Europa im Zeichen der Apokalypse

Madonna

 

Die meisten Europäer wissen nicht, dass die im Jahre 1955 eingeführte blaue Europa-Fahne mit zwölf goldenen Sternen auf die geheime Offenbarung des heiligen Johannes anspielt. In der dort beschriebenen Vision der Apokalypse taucht die jungfräuliche Gottesmutter Maria als Siegerin mit dem Mond unter ihren Füßen und mit einem Kranz aus zwölf goldenen Sternen über ihrem Haupt auf. Die Zahl zwölf symbolisiert ebenso die zwölf Stämme Israels wie die vom Gottessohn Jesus Christus ausgesandten zwölf Apostel. Wie die zwölf Sterne in die Europa-Flagge kamen, erfuhr ich selbst erst durch die Lektüre eines Buches von Paul Badde, der heute als Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ in Rom arbeitet. Die Europa-Fahne geht auf eine Idee des belgischen Journalisten Michel Gabriel Lévi zurück. Lévi hatte als Jude das Gelübde abgelegt, zum katholischen Glauben zu konvertieren, falls er der Nazi-Herrschaft unversehrt entrinnen sollte. Er beteiligte sich an der Befreiung des KZ Dachau in einem Jeep der US-Army. Nach dem Krieg löste er sein Versprechen unverzüglich ein. Später wurde er in Straßburg erster Chef des Informations- und Pressedienstes des 1949 gegründeten Europarats.
Doch die Suche nach einem zugkräftigen Symbol der europäischen Einigung erwies sich (schon damals!) als beinahe aussichtslos. Vertreter sozialistischer beziehungsweise sozialdemokratischer Parteien sträubten sich gegen die Verwendung des Kreuzes (wie in den Flaggen der nordischen Länder, des Vereinigten Königreichs oder der Schweiz) oder sonst eines christlichen Symbols. Da kam Lévi die Idee mit den zwölf Sternen. Er hatte den Sternenkranz über Marien-Statuen gesehen, die in verschiedenen europäischen Hauptstädten stehen, plauderte allerdings nicht aus, woher er die Idee hatte. Jedenfalls stieß sein Vorschlag im Europarat auf einhellige Zustimmung. Ausgerechnet am 8. Dezember 1955, dem Feiertag der unbefleckten Empfängnis Mariens, wurde der von Arsène Heitz, einem Mitarbeiter Lévis, ausgeführte Entwurf durch das Ministerkomitee des Europarats angenommen. Zum ersten Mal feierlich gehisst wurde die Europafahne am 13. Dezember 1955 in Paris. Später wurde das Sternenbanner des Europarates auch von der EG beziehungsweise der EU übernommen. Kaum jemand wusste, dass ein Zeichen der Apokalypse zum Symbol der europäischen Einigung erkoren worden war.
Mir fiel diese Geschichte wieder ein, als ich Joschka Fischers Warnung vor dem nahenden Untergang Europas las. „Europa steht heute am Abgrund und wird in eben diesen in den kommenden Monaten hineinfallen, wenn jetzt nicht Deutschland und Frankreich gemeinsam das Steuer herumreißen und den Mut zu einer Fiskalunion und politischen Union der Euro-Gruppe aufbringen“, schreibt Fischer in der „Süddeutschen Zeitung“. Mit dem Euro werde auch die Europäische Union zerfallen und dadurch eine Weltwirtschaftskrise nie gekannten Ausmaßes auslösen. Um das zu verhindern, müsse die Bundesregierung unter Angela Merkel ihren Widerstand gegen Eurobonds aufgeben. „Und das heißt“, sagt Fischer offen, „dass Deutschland schlussendlich das finanzielle Überleben der Euro-Zone mit seiner Wirtschaftsmacht und seinem Vermögen wird garantieren müssen.“
Wer die europäische Idee, ganz materialistisch, mit dem Euro gleichsetzt und ihre christliche Wurzel leugnet, kann sich Solidarität wohl nicht anders denn als Monetisierung der Staatsschulden und die damit verbundene Enteignung der Sparer vorstellen. Doch der Sternenkranz der europäischen Flagge weist darauf hin, dass die Rettung vielleicht aus einer anderen Richtung kommen könnte. Davon ausgehend, dass das Sakrament der Taufe, das Joschka Fischer als Kind empfangen hat, irreversibel ist, empfehle ich ihm, lieber den Rosenkranz zu beten und zwar mit dem am 13. Juli 1917 von der Mutter Gottes in Fatima empfohlenen Zusatz: „Oh mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden! Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen!“

Internet:

Joschka Fischer: „Eine Lawine wird einsetzen, die Europa unter sich begräbt.“

Literatur:

Paul Badde: Heiliges Land. Auf dem Königsweg aller Pilgerreisen