Die deutsche „Energiewende“ kann nicht einmal auf dem Papier funktionieren. Ich habe das bereits an etlichen Beispielen demonstriert. Als besonders hirnverbrannt wirken Autarkie-Bestrebungen, die an die unselige Nazi-Zeit erinnern. Bei der Verbrennung beziehungsweise Vergärung von heimischer Biomasse (aus „Energiepflanzen“ wie Mais oder gar Weizen, aus Stroh und anderen Pflanzenresten sowie aus Holz beziehungsweise Holzabfällen) wird im Prinzip nicht mehr „Klimagas“ CO2 freigesetzt, als die Pflanzen während ihres Wachstums gebunden haben. Deshalb gilt Bioenergie als besonders „klimafreundlich“. So sollten, nach dem erklärten Willen der schwarz-gelben Bundesregierung unter Angela Merkel, im Jahre 2050 sage und schreibe 23 Prozent der gesamten in Deutschland eingesetzten Primärenergie aus heimischer Biomasse erzeugt werden – allerdings bei einer angestrebten Halbierung des gesamten Energieeinsatzes. Heute liegt der Anteil der Bioenergie aus heimischer Produktion lediglich bei etwa drei Prozent. Um das Ziel der Regierung zu erreichen, müsste sich der Einsatz von Biomasse zur Energiegewinnung mindestens verdreifachen. Die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat in einer im Sommer 2012 vorgelegten 124-seitigen Stellungnahme ausdrücklich davor gewarnt, dieses Ziel zu verfolgen. Schon jetzt werde den Wäldern zu viel Holz entnommen und auf den Feldern werde weniger Stroh untergepflügt, als für die Erhaltung der Bodenqualität erforderlich sei. „Selbst wenn wir die ganze Biomasse, die in Deutschland in einem Jahr nachwächst, verheizen würden, ließe sich damit der Energiebedarf nur zur Hälfte decken und es bliebe nichts mehr für die Ernährung von Tieren und Menschen übrig“, warnte der Marburger Mikrobiologe Prof. Dr. Rudolf Thauer, einer der drei Koordinatoren des Leopoldina-Papiers. Der weitere Ausbau der Bioenergie müsse daher sofort gestoppt werden. Sigmar Gabriel, der neue „Superminister“ für Wirtschaft und Energie, versuchte dieser Mahnung Rechnung zu tragen, indem er in seinem Konzept eines „EEG 2.0“ deutliche Abstriche bei der Förderung von Bioenergien vorschlug. Aber es war kaum zu erwarten, dass er sich damit gegen den massiven Widerstand von Lobby-Gruppen in den Bundesländern hätte durchsetzen können. Als besonders dringlich erscheint eine Notbremsung bei der staatlichen Förderung von Holzpellet-Heizungen. Allein im vergangenen Jahr gingen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn bei Frankfurt 79.226 Förderanträge ein. Schon Ende des vergangenen Jahres förderte der Staat über das BAFA den Einbau von insgesamt etwa 180.000 Holzpellet-Heizungen mit Warmwasseranschluss. Wurden die Pellets früher hauptsächlich aus Sägeabfällen und Abraum hergestellt, werden sie inzwischen größtenteils importiert. Der Marktführer, die Firma German Pellets (Wismar), hat inzwischen die inländische Produktion eingeschränkt und versorgt den deutschen und europäischen Markt zum großen Teil mit ihrem neuen Werk in Woodville/Texas. Daneben betreibt German Pellets auch Werke in Port Arthur (Texas) und Urania (Louisiana). Es fällt auf, dass alle diese Werke im Süden der USA liegen. Dort gibt es nicht nur rasch wachsende Feuchtlandwälder, sondern auch Überseehäfen für die Verschiffung der Pellets nach Europa. Auch die britische Regierung unter David Cameron setzt bei der proklamierten Umstellung der Elektrizitätserzeugung von Kohle auf „Erneuerbare“ auf den massiven Import von Holzpellets aus Amerika. Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil der „Erneuerbaren“ an der Stromerzeugung 30 Prozent erreichen. Damit sich das privatwirtschaftlich rechnet, hat die Regierung festgelegt, dass die Verbraucher für Strom aus Biomasse 105 Pfund je Megawattstunde zahlen müssen – 10 Pfund mehr als für den auch nicht gerade billigen Windstrom. So wird das Kohlekraftwerk Drax bei Selby in North Yorkshire, Englands größtes Kohlekraftwerk und Europas größte „CO2-Schleuder“, nun auf die Verfeuerung von Holzpellets umgestellt. Deren Quelle sind riesige Kahlschläge in den zum Teil noch unberührten Feuchtwäldern North Carolinas. Verschifft werden die Pellets über den Chesapeake Hafen im benachbarten Virginia. Umweltschützer weisen darauf hin, dass die CO2-Bilanz der Pellet-Verfeuerung wegen des langen Transportweges schlechter ist als die der Kohle. Neben den USA ist Kanada zum wichtigsten Exportland für Holzpellets geworden. Seit 2005 ist der kanadische Holzpellet-Export nach Europa um nicht weniger als 700 Prozent gestiegen. Die Pellet-Werke werden auch dort durch riesige Kahlschläge versorgt. Deshalb, so Prof. Thauer von der Leopoldina, „exportieren wir durch den Pellet-import unsere Umweltprobleme.“ Es erweist sich einmal mehr, dass sich Autarkie-Bestrebungen nur auf Kosten der übrigen Welt durchsetzen lassen.
(Zuerst veröffentlicht in: KOPP exklusiv Nr. 12/2014)