Unter dem zunächst harmlos oder zumindest rätselhaft erscheinenden Titel „Die große Verkehrung“ verbirgt sich Explosives. Denn die in Südwestfrankreich lebende Schweizer Schriftstellerin Monika Hausammann zeigt in ihrem Büchlein, dass der im Westen herrschende humanistische bzw. humanitaristische Zeitgeist die am Berg Sinai verkündeten Zehn Gebote der Bibel schlicht auf den Kopf stellt, indem er den Menschen statt zur wahren Freiheit in die Scheinfreiheit von Stallvieh führt, das heißt in verantwortungslose und triebhafte Konsumfreiheit. Das Büchlein eignet sich nicht zum raschen Verschlingen. Man muss es durcharbeiten, zurückblättern und wichtige Stellen wiederholt lesen, um sie auf sich einwirken zu lassen. Dem kommt entgegen, dass der Essay solide gebunden und auf kräftigem Papier gedruckt ist.
Da ich Monikas unter dem Pseudonym Frank Jordan veröffentlichte Spionage-Thriller sowie ihre Beiträge im Magazin „eigentümlich frei“ schätze, war mir bereits bewusst, dass dort eine von christlichem Geist beseelte Autorin schreibt. Ich ahnte aber noch nicht, in welchem Maße Monika das Menschenbild der Bibel mit eigenen Gedanken durchdrungen und vergegenwärtigt hat. So wurde auch mir erst beim Durcharbeiten von Monikas erstem offen religiösen Buch richtig klar, dass wir Gott nicht suchen, sondern uns dem an jeden Einzelnen gerichteten Ruf Gottes stellen sollen. „Der Mensch der Bibel ist kein zufällig ‚ins Nichts Geworfener’“, schreibt die Autorin, „sondern ein in jedem Fall Gewollter, Gerufener und Geliebter. Er ist nicht identitätslos in sich ruhendes und zur Selbsterschaffung auf sich selbst und sein Inneres gerichtetes ‚Ich‘, sondern persönlich in seiner Identität angesprochen und damit auf ein Außerhalb, auf das ‚Du‘ Gottes hin, erschaffen und bezogen. Genauso wenig, wie die Bibel Auskunft gibt über Gott ‚an sich‘, existiert im biblischen Denken der Mensch ‚an sich‘ als losgelöstes Ich.“
Im Sinne dieses Gegenübergestellt-Seins und nicht aufgrund von Eigenschaften wie Vernunftbegabung oder Willensfreiheit sollte dem entsprechend die Gottesebenbildlichkeit und Würde der menschlichen Person verstanden werden. Deshalb könne auch der gefallene Mensch seine Würde nicht verlieren. „Gott hat nicht einfach Menschen erschaffen, sondern zur Freiheit berufene Menschen“, betont Monika Hausammann. Das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt, wie der Gebrauch der Freiheit ohne die Beachtung der Zehn Gebote ins Verderben führen kann. Doch die frohe Botschaft „Fürchte dich nicht!“ nimmt uns die Angst vor dem Tod. „Die Freiheit der Bibel ist also das radikal vertrauende Glauben an das allzeitige Dasein und mir offen Stehen des Vaterhauses“, resümiert die Autorin. Demgegenüber wird Neid zum Inbegriff der Unfreiheit.
Weitere erhellende Gedanken der Autorin möchte ich hier nicht verraten. Zum Schluss nur noch ein Satz, der mir gefallen hat: „Freiheit, so wie die Schrift sie definiert, ist die Zurückführung all dessen, was der Mensch ist, tut und fühlt, auf die eine Formel, dass er Gott über alle Dinge fürchtet und liebt und ihm vertraut. Freiheit – als Freiheit von Welt- und Menschenfurcht, als Freiheit von Todesangst und damit als furchtlos praktizierte Dankbarkeit – ist Liebe: Lebens-, Gottes- und Nächstenliebe. Und, daraus erwachsend, freiwilliger Gehorsam.“
Monika Hausammann: Die große Verkehrung. Dem Humanismus mit biblischem Denken begegnen. Eine Ansage. Fontis-Verlag, Basel 2022. 143 S., € 15,-