Dezember 2010 war der kälteste Monat, den die an eher milde Wintertemperaturen gewöhnten Briten seit über einem Jahrhundert erlebt haben. Nun macht sich die britische Industrie, soweit noch vorhanden, ernsthafte Sorgen um die Energieversorgung des Vereinigten Königreichs. Denn gerade an Tagen mit klirrendem Frost standen die meisten der über 3.000 britischen Windmühlen still. An einem der kalten Tage lieferten 283 Windfarmen mit insgesamt 3.153 Windrädern gerade einmal 0,4 Prozent des britischen Strombedarfs. Um einen Blackout zu verhindern, mussten eilig noch vorhandene ältere Kohlekraftwerke und Gasturbinen hochgefahren werden. Großen industriellen Verbrauchern wurde der Strom rationiert.
Helen Chivers vom britischen Met Office musste zugeben, dass die in den letzten Jahren immer öfter von Norden her über die britischen Inseln ziehenden Kältehochs meist zu Windstille über der ganzen Insel führen. Das Jahr 2010 brachte den britischen Inseln weniger Wind als alle Jahre seit dem Beginn der offiziellen Aufzeichnungen im Jahre 1824. Die Ursache dafür sehen Meteorologen in der Umkehrung des Index-Vorzeichens der so genannten Nordatlantischen Oszillation (NAO). Ist dieser Index positiv, liegen über Island im statistischen Mittel meistens Tiefdruckgebiete und über den Azoren Hochs. Im vergangenen Jahr war der Index aber so stark negativ wie noch niemals zuvor seit dem Beginn der offiziellen Wetteraufzeichnungen. Aus dem statistischen Konstrukt „Island-Tief“ ist ein Island-Hoch geworden. Es springt ins Auge, dass diese Vorzeichen-Umkehrung zeitlich zusammenfällt mit einem Minimum der Sonnenflecken-Aktivität. Von daher ist absehbar, dass die Winter in nördlichen Breiten in den kommenden Jahren noch kälter und windärmer werden. Mehr Wind ist hingegen am Mittelmeer zu erwarten.
Gerade wenn der Energiebedarf am höchsten ist, können die Windfarmen an oder in der Nordsee also kaum Strom liefern. Daher erscheint es umso bedenklicher, dass sich die konservativ-liberale Regierung unter David Cameron, EU-Vorgaben folgend, verpflichtet hat, bis zum Jahre 2020 30 Prozent der Elektrizität aus „erneuerbaren“ Energiequellen zu erzeugen. Um das zu erreichen, müsste die Zahl der Windräder verdoppelt werden. Gleichzeitig müssten Kohle- Öl- und Gaskraftwerke für windstille Zeiten bereitstehen. Doch Kohle- und Ölkraftwerke sollte es bis dahin nach dem Willen der EU-Kommission eigentlich gar keine mehr geben. Auf jeden Fall würden sich die Energiekosten der Privathaushalte bis 2020 verdoppeln. Jeder Haushalt müsste dann jedes Jahr im Schnitt 2.400 Pfund (2.890 Euro) für Heizung und Beleuchtung ausgeben.
In Deutschland stellt sich Lage noch dramatischer dar. Der an der Fachhochschule Aachen lehrende Prof. Dr. Ing. Helmut Alt, der früher für den Stromkonzern RWE tätig war, hat die Leistungsganglinien aller in Deutschland installierten Windkraftanlagen (WKA) von 2006 bis 2010 ausgewertet und festgestellt, dass diese statt der Nennleistung von inzwischen etwa 26.500 Megawatt öfters stunden- oder tagelang Leistungen nahe Null in das Stromnetz einspeisten. Für diese windstillen Tage mussten also Reservekapazitäten in Höhe der Gesamtkapazität aller Windkraftanlagen vorgehalten werden. In der Praxis bedeutet das, dass alte Kohlekraftwerke auf völlig unwirtschaftliche Weise am Köcheln gehalten werden müssen, um sie bei Bedarf rasch hochfahren zu können.
Am teuersten kamen die Stromverbraucher jedoch windreiche Feiertage, an denen die WKA ihre volle Leistung lieferten, aber kaum Stromabnehmer vorhanden waren. So am 3. und 4. Oktober 2009, als die deutsche Industrie wegen des Nationalfeiertags auf Sparflamme arbeitete. An diesen Tagen mussten die Stromanbieter an der Leipziger Energy Exchange EEX bis zu 1.500 Euro je Megawattstunde zuzahlen, um für den überschüssigen Windstrom überhaupt Abnehmer zu finden. Ähnlich, aber nicht ganz so schlimm, war die Situation an den beiden Weihnachtsfeiertagen des gleichen Jahres. Die Erzeuger von teurem Windstrom erhalten auch in diesem Fall den ihnen zugesicherten Erlös. Denn nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) hat die Einspeisung von Wind- oder Solarstrom immer Vorrang vor konventionellen Energiequellen. Alle dadurch entstehenden Zusatzkosten werden auf die Endverbraucher abgewälzt. Im Jahre 2009 haben die deutschen Stromverbraucher die „Erneuerbaren“ nach Berechnungen von Prof. Dr. Ing. Helmut Alt bereits mit fast neun Milliarden Euro subventioniert. Für dieses Jahr wird dieser Betrag auf über 14 Milliarden Euro geschätzt. Hier sammelt sich sozialer Sprengstoff an.
Aus Angst vor Verbraucherprotesten hat sich Norbert Röttgen vor kurzem mit der Solar-Lobby immerhin auf eine Kürzung des Einspeisetarifs um 15 Prozent ab Juli 2011 geeinigt. Doch das wird den sich anbahnenden Konflikt mittelfristig noch verschärfen. Denn bei aller künstlich erzeugter Euphorie hinsichtlich der „Erneuerbaren“ hat es die Berliner Regierung in ihrem „Energiekonzept“ vom September 2010 versäumt, etwas über die zukünftige Rolle des umweltfreundlichen Energieträgers Erdgas zu sagen. Doch gerade hier (und nicht bei den „Erneuerbaren“) bahnt sich zurzeit wegen der technisch und wirtschaftlich möglich gewordenen Nutzung „unkonventioneller“ Schiefergas-Lagerstätten eine wirkliche Revolution an. Nach erfolgreichen Probebohrungen von ExxonMobile, Wintershall und BEB in Deutschland und Polen gilt es als sicher, dass hier Erdgasvorräte liegen, die die heimische Versorgung für etliche Jahrzehnte sichern und Erdgas-Importe aus Russland überflüssig machen könnten. Weltweit sollen sich die nutzbaren Erdgasvorräte durch die neue Fördertechnik nach Schätzung texanischer Geologen fast verzehnfachen! Offenbar passte diese Revolution nicht in Angela Merkels „Energiekonzept“, weil sie nicht geplant war. So gibt es nun selbst im schwarz-gelben Regierungslager Stimmen, die dafür plädieren, den neu entdeckten Schatz gar nicht erst zu heben. Es ist dennoch absehbar, dass Erdgas in den kommenden Jahrzehnten auf den europäischen Märkten so reichlich und so preisgünstig zu haben sein wird, dass es schwerer wird, den teuren deutschen Alleingang mit „Erneuerbaren“ fortzusetzen. Es dürfte den Regierenden schwerer fallen, ihre Wähler angesichts kälter werdender Winter den Sinn der Förderung unzuverlässiger und obendrein teurer Energien zu vermitteln.
Dabei ist dem zuständigen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ohnehin bewusst, dass die Wette mit den „Erneuerbaren“ nur aufgehen kann, wenn der „grüne“ Strom von den projektierten Windparks in der Nordsee und anderen Erzeugungsorten zu den Verbrauchern in den Ballungsgebieten geleitet werden kann. Dafür sind insgesamt etwa viereinhalbtausend Kilometer zusätzliche Hochspannungsleitungen nötig. Davon wurden im vergangen Jahr gerade einmal achtzig gebaut. Mit aufwändigen Werbekampagnen will Brüderle den verständlichen Widerstand der Landbevölkerung gegen neue Stromtrassen überwinden. Ob ihm das gelingen wird, steht dahin. Der in den Niederlanden erscheinende Spezialdienst „European Energy Review“ spricht bereits von Anzeichen eines kommenden Energie-Bürgerkrieges in Deutschland.
Auf diesem Hintergrund wird verständlich, warum der EU-Ministerrat am 3. und 4. Februar sich vorrangig mit der Förderung von „low carbon technologies“ sowie mit „societal challenges“ befasst hat. Eine dieser Herausforderungen ist der Ausbau grenzüberschreitender Stromnetze. Dafür will die EU-Kommission über 200 Milliarden Euro locker machen. Über die Ausgestaltung des internationalen Stromnetzes gibt es aber noch keine Einigkeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Denn es macht einen großen Unterschied, ob vornehmlich Windstrom von Norden nach Süden oder Solarstrom in umgekehrter Richtung transportiert werden soll. Eigentlich sollte im Ministerrat das Thema „Energieeffizienz“ im Vordergrund stehen. Doch dieses Thema wird in der Abschlusserklärung kaum erwähnt. Das „Handelsblatt“ meldete allerdings am 9. Februar 2011, die EU-Kommission bereite eine Verordnung über die Entsendung von Energieeffizienz-Inspektoren in die Betriebe vor. Diese Inspektoren sollen der privaten Industrie Beine machen, damit die EU ihr Ziel einer 20-prozentigen Steigerung der Energieeffizienz bis zum Jahre 2020 noch erreichen kann. Das bestärkt die Befürchtung, dass die Klima-Planwirtschaft der EU Eingriffe in private Eigentumsrechte notwendig macht. Beim beschlossenen Ausbau des Stromnetzes werden solche Eingriffe aber wahrscheinlich auf massiven Widerstand stoßen.
Literatur:
Hallo Herr Gärtner,
haben Sie das hier schon gelesen:
http://www.20min.ch/wissen/news/story/-Moeglicherweise-sehen-wir-nie-wieder-blauen-Himmel–15530266
Wie weit soll der Grössenwahn noch gehen?
Wir haben Sie mal auf unser Blog verlinkt auch.
Danke für den Hinweis und die Verlinkung.