Und Paracelsus hat doch recht: Auf die Gift-Dosis kommt es an

Stattdessen herrscht in Sachen Toxikologie dank grüner Propaganda Analphabetismus

von Edgar L. Gärtner
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Paracelsus (1493-1541)            Bildquelle:  shutterstock

Ob Feinstaub, Arsen oder Radioaktivität: Ein „Gutmensch“ fragt nicht danach, welche Dosis Menschen davon aufnehmen können, ohne ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Vielmehr wird er alles daransetzen, diese bösen Erfindungen gänzlich verbieten zu lassen, selbst wenn es sich dabei um Bestandteile der Natur handeln sollte. Doch damit schlägt er die Erfahrungen von Jahrtausenden in den Wind.
Wer die Welt starrsinnig in „gut“ und „böse“ einteilt, wird leicht zum Sektierer, wenn nicht zum Terroristen. Auch das Böse kann manchmal gute Seiten haben. Bekannt ist, dass etliche gefährliche Gifte in niedriger Konzentration zu hochwirksamen Heilmitteln werden können. Als Paradebeispiel dafür kann das Botulinum-Toxin (BTX) dienen. Dieses führte in früheren Zeiten des Öfteren zu tödlichen Vergiftungen durch verdorbene Wurstwaren. Das Nervengift wird von verschiedenen Stämmen des anaerob, das heißt unter Luftabschluss leben Bakteriums Clostridium botulinum gebildet und gilt als eines der stärksten Gifte überhaupt. Noch keinem Chemiker ist es gelungen, im Labor etwas Giftigeres zusammenzubrauen. Ein einziges Gramm davon würde ausreichen, um 100.000 Menschen zu töten! BTX blockiert die Erregungsübertragung von den Nerven auf die Muskeln. Die dadurch ausgelöste Erschlaffung der Muskeln führt, sofern den Opfern nicht rechtzeitig ein Antiserum verabreicht wird, rasch zum Zusammenbruch der Herz- und Lungenfunktion. Dennoch dient BTX heute in winzigen Konzentrationen der Bekämpfung von neurologischen Bewegungsstörungen und wird in Form von „Botox“ in wachsendem Maße für Schönheitsoperationen verwendet.
Es war der zur Zeit der Renaissance lebende Arzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493 bis 1541), besser bekannt unter dem von ihm selbst gewählten Namen Paracelsus, der als erster formulierte: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“ Diese als Paracelsus-Regel bekanntgewordene Aussage hat den Rang eines unverrückbaren Naturgesetzes. Wir sprechen heute vom Dosis-Wirkungs-Gesetz. Während selbst Newtons Gravitationsgesetz später durch Einstein relativiert wurde, konnte die Gültigkeit der Paracelsus-Regel noch nirgends in Zweifel gezogen werden. Sie gilt selbst für das anscheinend über jeden Verdacht erhabene Wasser, denn inzwischen sind sich die Mediziner darin einig, dass auch übermäßiges Wassertrinken zum Tod führen kann. Ganz abgesehen davon, dass man im Wasser auch leicht ertrinken kann.
Paracelsus erkannte auch, dass lebensgefährliche Gifte in verdünnter Form als Heilmittel dienen können. Dabei konnte er sich bereits auf Erfahrungen aus dem Altertum stützen. Unter anderem experimentierte er mit Quecksilber und Arsen. Mit dem erstgenannten Gift hatte er wohl kein Glück, denn sein früher Tod geht vermutlich auf eine chronische Quecksilber-Vergiftung zurück. Arsen hingegen wird noch heute für therapeutische Zwecke (unter anderem zur Behandlung der Schlafkrankheit und der promyelozytären Leukämie) eingesetzt. Gediegenes Arsen, das in der Natur nur selten vorkommt, ist zwar relativ ungefährlich. Arsentrioxid (Arsenik) hingegen ist hochgiftig, weil es die Chromosomen schädigt und die Atmungskette der Mitochondrien teilweise entkoppelt. Dennoch lernten die Menschen seit der Antike, Arsenik nicht nur als Arznei, sondern auch als Dopingmittel einzusetzen. Vor allem Gebirgsbewohner nutzten die Tatsache aus, dass unser Organismus als Gegenreaktion zur Einschränkung der Mitochondrien-Atmung die Bildung roter Blutkörperchen steigert. Die Giftwirkung des Arsenik wird dabei so stark überkompensiert, dass unterm Strich eine deutliche Leistungsstärkung eintritt. Arsenik wirkt also ähnlich wie das moderne Dopingmittel EPO. Es wurde auch tatsächlich über Jahrhunderte als solches eingesetzt, und zwar vor allem bei Rennpferden. Es kam inzwischen nur deshalb außer Gebrauch, weil man es heute im Urin der Gedopten ziemlich leicht nachweisen kann.
Menschen, die ihren Trinkwasserbedarf über Tiefbrunnen decken, droht im Prinzip die Gefahr einer schleichenden Arsenvergiftung. Das trifft heute für etliche Länder der „dritten Welt“ zu, wo mithilfe von Entwicklungshilfe-Geldern Tiefbrunnen gebohrt wurden, um den Armen die Nutzung des oft verseuchten Oberflächenwassers zu ersparen. Die Menschen können sich aber auch an die regelmäßige Aufnahme von Arsenik gewöhnen und sogar danach süchtig werden. Man hat das in Europa an Hochgebirgs-Bauern beobachtet, die bis ins 19. und zum Teil noch bis ins 20. Jahrhundert regelmäßig zweimal wöchentlich die relativ die große, für Talbewohner bereits tödliche Arsen-Menge von etwa 250 Milligramm schluckten, damit ihnen beim Arbeiten in der dünnen Luft nicht die Puste ausging. Wohl nicht zufällig fand man auch in der Gletscher-Mumie „Ötzi“ eine hohe Arsenkonzentration. Die könnte aber auch darauf hindeuten, dass der Mann im Kupferbergbau gearbeitet hat, wo Arsen als Nebenprodukt anfällt.
Trotz dieser durchaus positiven Erfahrungen mit Arsen als Dopingmittel verbreitet der Hinweis auf Arsen im Trink- oder Heilwasser neuerdings wieder Angst und Schrecken. Vor allem Anhänger der Grünen verweisen hier gerne auf den satirischen Film „Arsen und Spitzenhäubchen“. So geschah es auch in der bekannten Kurstadt Bad Nauheim, meinem derzeitigen deutschen Wohnort. Zwar haben die Grünen in dieser konservativen Stadt nie wirklich Wurzeln schlagen können. Doch auf Wunsch der CDU-Führung musste der letzte Bürgermeister mit den Grünen koalieren. Früher hat Bad Nauheim sogar mit dem hohen Arsengehalt seiner Heilwässer geworben. Der Arsengehalt des Wassers aus dem Kurbrunnen beträgt immerhin 0,24 Milligramm je Liter (mg/l). Zum Vergleich: Der Grenzwert der deutschen Trinkwasserverordnung beträgt 0,01 mg/l. Kaum im Amt, schloss deshalb die grüne Erste Stadträtin Brigitta Nell-Düvel diesen Brunnen für den Publikumsverkehr. Der Arsengehalt der anderen Brunnen liegt etwa um den Faktor 10 niedriger. Diese wurden lediglich mit Warnhinweisen, davon täglich nicht mehr als einen oder zwei Becher zu trinken, versehen. Der bei Einheimischen beliebte Ludwigsbrunnen am Südpark (Arsengehalt 0,023 mg/l) in meiner Nähe wurde hingegen für Monate wegen des gelegentlichen Austritts von CO2 (Achtung: Klimagift) gesperrt.
Baumaßnahmen können in unserer Stadt richtig teuer werden, wenn es gilt, mit Arsen belasteten Erdaushub zu beseitigen. Denn laut Gesetz muss Boden mit einem Arsengehalt von über 20 mg/kg auf teure Sondermüll-Deponien. Das ist in Bad Nauheim fast flächendeckend der Fall. Beim Bau eines Supermarktes an der Hauptverkehrsachse der Stadt, der Frankfurter Straße, hat der Bauherr deshalb zum Beispiel auf ein Untergeschoss verzichtet, um die Entsorgungskosten zu begrenzen. Die damit verbundene Aufregung könnte man sich jedoch ersparen. Denn alles spricht dafür, dass die Menschen sich an solche Arsengehalte im Trinkwasser und im Boden anpassen können.
Worauf die Gewöhnung an die regelmäßige Arsenik-Aufnahme beruht, ist bis heute erst ansatzweise aufgeklärt. Etwas Licht in die Geschichte bringt eine Arbeit von Mario Apata und Mitarbeitern von der Universität von Santiago/Chile, die vor einigen Monaten im American Journal of Physical Anthropology veröffentlicht wurde. Diese untersuchten, wie die Bewohner der seit 7.000 Jahren bestehenden Siedlung (Quebrada) Camarones in der nordchilenischen Atacama-Wüste mit dem extrem hohen Arsengehalt ihres Trinkwassers klarkommen. Die Atacama ist die trockenste nichtpolare Wüste der Erde. Es fällt dort so gut wie überhaupt kein Niederschlag. Dennoch gibt es hier einige aus Tiefenwasser gespeiste Quellen. Doch deren Arsengehalt überschreitet ein Milligramm je Liter. Das ist mehr als das Hundertfache des von der Weltgesundheitsorganisation WHO eingeführten Grenzwerts. (Heute kann man übrigens das Arsen mithilfe von Kerzenfiltern o.ä. relativ einfach aus dem Leitungswasser entfernen.)
Man weiß seit einiger Zeit, dass anorganische Arsenverbindungen in der Leber zu Monomethylarsonsäure (MMA) und Dimethylarsinsäure (DMA) umgewandelt werden. Dafür ist ein Enzym mit der Abkürzung AS3MT verantwortlich. DMA ist weniger giftig und wird schneller über die Nieren ausgeschieden als MMA. Da Arsen als Chromosomengift die Fortpflanzung erschwert, sollten Menschen, die mehr Arsen in DMA umwandeln, also einen Selektionsvorteil im Sinne von Darwins Hypothese der natürlichen Zuchtwahl haben. Genau das haben Mario Apata und seine Mitarbeiter an 150 Probanden aus drei verschiedenen Regionen Chiles überprüft. Sie stellten fest, dass das Gen für die Synthese des Enzyms AS3MT in zwei verschiedenen Formen vorliegt, die sich nur in einem Baustein (Nukleotid) unterscheiden. Menschen aus Camarones trugen zu 68 Prozent die Gen-Variante für DMA gegenüber 48 und nur 8 Prozent aus den beiden anderen Regionen. Das beweist, dass in Camarones über Jahrtausende eine Selektion zugunsten der Entgiftung von Arsen über DMA stattgefunden hat. Ob in Europa ein ähnlicher Selektionsprozess abgelaufen ist, muss noch überprüft werden.
Am Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass Mario Apata und seine Mitarbeiter mit ihrem Befund keinen Beweis für die Richtigkeit der neodarwinistischen Evolutionslehre geliefert haben, sondern lediglich ein Zeugnis für die Mikroevolution, die Entstehung von Unterarten durch selektive Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Das würden auch Vertreter des „Intelligent design“ nicht abstreiten. Die Verfechter des Neodarwinismus behaupten jedoch, auf diesem Wege schreite auch die Makroevolution, das heißt die Entstehung ganz neuer Arten mit neuen Bauplänen voran. Dafür gibt es aber keinen einzigen Beleg.

Veröffentlicht am 22. November 2017 in: The European