Die öffentliche Wertschätzung deutscher Naturschutzverbände ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Die langjährige Blockade des nicht nur verkehrstechnisch, sondern im Prinzip auch ökologisch sinnvollen Großprojektes Stuttgart 21 – angeblich wegen des Schutzes eines seltenen Käfers, den keiner der dort engagierten Berufsdemonstranten je gesehen hat – ist daran sicher nicht unschuldig. Es gibt Dutzende ähnlicher Fälle, in denen Naturschutzverbände mithilfe von Klagen und Demonstrationen lebenswichtige Verkehrsprojekte jahrelang verzögert, wenn nicht ganz verhindert haben. Dabei springt auch ungeschulten Beobachtern das Missverhältnis zwischen den Kosten und dem ökologischen Nutzen der geforderten Investitions-Verzichte oder Ausgleichsmaßnahmen ins Auge.
Es fällt auf, dass sich die meisten in Deutschland aktiven Naturschützer sehr selektiv entrüsten. So regt sich sofort Widerstand, wenn irgendwo ein paar Bäume gefällt werden müssen oder größere Erdarbeiten anstehen. Braunkohletagebaue, Steinbrüche, Kiesgruben oder auch die Anlage neuer Schienen- und Autobahntrassen oder Flughäfen finden in den Augen der Natur-Lobbyisten keine Gnade, auch wenn wir offen gelassenen Steinbrüchen oder Kiesgruben die wertvollsten Biotope verdanken. Werden hingegen ganze Regionen in Mais-Monokulturen verwandelt, um daraus hoch subventioniertes Biogas zu erzeugen, halten sich die Proteste in Grenzen. Dabei hat das Bonner Bundesamt für Naturschutz (BfN) schon in den 90er Jahren, das heißt lange vor dem mit der „Energiewende“ verbundenen Biogas- und Biosprit-Boom, ermittelt, dass die Landwirtschaft zu 75 bis 90 Prozent für das Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten verantwortlich ist. Die Feldlerche, deren Zwitschern früher die Erkennungsmelodie des flachen Landes war, ist heute in etlichen deutschen Landen so gut wie verschwunden. Dafür steigen ausgerechnet über dem bis heute umstrittenen Münchner Großflughafen mehr Feldlerchen auf als über sonst einer vergleichbaren Fläche in ganz Bayern. Darauf hat kürzlich der bekannte Münchner Zoologe und Buchautor Prof. Josef Reichholf hingewiesen.
In ganz Deutschland lasse sich kaum ein Beispiel für eine Gefährdung seltener Tier- oder Pflanzenarten durch Baumaßnahmen finden, erklärt Reichholf. Im Gegenteil: Gerade Großstädte seien zum Zufluchtsort vieler Vogelarten geworden. In der Hauptstadt Berlin singen tausend Nachtigallen. In Frankfurt am Main brüten Graureiher, die einmal auf der Roten Liste bedrohter Arten standen, mitten in der Stadt gegenüber dem historischen Rathaus Römer. In ländlichen Gebieten hingegen wird die vorgeblich ökologisch begründete „Energiewende“ zur Hauptbedrohung nicht nur für Bodenbrüter wie Feldlerchen, Rebhühner und Kiebitze, sondern auch für seltene Greifvögel und Fledermäuse. (Wir haben in früheren Beiträgen schon darauf hingewiesen.) Buchstäblich sauwohl fühlen sich in den Mais-Monokulturen hingegen die Wildschweine, die in Deutschland zu einer Landplage geworden sind, der selbst die versiertesten Jäger nicht mehr Herr zu werden wissen.
Doch Naturschutzverbände wie vor allem der BUND nahmen diese Entwicklung weitgehend hin. Wenn es um die Förderung hoch subventionierter erneuerbarer Energien auf Kosten privater Stromkunden geht, sind sie bereit, bei üblen Eingriffen in den ansonsten für sakrosankt erklärten „Naturhaushalt“ beide Augen zuzudrücken. Sie geben sich deshalb mit vagen „Ausgleichsmaßnahmen“ wie Baumpflanzungen beziehungsweise Renaturierungen zufrieden. Diese dienen wohl in erster Linie dazu, sie mit Geldern und Pöstchen zu versorgen.
Enoch Freiherr zu Guttenberg, der zu den Gründervätern des BUND gehört, hat denn auch im Mai dieses Jahres seinen demonstrativen Austritt aus dem größten deutschen Naturschutzverband mit dem Vorwurf der Käuflichkeit begründet. Wörtlich schrieb er in seinem Abschiedsbrief an den BUND-Vorsitzenden Prof. Hubert Weiger: „Die weitgehende Zerstörung der deutschen -bisher auch und gerade durch unseren Einsatz ausgewiesenen -Landschaftsschutzgebiete und Naturparks durch riesige Windkraft- aber auch Photovoltaikanlagen wird in unzähligen Fällen durch die Institutionen des BUND nicht nur geduldet, sondern aktiv unterstützt. (…)Den letzten Anstoß für meinen Entschluss, mich vom BUND endgültig zu trennen, ist der bis heute, trotz aller Recherchen, nicht ausgeräumte Verdacht der Käuflichkeit unserer einmal uns alle einigenden Philosophie. Die Zurücknahme der Klage gegen den Windpark Nordergründe zum Preis von 800.000 € an eine dem BUND nahe stehende Stiftung und der Klageverzicht Ausbau Ems für nicht weniger als 9 Mio. € im gleichen Modell erschrecken mich zutiefst, trotz aller Versuche der zuständigen BUND-Verantwortlichen den jeweiligen Deal zu begründen. Die offensichtlichen Geschäfte mit der Windenergie halte ich erst recht nicht für vertretbar.“
Prof. Reichholf hingegen stört sich weniger an der „Energiewende“ und der damit verbundenen Käuflichkeit deutscher Naturschützer als an deren Bestreben, die normalen Menschen und vor allem die Jugend aus dem Naturschutz auszuschließen. „Der Naturschutz braucht dringend ein Umdenken“, schreibt er in der Financial Times Deutschland, „weg von Verboten und Verhinderung und hin zu verstärkter Zuwendung der Menschen zur Natur, angefangen bei Kindern und Jugendlichen. Wenn sich der Naturschutz gegen Baumaßnahmen wendet, muss die Begründung nachvollziehbar sein und anschließend der Nachweis erbracht werden, dass die Gegen- oder Ausgleichsmaßnahme erfolgreich war.(…) Die Erfolgskontrolle muss öffentlich gemacht werden. Artenschutz darf nicht länger als Instrument zur Vertretung von Privat- und Gruppeninteressen verwendet werden.“