Risse im Grünen Weltbild

Politik und Wirtschaft stellen noch immer die Ablösung „fossiler“ Energiequellen wie Kohle und Erdöl durch „erneuerbare“ als alternativlos dar. In Wahrheit ist das Weltbild, das auf der Endlichkeit von Kohlenwasserstoffvorkommen beruht, aber längst in Frage gestellt worden. Im Auftrag des Königlich Schwedischen Technologieinstituts haben Forscher gezeigt, dass Erdöl auch ohne die Zersetzung von Biomasse entstehen kann.

Erdöl, eine erneuerbare Energiequelle

Das Königlich Schwedische Technologieinstitut (KTH) in Stockholm hat bekanntgegeben, nun sei der experimentell bewiesen worden, worauf es nun schon seit Jahrzehnten Hinweise gibt: Für die Entstehung von Erdöl ist keine fossile Biomasse nötig. Unter hohem Druck und hohen Temperaturen können komplexere Kohlenwasserstoffe auch direkt aus normalen anorganischen Bestandteilen des oberen Erdmantels und der Erdkruste wie Methan entstehen. Das haben Anton Kolesnikov, Vladimir G. Kutcherov und Alexander F. Goncharov von der Washingtoner Carnegie Institution, der Moskauer Lomonossow Universiät und des Königlich schwedischen Technologie Instituts in Stockholm durch ein aufwändiges Experiment demonstriert.

Die Konsequenz: Bohrt man nur tief genug, könnte man fast überall auf der Welt auf Öl-, Gas- und Kohle-Lagerstätten stoßen. Die Kohlenwasserstoffvorräte der Erde sind keineswegs endlich, sondern Teil eines langfristigen geochemischen Kreislaufs, in den der Mensch nur minimal eingreifen kann. (10. September 2009)

Der folgende Artikel, dessen Urfassung bereits im vergangenen Jahr entstanden ist, bekommt durch die am KTH durchgeführten Forschungen neue Aktualität.

Abschied vom grünen Weltbild

von Edgar L. Gärtner

„Angesichts der Endlichkeit fossiler Brennstoffe gehört die Zukunft der Energieversorgung zweifellos den Erneuerbare-Energien-Technologien.“ Mit dieser ganz selbstverständlich erscheinenden und deshalb nicht begründeten Behauptung beginnt eine im Magazin „Cicero“ 12/2008 unter dem Titel „Die Energie-Lüge“ veröffentlichte gnadenlose Abrechnung acht liberaler Wirtschaftsprofessoren mit der Förderung unausgereifter und unbezahlbarer „Zukunftstechniken“ durch das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Die Professoren zeigen: Auch wer an das grüne Weltbild glaubt, kann es nicht gutheißen, dass die Energieverbraucher wegen eines den kurzsichtigen finanziellen Interessen grüner Amigos auf den Leib geschneiderten Gesetzes für die Vermeidung einer einzigen Tonne CO2 bis zu 1000 Euro zahlen müssen. Aber muss man wirklich an das ökologistische Weltbild glauben?

Schon eine unvoreingenommene Auswertung des beinahe tragischen Ausgangs des Biosphäre-2-Experiments in der Sonora Wüste von Arizona hätte meines Erachtens nur den Schluss zugelassen, das grüne Weltbild zu begraben. Das auf 100 Jahre angelegte Experiment eines autonomen Lebens in einem von der Gaia-Theorie von James Lovelock inspirierten Nachbau der irdischen Lebewelt in einer Glaskuppel mit anderthalb Hektar Grundfläche musste schon nach knapp zwei Jahren abgebrochen werden – kurz vor dem absehbaren Hungertod der acht Bewohner des künstlichen Öko-Paradieses. Aber das gegen Ende der 80er Jahre vom texanischen Ölmilliardär Ed Brass in einer romantischen Anwandlung für insgesamt 200 Millionen US-Dollar in die Welt gesetzte Projekt wurde aus ideologischen Gründen bis heute nicht umfassend analysiert und bewertet.

Das Experiment, wäre es wirklich sauber angelegt worden, hätte wohl zeigen können, dass der Planet Erde nicht so funktioniert, wie es bis heute in vielen populären Ökologiebüchern steht. Es hätte insbesondere Aufschlüsse geben können über das Verhältnis zwischen geologischen und biologischen Stoffkreisläufen. Nur weil Hohepriester der Gaia-Religion sich bislang standhaft weigerten, bereits gesichertes wissenschaftliches Wissen ins ökologische Weltbild zu integrieren, können sie überhaupt zur Behauptung gelangen, der durch die Verbrennung fossiler Kohlenwasserstoffe verursachte Anstieg der Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre und der damit vermutlich verbundene Anstieg der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde seien das dringendste Problem der Menschheit und müssten unbedingt gestoppt werden – koste es, was es wolle.

Das Kyoto-Protokoll von 1997 ist mehr als eine Übereinkunft über eine bescheidene Reduktion der CO2-Emissionen der Signatarstaaten. Da es auch CO2-Senken anerkennt, beinhaltet es vielmehr im Prinzip den Anspruch, die Ära des globalen Managements des gesamten Kohlenstoff-Kreislaufs zu eröffnen. Das setzt voraus, dass

• erstens die wichtigsten Stoffkreisläufe der Erde hinreichend genau quantifiziert werden können und

• zweitens nachzuweisen, dass der Kreislauf des Kohlenstoffs einen nennenswerten Einfluss auf atmosphärische Vorgänge ausübt.

Die Erde ist ein Wasserplanet. Etwa 71 Prozent ihrer Oberfläche sind von Meerwasser bedeckt. Folglich überragt der von der Sonnenwärme durch Verdunstung angetriebene Wasserkreislauf mengenmäßig alle anderen Zyklen. An zweiter Stelle folgt der Kreislauf des Sauerstoffs, des wichtigsten Elements in der Erdkruste. Der Kohlenstoffkreislauf folgt erst an dritter Stelle. Danach kommt der Kreislauf des reaktionsträgen Stickstoffs, der zwar 80 Prozent der Atmosphäre ausmacht, aber in den Böden und in den Gewässern eher rar ist. Das führt zur Frage, ob ein drittrangiger Stoffkreislauf grundsätzlich in der Lage ist, den Wasserkreislauf anzutreiben, der das Wettergeschehen bestimmt. Auf diese Frage gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. Doch legen Satellitenmessungen nahe, sie zu verneinen.

Ausgerechnet die Bilanz des Kohlenstoffkreislaufs weist große Lücken auf. Viele Milliarden Tonnen Kohlenstoff scheinen jahraus, jahrein aus dem Kreislauf einfach zu verschwinden. Das ist deshalb von Belang, weil das grüne Weltbild auf der Annahme beruht, der Kohlenstoffkreislauf (C-Zyklus) sei im Wesentlichen biologischer Natur: Grüne Algen und Landpflanzen nehmen CO2 aus dem Wasser bzw. der Luft auf und geben Sauerstoff ab. Dabei stelle sich ein Gleichgewicht ein, das der Mensch nicht stören dürfe. Verdrängt wird in dieser Weltsicht, dass es auch einen rein geochemischen C-Zyklus gibt, der der in Form von Bodenausgasungen und Vulkanausbrüchen jedes Jahr viele Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre bringt.

Seit der Bestätigung der Kontinentalverschiebungs-Hypothese von Alfred Wegener wissen wir, dass die Erdkruste in ständiger Bewegung ist. Alles, was einmal oben war, kommt im Prinzip auch wieder nach unten, d.h. von der mehr oder weniger festen Erdkruste tief in den breiartigen Erdmantel, wo auch Kohlenstoffverbindungen biologischen oder nichtbiologischen Ursprungs (wie vor allem Kalk und Dolomit) zu Magma eingeschmolzen werden. An anderer Stelle kommt der Kohlenstoff später in Form von Ausgasungen von Methan und Kohlenstoffdioxid sowie Vulkanausbrüchen wieder hoch. Dieser Kreislauf fände auch statt, wenn es überhaupt kein Leben auf der Erde gäbe. Es ist aber wegen lückenhafter Messungen bislang kaum möglich, das Massenverhältnis zwischen biologischen und abiotschen C-Kreisläufen einigermaßen genau abzuschätzen. Die Entstehung von Erdöl-, Kohle- und Methanhydratlagerstätten ist möglicherweise überwiegend Teil eines nichtbiologischen Zyklus. Unter hohen Drücken und Temperaturen können sich im Erdmantel aus reichlich vorhandenen Ausgangsbestandteilen spontan Kohlenwasserstoff-Gemische bilden, die nach oben wandern und sich in der Erdkruste unter undurchlässigen Tonschichten zu Gas-, Öl- oder Kohlelagerstätten konzentrieren. Auch die riesigen auf den Meeresböden lagernden Methanhydratvorkommen in der Größenordnung von 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff können vermutlich kaum auf biologischem Wege entstanden sein. Der bekannte US-Astrophysiker und Erfinder Thomas Gold, der als einer der ersten eine (umstrittene) Theorie des nichtbiologischen Ursprungs der Rohölvorräte in die Welt setzte, nahm an, dass auch Archaebakterien tief in der Erdkruste an der Rohölentstehung beteiligt sind bzw. im Erdöl ihre Spuren hinterlassen. Auch das würde dem „grünen“ Weltbild widersprechen. Kurz: Statt als begrenzte Ressource fossilen Ursprungs können Methan, Kohle und Erdöl (das zu Recht auch Mineralöl heißt) möglicherweise als erneuerbare Rohstoffe betrachtet werden. Absolute Ressourcenknappheit könnte nur eintreten, wenn die Erdmasse abnähme. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Wegen Meteoriteneinschlägen nimmt sie unterm Strich sogar allmählich zu.

Inzwischen ist klar geworden, dass man in der Erdkruste praktisch überall Kohle- und Erdöl-Lagerstätten findet, wenn man nur tief genug bohrt. Im September 2009 machte zum Beispiel die Aktie des Ölkonzerns BP einen Sprung nach oben, weil BP im Golf von Mexiko riesige neue Ölvorräte entdeckt hat. Im gleichen Monat wurde die Entdeckung gigantischer Ölvorkommen vor der Küste des westafrikanischen Sierre Leone und in Uganda gemeldet. Kurz zuvor hatte der Iran die Entdeckung neuer Ölvorkommen beklanntgegeben. Ob sich die Nutzung dieser tiefer gelegenen Lagerstätten wirtschaftlich lohnt, hängt allerdings vom jeweiligen Weltmarktpreis des Rohöls ab. In den letzten Jahrzehnten sind tatsächlich im Schnitt deutlich mehr Erdölvorräte verbraucht als neu entdeckt worden, da die Explorationstätigkeit, abhängig vom Weltmarktpreis für Rohöl, sehr unregelmäßig verief. Auffällig ist, dass die Reichweite der sicheren Vorräte mit 40 Jahren etwa konstant blieb. Das hat vor allem finanztechnische Gründe, da es schwierig bis unmöglich ist, Explorationsprojekte, die über diesen Zeithorizont hinausreichen, zu finanzieren.

Dennoch wäre es nun an der Zeit, nüchtern zu überprüfen, ob der „Abschied vom Zeitalter fossiler Energien“ wirklich Dreh- und Angelpunkt der Energiepolitik sein kann. Da die Theorie Golds und des US-Geologen Kenney, des Inhabers der Gas Resources Corp. in Houston, Texas, immer mehr Anhänger gewinnt und neuerdings auch durch Laborexperimente gestützt wird, hat sich der Wissenschaftsjournalist Wolfgang W. Merkel jüngst unter dem Titel „Erdöl auf ewig?“ in der „Welt am Sonntag“ damit beschäftigt, um das grüne Weltbild zu retten. Leider erwähnt er darin nicht, dass Thomas Gold mit seiner Theorie der primären Tiefen-Biosphäre längst erklärt hat, warum im Erdöl Spuren lebender Materie zu finden sind. So muss nun selbst SPIEGELonline eingestehen, dass „Peak Oil“-Theorien in der Finanzwelt derzeit nicht mehr sehr hoch im Kurs stehen, weil allein in diesem Jahr nicht weniger als 200 neue Ölvorkommen entdeckt wurden. (24. September 2009)

Literatur

Edgar Gärtner: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie. Jena 2007

Thomas Gold: Deep Hot Biosphere. The Myth of Fossil Fuels. New York 1999, 2001

James Lovelock: Das Gaia-Prinzip. Die Biografie unseres Planeten. Zürich-München 1991

Internet

Der schwarze Schatz aus der Tiefsee

Ölindustrie erntet Früchte des Booms

BP entdeckt gigantisches Rohölvorkommen

Riesiges Ölfeld vor Sierra Leone entdeckt

Einfach tiefer bohren

Geplatzte Öko-Blase

Geplatzte Öko-Blase 2

Ernst Georg Beck: Der C-Zyklus

Verschüttete Erkenntnisse über den Kohlenstoffkreislauf

Siegfried Emanuel Tischler: Der Erdöl-Schwindel

Wolfgang W.Merkel: „Erdöl auf ewig?“

Weitere Links zu kritischen Beiträgen von scholar.google.com über die Hypothese von Thomas Gold, die nachdenklich machen:

Über Thomas Gold

Bibliografie

Abstract

Abstract

Abstract

Evgeny Yantovski über Golds Hypothese

Havard

Spiedl

Sciencelinks

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Darf Politik sich auf hypothetische Probleme konzentrieren?

Von Edgar L. Gärtner

Selbstverständlich darf sich auch die große Politik, wie jeder Normalsterbliche, hin und wieder mit der Frage „Was wäre, wenn…“ beschäftigen. Doch lehrt uns der gesunde Menschenverstand, dass es oft klüger ist, die Probleme ein Stück weit auf sich zu kommen zu lassen. Denn wer sich ständig nur um ungelegte Eier kümmert, der wird über kurz oder lang unter Brücken nächtigen, sagt eine Volksweisheit. Diese Einsicht sollte sich meines Erachtens auch der großen Politik bemächtigen. Viele vom Wohlfahrtsstaat verwöhnte politische Akteure (das gilt sowohl für Berufspolitiker als auch für ihre Wähler) sperren sich aber dagegen, indem sie sich auf die mir eher gedankenlos als klug erscheinende Devise „Vorbeugen ist besser als heilen“ berufen. Vorbeugen kann man aber nur gegen bekannte Gefahren. Wer etwa an einem großen Fluss baut, muss Vorsorge gegen gelegentliche Überschwemmungen treffen. Oder: Wer bei minus 20 Grad spazieren gehen will, der muss sich warm anziehen und etwas Ordentliches essen. Vorsorge gegen rein hypothetische Gefahren erweist sich hingegen meistens als reine Geldverschwendung, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Einzelne oder Gemeinschaften im realen Leben stattdessen mit Problemen konfrontiert, an die zuvor niemand gedacht hat. Diesen kann man schlecht begegnen, wenn man die verfügbaren Mittel zuvor in die Abwehr rein hypothetischer Probleme investiert hat.

Das zuletzt Gesagte trifft meines Erachtens auf die zurzeit in Europa sehr populäre „Klimapolitik“ zu. Diese stützt sich auf die nur in Computermodellen simulier-, aber experimentell nicht überprüfbare Hypothese, von den Menschen verursachte Kohlenstoffdioxid-Emissionen seien die Hauptursache der im vergangenen Jahrhundert registrierten leichten Erhöhung der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, und führten, wenn sie nicht gestoppt werden, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu einer gefährlichen Überhitzung unseres Planeten. Um den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf plus zwei Grad Celsius zu begrenzen, dürfe die Menschheit nur noch eine Menge fossiler Brennstoffe nutzen, die dem Äquivalent von 700 Milliarden Tonnen CO2 entspricht. Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Milliardenbeträge, die schon jetzt mit dem Verweis auf diese Hypothese in vermeintlich „klimaneutrale“ neue Energien investiert werden, auch zu den erhofften Resultaten führen werden. Schlimmer noch: Wer diesen Denkansatz akzeptiert, gelangt schnurgerade zu einer kommunistischen Politik der globalen Kohlenstoff-Rationierung und Umverteilung, in der für offenen Wettbewerb als Suchprozess kein Platz mehr ist. Es macht dann keinen Unterschied mehr, ob diese Rationierung durch das Plankommissariat eines imaginären Weltstaates oder durch den Handel mit CO2-Emissions-Zertifikaten auf dem Weltmarkt erfolgt. Insofern wundere ich mich sehr, dass Politiker, die sich als liberal verstehen, sich mit dieser Art von Politik angefreundet haben.

Ist es überhaupt möglich, liberale Politik jemals durch den Verweis auf Naturwissenschaften zu begründen? Die Antwort liegt meines Erachtens auf der Hand. Und das nicht nur, weil naturwissenschaftliche Theorien nach Karl R. Popper immer hypothetisch und daher korrigierbar bleiben müssen. Zurzeit spricht zum Beispiel Vieles dafür, dass „Klimawandel“ in den kommenden Jahrzehnten statt Erwärmung eher Abkühlung bedeuten wird. Die auf die Bedkämpfung der (hypothetischen) globalen Erwärmung zugeschnittene Politik aber wird unkorrigierbar, sobald sie erst einmal in den Aufbau von Bürokratien übersetzt worden ist. Dieser Punkt ist vermutlich schon erreicht, denn in Bonn, New York und Genf sind in im Namen der Bekämpfung der Erwärmung durch CO2-Reduktion bereits bürokratische Wasserköpfe entstanden. Deren bloße Existenz verhindert weitere Lernprozesse in Sachen Mensch und Klima. Konkret wird das vermutlich bedeuten: Auch wenn es immer häufiger zu kältebedingten Ernteausfällen kommt und immer mehr Menschen an Erkältungskrankheiten leiden, wenn nicht sterben, werden noch immer Milliardenbeträge für die Bekämpfung der fiktiven Erwärmung ausgegeben werden.

Für noch wichtiger halte ich aber folgendes Argument: Demokratische Politik im heutigen Sinne wurde bekanntlich in antiken und mittelalterlichen Stadtstaaten erfunden. Globale Politik ist nach klassischem, nicht imperialem Politikverständnis ein Widerspruch in sich. Die physische Einheit des Planeten Erde ist politisch von untergeordneter Bedeutung und wird es vermutlich auch bleiben. Denn die meisten Menschen haben, zum Glück, gelernt, auf Probleme erst dann durch kostenträchtige individuelle und kollektive Anpassungsmaßnahmen zu reagieren, wenn sie sie am eigenen Leib spüren oder ihnen nahe kommen sehen. (16. Juni 2009)

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Öko-Nihilismus: Wirtschaftlicher Selbstmord aus Angst vor dem Tod

von Edgar Gärtner

Entscheidungen, deren Kosten ihren Nutzen dauerhaft weit übersteigen, sind schlicht dumm. Denn auf eine ganze Volkswirtschaft übertragen, wären sie gleichbedeutend mit Selbstmord. Da der Billionen verschlingende „Klimaschutz“ im Nichts enden wird, bezeichne ich diese Perversion von Ökologie als „Öko-Nihilismus“ – was nur eine andere Bezeichnung für Dummheit ist. Ein Meinungsbeitrag von Edgar Gärtner.

Es gibt zwei konträre, mitunter aber auch komplementäre Auffassungen von Ökologie:

Zum einen die von der „Physico-Theologie“ des 17. und 18. Jahrhunderts ausgehende statische, hauswirtschaftliche, wonach die Welt ein geschlossenes, tendenziell vollständig analysierbares System im Gleichgewicht, genannt Naturhaushalt darstellt.

Dieser soll durch die Anwendung wissenschaftlich abgeleiteter Management-Regeln mit wenigstens 90-prozentiger Gewissheit hausväterlich verwaltet werden können.

Dem gegenüber steht die evolutionistische Sicht, wonach die Welt nach allen Seiten (außer nach rückwärts) offen ist. Es gibt darin kein statisches Gleichgewicht, keine prästabilisierte Harmonie. Systeme existieren, so gesehen, nur in unseren Köpfen oder in Dingen bzw. Organisationen, die wir bewusst schaffen. Menschliches Wissen bleibt immer eine Insel in einem Meer von Nichtwissen. Statt 90 Prozent wissen wir oft weniger als ein Prozent von dem, was wir wissen müssten, um natürliche und/oder gesellschaftliche Prozesse zielgerichtet steuern zu können.

Wir müssen aus Versuch und Irrtum lernen. Nur historisch gewachsene und bewährte Institutionen, angefangen mit der Familie und der Gemeinde, bieten uns danach provisorische Gewissheit. Erst im Rahmen solcher Institutionen bekommt ein haushälterisches Herangehen an Probleme der Ressourcen-Allokation Sinn.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln sich im Gewicht, das verschiedenen Methoden der kollektiven Entscheidungsfindung beigemessen wird. Oberhalb der „magischen Zahl“ von 150 Personen (Familien oder Clans) gibt es im Grunde nur zwei Wege kollektiver Entscheidungsfindung: den Markt und die Bürokratie.

Der Markt ist historisch älter, denn schon der Homo sapiens sapiens von Cro Magnon betrieb vor Zigtausend Jahren nachweislich Fernhandel mit unbekannten Zeitgenossen und verdankt diesem vermutlich sein Überleben in der unwirtlichen Eiszeit.

Dennoch erscheint uns der Markt noch heute als „künstlich“, weil das über Hunderttausende von Jahren an das Leben in kleinen Horden angepasste menschliche Hirn mit unpersönlichen Formen des Austauschs offenbar schlecht zurechtkommt. Demgegenüber erscheint uns die erst sehr viel später mit dem Leben in größeren Städten aufgekommene Bürokratie eher als „natürlich“, weil diese offenbar an die hierarchische Struktur der Familie bzw. des Clans erinnert.

Bürokratische Versuche, reale oder vermeintliche Probleme zu lösen, erscheinen den meisten Menschen als attraktiver, als sich der Ungewissheit offener Märkte anzuvertrauen, wenn nicht auszuliefern. Außer in Notzeiten, in denen die Marktwirtschaft spontan in Form des Schwarzhandels aufblüht, bedarf die Marktwirtschaft deshalb meistens einer ordnungspolitischen Förderung. Der freie Markt bleibt eine Kulturaufgabe.

Ein Stück weit muss Bürokratie auch in einer freien Marktwirtschaft als notwendiges Übel akzeptiert werden: So in Buchführung und Statistik oder im Banken- und Versicherungswesen. Markt und Bürokratie können sich im Prinzip ganz gut ergänzen, sofern die Bürokratie sich damit begnügt, die Ergebnisse des Wettbewerbs und des damit verbundenen Lernens aus Versuch und Irrtum festzuhalten, um zu vermeiden, dass Fehler wiederholt werden. Gelangt die Bürokratie jedoch in eine führende Rolle, wird sie leicht zur „Anmaßung von Wissen“ (Friedrich August von Hayek). Diese führt nicht nur zu ineffizienter Ressourcen-Allokation, sondern auch zur Versuchung des Nihilismus.

Nihilismus bedeutet nach Albert Camus nicht, an nichts zu glauben, sondern nicht an das, was ist.

Nach Friedrich Nietzsche, der den Begriff prägte, handelt es sich beim Nihilismus um ein zweideutiges und daher hoch gefährliches Durchgangsstadium zwischen dem Abfall von Gott und dem Glauben an den Übermenschen. Habe ich Nietzsche richtig verstanden, dann ist Nihilismus lediglich eine vornehme Umschreibung von Dummheit.

Diese hat wenig mit dem IQ zu tun, dafür aber umso mehr mit krankhafter Religiosität, mit dem Glauben, es gebe etwas Wichtigeres als das wirkliche Leben in Freiheit und Würde. Oft setzen Nihilisten alles daran, etwas wirklich oder scheinbar Gutes zu erreichen, achten dabei aber nicht auf dessen Preis. Dieser kann unverhältnismäßig hoch sein. Das ist eindeutig der Fall, wenn des vermeintlich Guten wegen nicht nur Freiheit und Menschenwürde, sondern u. U. sogar Millionen von Menschenleben geopfert werden, was im 20.Jahrhundert leider wiederholt vorkam. Nihilismus wurde und wird noch heute auch zur physischen „Negation des Lebens“ (Nietzsche).

Die aktuell gefährlichste Form von Nihilismus bzw. gutmenschlicher Dummheit sehe ich im „Klimaschutz“, weil dieser alles auf eine Karte setzt. Um das Ziel einer 20-prozentigen Reduktion des „Treibhausgases“ Kohlenstoffdioxid (CO2) bis zum Jahre 2020 zu erreichen und damit eine „Vorreiterrolle“ im Kampf gegen den als bedrohlich dargestellten Klimawandel spielen zu können, müssen nach den von der deutschen Bundesregierung im August 2007 im Schloss Meseberg getroffenen Beschlüssen schätzungsweise 500 Milliarden Euro investiert werden. Die EU-Kommission hat das Meseberger Programm im Januar 2008 für die ganze EU verbindlich gemacht. Dessen Gesamtkosten, so es denn umgesetzt wird, gehen also in die Billionen. Diesen Rieseninvestitionen stünde mit Sicherheit kein messbarer Einfluss auf die Durchschnittstemperatur der Erde gegenüber. Denn Deutschlands Beitrag zu den globalen CO2-Emissionen wird, nach „offiziellen“ Projektionen, im Jahre 2020 nur noch 1,6 und im Jahre 2030 gerade noch 1,2 Prozent ausmachen, während China allein über ein Viertel beisteuern würde.

Zwar führt die „Klimaschutzpolitik“ der Bundesregierung, die Förderung unbezahlbarer „erneuerbarer“ Energiequellen bei gleichzeitigem Verzicht auf den Weiterbetrieb abgeschriebener und daher konkurrenzlos kostengünstiger Kernkraftwerke zweifelsohne auch zu einem Aufschwung mittelständischer Industrie- und Handwerksbetriebe. Aber diese Blüte und die mit ihr verbundene Schaffung Hunderttausender von (hoch subventionierten) Arbeitsplätzen werden erkauft durch enorm steigende Energiepreise. Das könnte sich als fatal erweisen, sollten jene Astronomen Recht behalten, die vor einer „Kleinen Eiszeit“ infolge nachlassender Sonnenaktivität warnen.

Gedankenlos nimmt so die „Klimapolitik“ mit der (gewollten) Verteuerung von Energieträgern und Nahrungsmitteln Hunger- und Erfrierungsopfer in Kauf, um vorgeblich ein statistisches Konstrukt, die bodennahe Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, zu schützen.

„Klimaschutz“ durch die Drosselung von CO2-Emissionen mithilfe des Einsatzes „erneuerbarer“ bzw. kohlenstoffarmer Energieträger und des Handels mit streng rationierten CO2-Emissionsrechten ist die bürokratische Antwort auf den ständigen, auch ohne menschliches Zutun ablaufenden Klimawandel. Statt auf der unvoreingenommenen Überprüfung von Hypothesen mithilfe von Experimenten und Messungen beruht die bürokratische Herangehensweise auf der Herstellung eines scheinbaren Konsenses über CO2-Emissionen als Hauptursache des Klimawandels mithilfe numerischer Computersimulationen im „Weltklimarat“ IPCC.

In welchem Maße es auf der Erde in den nächsten 100 Jahren wärmer oder kühler wird, können uns numerische Modelle der atmosphärischen Zirkulation, wie die US-Atmosphärenforscher Gerald Roe und Marcia Baker (in „Science“ vol. 318, p. 582) durch Tests aller gängigen „Klimamodelle“ demonstriert haben, aber gar nicht sagen. Die vernünftige Antwort auf diese Herausforderung liefert uns der gesunde Menschenverstand. Dieser legt uns nahe, Probleme immer ein Stück weit auf uns zukommen zu lassen, statt uns um ungelegte Eier zu sorgen. Wir müssen versuchen, uns dem unvorhersehbaren und unaufhaltsamen Wandel möglichst intelligent anzupassen.

Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind Wettbewerb und Glaubensfreiheit.

Mehr Wettbewerb führt erfahrungsgemäß zur Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands. Dieser wiederum erleichtert die Anpassung an unvorhersehbare Entwicklungen wie Erdbeben oder Klimaverschiebungen. Denn nicht zufällig unterscheiden sich die Opferzahlen bei schweren Erdbeben in armen und reichen Ländern um einige Größenordnungen. Schreitet die „Klimapolitik“ jedoch auf dem eingeschlagenen Weg fort, droht uns m. E. eine allgemeine Verarmung und damit ein Sinken der Anpassungsfähigkeit, wenn nicht Selbstmord auf Raten.

Dennoch stehen die Chancen, dem pseudoreligiösen Wahn des „Klimaschutzes“ ein Ende zu bereiten, derzeit nicht besonders gut. Dafür sorgt ein staatsmonopolistisches Kartell von Profiteuren maßgeschneiderter Gesetze im Namen des „Klimaschutzes“: der Öko-Industrie-Komplex. Zu diesem bekannten sich jüngst in einer auf Initiative des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) zustande gekommenen Erklärung zum bevorstehenden G8-Gipfel die Chefs von 91 internationalen Industrie-, Bank- und Versicherungskonzernen.

Darin machen sie sich stark für eine „kohlenstoffarme“ Wirtschaft durch eine Halbierung der weltweiten CO2-Emissionen bis zum Jahre 2050. Dabei gelte es, internationale „top-down“-Verpflichtungen mit „bottom-up“-Initiativen mithilfe von „Marktmechanismen“ zu einer „intensiven Public-Private-Cooperation“ zu verbinden. Was die ergrünten CEOs unter „Marktmechanismen“ verstehen, hat aber mit offener Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards wenig zu tun. Es handelt sich vielmehr um die geschlossene und statische Welt der Bürokratie. Deshalb wäre es nur logisch, diese Konzerne umgehend zu verstaatlichen.

Für die Verbreitung der Dummheit bedarf es keiner Verschwörung, denn Dummheit ist von sich aus hoch ansteckend. Das hat die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann in ihrem Klassiker „Die Schweigespirale“ gezeigt.

Was als Offensive des Bürokratismus begann, droht deshalb zu einer gegenüber der Realität abgedichteten „totalitären Fiktion“ zu werden. Es ist zwecklos, die Erfinder und Profiteure dieser Fiktion widerlegen zu wollen.

Das hat die Philosophin Hannah Arendt am Beispiel der (noch immer fortlebenden) Fiktion einer jüdischen Weltverschwörung demonstriert. Hitler konnte nicht widerlegt, sondern nur militärisch besiegt werden, bemerkte Arendt trocken.

Auf die heutige Situation übertragen, heißt das für mich: Wir müssen versuchen, den Öko-Industrie-Komplex und seine nihilistischen Propheten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

(veröffentlicht am 12. August 2008 auf www.wiwo.de)

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Die Schöpfung bewahren… von Edgar Gärtner

Barack Obama hat zumindest in Deutschland Papst Benedikt XVI. die Show gestohlen. Doch während vom berauschenden Wortschwall an der Berliner Siegessäule vermutlich nicht viel hängen bleiben wird, haben die Massenmedien rund um die Welt in seltener Eintracht Benedikts Ansprache auf dem Weltjugendtag in Sydney als Ausdruck des Ergrünens des Vatikans gewertet. Unwidersprochen wurde behauptet, Benedikt reihe sich nun ein in den Kampf gegen den Klimawandel. Die deutsche Katholische Bischofkonferenz, die sich schon vor fast zwei Jahren unter dem Motto „Die Schöpfung bewahren!“ vorbehaltlos den Katastrophenwarnungen des „Weltklimarates“ IPCC angeschlossen hatte, wird sicher nichts tun, um diesem Missverständnis entgegen zu treten. Doch wer sich Benedikts Redetext genauer anschaut, stellt fest, dass darin von „Klimaschutz“ nirgends die Rede ist. Nur an einer Stelle spielt der Papst überhaupt auf das Klima-Thema an: Als er darauf hinweist, einige Inselstaaten seien von steigenden Fluten bedroht, während andere Nationen unter verheerender Trockenheit litten. Kein Wort über „Treibhausgase“.

Dagegen warnt der Oberhirte der Katholiken vor Erosion, Entwaldung sowie vor der Verschwendung mineralischer Rohstoffe und der Reichtümer des Meeres. Das sei Ausdruck eines unstillbaren Konsumhungers. Damit drückte er aus, dass er die gesellschaftlichen Lebensbedingungen seiner Schäflein für mindestens ebenso wichtig erachtet wie die physischen. Ökologie habe auch eine moralische Dimension, betont der Papst. Wunden und Narben an der sozialen Umwelt müssten als Signale für unhaltbare Zustände ernst genommen werden. Benedikt XI. unterstützt zwar die Idee einer nachhaltigen Entwicklung, warnt aber davor, bei deren Umsetzung die Menschenwürde in konstruktivistischer Hybris hintan zu stellen. Einmal mehr geißelte Benedikt XVI. die „Diktatur des säkularen Werterelativismus“. Diese sei verantwortlich für Fehlentwicklungen wie Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, sexuelle Verwahrlosung und Gewaltverherrlichung.

Josef Ratzinger alias Benedikt XVI. hätte noch deutlicher werden können. In seinem Bestseller „Jesus von Nazareth“ (2007) legte Josef Ratzinger als Kardinal, nicht als Papst, seinen Lesern auf Seite 71 zwischen den Zeilen sogar nahe, in der auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten „Agenda 21“ die Bibel des Antichrist zu sehen. Ratzinger hatte sich schon 1968 als Theologieprofessor in seiner „Einführung in das Christentum“ gegen eine Politische Theologie gewandt, die dazu verleiten könnte, im Namen des Primats des Machbaren gegenüber dem Gemachten Gott zu spielen. Die Menschen könnten ihre Lebensressourcen „Liebe“ und „Sinn“ nicht selbst kreieren, sondern nur als Geschenk empfangen, mahnte Ratzinger. Nach meinem Verständnis impliziert das die Ablehnung einer globalen „Klimapolitik“ nach dem Muster des Kyoto-Protokolls. Denn diese Politik läuft auf den größenwahnsinnigen Versuch hinaus, mithilfe einer künstlichen Verteuerung von Energie und Nahrung eine im Detail chaotische und daher nicht vorhersehbare zyklische Entwicklung in den Griff zu bekommen.

Die Losung „Schöpfung bewahren!“ liegt zwar eindeutig auf der Linie des christlichen Primats des Gemachten vor dem Machbaren. Aber eine Politik nach dem Muster des Kyoto-Protokolls kann sie nicht rechtfertigen. Gehören das CO2, ohne das kein pflanzliches Leben auf der Erde möglich ist, und die Menschen, die es umso stärker ausstoßen, je freier und intensiver sie leben, etwa nicht zur Schöpfung?

(veröffentlicht am 28. Juli 2008 auf www.ef-online.de

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Klimaschutzpolitik als Ausdruck des Nihilismus

Ein Plädoyer für gesunden Menschenverstand und Wettbewerb statt Bürokratie und konsensuale Gutheissung

Der Klimawandel wird mit politischen und bürokratischen Mitteln zu bekämpfen versucht. Der Autor kritisiert diesen statischen Ansatz und plädiert für mehr Wettbewerb und gesunden Menschenverstand, um sich nicht die künftigen Chancen zu verbauen. (Red.)

Von Edgar Gärtner*

In den Auseinandersetzungen um den richtigen Umgang mit dem Klimawandel oder den Gesundheitsrisiken von Chemikalien geht es im Grund um den Kampf zwischen zwei kaum vereinbaren Weltbildern. Auf der einen Seite steht die Auffassung, wir Menschen lebten in einem geschlossenen System (Naturhaushalt) und könnten durch dessen fortschreitende Erforschung wenigstens mit 90%iger Gewissheit die Kräfte erlangen, die das System im Gleichgewicht halten. Der Naturhaushalt und die Lebensgrundlagen, die er uns liefert, könnten folglich durch die Anwendung wissenschaftlich abgeleiteter Management-Regeln haushälterisch verwaltet werden. Das ist die Sicht der vordarwinistischen (und präkantianischen), aus der Physico-Theologie des 17. und 18. Jahrhunderts hervorgegangenen Ökologie.

Insel im Meer des Nichtwissens

Ihr gegenüber steht die auf Charles Darwin (1859) zurückgehende evolutionäre Sichtweise, wonach es in der Natur keine prästabilierte Harmonie gibt. Vielmehr ist die Welt in jeder Hinsicht offen. Fast alles befindet sich in ständigem Fluss. Die Entwicklungsrichtung von Mensch und Natur ist das Ergebnis des Lernens aus Versuch und Irrtum. Systeme existieren daher nur in unseren Köpfen oder in Gegenständen beziehungsweise Organisationen, die wir bewusst schaffen. Menschliches Wissen bleibt eine Insel in einem Meer von Nichtwissen. Oder mit anderen Worten: Statt 90% wissen wir meist weniger als 1% von dem, was wir wissen müssten, um Entwicklungen in Natur und Gesellschaft gezielt steuern zu können. Wir müssen – nur mit dem schwachen Licht der Vernunft ausgerüstet – im Dunkeln voranschreiten. Nur im «Kampf ums Dasein» bewährte Institutionen, beginnend mit der Familie, der Kommune und der Kirchgemeinde, vermitteln uns dabei provisorische Gewissheit. Nur in deren Rahmen kann auch ein haushälterisches Herangehen an Probleme der Ressourcenversorgung sinnvoll sein.

In der evolutionären Sichtweise kann es keine ökologische Nachhaltigkeit ohne Freiheit geben, denn diese ist Voraussetzung des Lernens aus Versuch und Irrtum. Freiheit bedeutet Reden und Handeln im Einklang mit seinen mentalen Dispositionen. Dabei überwiegen Glaubenssätze, Motive und Präferenzen, die ihren individuellen Trägern nur zum Teil bewusst sind. Bewusstes wissenschaftliches Wissen ist hingegen weniger wichtig als der gesunde Menschenverstand. Das gilt auch für kollektive Entscheidungsprozesse. Nur in Familien, Clans oder Horden bis zu einer Gruppenstärke von höchstens 150 Personen können diese unmittelbar ausdiskutiert werden, wobei bekanntlich nicht alle Stimmen das gleiche Gewicht haben. Vielmehr kommt es auf die Meinung von Häuptlingen oder anderen Autoritäten an.

Verführerische Bürokratie

Oberhalb der «magischen Zahl» von 150 gibt es im Grund nur zwei Methoden kollektiver Entscheidungsfindung: den Markt und die Bürokratie. Der Markt ist zwar historisch viel älter, denn wir wissen, dass schon die Jäger und Sammler der Steinzeit Fernhandel mit unbekannten Menschen trieben. Dennoch erscheint er als «künstlich», weil das menschliche Hirn, angepasst an das Jahrtausende bis Jahrmillionen währende Leben in überschaubaren Horden, schlecht mit unpersönlichen Formen des Austauschs zurechtkommt. Viel «natürlicher» scheint uns eigenartigerweise die erst viel später mit dem Leben in grösseren Städten aufgekommene Bürokratie zu sein, weil sie vermutlich an die hierarchische Struktur der Horde erinnert. Die Bürokratie kann viel verführerischer sein als der Markt. Deshalb bedarf es einer Ordnungspolitik zur Eindämmung bürokratischer Auswüchse.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Risikovorsorge. Das «Vorsorgeprinzip» wurde im Jahr 1992 auf der Uno-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (Unced), dem legendären «Erd-Gipfel» von Rio, folgendermassen definiert: «Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Massnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben» (Grundsatz 15 der Rio-Deklaration).

Wie verträgt sich dieser Grundsatz mit dem Prinzip der Verhältnismässigkeit, wonach die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen von Massnahmen stehen müssen? Weil der ebenfalls 1992 angenommene EU-Vertrag von Maastricht im Artikel 130r (später 174) das Vorsorgeprinzip kodifizierte, aber nicht näher definierte, sah sich die EU-Kommission im Jahr 2000 veranlasst, in einem umfangreicheren Papier zu präzisieren, dass seine Anwendung im Risikomanagement auf einer wissenschaftlichen Risikobewertung und einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung fussen muss. Kurz: Das Vorsorgeprinzip schliesse das im Maastricht-Vertrag ebenfalls kodifizierte Prinzip der Verhältnismässigkeit und die damit verbundene Verpflichtung zur Gesetzesfolgen-Abschätzung ein. Leider spielt der Maastricht-Vertrag heute für die Begründung der EU-Politik kaum noch eine Rolle.

Übertriebene Vorsorge

Vorsorgeaufwendungen, die mehr kosten, als sie je einbringen können, gelten zu Recht als bescheuert, als irrational. Das ist eindeutig der Fall, wenn das Vorsorgeprinzip als Forderung nach einem «Nullrisiko» ausgelegt wird. So erklärte beispielsweise der damals in der EU federführende österreichische Umweltminister Josef Pröll im Jahr 2006 bei der Verabschiedung der Dubai-Deklaration zur Chemikalien-Sicherheit: «Die Deklaration sagt: Wenn du dir nicht sicher bist, welche Auswirkungen etwas hat, lasse die Finger davon.» Hätten die Menschen immer diesen Grundsatz befolgt, hätten sie weder das Feuer gezähmt noch das Rad erfunden! Und man müsste auch Schokolade verbieten, weil man mit Utensilien und Zutaten, die in jeder Küche zu finden sind, daraus leicht gefährlichen Sprengstoff herstellen könnte. Übertriebene Vorsorge führt also zum Stillstand, wenn nicht gar zum Tod. Die dahinterstehende Denkweise heisst Nihilismus.

Was verstehen wir darunter? In gängigen Lexika wie der Online-Enzyklopädie «Wikipedia» liest man meistens, Nihilisten glaubten an gar nichts. Heute gelten islamistische Selbstmordattentäter als typische Nihilisten. Niemand kann aber behaupten, diese glaubten an nichts. Deshalb scheint mir die Nihilismus-Definition, die der französische Schriftsteller Albert Camus in seinem 1951 veröffentlichten Essay «Der Mensch in der Revolte» gab, weitaus erhellender zu sein. «Der Nihilist», schrieb Camus, «glaubt nicht an nichts, sondern nicht an das, was ist.» Er berief sich dabei auf Friedrich Nietzsche, der den Nihilismus als Negation des Lebens definiert hatte. Allgemein bedeutet danach Nihilismus, etwas höher zu schätzen als das menschliche Leben in Freiheit und Würde. Für die Motive von Selbstmordattentätern trifft das sicher zu.

Negation des Lebens

Selbstmordattentate sind aber heute beileibe nicht die einzige und wahrscheinlich nicht einmal die wichtigste Manifestation des Nihilismus. Auch hinter Übertreibungen der heutigen Wellness-Bewegung lassen sich unschwer nihilistische Motive ausmachen. Viele Wellness-Jünger tun des Guten zu viel und verpassen über der Sorge, ob sie wirklich alles Denkbare für den Erhalt ihrer Gesundheit getan haben, das Leben. Statt sich des Lebens zu erfreuen, heben sie sich die Gesundheit für das Ende ihrer Tage auf. «Auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot», bemerkte dazu mit trockenem Humor der bekannte Psychiater und katholische Theologe Manfred Lütz.

Wirtschaftlicher Selbstmord aus Angst vor dem Tod

Weniger lustig mutet dagegen der verbissene Kampf von Umweltverbänden und grünen Politikern gegen verdächtige Kunststoffweichmacher in lebensrettenden Blutbeuteln und flexiblen Infusionsschläuchen an – alles in guter Absicht, versteht sich. Offenbar ist ihnen aber nicht recht bewusst, dass sie den Übertritt gewisser Weichmachermengen in das Blut von Patienten für ein grösseres Übel halten, als die Patienten ohne die Verabreichung von Blutkonserven oder künstlicher Nahrung ihrem Schicksal zu überlassen. Da vergeht einem schon das Lachen.

Vorteile der Klimaerwärmung

Als noch gefährlicher erscheint mir der in der Klimaschutzpolitik zutage tretende gedankenlose Nihilismus. Denn die EU schickt sich an, für den Kampf gegen den vermutlich unvermeidlichen Klimawandel in Gestalt der Förderung unwirtschaftlicher «erneuerbarer» Energien und des verordneten CO 2 -Emissions-Handels nicht weniger als 500 Mrd. € lockerzumachen. Angesichts des Eifers der amtlichen Weltretter muss der nüchterne Beobachter zum Eindruck gelangen, hier werde der wirtschaftliche Selbstmord aus Angst vor dem Tod vorbereitet, zumal eine mässige Erwärmung der Erde sicher mehr wirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile als Nachteile mit sich brächte.

Es ist nicht klar, was die Klimapolitik eigentlich schützen will. Die gegebenen Grenzen zwischen den Klimazonen der Erde? Oder einen globalen Temperaturmittelwert? Woher weiss die politische «Elite», die sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat, überhaupt, in welche Richtung sich die Durchschnittstemperatur bewegen wird? Aus Modellrechnungen auf Grosscomputern, die davon ausgehen, dass die Erde ein geschlossenes System («Treibhaus») ist?

Im vergangenen Herbst haben die US-Statistiker Gerald Roe und Marcia Baker in der Publikation «Science» (Vol. 318, Seite 582) einen vergleichenden Test aller gängigen Klimamodelle veröffentlicht. Sie kommen dabei zum Schluss, numerische Modell-Läufe der atmosphärischen Zirkulation könnten grundsätzlich nicht herausfinden, ob es in den nächsten 100 Jahren auf der Erde wärmer oder kühler wird. Wir brauchen uns daher mit Details der Klimaprojektionen gar nicht mehr zu befassen. Wie die Zukunft aussehen wird, bleibt wie eh und je eine Glaubenssache.

Der gesunde Menschenverstand weiss seit langem, mit dieser heute von manchen aufgeregten Zeitgenossen als völlig neu empfundenen Situation umzugehen, indem er uns lehrt, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Glaubens- und Redefreiheit sowie der Wettbewerb zwischen verschiedenen Problemlösungsansätzen sind die wichtigsten Voraussetzungen der gesellschaftlichen Anpassung an unvorhersehbare Entwicklungen wie Erdbeben oder Klimaverschiebungen. Der Wettbewerb fördert gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Wohlstand. Dieser wiederum ist die beste Vorsorge gegenüber Naturkatastrophen und anderen Unbilden. Denn bekanntlich unterscheiden sich die Opferzahlen bei vergleichbar starken Erdbeben in armen und wohlhabenden Ländern in der Regel um einige Grössenordnungen.

Nur provisorische Gewissheiten

Dennoch orientiert sich die Klimaschutzpolitik nicht an diesem bewährten Muster gesellschaftlicher Problemlösung, sondern am scheinbar näherliegenden bürokratischen Ansatz. Einen Wettbewerb verschiedener Herangehensweisen bei der Suche nach den effizientesten, gerechtesten und nachhaltigsten Lösungen kann es hier nicht geben. Das unvoreingenommene Streben nach Wahrheit musste durch die Herstellung eines scheinbaren Konsenses über das Spurengas CO2 als vermeintliche Hauptursache des Klimawandels ersetzt werden, obwohl es keine statistische Korrelation zwischen der CO2-Konzentration und der Temperatur der Luft gibt. Das 1988 von der World Meteorological Organization und dem Umweltprogramm der Uno (Unep) eingesetzte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bekam den ausdrücklichen Auftrag, zu demonstrieren, dass der Mensch mit seinen CO 2 -Emissionen für die leichte Erderwärmung des letzten Jahrhunderts verantwortlich ist. Das allein reicht schon, um das Gremium als politische Einrichtung zu charakterisieren, denn in der Wissenschaft hat der Begriff «Konsens» nichts zu suchen. Hier steht nach Karl Raimund Popper die «Refutation» begründeter Vermutungen (Hypothesen) mit Hilfe intelligenter Experimente und des kritischen Disputs im Mittelpunkt, das heisst gerade nicht die konsensuale Gutheissung und Kodifizierung von Aussagen. Es gibt auch hier nur provisorische Gewissheit.

Gefährliche Ziele

In der Politik hingegen ist Konsens durchaus erwünscht. Seine Grundlage kann aber nur zum geringsten Teil die Wissenschaft liefern. Viel grösseres Gewicht sollte nach Auffassung der Totalitarismus-Kritikerin Hannah Arendt der gesunde Menschenverstand haben. Und dieser verbietet es, alles auf die Karte einer einzigen vermuteten Ursache des Klimawandels zu setzen. Wer das dennoch tut, setzt unseren Wohlstand und damit auch unsere Anpassungsfähigkeit aufs Spiel. Mehr noch: Wer am Ziel festhält, die CO2-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte zu halbieren oder, wie vom amerikanischen Ex-Vizepräsidenten Al Gore gefordert, sogar um 90% zu senken, nimmt – bewusst oder unbewusst – den Tod jener Abermillionen von Menschen in Kauf, die infolge der klimapolitisch bedingten Preisexplosion bei Nahrungsmitteln und Energieträgern schlicht überzählig werden. (erschienen in: Neue Zürcher Zeitung am 7. Juni 2008)

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Gesunder Menschenverstand

Nicht einmal Brotkrusten durften wir in meinem streng katholischen Elternhaus wegwerfen. Sie kamen ins Schweinefutter. Mais und Weizen zu verheizen, um dadurch Wetter und Klima zu beeinflussen – das wäre uns als Sakrileg erschienen. Uns Kindern war beigebracht worden, im Zweifelsfall immer für das Leben Partei zu ergreifen. Viele der jüngeren Generation tun sich bis heute schwer, wenn es darum geht, nicht nur zwischen Gut und Böse, sondern zwischen zwei Übeln abzuwägen. Diese Fähigkeit der Abwägung ist der Kern dessen, was als „gesunder Menschenverstand“ gilt. Heute streiten viele nicht selten ab, dass es so etwas überhaupt gibt, indem sie Ethik auf die Durchsetzung und Anerkennung von Wertekatalogen reduzieren. Doch damit bestätigen sie nur die Diagnose der Philosophin Hannah Arendt, die im Verlust des gesunden Menschenverstandes das wichtigste Charakteristikum der Moderne sah.

Seit Friedrich Nietzsche heißen Menschen, denen die Fähigkeit der Übelabwägung abhanden gekommen ist, Nihilisten oder Gutmenschen. Diese Menschen, das betonte der französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus im Anschluss an Nietzsche, glauben nicht an nichts, sondern nicht an das, was ist. Sie führen meist nichts Böses im Schilde, sondern erstreben mit Nachdruck etwas Gutes. Dabei vergessen sie, dass alles einen Preis hat. Dieser kann im Extremfall darin bestehen, der guten Absicht nicht nur die Freiheit, sondern das Leben von Tausenden, wenn nicht sogar von Millionen Menschen zu opfern. Im „modernen“ 20.Jahrhundert gibt es dafür etliche Beispiele.

Im gerade begonnenen 21. Jahrhundert droht leider eine Fortsetzung dieser unheilvollen Entwicklung, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Diesmal sind es nicht mehr nur Stammesfehden und Eroberungskriege, die Hunderttausende von unschuldigen Opfern fordern. Als noch folgenreicher könnte sich die Arbeit eines schwach legitimierten Gremiums, des „Weltklimarates“ IPCC, erweisen, der im „Konsens“ mit seinen politischen Auftraggebern entschieden hat, nicht Armut, Hunger und Krankheit seien die dringendsten Herausforderungen der Menschheit, sondern der Klimawandel. Um diesen zu bekämpfen, erscheint manchen beinahe jedes Mittel recht. So wurden die Warnungen des Nestlé-Chefs Peter Brabeck-Letmathe vor einer drohenden Hungerkatastrophe infolge der Umwidmung immer größerer Ackerflächen für die Produktion „klimaneutraler“ Brenn- und Treibstoffe so lange in den Wind geschlagen, bis es nun zu Hungeraufständen kam. Wann wird sich die EU wieder an ihrem christlichen Erbe statt an Weltverbesserungsplänen orientieren?

(erschienen in: WELTonline am 27. April 2008)

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2. November 2007, 04:00 Uhr Von Edgar Gärtner

Gastkommentar in: DIE WELT:

Lob des kleineren Übels

Fast alle Menschen wollen das Gute. Selbst Tyrannen sind meist subjektiv davon überzeugt, nur gute Absichten zu verfolgen. Die moderne Öffentlichkeitsarbeit in Politik und Wirtschaft folgt daher der Devise „Tue Gutes und rede darüber!“ Dieser Grundsatz ist freilich noch nicht sehr alt, und es erscheint keineswegs sicher, dass er sich auch als nachhaltig erweisen wird.Niccolò Machiavelli, der zu Recht noch immer als der größte Lehrmeister der politischen Öffentlichkeitsarbeit anerkannt ist, gab jedenfalls den Fürsten im Gegenteil den ganz und gar unchristlich anmutenden Rat, ihre Untertanen im Zweifelsfalle eher das Fürchten zu lehren, als sich auf ihre Liebe und Zuneigung zu verlassen. Ein unvoreingenommener Rückblick auf das 20. Jahrhundert könnte zeigen, dass der Meister mit diesem Ansinnen so falsch nicht lag. Denn alle großen Untaten, die dem vergangenen Jahrhundert ihr Gepräge gaben, wurden durch das Gute begründet. Hitler, Stalin und Mao wurden von der großen Mehrheit ihrer Völker innig geliebt, wenn nicht angebetet, obwohl sie der Umsetzung ihrer Weltverbesserungspläne zig Millionen Menschen opferten. Dabei hätte man wissen können, dass es nicht genügt, das Gute zu wollen. Gehört es doch schon lange zu den Volksweisheiten, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist.Die meisten Menschen wissen auch aus ihren Alltagserfahrungen: Wer das Gute anstrebt, muss dabei oft gewisse üble Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Am leichtesten fallen noch Entscheidungen zwischen etwas Gutem und etwas klar Bösem. Schon etwas schwieriger ist oft die Wahl zwischen etwas Gutem und etwas weniger Gutem. Am schwierigsten ist es jedoch, sich zwischen zwei Übeln entscheiden zu müssen. Manchmal zeigt es sich, dass die Hinnahme kleiner Übel besser ist als die Durchsetzung scheinbar zeitlos guter Ziele nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“.Was der Alltag zeigt, dürfte auch in Politik und Wirtschaft gelten. Warum setzt die Öffentlichkeitsarbeit dennoch oft darauf, üble Nebenwirkungen des Guten zu verdrängen? So konnte sich in der Energiepolitik eine Denkweise ausbreiten, die um des Guten, der Stabilisierung der Durchschnittstemperatur willen, Investitionen in absolut unwirtschaftliche Techniken wie Windräder oder Fotovoltaikanlagen verlangt, während alle bezahlbaren Formen der Energiegewinnung, also Atom- und Kohlekraftwerke, bekämpft werden. Wie lässt sich demgegenüber eine rationale Übelabwägung kommunizieren? Das ist derzeit die wichtigste Herausforderung einer verantwortungsvollen Öffentlichkeitsarbeit.