackungen und Spielsachen geworden. Es handelt sich um Di-isononyl-phthalat (DINP) und Di-isodecyl-phthalat (DIDP), die den bisherigen Standardweichmacher Di(2-ethylhexyl)-phthalat (DEHP) entthront haben.

Gerade DINP hat in einer 2003 vom EU Joint Research Institute (IRC) in Ispra/Italien veröffentlichten Risk Assessment Report der auf einer seit 1995 von drei französischen Instituten erarbeiteten Risikoabschätzung beruht, beste Noten erhalten. Es heißt dort: “The end products containing DINP (clothes, building materials, toys and baby equipment) and the sources of exposure (car and public transport interiors, food and food packaging) are unlikely to pose a risk for consumers (adults, infants and newborns) following inhalation, skin contact and ingestion.” Das hat das Europäische Parlament und den EU-Rat nicht davon abgehalten, auch diesen Weichmacher in das am 14. Dezember 2005 durch die 22. Änderung der Richtlinie 76/769/EWG ausgesprochene Verbot der Verwendung von Phthalaten in Kleinkinder-Spielzeug und Babyartikeln einzubeziehen.

Ausgelöst wurde die Konfusion durch eine emotionale Kampagne der Organisation Greenpeace in den 90er Jahren. Darin ging es nicht um DINP, sondern fast ausschließlich um DEHP. Dieses wurde mit verkümmerten Penissen und anderen Missbildungen in Zusammenhang gebracht und galt geradezu als Prototyp einer hormonell wirksamen Chemikalie. DEHP stand ursprünglich auch im Mittelpunkt des nun ab Januar 2007 geltenden Phthalatverbots in Babyartikeln, dem insgesamt 19 provisorische Verbote vorausgingen. Neben DEHP, das längst nicht mehr in Spielsachen verwendet wird, stehen aber auch DBP und BBP sowie DINP und DIDP auf der Verbotsliste, was einer Sippenhaft gleichkommt. Schließlich wird in der Liste auch Di-n-octylphthalat (DNOP) aufgeführt, obwohl es schon seit über einem Jahrzehnt gar nicht mehr produziert wird.

DEHP war schon in den 80er Jahren in Verruf geraten, weil es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Zeitlang aufgrund voreilig interpretierter Rattenexperimente als möglicherweise Leberkrebs auslösend eingestuft worden war. Nachdem diese Fehleinschätzung korrigiert war, konnten G.W. Wolfe und K.A. Layton im Jahre 2003 den Verdacht, DEHP beeinträchtige die Fortpflanzung, durch Rattenexperimente erhärten. In Mehrgenerationen-Studien zeigten männliche Ratten der 2. Generation ein deutlich niedrigeres Hodengewicht, eine verringerte Spermienzahl, fortbestehende Milchleisten usw. Auf der Basis dieser Befunde, über deren Ursachenkette es bislang nur Vermutungen gibt, ermittelte Wolfe einen NOAEL (No Oberserved Adverse Effect Level) von 4,8 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht. Daraus lässt sich für den Menschen ein TDI (Tolerable Daily Intake) von 48 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht am Tag ableiten.

Wie die Auswertung von Urinproben zeigt, wird dieser Vorsorge-Grenzwert im Allgemeinen problemlos eingehalten. Das gilt aber nicht für Risikogruppen wie künstlich ernährte Frühgeborene oder Dialysepatienten, die mithilfe von Weich-PVC-Schläuchen mit einem DEHP-Anteil von bis zu 50 Prozent versorgt werden. Da sich DEHP als lipophile Substanz leicht im Blut löst, können bei der Blutwäsche beträchtliche Mengen des Weichmachers in das Blut übertreten. Dialysepatienten können über die Jahre leicht einen halben Liter DEHP aufnehmen. Ob das negative Auswirkungen auf ihren Organismus hat, lässt sich wegen ihrer im Schnitt noch immer kurzen Lebenserwartung aber nicht ermitteln. Viel problematischer erscheint der DEHP-Einsatz in Infusions- und Intubationsbestecken für die Versorgung von Frühchen oder in gastrointestinalen Sonden für die enterale Ernährung von Kleinkindern. Diese kommen mit der vermutlich hormonell aktiven Substanz zu einem Zeitpunkt in Berührung, an dem ihre Geschlechtsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Ausgerechnet bei solchen PVC-Anwendungen konnte DEHP aber nicht durch das günstigere DINP ersetzt werden, da dieses nicht die dort geltenden Anforderungen an die Flexibilität und Tieftemperaturzähigkeit erfüllt. Insbesondere in Blutbeuteln erwies sich Weich-PVC aber als alternativlos, da es als einziger Kunststoff so haltbar verschweißt werden kann, dass die Nähte dem Zentrifugieren und dem Einfrieren standhalten. Nicht zuletzt verhindert PVC die Blutgerinnung an den Beutelwänden und verlängert so die Haltbarkeit von Blutkonserven beträchtlich. Deshalb hat auch das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn noch im Mai dieses Jahres lediglich Risikominimierungsmaßnahmen wie bessere Kennzeichnungen und Gebrauchsanweisungen für DEHP-haltige Artikel sowie verstärkte Anstrengungen zur Entwicklung risikoärmerer Weichmacher gleichwertiger Qualität für besonders belastete Patientengruppen, aber keinen Verzicht auf PVC in Medizinprodukten empfohlen.

Inzwischen gibt es für diese sensiblen Anwendungen erste gut untersuchte Alternativen zu DEHP. In Deutschland hat die BASF in Ludwigshafen seit 1997 gezielt nach einem Molekül gesucht, das DEHP so weit ähnelt, dass es ohne aufwändige Verfahrensumstellungen als DEHP-Ersatz verwendet werden kann. Dabei kamen die Forscher darauf, die Phthalsäure mit ihrem verdächtigen planaren aromatischen Kohlenstoffring durch das sesselförmige Cyclohexan zu ersetzen. Das Ergebnis war Di-isononylcyclohexan-1,2-dicarboxylat (DINCH). Es zeichnet sich gegenüber DEHP durch eine etwa achtmal geringere Migrationsrate aus, ist aber nur unwesentlich teurer. Als einziger ernst zu nehmender Konkurrent gilt derzeit der US-Konzern Eastman, der Di(2-ethylhexyl)terephthalat (DEHTP) anbietet.

In Deutschland ist DINCH bereits für den Nahrungsmittelkontakt zugelassen. Die Anerkennung durch die EU-Agentur für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) in Parma/Italien steht bevor. Bislang hat aber nur ein Hersteller von Magensonden (Pfrimmer-Nutricia) seine Produkte auf DINCH umgestellt. Die andern zögern, da es noch immer keine Evidenz für adverse Effekte von DEHP beim Menschen gibt. Dagegen wird der Einsatz von DINCH infolge des Phthalatverbots in Baby-Spielsachen nun in der Spielwarenindustrie zum Standard.

Edgar Gärtner

(veröffentlicht in: Kunststoffe-Synthetics, VS-Medien, CH-Solothurn, Nr. 9/2006)

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REACh funktioniert wahrscheinlich nur auf dem Papier

Die umstrittene EU-Verordnung über die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Stoffen wird voraussichtlich schon im Juni 2007 in Kraft treten. Aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten sind Startschwierigkeiten und volkswirtschaftliche Verluste programmiert.

Am 27. Juni 2006 hat der Europäische Rat seine bereits vor Weihnachten 2005 skizzierten Gemeinsamen Standpunkt zur REACh-Verordnung in ausformulierter Form angenommen und dem Europäischen Parlament für die Zweite Lesung unterbreitet. Diese wird im Herbst stattfinden. Da es vor allem über die Genehmigung problematischer, d.h. krebserregender, erbgutschädigender und schwer abbaubare Stoffe nach Anhang VII noch Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rat und dem Parlament gibt, werden die Fraktionen des EP versuchen, noch Veränderungen am Text der Verordnung durchzusetzen. Doch vermutlich wird eine deutliche Mehrheit der Parlamentarier nicht so lange darauf beharren, dass nach der Zweiten Lesung ein Vermittlungsausschuss eingesetzt werden müsste. Denn dadurch würde sich die endgültige Verabschiedung der Verordnung um weitere 12 Wochen verzögern.

Da es sich bei REACh um das ambitionierteste Regulierungsvorhaben handelt, das jemals in Angriff genommen wurde, gibt es nun einen enormen politischen Druck, fünfeinhalb Jahre nach der Veröffentlichung des „Weissbuches zur Chemikaliensicherheit“ durch die EU-Kommission endlich zu einer Einigung zu gelangen. Da haben auch die insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen weiter bestehenden Zweifel an der Rechtfertigung und Durchführbarkeit wichtiger Bestimmungen der bis jetzt im Parlament und im Rat ausgehandelten Regelungen kaum noch Chancen, berücksichtigt zu werden. Der REACh-Zug ist abgefahren. Ob das inzwischen immerhin um einiges abgespeckte Regulierungsvorhaben auch zur Verbesserung des Umwelt- und Gesundheitsschutzes wird beitragen können, erscheint hingegen als wenig wahrscheinlich.

Finden EP und Rat noch vor Weihnachten einen Kompromiss, dann tritt die REACh-Verordnung schon im Frühjahr 2007 in Kraft. Ihre Umsetzung kann aber erst nach einem Jahr mit der Vorregistrierung der zirka 30.000 „Altstoffe“, die in Mengen von über einer Jahrestonne verwendet werden, beginnen, wenn die Europäische Chemikalienagentur (EChA) in Helsinki ihre Arbeit aufgenommen haben wird. Noch immer bestehen erhebliche Zweifel, ob es gelingen wird, für diese nun mit großen Machtbefugnissen bei der Bewertung und Zulassung von Stoffen ausgestattete Behörde rechtzeitig genügend qualifiziertes Personal zu finden. Für die Vorregistrierung selbst stehen dann nur sechs Monate zur Verfügung. Für die junge Agentur und für das ganze REACh-System dürfte dieser knapp bemessene Zeitraum zur ersten großen Belastungsprobe werden, auch wenn das Europäische Chemikalienbüro (ECB) am Joint Research Center der EU in Ispra/Italien inzwischen modernste Software erarbeitet hat, mit deren Hilfe Vorregistrierung und Registrierung in standardisierter Form über das Internet abgewickelt werden können.

Zur Erinnerung: Am 17. November 2005 hatten sich unterschiedliche Koalitionen im EP einerseits für gewisse Erleichterungen bei der Registrierung kleinvolumiger Stoffe, andererseits aber für eine Erschwerung der Zulassung genehmigungspflichtiger Substanzen und eine Substitutionspflicht für als problematisch erachtete Stoffe ausgesprochen. Der Europäische Rat hat am 13. Dezember 2005 diese Verschärfung der Zulassungsbedingungen übernommen und gleichzeitig die vom EP vorgeschlagenen Erleichterungen der Registrierung größtenteils wieder rückgängig gemacht.

Die Vorregistrierung von Phase-in-Substanzen erfordert nach dem Votum des EP lediglich die Angabe des Namens und der Adresse des Herstellers (oder eines Vertreters), sowie der Bezeichnung der Substanz, eine kurze Beschreibung der bekannten Verwendungen und Expositionskategorien sowie eine Liste der Verwendungen, die registriert werden sollen. Der Rat fordert zusätzlich Informationen über vorliegende quantitative Struktur-Wirkungs-Abschätzungen (QSAR) und die Angabe des voraussichtlichen Zeitpunktes der Registrierung. Firmen, die das Zeitfenster für die Vorregistrierung verpassen und die Verwendung REACh unterworfener Stoffe nicht anmelden, verlieren die „Altstoffen“ zugestandene Vorzugsbehandlung und müssen ihre Roh- und Hilfsstoffe, sobald ihr Gesamtbedarf eine Tonne übersteigt, wie Neustoffe registrieren lassen. 18 Monate nach Beendigung der Vorregistrierung veröffentlicht die EChA alle in ihrer Datenbank registrierten Angaben im Internet.

Die Registrierung beginnt parallel zur Vorregistrierung mit den „Großstoffen“, deren Jahresproduktion 1000 Tonnen überschreitet, sowie den als „prioritär“ eingestuften kleinvolumigen Stoffen. Diese soll nach drei Jahren abgeschlossen sein. In den folgenden drei Jahren stehen die Stoffe mit einer Jahresproduktion zwischen 100 und 1000 Tonnen zur Registrierung an. Für die Registrierung der Stoffe, die nur in der Größenordnung zwischen einer und 100 Jahrestonnen hergestellt oder importiert werden, stehen weitere fünf Jahre zur Verfügung. Vor allem mittelständische Unternehmen, die kleinvolumige Spezialitäten und Zubereitungen anbieten, haben also noch bis Mitte 2018, um die Verordnung umzusetzen. Wie zu hören ist, betrachten etliche von ihnen die verbleibenden 11 Jahre als Gnadenfrist vor der Geschäftsaufgabe, weil sie sich schlecht vorstellen können, mit ihren bescheidenen finanziellen und personellen Ressourcen den neuen Anforderungen nachkommen zu können.

Das gilt zum Beispiel für die Verpflichtung der Mitarbeit in Substance Information Exchange Foren (SIEF), die vor allem dazu dienen sollen, die Zahl von Tierversuchen zu minimieren und zu einer einheitlichen Klassifizierung und Etikettierung von Stoffen zu gelangen. Die SIEF-Teilnehmer müssen in den 20 Monaten nach dem Inkrafttreten der Verordnung Informationen über bereits vorhandene Stoffuntersuchungen austauschen, um erkennen zu können, welche Studien noch benötigt werden, um den REACh-Anforderungen zu genügen. Studien auf der Basis von Versuchen mit Wirbeltieren sollen allen SIEF-Teilnehmern auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden. Deren Eigentümern bleiben nach einer an sie gerichteten Anfrage nur zwei Wochen, um die Kosten ihrer Studie zu belegen. Die Teilung der Kosten innerhalb eines SIEF soll „fair, transparent und nicht diskriminierend“ erfolgen. Nach den Vorstellungen des Rates soll die EChA sogar die unentgeltliche Herausgabe von Testdaten verlangen können, wenn im SIEF keine finanzielle Einigung erzielt wird. In der Praxis dürfte, wie die Umsetzung der bereits in Kraft getretenen EU-Biozidrichtlinie zeigt, die Kostenteilung je Kopf und nicht nach Umsatz zum Regelfall werden, was umsatzschwache SIEF-Teilnehmer aus dem Mittelstand benachteiligen würde. Neue Tests, die Versuche an Wirbeltieren erfordern, müssen gemeinsam durchgeführt werden. Bei Tests mit wirbellosen Tieren sieht das EP, im Unterschied zum Rat, Opt-Out-Klauseln vor.

Die für die Registrierung von Stoffverwendungen notwendigen Informationen müssen in technischen Dossiers zusammengefasst werden. Bei den etwa 20.000 kleinvolumigen Altstoffen zwischen einer und 10 Jahrestonnen sind detaillierte Angaben über die akute Toxizität, die biologische Abbaubarkeit usw. nur dann nötig, wenn sie als „prioritär“ bzw. „of very high concern“ (VHC) eingestuft werden, d.h. wenn die begründete Vermutung besteht, dass es sich dabei um krebserregende, fruchtschädigende bzw. „vergleichbar Besorgnis erregende Stoffe“ handelt. Soweit bereits vorhanden, sollen die Firmen solche Daten aber auch für die übrigen Stoffe vorlegen. Ansonsten genügen Angaben über die physikalisch-chemischen Eigenschaften (spezifisches Gewicht, Schmelzpunkt, Dampfdruck, Flammpunkt usw.). Diese Daten liegen in Deutschland aufgrund einer schon 1997 vom VCI gegenüber dem Bundesumweltministerium (BMU) abgegebenen Selbstverpflichtung bereits vor. Auf welche Weise sie dem Mittelstand zugänglich gemacht werden, wird noch diskutiert.

Bei Stoffen, deren Produktion bzw. Import 10 Jahrestonnen übersteigt, müssen zusätzlich Daten über die akute und Algentoxizität, die biologische Abbaubarkeit und weitere Angaben nach Anhang VI der Verordnung beschafft bzw. generiert werden. Diese Daten bilden die Grundlage für die ab dieser Stufe vorgeschriebenen Stoffsicherheitsberichte (CSR). Für Stoffe ab 100 bzw. 1000 Jahrestonnen gelten zusätzlich die im Anhang VII bzw. in den Anhängen VII und VIII aufgelisteten aufwändigeren Testanforderungen wie 28- bzw. 90-Tage-Tests usw. Das deutsche Bundeswirtschaftsministerium hält sich zugute, durchgesetzt zu haben, dass nur ein Teil der vorgesehenen Tests den aufwändigen GLP-Standards der OECD genügen muss.

Um die Kosten zu begrenzen und die Zahl der Tierversuche gering zu halten, sind Hersteller, Importeure und Verarbeiter, die die gleiche Stoffverwendung registrieren lassen wollen, nach dem Prinzip „One Substance, One Registration“ (OSOR) verpflichtet, sich zu Konsortien zusammenzuschießen. Es gibt aber die Möglichkeit eines „Opt-out“ – und zwar, wenn eine gemeinsame Registrierung für einzelne Konsortienteilnehmer unverhältnismäßig kostspielig wäre, wenn sie Geschäftsgeheimnisse preisgeben müssten oder wenn sie sich mit dem Konsortienführer nicht über die Auswahl kritischer Informationen einigen können. Hier liegt ein großes Konfliktpotential, zumal ungeklärt ist, wie Unternehmen zu behandeln sind, die sich zu einem späteren Zeitpunkt bereits arbeitenden Konsortien anschließen möchten.

Es ist zu befürchten, dass etliche kleinvolumige, aber schwer ersetzbare Additive und Hilfsstoffe der Kunststoff-, Textil-, Leder- oder Papierindustrie völlig vom Markt verschwinden werden, weil sich ihre Hersteller den großen Aufwand für die Registrierung nicht leisten können. Wie viele Stoffe das sein werden, vermag aber derzeit niemand realistisch abzuschätzen. Erhardt Fiebiger, der Geschäftsführer der Zschimmer & Schwarz GmbH & Co KG (Lahnstein) hat kürzlich an Hand konkreter Beispiele auf diese Gefahr hingewiesen. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt (AgPU) im Juni in Bonn berichtete Dr. Gabriele Brenner von der Konrad Hornschuch AG (Weißbach), einem bekannten mittelständischen Hersteller von Selbstklebefolien (d-c-fix) und Kunstleder (skai), erste Vorprodukte würden der Firma unter Hinweis auf REACh bereits nicht mehr geliefert. Da die Suche nach Alternativen aber Jahre in Anspruch nehmen kann, ist nicht auszuschließen, dass in naher Zukunft verschiedene kleinvolumige und daher unauffällige Additive und Hilfsstoffe auf Grau- oder Schwarzmärkten gehandelt werden.

Deshalb ist die Einbeziehung der Verarbeiter (downstream users) in den Prozess der Expositionsabschätzung, Risikobewertung und die Abfassung der CSR besonders konfliktträchtig. Die Konsortienführer können kaum Interesse daran haben, in den CSR auch in ihren Augen „nebensächliche“ und unverhältnismäßig teure Stoffanwendungen zu berücksichtigen. Werden REACh-pflichtige Stoffe verwendet, die nicht im Expositionsszenario berücksichtigt wurden, das dem CSR zugrunde liegt, müssen die Anwender eigens einen CSR erstellen, sofern ihr Einsatz eine Jahrestonne übersteigt. Andererseits bekommen Hersteller oder Importeure von Stoffen von ihren Kunden oft keine Auskunft über deren Verwendung. So berichtete zum Beispiel ein Vertreter der Henkel KGaA auf einer von Ciba Expert Services (Basel) gesponserten Konferenz über REACh und die Verpackungsindustrie Anfang Juli in Madrid, dass Anwender von Produkten der Klebstoffsparte Fragebögen über deren vorgesehene Verwendung oft nicht beantworten. Durch die Einführung breiterer Expositionskategorien, die schon vor Jahren vom deutschen Chemieverband und vom Freiburger Öko-Institut vorgeschlagen worden war, wurde dieser Konfliktherd nur teilweise entschärft.

An solchen Beispielen zeigt sich, dass wichtige Informationen oft nicht dort verfügbar sind, wo man sie braucht. Darauf weist auch in aller Deutlichkeit der Abschlussbericht des strategischen Partnerschaftsprojekts PRODUCE (Piloting REACH On Downstream Use and Communication in Europe) hin. Auf Anregung des Unilever-Konzerns wurde PRODUCE gestartet, um zu testen, ob die Kommunikation zwischen den Chemikalienherstellern bzw. -importeuren und den Herstellern von Produkten für den Endverbrauch funktioniert. Partner des Projekts waren drei Generaldirektionen der EU-Kommission, vier EU-Mitgliedsstaaten sowie einige Lieferanten und Anwender von Chemikalien. Beobachtet von einer Multi-Stakeholder-Steuerungsgruppe unter Vorsitz des niederländischen Grünen Europa-Abgeordneten Alexander de Roo, führten die Partner des Projekts ein realitätsnahes Planspiel durch. Die Bilanz de Roos, eines glühenden Verfechters von REACh, fiel ernüchternd aus: „REACH is extremely time-consuming and hard to grasp in its entirety but it is not unworkable.” Insbesondere weist der Abschlussbericht von PRODUCE darauf hin, dass die Verarbeiter in der Regel nicht das Gesamtvolumen eines von ihnen verwendeten Stoffes kennen können und daher gar nicht wissen, ob er im konkreten Fall REACh unterworfen ist. Charles Laroche, Vice President von Unilever (Brüssel) erwartet deshalb einen schwierigen Start von REACh: „Consumer trust will get worse before getting better“, erklärte er auf der Konferenz über REACh und die Verpackungsindustrie in Madrid.

Auch der Umgang mit Geschäftsgeheimnissen wurde im Rahmen des PRODUCE-Projektes kritisch eingeschätzt. Das gelte insbesondere für Bestandteile von Zubereitungen. Für deren adäquate Behandlung in Expositionsszenarios und Risikoabschätzungen gebe es keinen Königsweg. Der Bericht verweist hier auf die Möglichkeiten, die Branchenverbände der Wirtschaft bzw. Wertschöpfungsketten übergreifende Initiativen wie HERA bieten. Ob es dadurch gelingen wird, den Ängsten kleinerer Unternehmen vor Know-how-Klau die Grundlage zu entziehen, bleibt dahin gestellt. Sobald Stoff- und Produktdaten erst einmal im Internet stehen, scheint es extrem schwer, Neugierige davon abzuhalten, ihre Nase mithilfe von Suchmaschinen tiefer in die Materie zu stecken. Das räumte auch Dr. Uwe Lahl, der im deutschen Bundes-Umweltministerium (BMU) für REACh zuständig ist, in einem im März vom VCI und der IG BCE in Berlin veranstalteten Workshop der Reihe „Gesprächsstoffe“ ein.

Wegen der Marktmacht großer Konsumgüter-Anbieter wie Procter & Gamble oder Unilever besteht überdies die reale Gefahr, dass mittelständische Unternehmen ihre Rolle als eigenständige Innovationsmotoren verlieren und zu passiven Auftragnehmern großer Konzerne werden – sofern sie nicht von billigeren Konkurrenten aus Fernost ganz aus dem Markt gedrängt werden. Nur große Konsumgüterkonzerne wären dann noch in der Lage, durch ihren kurzen Draht zur EU-Kommission bzw. ihr Gewicht in Stakeholder-Foren oder Steuerungsgruppen Neuerungen durchsetzen zu können bzw. als politisch korrekt anerkannt zu bekommen. Immerhin bringt REACh denen, die es sich in Zukunft noch leisten können, neue Stoffe zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, deutliche Vorteile gegenüber bisherigen Regelungen. Darauf wies Sue Anderson, die Chefin von Ciba Expert Services, auf der erwähnten Konferenz in Madrid hin. Vor allem werde sich die Zeitspanne bis zur Markteinführung neuer Stoffe deutlich verkürzen und Neuerungen würden durch eine fünfjährige Freistellung (mit Verlängerungsmöglichkeit) von der Registrierungspflicht ermutigt.

Die Begünstigung großer Marktteilnehmer dürfte noch deutlich verstärkt werden durch die Verschärfung der Stoffzulassungs-Bedingungen, für die das EP sich am 17. November 2005 ausgesprochen hat. Nach der vom EP verabschiedeten Version des Artikels 52 der REACh-Verordnung sollen VHC-Stoffe nur noch dann zugelassen werden, wenn keine Alternativen verfügbar sind und wenn ihr gesellschaftlicher Nutzen die Risiken ihres Einsatzes rechtfertigt. Nicht der sichere Umgang mit potentiell gefährlichen Stoffen, sondern ihre durch das Vorsichtsprinzip begründete Substitution um beinahe jeden Preis wird als das Ziel von REACh hingestellt.

Der vom EP formulierte Artikel 56 fordert, die in Art. 54 definierten VHC-Substanzen, die einer Zulassung bedürfen, in einem neuen Anhang (Annex XIII, jetzt: XIV) aufzulisten. Diese „Kandidatenliste“ wurde inzwischen zum Gegenstand heftiger Polemik. Denn es besteht die reale Gefahr, dass dieses Verzeichnis verdächtiger Stoffe sowohl von Umweltgruppen als auch von reputationsgefährdeten Konsumgüterherstellern als „Schwarze Liste“ interpretiert wird. So erklärte die amerikanische Handelskammer in Europa (AmChamEU) in einem im April 2006 veröffentlichten Positionspapier: “It is expected/feared that this list will be used by Green NGOs and their Governmental supporters to force companies to not use these substances before they have an opportunity to be authorised and while REACh allows for their lawful use.” AmChamEU sieht in der “Kandidatenliste” ein ungerechtfertigtes Handelshemmnis und hat bereits Klagen bei der WTO angekündigt. Der deutsche Chemieverband schloss sich in einem am 22. Mai veröffentlichten Statement zum EP-Votum den Befürchtungen der Amerikaner an. Dennoch hat der EU-Rat in seiner Gemeinsamen Position am Anhang XIV festgehalten.

Dagegen hat der Rat die vom EP in Art. 59 (früher: 57) eingeführte Befristung der Zulassung auf höchstens fünf Jahre zurückgenommen. Nun soll die EChA von Fall zu Fall entscheiden, in welchen Abständen die jeweilige Zulassung überprüft werden soll. Ob die Unternehmen damit an Rechts- und Investitionssicherheit gewinnen, bleibt dahingestellt. Ohnehin ist es offen, ob die Mehrheit des EP in Zweiter Lesung aufgrund schwieriger Kompromisse bzw. Kuhhändeln zwischen den Fraktionen und wegen des starken Drucks durch Umweltverbände wie Greenpeace oder WWF nicht doch auf ihrer in Erster Lesung eingeschlagenen harten Linie bleibt und auf der Pflicht zur Substitution besonders besorgniserregender Stoffe beharrt. Weil er offenbar Schlimmes ahnt, hat deshalb Bundeswirtschaftsminister Michael Glos Anfang Juli bei einem Gespräch mit EP-Präsident Joseph Borrell angekündigt, dass er weder im Rat noch in einem eventuell eingerichteten Vermittlungsausschuss einem Kompromiss zustimmen werde, der eine Befristung der Stoffzulassung und eine Substitutionspflicht enthält.

Ob die REACh-Verordnung zu den von ihren Befürwortern erhofften Ergebnissen führen wird, hängt nicht nur davon ab, wie sie selbst gestrickt ist. Vielmehr kommt es auch darauf an, wieweit sie sich mit bereits geltenden Regelungen verträgt. Um Reibungen zu minimieren, haben EP und Rat den Geltungsbereich von REACh bereits deutlich eingeengt. Der Rat hat entschieden, neben Lebensmitteln, Pharma- und Kosmetikprodukten auch „natürliche Substanzen“ wie Papierbrei, Erze und Mineralien und sogar Zementklinker aus dem Geltungsbereich von REACh herauszunehmen. Nicht betroffen von REACh sollen auch Abfälle und Recyclingprodukte sein. So liegt es für Unternehmen nun nahe, Artikel zu Abfällen bzw. Recyclingprodukten zu erklären, um REACh zu entgehen. Deshalb hat der Rat bereits angekündigt, als nächstes stehe eine entsprechende Novellierung der EU-Abfallrahmenrichtlinie 75/442/EWG an.

Ungelöst sind auch Konflikte zwischen REACh und den bestehenden nationalen Arbeitsschutzregelungen. Während REACh auf eine totale Harmonisierung der stoffbezogenen Vorschriften abzielt, werden die Arbeitgeber durch die geltende deutsche Gefahrstoffverordnung und ähnliche Regelungen in andern EU-Staaten eher dazu angehalten, Gefährdungen in Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung eigenverantwortlich zu beurteilen und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten. Durch REACh drohen also Eingriffe in eingespielte Systeme betrieblicher Mitbestimmung und Selbstverwaltung, deren Konsequenzen noch gar nicht absehbar sind.

Die Tatsache, dass südeuropäische Unternehmen im europäischen Einspruch-Aktionsbündnis des Chemie-Mittelstandes gegen Existenz bedrohende Bestimmungen von REACh kaum vertreten sind, weist nach Dr. Alex Föller, Geschäftsführer von TEGEWA, des Verbandes der Hersteller von Textil-, Leder-, Papier- und Kosmetikhilfsmitteln usw., darauf hin, dass diese wie selbstverständlich davon ausgehen, sie könnten weiterwursteln wie bisher. Vieles weist in der Tat darauf hin, dass wesentliche Vorschriften von REACh nur auf dem Papier funktionieren werden. Denn niemand kann sich vorstellen, wie die Umsetzung der etwa 700 Druckseiten umfassenden Vorschriften bis zum kleinsten Anwender kontrolliert werden könnte. „Für uns zählt ohnehin nur, dass die Papiere in Ordnung sind“, bekennt ein Vertreter des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums freimütig.

(veröffentlicht in: CR-Chemische Rundschau (VS-Medien, CH-Solothurn) Nr. 8/2006)

REACH, a regulation farce

Believing EU officials we have entered, on 1st December 2008, a new era. From now on it will be illegal to manufacture, import, sell, buy or use chemicals that have not been registered or pre-registered following EU’s complicated REACH procedure. Yet experiences during the pre-registration process are rather confirming old fears that REACH does not fundamentally improve chemicals security, but will only increase bureaucratic control over every day’s life.

REACH, a Costly Piece of Theatre?

By Edgar L. Gärtner

Believing EU officials we entered, on December 1st 2008, a new era. After this, it will be illegal to manufacture, import, sell, buy or use chemicals that have not been registered or pre-registered following EU’s REACH procedure. Yet the ongoing pre-registration process is rather confirming the old fears that REACH does not fundamentally improve chemicals security and that the good intentions behind this new regulation initiative would lead to a Babylonian confusion or a costly piece of theatre.

REACH is the paradigm for a new type of regulation that will have a worldwide impact – even if it is not really workable due to its fundamental flaws. For the EU’s new chemicals legislation is thought to fully translate into action for the first time the Precautionary Principle (PP) adopted in 1992 at the “Earth Summit” in Rio de Janeiro. Principle 15 of the Rio Declaration stipulates: “Where there are threats of serious and irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.” Following the EU’s interpretation of the Rio declaration this wording implies a reversal of the burden of proof between government and industry. Till then government officials had to demonstrate that a product is unsafe before removing it from the market. But following the EU’s interpretation of the PP manufacturers would have to prove that their products are safe before putting them on the market. How, under this condition, is it possible to innovate and introduce new types of products, given the fact that nothing on earth can be considered absolutely safe?

In see behind the dogmatic precautionary approach the mentality of nihilism. What is nihilism? “Nihilists don’t believe in nothing, but do not believe in what is”, declared French literature Nobel Prize winner Albert Camus in 1951. In other words: Nihilists are capable to believe nearly in all but truth: This is that life by itself is very risky and that by tenting to reduce chemicals and other risks we are taking the much greater risk of reducing chances for human life in freedom and dignity (please see my book “Öko-Nihilismus. Eine Kritik der politischen Ökologie”, Jena 2007).

Even the original Rio wording of the PP is leaving lot of questions: How does it relate to Principle 12 of the Rio Declaration on Non-Discrimination? Does “cost effective” also mean “cost efficient” and thus respect the Principle of Proportionality fundamental in the EU’s Maastricht Treaty? This treaty refers in Art. 130r (later 174.2) to the Rio Declaration and doesn’t give a proper definition of the PP. In order to clarify these questions, the EU Commission issued, in February 2000, a special “Communication” précising that the PP applies only to risk management and not to risk assessment. The latter must be based on state-of-the-art scientific methodology. Last but not least the EU Commission’s paper underlined that the PP incorporates the Principle of Proportionality.

Thus, the EU Commission in 2000 clearly rejected definitions of the PP that open the way to different forms of irrationalism, like for instance the NGO’s Wingspread Consensus Statement on the PP which claimed: “When an activity raises threats of harm to human health or the environment, precautionary measures should be taken even if some cause and effect relationships are not fully established scientifically.” Following this, chocolate would need to be banned as even amateur chemists could easily convert it, with the help of ordinary kitchen equipment, into dangerous explosives!

Unfortunately, the EU Commission did not pursue this line in its White Paper “Strategy for a Future Chemicals Policy” published on 27 February 2001: “Whenever reliable scientific evidence is available that a substance may have an adverse impact on human health and the environment but there is still scientific uncertainty about the precise nature or magnitude of the potential damage, decision-making must be based on precaution in order to prevent damage to human health and the environment. Another important objective is to encourage the substitution of dangerous by less dangerous substances where suitable alternatives are available.” This is everything but a clear rejection of nihilism for very few things that have been selected by market competition are easily substituted. The “substitution principle” claimed by NGOs and many members of the European Parliament is based on the belief that political regulators can find a better way to select substance or product alternatives than the traditional trial and error interaction between scientific research, engineers’ creativity and consumer demands.

This belief was already subjacent in chapter 19 of Agenda 21 on waste management adopted 1992 in Rio. For the first time a new hazard based Globally Harmonized System (GHS) of substance classification and characterization, which will be introduced in the EU together with REACH, was proposed there. The nihilistic quest of risk minimizing down to zero became predominant in § 23 of the Action Plan adopted ten years later by the Johannesburg Summit on Sustainable Development (WSSD). The precautionary approach was also chosen by the UNEP-Initiative SAICM (Strategic Approach to International Chemicals Management) which, after some preparatory meetings in 2003, 2004 and 2005, was officially launched at the Dubai Conference in February 2006 with an Action Plan aiming the ban of all potentially dangerous substance uses till 2020. This plan is expressly referring to the Stockholm agreement on phasing out Persistant Organic Pollutants (POPs) whose DDT ban was leading to the rebound of mosquito born malaria causing the death of millions of people, mostly children, in Africa and other tropical regions of the world.

Thus, we were hearing at the Dubai Conference Austria’s environment minister Josef Pröll (at that time in charge of the presidency of the EU’s Environment Council) comment the Dubai Declaration on SAICM as follows: “Dubai is a milestone of global environmental policy. There is a clear commitment to the Precautionary Principle. We don’t need to see a tragedy happen to put safety systems in place. In other words, the Dubai Declaration says that if you’re not sure, don’t do it.” If man had always followed this interpretation of the PP, he would never have tamed fire nor invented the wheel!

Given this background it is not surprising to see the EU courts apply the PP in a very contradictorily and confusing way. US analysts Gary E. Marchant and Kenneth L. Mossmann concluded from a survey published in 2005 that the PP “provides an open invitation for arbitrary and unreasonable decisions by both regulators and judges.” A speaking example of an ill interpreted PP is the EU’s ban of six phthalates in toddlers’ toys and child-care articles which was decided in 2005. Following this decision the EU imposed a total ban on the use in children’s toys of three plasticizers employed in the manufacture of PVC (DEHP, DBP and BBP). It also has prohibited the use of three additional plasticizers (DIDP, DNOP and DINP) in babies’ toys intended to be put in the mouth. Only one of the banned substances (DINP) was currently used in toys. Yet on 11 April 2006 the EU Commission clearly confirmed the EU’s scientific risk assessment from 2003 and stated that “DINP is safe in all applications (toys included) and that there is no need for any further measures to regulate the use of this phthalate.”

Industry has spent over 130 million Euros in total to assess the health and environmental risks of plasticizers such as DEHP and DINP. A core reason for these tests was these plasticizers’ widespread use in medical equipment. All have now been in such longstanding use that if there had been any harmful side effects from their application these would have long since come to the fore. The EU now forces manufacturers of pacifiers, plastic ducks and baby equipment to switch to alternative plasticizers, which have not been investigated as thoroughly, have often not been tested sufficiently for these applications and are often considerably more expensive.

Adipates are one possible substitute. Their possible impact on human health and the environment appear to be slight, but so far they have not been subjected to such exhaustive examinations as have the six banned substances. Other alternatives, although extant for some time, have a high migration tendency, and are clearly much less suitable for these applications.

Citrate esters, touted by environmental groups as more environmentally and health-friendly, migrate from treated materials so quickly that these objects easily become brittle. Toys manufactured using citrate esters as plasticizers will therefore put children at risk of swallowing broken-off fragments. Are we therefore justified in substituting a (theoretical) health risk with the much more concrete risk of a child choking?

Greenpeace activists, on whose arguments the EU’s actions were based, don’t appear to be losing any sleep over such questions. In fact, they are demanding that toy manufacturers abandon the use of PVC altogether. According to them, soft PVCs in toys should be replaced with rubber. However, the effect of heat during the vulcanization process of rubber results in carcinogenic nitrosamines, and the substitution of organic for petroleum-based rubber will simply substitute a new, ‘natural’, set of carcinogens.

The plastics industry currently has great hopes for DINCH, a new substance developed through computer modelling by BASF in co-operation with customers from toys and medical device industry. This substance is only slightly more expensive than DEHP, and it can also be almost seamlessly substituted for DEHP without the need to rebuild production plants. DINCH also does not include any of the aromatic hydrocarbons defined as suspect by toxicologists so we can expect it to have a much more benign toxicological profile. BASF has confirmed this in a far reaching programme of tests. These tests indicate that DINCH does not affect the development of sexual organs or fertility, nor does it harm the environment. DINCH has a rate of migration which is at least 8 times lower than that of DEHP, although it has disadvantages such as higher volatility.

The quest for innovation or substitution in the case of these alternative plasticizers cannot be pursued without consideration of the costs, as we would end up substituting the proven with the unproven through ideologically driven wishful thinking. Society needs to pursue fulfilment of consumer demands in a way that balances benefits against the costs to the economy, the environment, and to health.

This raises the question of who decides which materials may be used: Greenpeace? The EU Commission? Science? Nature? And just who is ‘Nature’? Aren’t humans also part of nature, including the average consumer who weighs up product choices and then consciously chooses for instance PVC plastics? Wouldn’t it be better to choose the winner out of several competing market-based solutions?

Thus the European Parliament’s decision to restrict the use of DINP in spite of a thorough and costly risk assessment opens the way to unfounded black listing. Consumer product and packaging material manufacturers could be tented to ban all substances demonized by NGOs or restricted for use prior to their testing and assessment in line with REACH. This could cause major business disruptions as possible alternatives take years to come to market.

Will the REACH procedures dispel this sort of confusion? When the REACH initiative was started in 1999 its principal aim was to halt unequal treatment of ‘old’ and ‘new’ substances. New chemicals were submitted since 1981 to the registration procedure introduced by the EU directive 548/68/EEC while over 100.000 substances in use prior to 18 September 1981 (listed in the EINECS register at the EU Commission’s Joint Institute in Ispra/Italy) were exempt from registration. Only old substances on a ‘priority list’ established by EU Directive 793/93/EEC, Art. 15 had to undergo an assessment. This was done with 141 substances in 20 years. But only 28 of these have been definitely evaluated. With REACH the EU is trying to evaluate the different uses of approximately 30,000 substances over only 10 years. Doing this the original REACH proposal would have required data generation for the drafting of no less than 100 million safety reports, each containing 20 up to 200 pages (plus translations in some 20 languages). Everybody could see that this approach would create a new tower of Babel.

That is why after an internet consultation with industry and major wrangling between different stakeholders the scope of REACH has partially changed. Now extensive safety reports (and the sometimes costly data generation they suppose) are only required for substances with an annual production volume of more than 10 tonnes. Following the amendments to the EP’s First Reading on 17 November and the Council’s agreement on Common Position on 13 December 2005 (finally adopted by EP and EC in December 2006) the registration procedure has been facilitated while the authorisation process has been in tendency complicated. This could lead to more bureaucracy and create a new potential for arbitrary decisions and thus endanger industry’s innovation capacity. The main problem lies in REACH Art.57 which defines substances of Very High Concern (VHC) targeted by authorisation procedures. The definition of VCH substances has been partially altered. Instead of potentially dangerous substances susceptible to be released from products all potentially endocrine disrupting, persistent, bio-accumulative and carcinogenic chemicals as well as substances “giving rise to a similar level of concern” contained in products are focussed now.

Substances meeting the VHC criteria defined in Art. 57 shall be listed in REACH Annex XIV (pending authorisation procedure). Substances supposed to meet the VHC criteria are listed in Annex XV (‘candidate list’) in order to be examined as soon as possible. This creates a new risk of Black Listing. For manufacturers could be tented to seek out politically correct substances in order to replace VHC and ‘candidate’ substances bad mouthed by NGOs long before their examination has come to final conclusions. This is leading to difficult reporting issues.

For instance REACH, Art.7 stipulates that all VHC substances contained in domestic or imported articles surmounting 1 tonne per annum in total and surpassing concentrations of 0,1 % have to be notified. This is leading to problems like this one: Can an importer of cardboard manufactured and finished in China by using printing ink containing the famous postal yellow pigment lead chromate (PbCrO4), which was voluntarily banned in the EU by the printing ink manufacturers association CEPE, know how much of this substance is produced or imported in total? Another example: According to REACH Art.33 all suppliers of products containing VHC substances above a concentration of 0,1 % are obliged to respond free of charge before 45 days to VHC related requests of their customers. Greenpeace has already prepared post cards for mass requests.

Retailers are responding to this challenge by forming a sort of information cartel. Initiated by the German Retailers’ Federations HDE and BHB as well as by the big retailers Metro and REWE, a common data bank named “REACH Solution” was created. It is provided and operated by the specialised company Chemical Service Compliance AG in Cologne. The internet platform offers two portals: one for suppliers and one for their customers. The access to this data bank is also offered via the federation Eurocommerce to non German suppliers and retailers so that a unified European solution seems to be on the way. This illustrates well the general tendency that strong technical and economic regulation is leading to cartelisation of the private sector of the economy.

In spite of all good intentions REACH will probably not reduce but even enlarge grey or black markets for illegal applications of potentially hazardous substances. For on one hand due to the lack of viable substitutes many of those chemicals will remain for some time officially authorised for specific purposes, “if the risks are adequately controlled”. On the other hand it would be very difficult to avoid illegal applications of the same chemicals. There are still markets for ‘dirty’ products. Even completely forbidden chemicals that are applied only in very small amounts in textiles, printing inks or other consumer products can easily be imported from China via the ports of Naples or Piraeus. We cannot suppress those grey or black markets through more and more bureaucracy for excessive bureaucracy is often the real reason behind their emergence, but only by establishing sound open markets.

Well aware of those problems the EU member states have till now proposed only 15 substances as calling for special attention. Geert Dancet, the Executive Director of the EU’s new Chemicals Agency (ECHA) in Helsinki, is convinced that REACH Annex XIV will show in the first time an even smaller number of suspect chemicals while NGOs are calling for no less than 2,000. The official list of substances subject to authorisation will be updated every two years. It is intriguing to see on ECHA’s first “Candidate List” well proven, yet still controversial plasticizers and flame retardants like DEHP or HBCDD closely associated with clearly dangerous arsenic compounds. We can only hope that EU member states and ECHA will come to rational priorization.

Given these meagre prospects it is our duty to ask if REACH has any chance to become conform to the Principle of Proportionality. When starting the REACH process the EU Commission tried to demonstrate that the benefits of the new chemicals regulation overweigh largely its costs. One of the most quoted cost-benefit-analysis is an impact study done by the London based consultancy RPA Risk and Policy Analysts Ltd. In this study registration costs according to REACH were estimated to reach from 1,7 to 7 bn € till 2018. The expected benefits were estimated at 54 bn € in the next 30 years – due principally to a regression of occupational cancer. Yet Angela Logomasini from CEI (Washington) and German statistician Walter Krämer als well as Michael Nasterlack and Andreas Zober, two industry toxicologists from BASF, have shown in Chemistry World, January 2005 that some 80 percent of all occupational cancer cases in the EU are related to the asbestos legacy and that at most 360 out of 32.331 occupational cancer cases per annum can be imputed to the contact with chemicals. It appears now that chemicals industry represented in the EU by CEFIC had many reasons for its strong opposition against REACH.

Unfortunately pressed by big players on the market for end consumer products like for instance Unilever or Procter & Gamble CEFIC finally gave up its resistance against the new legislation. In 2006 CEFIC declared: “REACH is an opportunity for the chemicals industry to regain public confidence.” Behind this assertion I see the will of established big players to defend their monopoly against newcomers on the market, especially from poorer regions of the world by controlling the whole innovation process along a politically correct corridor. With REACH it is very difficult for players from outside the EU to comply with EU regulations for they are not allowed to pre-register or register substances directly but only with the help of what is called an Only Representative (OR) in the EU. Unfortunately ECHA’s guidance documents on REACH say very little about the legal status and the liability of the OR towards its clients, towards other players in the supply chain, towards possible victims of decision errors, and towards the ECHA (cf. Nicolas Gardères: “The Legal Risks of REACH”, in: Kemia-Kemi Vol.35, 2008, 5). It will be nearly impossible to import preparations or formulations of mixed and partly unknown substances ready to use from outside the EU without risking law suits. These are depending on the national tort and contract laws of each EU member state. Till now there is no tendency to harmonise the national legal conditions that depend on different juridical traditions.

This is worth also for data sharing between competitors in Substance Information Exchange Fora (SIEF) and consortia that are even mandatory in the case of data generation involving tests on vertebrate animals. In order to cooperate companies will have to disclose sensitive data that may let their competitors discover critical trade secrets. Which form of agreement between companies is prohibited depends on national legislation. In short: REACH is primarily an job creation program for lawyers. The new chemicals regulation is probably no more than a costly piece of theatre destined to produce the impression that politics is doing something to calm fearful consumers.

Conclusions

REACH contradicts nearly all we know about intelligent collective decision making and successful innovation (Cf. James Surowiecki: “The Wisdom of Crowds. Why the Many are Smarter than the Few”, Random House, 2004). There is no real alternative to trial and error. Market remains the main information source for decision makers. Bureaucracy needs to support it. The market’s role in experimentation and bureaucracy’s role in maintaining stability should be viewed as complementary. Bureaucracy needs to serve the market economy by assessing and crystallising the results of trial and error learning in order to avoid repeating such mistakes in the future.

In contrast to the position of the Green lobby appears to be that political application of the Precautionary Principle and the aims of sustainable development are core drivers for innovations. But how do they know which materials are inherently safe and which have a lasting impact on the environment … when even water can be deadly under certain circumstances? Do the Greens and their political friends consider themselves better able to judge what will prove itself on the open market than market participants themselves? The Greens seem perfectly happy with the authoritarian undercurrents inherent in their position.

Unfortunately, some people cling to the erroneous belief that the expansion of knowledge implies that there is an end – a point where society has attained ‘ultimate knowledge’. This is not the case. The accumulation of knowledge can even lead to total confusion. However important science may be as a reconnaissance and early warning system for society, the most important source of information in a market economy is not science but the market itself. This information is not transferred without cost, but rather set against the cost of the risks undertaken or refused. I think that Angela Logomasini is right when concluding her analysis quoted earlier: “Rather than following a stagnating precautionary principle, regulators should follow a risk-risk principle, assessing even the risk of regulation. They should also recognize that regulation is the last resort because well-being is best promoted by maximizing freedom, which results in human progress.”

In spite of all this, the REACH approach is spreading around the world like a virus. South Korea has already adopted a chemicals law which is a true copy of REACH. Japan is going to do the same. It is expected that under newly elected president Barack Obama even the US will follow the EU. Thus we are risking extending bureaucratic control of energy and substance use (via climate and chemicals policy) all over the world.

(Extended version of a speech presented, on 25 November 2008, at the LVMI’s conference on „Better Regulation“ in Brussels.)

Ist REACh bereits am Ende?

Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit müssen viele Unternehmen erhebliche Kosten für die Umsetzung von REACh aufwenden. Doch kaum ein Beteiligter hat den Eindruck, das bringe einen Nutzen. Nun warnt ein Toxikologe vor dem vorzeitigen Scheitern des ehrgeizigen Unterfangens wegen eines zu hohen Versuchstierbedarfs. Vielleicht ist das eine Chance für alternative Testverfahren.

Chemiepolitik: Steht REACh schon vor dem Aus?

Wie alle Toxikologen gehört auch der aus Konstanz am Bodensee stammende und nun an der John Hopkins Universität in Baltimore/Maryland lehrende Professor Thomas Hartung, ein Pionier der Suche nach tierversuchsfreien Methoden zur Prüfung der Chemikaliensicherheit, grundsätzlich zu den glühenden Befürworten der Verbesserung des Verbraucherschutzes durch die systematische toxikologische Prüfung aller „Altstoffe“ mithilfe der EU-Chemikalienverordnung REACh. Doch Ende August 2009 warnte Hartung zusammen mit der italienischen Chemikerin Constanza Rovida in einem Meinungsbeitrag unter dem Titel „Chemical regulators have overreached“ im britischen Wissenschaftsmagazin „Nature“ (Vol. 460/27 August 2009) eindringlich vor einer Fortsetzung des mit REACh eingeschlagenen Weges. Die beiden beziehen sich darin auf eine von ihnen durchgeführte detaillierte Abschätzung des Testbedarfs, die zur gleichen Zeit im Fachorgan „ALTEX“ (Jahrgang 26) erschien. Hartung, der als Erfinder eines tierfreien Pyrogentests und als Leiter des europäischen Zentrums für Alternativen zu Tierversuchen ECVAM in Ispra am Lago Maggiore bekannt geworden ist, hält der EU vor, den zweiten Schritt vor dem ersten getan zu haben, indem sie (implizit) eine Riesenzahl aufwändiger Stoffprüfungen vorschrieb, ohne über einigermaßen zuverlässige Hochdurchsatz-Prüfmethoden zu verfügen.

Die EU-Kommission war bei der Abschätzung der Kosten von REACh davon ausgegangen, dass bis Ende 2008 etwa 27.000 Firmen etwa 180.000 Vorregistrierungen für ungefähr 30.000 Stoffe bei der ECHA in Helsinki einreichen würden. Bekanntlich sandten stattdessen 65.000 Unternehmen insgesamt 2,75 Millionen Vorregistrierungen von fast 150.000 Subtanzen nach Helsinki. Nach einer ersten Bereinigung blieben in diesem Jahr immerhin 143.835 Substanzen auf der ECHA-Liste, davon 54.686 mit einem Produktionsvolumen von über 1.000 Jahrestonnen. Diese müssten schon bis Ende 2010 registriert sein, was kaum vorstellbar ist. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA in Helsinki geht davon aus, dass die unerwartet hohe Zahl von Vorregistrierungen durch Fehler der Anmelder (siehe Kasten) zustande gekommen ist. Wie in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit die Spreu vom Weizen getrennt werden kann, ist aber noch immer nicht ersichtlich.

Nach den Schätzungen der ECHA müssten bis Ende 2010 statt über 50.000 „nur“ etwa 8.700 Substanzen (davon 3.500 bekannte „Großstoffe“, die höchsten Testanforderungen unterliegen, plus eine noch unbekannte Zahl von „Problemstoffen“, die verdächtigt werden, krebserregend, erbgutschädigend, reproduktionstoxisch oder besonders umweltbelastend zu sein) samt einer Liste vorgeschlagener Tierversuche registriert werden. Nur bei einem kleinen Teil der betroffenen „Großstoffe“ dürften die bereits vorhandenen Daten für die Registrierung ausreichen. In den meisten Fällen bleibt offen, wie die nötigen Tierversuchsdaten in der bleibenden kurzen Zeitspanne generiert werden können. Als Flaschenhals erweist sich die vorgeschriebene Untersuchung der Reproduktionstoxizität, die nach den bislang gültigen Vorschriften in Zwei-Generationen-Studien an Ratten getestet werden muss. Jeder Zwei-Generationen-Test kostet über 300.000 Euro und nimmt fast zwei Jahre in Anspruch. In den vergangenen 28 Jahren wurden in Europa jährlich nur etwa zwei bis drei Stoffe so aufwändig gestestet. Hartung und Rovida schätzen, nun müssten jedes Jahr einige Hundert solcher Tests durchgeführt werden. Dafür gebe es bei weitem nicht genügend Laborkapazitäten und erst recht nicht genug Toxikologen.

Nach Ansicht Hartungs und Rovidas geht die starke Unterschätzung des Testaufwandes durch die EU-Kommission vor allem darauf zurück, dass ihr Produktionsdaten der Jahre 1991 bis 1994 zugrunde liegen, das heißt aus einer Zeit, in der die EU lediglich 12 Mitgliedsstaaten zählte. Seither habe sich aber das Produktionsvolumen der chemischen Industrie im alten Europa mehr als verdoppelt und sei durch die Erweiterung der EU durch osteuropäische Länder mit bedeutenden Kapazitäten in der Grundstoffchemie zusätzlich gewachsen. Selbst wenn man wie die ECHA annehme, dass die Zahl der vorregistrierten Stoffe durch Mehrfachmeldungen oder die vorsorgliche Anmeldung des ganzen EINECS-Altstoffregisters (aus Angst, den Marktzugang zu verlieren) künstlich aufgebläht wurde, müsse man realistisch von einer mittleren Zahl von 68.000 Stoffen ausgehen, die unter REACh fallen – zumal der Geltungsbereich von REACh in der Rangelei kurz vor der Verabschiedung der Verordnung auch noch auf Zwischenprodukte ausgedehnt wurde. Auch unter sehr optimistischen Annahmen wie der Anwendung computerbasierter Testmethoden wie (Q)SAR und der Vermeidung von Testwiederholungen gelange man zu einem Bedarf von mindestens 54 Millionen Wirbeltieren und einem finanziellen Aufwand von 9,5 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Das ist das Sechsfache der von der EU-Kommission offiziell geschätzten Kosten! Zum Vergleich: Bislang wurden in der EU jedes Jahr etwa 900.000 Versuchstiere für die Prüfung neuer Chemikalien „verbraucht“, was die Industrie etwa 600 Millionen Euro kostete.

Die ECHA hat, wie erwartet, sofort in Form einer umfangreichen Pressemitteilung auf den in „Nature“ veröffentlichten Warnruf reagiert. Sie geht darin von 34.000 von REACh betroffenen Stoffen aus und beharrt auf der offiziellen Schätzung von 9 Millionen Versuchstieren und Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Sie verweist dabei auf eine Auftragsarbeit des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahre 2004 (T. Höfer und andere). Darin war allerdings ein fünfmal höherer Versuchstierbedarf nicht ausgeschlossen worden.

Prof. Hartung wies die Kritik seitens der ECHA gegenüber der CR zurück, indem er betonte: „Es geht uns nicht primär um den Tierschutz oder um die hohen Kosten der Tierversuche, sondern um die Durchführbarkeit von REACh. Wir möchten darauf hinweisen, dass REACh in der jetzigen Form in eine Sackgasse führt, die nur durch einen anderen Ansatz vermieden werden kann.“ Werde nur jeder der von der ECHA geschätzten 3.500 „Großstoffe“ nach den OECD-Vorschriften TG 414 und 416 getestet, entstehe bereits ein Bedarf von 13 Millionen Versuchstieren, deren Kosten mit 1,4 Milliarden Euro veranschlagt werden könnten. Schon dadurch werde also der für das Gesamtprojekt offiziell geschätzte Kostenrahmen gesprengt. Der Aufwand für die Prüfung der unbekannten Zahl besorgniserregender Chemikalien niedrigerer Tonnage (CMR-Stoffe und besonders umweltbelastende Stoffe) ist dabei gar nicht berücksichtigt.

Da aber schon bei der Prüfung bekannter „Großstoffe“ mit Sicherheit viele falsch positive Befunde auftauchen werden und es kaum denkbar sei, allein deshalb bewährte Allerweltschemikalien aus dem Verkehr zu ziehen, sieht Hartung hier die Chance für einen Neuansatz in der Toxikologie. In einem Aufsatz in „Nature“ (Vol 460/9 July 2009) hat er skizziert, wie er sich die Toxikologie des 21. Jahrhunderts vorstellt. Dass die Aussagekraft von Tierversuchen zu wünschen übrig lässt, ist Fachleuten schon lange bekannt. Bei Zwei-Generationen-Tests muss mit über 60 Prozent falsch positiven Befunden gerechnet werden. Dennoch erwies es sich in den vergangenen vier Jahrzehnten als unmöglich, die Testverfahren auf der Basis der Verabreichung hoher Dosen der Prüfsubstanzen an Nagern (vor allem Ratten) zu verändern, sobald sie einmal in einem mühsamen internationalen Abstimmungsverfahren standardisiert waren, weil die Industrie darauf achten musste, ihre Produkte überall auf der Welt vermarkten zu können.

REACh biete nun die Chance, alternative Testverfahren weltweit durchzusetzen, zumal die US National Academy of Sciences und die US-Umweltagentur EPA, die ein ähnliches Regelwerk wie REACh anstreben, in einem 2007 erschienen Report eine Kombination verschiedener In-vitro-Tests anstelle klassischer Tierversuche empfehlen. In ihrem Tox Cast Programm verspricht sich die EPA viel von Tests an Zellkulturen, darunter insbesondere an menschlichen Stammzellen, von der Anwendung biotechnischer und bioinformatischer Auswertungsmethoden sowie von Genomik und Proteonomik. Diese ermöglichen die Entwicklung computerisierter Hochdurchsatz-Verfahren, mit deren Hilfe gezielt nach bekannten „Signaturen“ toxischer Effekte gesucht werden kann.

Thomas Hartung versteht seine Warnung nicht als Ruf nach einem REACh-Moratorium. Es gehe lediglich darum, REACh entsprechend den neuesten Erkenntnissen der Forschung nachzubessern. Nur einer von 17 verschiedenen Tier-Tests, der allerdings 90 Prozent des Versuchstierbedarfs verursacht, müsse ersetzt werden. Ohnehin stehe zurzeit in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Entscheidung über die Zulassung des erweiterten Ein-Generationen-Tests anstelle des Zwei-Generationen-Tests der Reproduktionstoxizität (TG 416) an. Allein dadurch könne ein Fünftel der Versuchstiere eingespart werden. Hartung gibt sich hier optimistisch: „Die Gesetzgebung ist sperrangelweit offen für solche Änderungen. Meine Hoffnung: Problem erkannt – Problem gebannt.“

Edgar L. Gärtner (veröffentlicht am 9. Oktober 2009 in: Chemische Rundschau Nr. 10/2009, VS-Medien, CH-Solothurn)

KASTEN: Durcheinander in den SIEF

Kaum dass sie ihre Vorregistrierung nach einigen Geduldsproben über REACH-IT nach Helsinki übermittelt hatten, erhielten viele der zuständigen Mitarbeiter von Unternehmen eine Flut von e-Mails, in denen sich Consulting-Firmen unter allen möglichen Fantasie-Namen als SIEF Facilators (SFF) aufdrängten, aber nach einiger Zeit nichts mehr von sich hören ließen – offenbar, weil sie merkten, dass für sie dort nichts zu holen war. Daneben haben viele Firmen Vorregistrierungen eingereicht, obwohl sie gar nicht die Absicht haben, irgendetwas definitiv zu registrieren, weil sie allein schon durch die automatische Einladung zu SIEF an wichtige Informationen über potenzielle Kunden und Wettbewerber gelangen. Im Ergebnis hat sich in etlichen SIEF, an denen im Extremfall mehrere Tausend Firmen teilnehmen, ein heilloses Durcheinander ausgebreitet. Die meisten haben bis heute noch keinen „lead registrant“ benannt und sind weit von einer Regelung der Kostenteilung entfernt. Wie unter diesen Umständen die Zahl vorregistrierter Stoffe bereinigt werden kann, ist nicht absehbar. Immerhin finden sich unter den 143.835 vorregistrierten Substanzen über 22.000, die weder über die CAS-Nummer noch über die EC-Nummer identifizierbar sind. EG

KASTEN: REACh und der Mittelstand

Die Schwierigkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen mit REACh beginnen schon mit der Sprache. Bekanntlich gab es die REACH-IT für die Vorregistrierung von Stoffen nur auf Englisch. Und nur die englischen Stoffbezeichnungen konnten auch angemeldet werden. Das war wohl eine der wichtigsten Fehlerquellen beim Start von REACh. Viele Mehrfachregistrierungen ein und desselben Stoffes sollen darauf zurückzuführen sein. Nun kranken die obligatorische Bildung von Substance Information Exchange Fora (SIEF) durch Firmen, die den gleichen Stoff registrieren wollen, sowie darauf aufbauende Anläufe zur Bildung von Registrierungs-Konsortien oft daran, dass viele Vertreter südeuropäischer Firmen kein verhandlungssicheres Englisch mitbringen. Die Annahme von Verträgen verzögert sich, weil teilnehmende Firmen mangels ausreichender Sprachkenntnisse nachträglich Übersetzungsbüros mit der Überprüfung ausgehandelter Texte beauftragen.

Anlass zu Zweifeln an der Durchführbarkeit von REACh geben aber auch andere ungelöste Probleme. Zurzeit haben etliche KMU an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter Generalanwältin Juliane Kokott vom 7. Juli 2009 (EUR-Lex-62007J0558) zu kauen. Darin legt der Gerichtshof die sehr spät in die EG-Verordnung 1907/2006 aufgenommene Meldepflicht für Monomere in importierten Polymeren sehr restriktiv aus. Mittelständische Firmen des Chemiehandels aus Frankreich, England und Deutschland hatten in der Meldepflicht für Monomere, die zu mindestens 2 Masseprozent in Polymeren enthalten sind, die in Mengen über einer Jahrestonne importiert werden, eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gesehen, da es in der Praxis kaum möglich ist, die Einhaltung der Vorschrift mit vertretbarem Aufwand zu überprüfen. Nach der Abweisung der Klage durch den EuGH bleibt europäischen KMU, die sich gesetzeskonform verhalten wollen, nichts anderes übrig, als auf Importe von Polymeren zu verzichten. Es dürfte aber kaum möglich sein, illegale Importe und graue Märkte zu verhindern, weil die Zollämter dafür nicht gerüstet sind.

Obendrein obliegt die Umsetzung, das „enforcement“ von REACh, bekanntlich den Nationalstaaten. Selbst ECHA-Chef Geert Dancet weist darauf hin, derselbe Regelverstoß könne in einem EU-Mitgliedsstaat als schweres Vergehen geahndet werden, während er in einem anderen EU-Land als Kavaliersdelikt durchgeht. Dr. Alex Föller, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes TEGEWA in Frankfurt am Main, fordert deshalb mehr Kompetenzen und Kapazitäten beim Zoll. Dass das bei Stoffen, die in kleineren Mengen gehandelt werden, nur sehr begrenzt hilft, ist ihm auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Drogenhandel wohl bewusst. Ungelöste Probleme sieht Föller auch in den Stoffverwendungsbeschreibungen. Den Herstellern ist es nach wie vor kaum möglich, sich einen einigermaßen realistischen Überblick über kleinvolumige Stoffverwendungen zu verschaffen. Denn auf diesem Feld stehen viele KMU ganz unterschiedlicher Branchen in einem heftigen Ideen-Wettbewerb und lassen sich folglich nicht gerne in die Karten schauen. Eine realistische Risikobewertung ist unter diesen Umständen schwierig. Überdies werden die technischen Anleitungen für die Anwendung der REACh-Bestimmungen (RIB) laufend geändert, so dass vor allem kleinen Stoffanwendern oft nicht klar ist, welche Bestimmungen für sie gelten. Manche Anwender ahnen wohl gar nicht, dass sie bei strenger Auslegung von REACh schon mit einem Bein im Gefängnis stehen. In der Praxis werden diese Probleme in Netzwerken mit kurzem Draht zur EU-Bürokratie durch pragmatische Festlegungen aus der Welt geschafft. Aber wehe dem, der nicht mitspielt! Von der Rechtssicherheit, die REACh der Wirtschaft bringen sollte, kann jedenfalls bislang nicht die Rede sein. EG

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REACH: Babylon lässt grüßen

Die Chemiepolitik der EU schafft nur Datenfriedhöfe von Edgar L. Gärtner

Die am 1. Dezember 2008 zu Ende gegangene erste Phase der Umsetzung der neuen EU-Chemikalienverordnung gilt als großer Erfolg. Doch weist die überraschend hohe Zahl von insgesamt 2,75 Millionen Vorregistrierungen von sage und schreibe 150.000 Stoffen (im Vergleich zu 30.000 Substanzen, mit denen gerechnet worden war) durch insgesamt 65.000 Unternehmen auf erhebliche Startprobleme bei der obligatorischen Bildung von Substance Informations Exchange Fora (SIEF) hin. Hinzu kommt Ärger mit der Registrierungs-Software REACH-IT.

Nach dem Abschluss der Vorregistrierung scheint höchste Eile geboten. Denn Stoffe mit einem Produktionsvolumen von über 1.000 Jahrestonnen müssen bereits bis Ende November 2010 ordnungsgemäß registriert sein. Dabei müssen Daten vorgelegt werden, die in manchen Fällen schon irgendwo, aber oft auf verschiedene Eigentümer verteilt vorhanden sind, in manchen Fällen aber erst mithilfe aufwändiger Tierversuche generiert werden müssen. Da bleibt nicht viel Zeit für das Zusammentrommeln und das Management der Substance Informations Exchange Fora (SIEF), die vom Gesetzgeber vorgeschrieben wurden, um die Zahl der Tierversuche und die Gesamtkosten von REACH erträglich zu halten. Bei manchen Stoffen sind, bei Eibeziehung des Chemiehandels, mehrere Tausend Firmen betroffen, die von den „SIEF Formation Facilators“ zusammengebracht und animiert werden müssen.

Doch wer sich zu Beginn dieses Jahres bei REACH-IT einloggen wollte, stieß auf der Homepage der ECHA) auf die folgende Meldung:

“The number of concurrent REACH-IT users is high and the system is exhibiting slow behaviour.

ECHA is monitoring the system performance and making improvements to its robustness.”

Wer es dennoch endlich geschafft hatte, sich einzuloggen, flog oft wieder raus, bevor er alle ihn betreffenden Meldungen studiert hatte. Wer sich darüber beschweren oder beim Help Desk der ECHA um Rat fragen wollte, landete in der Regel in einer Sackgasse. Stunden um Stunden vergingen mit neuen Versuchen, sich einzuloggen. Einige europäische Firmen versuchten mithilfe ihrer amerikanischen Töchter oder Niederlassungen, sich außerhalb der europäischen Geschäftszeiten Zugang zum Server der ECHA in Helsinki zu verschaffen. Am 19. Januar meldete sich schließlich ECHA-Exekutivdirektor Geert Dancet und kündigte an, in den kommenden Monaten würden verschiedene Schritte zur Verbesserung der REACH-IT unternommen.

Darüber entrüstete sich in einem Schreiben vom 21. Januar CEFIC-Generaldirektor Alain Perroy. Die von der deadline 30. November 2010 betroffenen Firmen könnten keineswegs noch Monate lang warten, sondern befänden sich bereits im Endspurt. Nur über die REACH-IT könnten sie erfahren, mit welchen Firmen sie Kontakt aufnehmen müssen, um ein SIEF zu bilden, dort dann die Identität (sameness) der registrierpflichtigen Stoffe zu prüfen, Stoffdaten auszutauschen, Wissenslücken auszumachen und Teststrategien und deren Finanzierung festzulegen, um fehlende Daten zu generieren.

Die überraschend große Zahl von Vorregistrierungen stellt an sich schon ein organisatorisches Problem dar. Es wird vermutet, dass viele Stoffanwender vorregistriert haben, obwohl sie gar nicht die Absicht haben, etwas zu registrieren. Vielmehr scheint es ihnen darum gegangen zu sein, über die automatische Einladung zur Teilnahme an SIEFs Informationen über potenzielle Kunden und Wettbewerber zu erhalten. Wegen der bei vielen Anwendern herrschenden Verunsicherung wurden auch viele Substanzen vorangemeldet, deren Jahresproduktion unterhalb der für REACH gültigen Mengenschwelle von einer Jahrestonne liegt. Außerdem finden sich auf der Liste etliche Endprodukte, die nicht unter die Stoffdefinition von REACH fallen. Die lange Liste der Vorregistrierungen muss deshalb aufwändig bereinigt werden. So gehen Monate ins Land, bevor die SIEF sich im Detail um die Datenlage der registrierpflichtigen Stoffe kümmern können, zumal es nach wie vor eine Menge rechtlicher Probleme zu klären gibt. Bis schließlich ein „lead registrant“ am Ende die Registrierung durchführt und deren Kosten auf die einzelnen SIEF-Mitglieder umlegt, können weitere Monate vergehen. Deshalb kommen immer mehr Zweifel auf, ob die Fristen für die Registrierung überhaupt eingehalten werden können. Manche Industrievertreter halten es (hinter vorgehaltener Hand) nicht für ausgeschlossen, dass die Umsetzung von REACH schon in der ersten Etappe stecken bleibt. Leben könnten sie damit ganz gut, denn die Vorregistrierung verschafft vielen von ihnen erst einmal eine Atempause.

Zu den ungelösten juristischen Problemen der SIEF zählt der Status der Only Representatives (OR) für die Registrierung von Stoffen, die in die EU importiert werden. Das gilt insbesondere für Stoffe, die in China und Indien produziert werden. Nach Ansicht von Nicolas Gardères, Anwalt in der Pariser Kanzlei Denton Wilde Sapte, ist es nach wie vor unklar, wie weit die OR bei eventuellen Schadensersatzansprüchen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, zumal etliche EU-Mitgliedsstaaten, wie die ECHA im Dezember meldete, ihr Strafrecht noch immer nicht um die mit REACH verbundenen Verpflichtungen und Straftatbestände ergänzt haben.

Kommen schon die obligatorischen SIEF kaum ohne detaillierte anwaltliche Beratung aus, so ist der juristische Beratungsbedarf, wie Gardères unterstreicht, bei der Bildung freiwilliger Registrierungs-Konsortien noch erheblich größer. Nach dem geltenden Kartellrecht dürfen Konsortien unter keinen Umständen dazu dienen, ihren Mitgliedern einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen oder bestimmte Marktteilnehmer zu diskriminieren. Das ist im Konfliktfall schwer zu beweisen.

Inzwischen hat die ECHA eine vorläufige Liste von sieben Stoffen veröffentlicht, die in einer öffentlichen Stakeholder-Anhörung aus der Ende Oktober 2008 veröffentlichten „Kandidatenliste“ besonders bedenklicher Substanzen ausgewählt wurden, um sie für den Anhang XIV der Liste zulassungspflichtiger Stoffe vorzuschlagen. Dabei handelt es sich um den synthetischen Duftstoff Moschus Xylen, um kurzkettige chlorierte Paraffine, um das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCDD) und seine Isomere, um 4,4’-Diaminodiphenylmethan (MDA) sowie um die als Kunststoff-Weichmacher verwendeten Phthalate DEHP, BBP und DBP. Dass sich das in Medizinprodukten wie Blutbeuteln oder Magensonden nur schwer ersetzbare DEHP auf der Liste befindet, wird nur auf dem Hintergrund der seit Jahren von Greenpeace und anderen Interessengruppen gegen den bewährten, aber toxikologisch nicht abschließend beurteilten Weichmacher geführten Kampagne verständlich. Über entsprechende Web-Formulare kann diese vorläufige Liste bis zum 14. April kommentiert werden.

Industriechemiker, die zurzeit buchstäblich Tag und Nacht mit der REACH-IT kämpfen, fürchten, dass ihre aufopferungsvolle Arbeit letztlich nicht mehr bewirkt als einen riesigen Datenfriedhof zu erzeugen, der die Illusion nährt, durch das bürokratische Monster REACH werde das tägliche Leben der EU-Bürger etwas sicherer.

Edgar Gärtner (erschienen in: CR-Chemische Rundschau Nr. 1-2/2009)

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REACH – Wende in der Stoffbewertung oder teures Theater?

Die neue Europäische Umweltagentur (ECHA) in Helsinki hat am 1. Juni 2008 mit dem Beginn der Vorregistrierung von Stoffen nach einer einjährigen Vorbereitungszeit offiziell ihre operative Tätigkeit begonnen. Zwar erreicht die Zahl der fest eingestellten qualifizierten Mitarbeiter der Agentur mit etwas über 200 noch längst nicht das ursprünglich einmal ins Auge gefasste Niveau. Doch der Agenturchef Geert Dancet gibt sich zuversichtlich, dass die Mitarbeiterzahl bis 2010 auf 450 (davon zwei Drittel Wissenschaftler) ansteigen wird. Auf den ersten Blick erscheint der Start der Agentur durchaus gelungen. Über 9.000 Firmen haben sich beim REACH-IT-System der Online-Registrierung angemeldet. (Das ist allerdings nur etwa ein Viertel aller europäischen Chemiefirmen.) Bis Mitte September waren bereits 352.641 Vorregistrierungen eingegangen. Davon allein 141.185 aus Deutschland und 138.434 aus Großbritannien. An dritter Stelle folgen die Niederlande mit 17.356 Vorregistrierungen, danach Italien mit 13.989 und Frankreich mit 9.945. Ende September 2008 erreichte die Gesamtzahl der Vorregistrierungen nach Angaben Dancets schon 402.584. Allerdings wies ein Teil davon Formfehler auf (siehe Kasten) und zwei Firmen haben sogar das ganze EU-Verzeichnis EINECS von über 100.000 Altstoffen vorangemeldet.

Deshalb fleht Dancet alle betroffenen Firmen an, doch bitte nur Substanzen voranzumelden, die sie später auch tatsächlich registrieren wollen. Andernfalls werde die Arbeit der Substance Exchange Fora (SIEF), zu denen die Vorregistrierer nach der Einreichung ihres Dossiers automatisch geladen werden, unnötig erschwert, wenn nicht völlig sabotiert. „Die vorregistrierende Firma kann dann zum einen unmöglich an allen SIEFs teilnehmen, zu denen sie geladen wird. Zum andern fehlt den nachgeschalteten Anwendern die Möglichkeit, zu überprüfen, welche der von ihnen dringend benötigten Roh- und Hilfsstoffe vorregistriert wurden, und können die ECHA nicht auf Stoffe aufmerksam machen, die auf der Liste fehlen“, erklärt Dancet.

Anna-Liisa Sundquist, die Vorsitzende des Ausschusses der EU-Mitgliedsstaaten bei der ECHA, weist zudem mit Nachdruck darauf hin, dass Hersteller außerhalb der EU Stoffe nicht unmittelbar, sondern nur mithilfe eines Alleinvertreters (Only Representative) in der EU registrieren können. „Das hat sich zu unserer Überraschung in vielen Teilen der Welt noch nicht herumgesprochen“, gibt Sundquist zu. Gleichzeitig räumt sie ein, dass auch viele kleine und mittlere Unternehmen in der EU mit den komplizierten Bestimmungen von REACH schlicht überfordert sind. Nina Mähönen-Antink vom bekannten, auf die Kommunikation in der Lieferkette spezialisierten finnischen IT-Beratungsunternehmen REACHWAY Oy bestätigt, dass viele kleine und mittlere Unternehmen in der EU sich noch gar nicht ernsthaft mit REACH beschäftigt haben und keine Anstalten machen, ihre Stoffe zu registrieren, weil sie entweder davon ausgingen, das bürokratische Monstrum werde ohnehin nicht funktionieren oder eine Geschäftsaufgabe vor Ablauf der Registrierungsfrist in zehn Jahren ins Auge fassen. Anna-Liisa Sunquist räumt ein, es sei noch völlig unklar, wie verfahren werden könne, sollte es sich gegen Ende dieses Jahres herausstellen, dass wichtige Substanzen gar nicht auf der Liste der vorregistrierten Stoffe erscheinen.

Ohnehin, so Sundquist weiter, müsse man sich nicht nur auf das Fortbestehen großer rechtlicher Grauzonen, sondern auch auf die Entstehung eines grauen Marktes für nicht registrierte und/oder nicht zugelassene Substanzen einstellen. Denn die Überwachung der Einhaltung der REACH-Vorschriften obliege nationalen Behörden. Zwar versuche die ECHA das Monitoring durch die Erarbeitung von Leitlinien zu harmonisieren. Doch niemand könne garantieren, dass diese in allen EU-Mitgliedsstaaten gleich streng befolgt werden. Außerdem werde wohl auch eine Reihe als potenziell gefährlich erkannter Chemikalien mangels verfügbarer Alternativen mit offizieller Genehmigung im Gebrauch bleiben. Bislang haben die EU-Mitgliedsstaaten nur 16 Stoffe für die so genannte „Kandidatenliste“ bedenklicher Substanzen nach REACH Art. 57, Anhang XV vorgeschlagen. Der Ausschuss der Mitgliedsstaaten wird demnächst die inzwischen zu den einzelnen Stoffen eingegangenen Kommentare im Detail diskutieren und voraussichtlich Ende Oktober 2008 die erste offizielle „Kandidatenliste“ vorlegen. ECHA-Chef Geert Dancet schließt nicht aus, dass diese sogar weniger als 16 Stoffe enthalten wird. Und nur ein Teil davon werde wohl im Anhang XIV der genehmigungspflichtigen Stoffe landen. Die Anhänge XIV und XV sollen alle zwei Jahre aktualisiert werden. Umweltverbände fordern dagegen, bis zu 2.000 Stoffe vordringlich unter die Lupe zu nehmen und auf „schwarze Listen“ zu setzen.

Auch Geert Dancet gibt offen zu, dass sich die Umsetzung der REACH-Verordnung am Rande der Legalität bewegt. Denn REACH schafft keinen neuen Rechtsrahmen, die Verordnung darf dem Maastricht-Vertrag der EU wie den nationalen Bestimmungen des Zivil- und Strafrechts über Wettbewerb, geistiges Eigentum und die Gültigkeit von Verträgen nicht widersprechen. So bewegen sich die von den europäischen Gesetzgebern und der ECHA erwünschten Konsortien für die gemeinsame Nutzung von Stoffdaten von Wettbewerbern zur Vermeidung unnötiger Tierversuche hart am Rande des nach dem Kartellrecht noch Erlaubten. Schon in den SIEFs gibt es Probleme mit der Geheimhaltung vertraulicher Geschäftsinformationen und mit der gerechten Aufteilung der Kosten – zumal, wie zu hören ist, etliche der beteiligten Firmen versuchen, selbst alte Tierversuchsdaten zu Geld zu machen. Einige dieser Probleme lassen sich durch Einschaltung neutraler Berater lösen, wodurch allerdings zusätzliche Kosten entstehen.

Geert Dancet weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: „In einigen Fällen kann die freie Verwendung von Daten durch das Gesetz oder durch Entscheidungen der Regulierungsbehörden erlaubt sein, z.B. im Rahmen der so genannten 12-Jahres-Regelung. Nach den Bestimmungen von REACH kann jede Studie beziehungsweise robuste Zusammenfassung von Studien, die im Rahmen einer Registrierung vor mindestens 12 Jahren eingereicht wurde, für die Registrierung nach REACH von jedem anderen Hersteller oder Importeur verwendet werden. Der Nachweis des rechtmäßigen Besitzes ist nicht notwendig für Daten, die vor mindestens 12 Jahren registriert wurden. Das gilt unter gewissen Umständen auch bei Anfragen oder wenn Parteien, wie im Leitfaden über das Data-Sharing beschrieben, sich in einem SIEF nicht über die gemeinsame Nutzung von Daten einigen. Unter gewissen Umständen kann die ECHA die Erlaubnis zur Verwendung von Daten erteilen.“

Dancet hält aber die besonders in der mittelständischen Wirtschaft verbreitete Angst vor dem Verlust geistigen Eigentums für unbegründet: „Wir versichern, dass REACH keine negativen Auswirkungen auf das Urheberrecht haben wird. REACH verlangt in der Tat, dass die Registrierer in der Regel im legitimen Besitz von Summaries auf der Grundlage vollständiger Studien oder eines legitimen Zugangs zu Robust Study Summaries sind, der in den Registrierungsunterlagen belegt werden muss. Das gilt auch für Robust Study Summaries aus dem Internet (z.B. aus dem OECD/ICCA HPV Programms oder dem US HPV Chemical Challenge Program). Darüber hinaus sollte man beim Herunterladen öffentlich zugänglicher Studien sorgfältig prüfen, ob deren Verwendung Urheberrechte verletzt.“ Wird das die Adressaten beruhigen?

Ungeklärt sind auch der rechtliche Status und die strafrechtliche Verantwortung der für die Anmeldung importierter Stoffe obligatorischen Alleinvertreter in der EU. „Hände weg vom Import fertiger Zubereitungen!“, rät deshalb Liisa Rapeli-Likitalo der europäischen Industrie. Da stehe man gleich mit einem Bein im Gefängnis. Die kleine, aber energische Frau ist zurzeit bei dem auf die Wasser- und Holzchemie spezialisierten finnischen Konzern Kemira Tag und Nacht damit beschäftigt, Stoffe ordnungsgemäß voranzumelden. Dabei machen ihr nicht nur Probleme mit der Registrierungs-Software IUCLID 5 und dem universellen Identifizierungscode UUID zu schaffen, sondern auch rechtliche Grauzonen. „REACH ist vor allem ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Anwälte und nichts für Menschen, die nicht gelernt haben, mit Ungewissheit zu leben“, resümiert sie ihre Erfahrungen.

ECHA-Chef Dancet gibt denn auch zu: „Uns bleibt noch viel zu tun, um zwischen unserer Behörde, der Industrie, den Gewerkschaften sowie den Umwelt- und Verbraucherverbänden eine transparente Vertrauensbasis aufzubauen und die ECHA zur wichtigsten Quelle für wissenschaftlich verlässliche Stoffinformationen zu machen.“ Nach der für Ende 2008/Anfang 2009 vorgesehenen Publikation der Liste vorregistrierter Stoffe wird die ECHA mit der Registrierung der großvolumigen Stoffe beschäftigt sein. Dancet erwartet, dass im Jahre 2010 nicht weniger als 20.000 Registrierungs-Dossiers bearbeitet werden müssen. Sollte es sich am Ende herausstellen, dass REACH, statt eine neue Ära der harmonisierten Stoffbewertung einzuleiten, vieles beim Alten lässt, wird das aber vermutlich weder in Brüssel noch in Helsinki jemand zugeben wollen. Die EU-Bürokratie wird sich wohl mit den Anspruchsgruppen darauf einigen, den Verbrauchern und Steuerzahlern ein Theater vorzuspielen. Darin fehlt es den EU-Behörden nicht an Übung.

Edgar Gärtner

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Die fünf häufigsten Gründe für die Zurückweisung von Registrierungsdossiers durch die ECHA:

• Die im Einreichungsformblatt angegebene UUID (Identitätsnummer) stimmte nicht mit dem UUID des eingereichten IUCLID 5 Dossiers überein;

• Das Unternehmen hat sich nicht vorher bei REACH-IT angemeldet oder die Unternehmens-UUID falsch angegeben;

• Es wurde keine digitale Fassung des Einreichungsformblatts und/oder IUCLID 5 Dossier vorgelegt;

• Das eingereichte Dossier entsprach nicht dem XML Format;

• Das Bestätigungsfeld am Ende des Einreichungsformulars wurde nicht angeklickt.

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(veröffentlicht in: Chemische Rundschau Nr. 10/2008, VS-Medien, CH-Solothurn)