Michael Crichton: Welt in Angst. Roman. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. 608 Seiten mit zahlreichen s/w-Abbildungen. Geb., € 24,90. ISBN 3-89667-210-X
Was dem dänischen Statistiker Björn Lomborg mit seinem Buch „Apokalypse No“ in Deutschland nicht gelang, hätte doch nun vielleicht in Ansätzen dem vor allem durch die erfolgreich verfilmte Horror-Vision „Jurassic Park“ bekannt gewordenen US-Bestsellerautor Michael Crichton gelingen sollen: Die Einsicht zu befördern, dass die vorgeblich einzig um das Überleben der Menschheit besorgten Warner vor einer drohenden Klimakatastrophe nicht nur unglaubwürdig, sondern auch gefährlich sind, weil sie lähmende Angst verbreiten, die zur Zementierung überkommener Machtverhältnisse ausgenutzt wird. Damit liefert Crichton gleich das Drehbuch für einen Film, dessen Anliegen dem des Horrorfilms „The Day After Tomorrow“ von Roland Emmerich gerade entgegengesetzt wäre.
Vermutlich war das der wichtigste Grund für den Versuch deutscher Literaturkritiker, die Leserschaft schon vor der Auslieferung des Buches gegen den Tenor von Crichtons Argumentation zu immunisieren, indem sie den Plot des Romans als wenig einfallsreich und die Figuren als blass und gefühllos gezeichnet hinstellten. Als hätte Crichton jemals den Anspruch erhoben, einen schöngeistig inspirierten und tiefenpsychologisch fundierten Bildungsroman geschrieben zu haben! Thriller sind nun mal ein ganz anderes Genre. Sie müssen sich vor allen Dingen daran messen lassen, ob sie die Leser fesseln oder langweilen. Ich selbst fand Crichtons Geschichte immerhin so spannend, dass ich das nicht gerade dünne Buch in einem Zug verschlang, wenngleich ich nicht behaupten würde, das sei die aufregendste Lektüre meines Lebens gewesen.
Im Unterschied zu „Jurassic Park“ fällt Crichtons neues Buch nicht in die Kategorie „Science fiction“, denn alle Forschungsergebnisse, Temperatur- und Meeresspiegelmessungen, die Crichton zitiert, sind echt. Die meisten stammen aus angesehenen und des „Klimaskeptizismus“ völlig unverdächtigen Wissenschaftsmagazinen wie „Science“. Erfunden ist nur die Romanhandlung, in deren Verlauf diese Forschungsarbeiten eine Rolle spielen. Auffällig ist an Crichtons Plot nur, dass zur Abwechslung mal die „Guten“, die um den „Klimaschutz“ besorgten Mitglieder von Umweltverbänden, die Rolle von Bösewichten spielen. Originell oder provokativ kann das nur jenen erscheinen, die abstreiten, dass Gutmenschen seit je zur Skrupellosigkeit neigen.
Das Grundgerüst der Handlung ist rasch skizziert: Die Anführer des (von Crichton realitätsnah erfundenen) National Environmental Resources Fund (NERF) beginnen daran zu zweifeln, ob die in Computern simulierte globale Erwärmung bei Normalmenschen genügend Angst und Spendenbereitschaft erzeugen kann. Um den auf einer großen Klimakonferenz ausgesprochenen Warnungen vor einer Häufung von Naturkatastrophen infolge der globalen Erwärmung etwas nachzuhelfen, versucht die von NERF heimlich finanzierte terroristische Environmental Liberation Front mithilfe von High Tech Equipment unter anderem einen Tsunami auszulösen, der just während der Klimakonferenz die kalifornische Küste zerstören soll. George Morton, ein philantropischer Millionär, der NERF unterstützt, wird von John Kenner, einem heldenhaften, eigens gegen den Ökoterrorismus eingesetzten Geheimdienstagenten, darüber aufgeklärt, wohin sein Geld fließt. Gemeinsam mit einem naiv-ehrlichen, für NERF arbeitenden Anwalt und einigen ebenso attraktiven wie körperlich fitten Freundinnen versuchen sie, das Unheil aufzuhalten…
Man kann über diesen Plot, wie gesagt, unterschiedlicher Meinung sein. So mag sich mancher fragen, warum Crichton nicht der Versuchung widerstanden hat, ausgerechnet einen schicken Hollywood-Gutmenschen, der abstreitet, dass es jemals Kannibalismus gegeben hat, auf einer abgelegenen Südseeinsel als einzige Romanfigur Menschenfressern zum Opfer fallen zu lassen. Wichtiger ist Crichtons Botschaft: politisierte Wissenschaft ist gefährlich. Crichton unterstreicht das mit einem Exkurs über die Eugenikforschung im 20. Jahrhundert, die nicht nur von den Nazis, sondern auch von großen US-amerikanischen Stiftungen wie der Rockefeller Foundation und linken wie rechten Parteien in allen Teilen der Welt gefördert wurde. In kaum einem Teil der Welt wurden mehr Zwangssterilisationen durchgeführt als in Kalifornien. Die deutsche Wissenschaftshistorikerin Ute Deichmann, auf deren Studie „Biologen unter Hitler“ Crichton sich beruft, hat nachgewiesen, dass es auch im „Dritten Reich“ keinerlei direkter politischer Weisungen bedurfte, um die gesamte Biologie in eine rassistische und eugenische Richtung zu drängen. Die Biologen haben sich selbst gleichgeschaltet, sobald die Eugenik allenthalben als wohlmeinend und „politisch korrekt“ galt.
Ähnliches sei seit den 70er Jahren auch in der Klimaforschung abgelaufen, erklärt Crichton seinen Lesern. Denn schon bald hinterfragte kaum ein Forscher noch die Annahme, die in den letzten Jahrzehnten gemessene leichte Zunahme der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde hänge in der Hauptsache mit der steigenden Konzentration des Spurengases Kohlendioxid in der Atmosphäre zusammen und führe zu einer katastrophalen Vermehrung von Wetterextremen wie Stürmen, Überschwemmungen oder Trockenzeiten. Dabei legen es historische Erfahrungen und der gesunde Menschenverstand eher nahe, eine mäßige Erwärmung als Segen zu betrachten, weil das unter anderem reichere Ernten und weniger Erkältungskrankheiten bedeutet.
Doch daraus könnten Normalsterbliche ja schließen, es sei besser, den Dingen ihren Lauf zu lassen und die Milliarden, die jetzt in Europa über Energiesteuern und die Zwangsbeteiligung von Betrieben am Emissionshandel im Namen des „Vorsorgeprinzips“ für den „Klimaschutz“ mobilisiert werden, als hinausgeworfenes Geld zu betrachten, das in den Taschen einer selbsternannten Klima-Priesterschaft verschwindet. Deshalb müssen die Regierenden alles daran setzen, der Angst vor einer drohenden Klimakatastrophe ständig neue Nahrung zu geben. Und von öffentlichen Geldern abhängige Wissenschaftler tun ihnen in der Überzeugung, damit etwas Gutes zu tun, noch immer den Gefallen, mithilfe undurchschaubarer Computermodelle passende Ergebnisse zu liefern.
Leider hat sich Crichtons Buch nicht lange in den deutschen Bestsellerlisten halten können. Und das, obwohl einige seiner Aussagen inzwischen eindrucksvoll bestätigt wurden. So ist die sogenannte Hockeyschläger-Kurve der Entwicklung der durchschnittlichen Erdtemperatur in den letzten 1.000 Jahren, die zeigen sollte, dass die Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert einen Temperatursprung ausgelöst hat, als statistisches Artefakt entlarvt worden. Es bleibt den Befürwortern einer „Klimapolitik“ kein einziges Argument. Offenbar sind die Europäer in ihrer großen Mehrheit aber schon so weit gegenüber belastbaren Fakten immunisiert, dass sie eher bereit sind, das zu glauben, was aus großen Computern kommt. So wächst die Gefahr eines Glaubenskrieges über Klimafragen.