Frankreich. Der Rufmord als Staatsstreich

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Edgar L. Gärtner
Frankreich erlebt wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen wieder einmal blutige Unruhen in den Pariser Vorstädten. So gerät in den Hintergrund, dass die Franzosen mithilfe eines staatsstreichartigen Täuschungsmanövers daran gehindert werden sollen, sich für eine realistische Alternative zur sozialistischen Politik des prinzipienlosen Durchwurstelns mithilfe auf Pump finanzierter Wahlgeschenke für lautstarke Minderheiten auszusprechen.

Die Bilanz der fünfjährigen Amtszeit des sozialistischen französischen Staatspräsidenten François Hollande ist so katastrophal, dass er sich in einem Anflug von Realismus erst gar nicht zur Wiederwahl stellte. Stattdessen veranstaltete seine sozialistische Partei (wie auch die konkurrierenden rechtskonservativen Republikaner) offene Vorwahlen für die Kandidatenkür. Daraus ging Ende Januar der farblose und kaum bekannte, aber eindeutig linksradikal ausgerichtete Benoît Hamon als Sieger hervor. Dieser hat kaum Chancen, am 7. Mai in die Stichwahl zu gelangen. Hollande und andere Führungspersönlichkeiten der Sozialistischen Partei (PS) setzen wohl stattdessen insgeheim auf den angeblich parteiunabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron.
Dieser von den mehrheitlich links-dominierten Massenmedien als „Sonnyboy“ gehätschelte junge Mann von 39 Jahren, ein typisches Produkt der Elitehochschule ENA, der als Investment-Banker bei Rothschild früh zu einem Vermögen kam, füllt seit Wochen die größten Kongresszentren und erntet für seine guruhaften Auftritte tosenden Beifall vor allem von jungen Aufsteigern. Dabei kann Macron, der Hollande zwei Jahre lang als Finanzminister diente und davor einen hohen Posten im Elysée-Palast bekleidete, bis heute kein Programm vorweisen. Seine mit Poesie-Zitaten gespickten Reden sind inhaltsleer, was seinen Zuhörern allerdings erst nach längerem Nachdenken auffällt – wenn überhaupt. Immerhin hat Macron im vergangenen Jahr ein Büchlein mit dem bescheidenen Titel „Revolution“ veröffentlicht, das zeigt, dass er eindeutig sozialistisch denkt und Anhänger der Ideen des britischen Ökonomen John Maynard Keynes ist.
Er regt ein großes Investitionsprogramm der Euro-Zone an, das von einem gemeinsamen Finanzministerium der Euro-Länder verwaltet wird. Finanziert werden soll dieses durch gemeinsame Euro-Anleihen und durch neue Steuern. Mit Steuern möchte Macron auch die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung finanzieren. Das Prinzip der individuellen Versicherung von Lebensrisiken möchte er aufgeben. Die 35-Stunden-Woche und die Rente mit 60 möchte er nicht antasten. Im Arbeitsrecht setzt er auf Branchenverträge statt auf betriebliche Vereinbarungen. Er würde dadurch den Einfluss sektiererischer Gewerkschaften festschreiben. Um Chancengleichheit herzustellen, soll der Staat überall intervenieren können. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ist demgegenüber für Macron, trotz wieder aufflammender Aufstände in den Pariser Vorstädten, kein Thema.
Macron verdankt seine aktuell sehr hohen Umfragewerte allerdings weniger seinem Buch und seinen gefeierten Auftritten als vielmehr einer orchestrierten Rufmord-Kampagne gegen seinen konservativen Konkurrenten François Fillon in den Massenmedien. Fillon tritt als einziger Kandidat mit einem Programm für die Verringerung der exorbitanten Staatsschulden Frankreichs durch die Kürzung des Staatshaushaltes um 100 Milliarden Euro, die Streichung einer halben Million Beamtenstellen, die Anhebung des Rentenalters, die Senkung von Unternehmenssteuern, die Abschaffung der 35-Stunden-Woche, den Abbau bürokratischer Gängelung usw. an. Das macht ihn zum Buhmann einer vom aufgeblähten Staatsapparat abhängigen Schickeria, die die Stunde der Wahrheit über die Staatsfinanzen noch möglichst lange hinausschieben möchte.
So war es nicht verwunderlich, dass sich die zu etwa 90 Prozent sozialistisch orientierten Massenmedien rasch auf François Fillon einschossen. Zum Tiefschlag gegen Fillon holte am 24. Januar das linke satirische Wochenblatt „Canard enchainé“ (gefesselte Ente) aus, indem es ihn der Scheinbeschäftigung seiner Frau Penelope als parlamentarische Assistentin und als literarische Beraterin eines Prestige-Magazins bezichtigte. Es wurde bald klar, dass die dabei verwendeten Informationen nur direkt aus dem noch bis vor wenigen Monaten von Emmanuel Macron regierten Finanzministerium stammen konnten. Offenbar gaben Macrons ENA-Schulfreunde im Finanzministerium diese Informationen gleichzeitig auch der direkt dem Justizmister unterstellten Finanz-Staatsanwaltschaft weiter. Diese ordnete bereits wenige Stunden nach dem Erscheinen des „Canard enchainé“ im Rahmen von Vorermittlungen Hausdurchsuchungen und Vernehmungen an. Kritische Beobachter sehen darin eine flagrante Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung.
Fillon und seine Freunde können sich aber nahezu sicher sein, dass die Staatsanwaltschaft vor den Wahlen kein formelles Verfahren eröffnen wird. Zumal das, was ihm und seiner Frau vorgeworfen wird, in Frankreich weder illegal noch unüblich ist. Es geht dabei um einen Betrag von etwa 800.000 Euro (vor Steuern) über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren, der nachweislich ordentlich versteuert wurde. Dafür soll sich Penelope um die Reden-Manuskripte, die Post, die Telefonate und die Termine des Berufspolitikers gekümmert haben, was durchaus glaubwürdig klingt. Den Abgeordneten der französischen Nationalversammlung steht übrigens für die Beschäftigung von Mitarbeitern monatlich eine Pauschale zur freien Verfügung, die niedriger ist als das, was Präsident Hollande seinem Privat-Coiffeur bezahlt, nämlich 9895 Euro. Hollandes frühere Geliebte, die Journalistin Valérie Trierweiler, kostete die französischen Steuerzahler übrigens monatlich die stolze Summe von 57.000 Euro!

Fillon trat am 6. Februar in Form eines souveränen Auftritts auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz den gegen ihn gerichteten Anschuldigungen entgegen, entschuldigte sich aber bei potenziellen Wählern, die sein Handeln trotzdem verwerflich finden. Dieser Auftritt scheint ihm aber wenig genützt zu haben, denn nur wenige Tage danach veröffentlichten die Institute Elabe und Odoxa ihre neuesten Umfrageergebnisse. Danach ist Fillon in der Wählergunst buchstäblich abgestürzt. Er hätte nun, falls nicht noch ein Wunder geschieht, keine Chance mehr, in die Stichwahl zu gelangen.
Es ständen sich dann am 7. Mai Emmanuel Macron du Marine Le Pen gegenüber und damit zwei Kandidaten, die ein beinahe identisches keynesianisches Programm schuldenfinanzierter Wohltaten vertreten – mit dem gewichtigen Unterschied allerdings, dass Madame Le Pen aus dem Euro-System aussteigen und zum inflationären Franc zurückkehren möchte. Außerdem möchte sie gegen die Drogenbanden und Terror-Netzwerke muslimischer Einwanderer hart durchgreifen. Das klingt immerhin glaubwürdiger als Macrons Euro-Träume. Die französischen Wähler wären aber durch die Rufmord-Kampagne gegen Fillon um eine echte Alternative betrogen worden. Das französische Monatsmagazin „Causeur“ sieht darin eine Art Staatsstreich. In diesem Sinne äußerte sich auch eine Gruppe hochrangiger Juristen in einem am 18. Februar im Magazin „Atlantico“ veröffentlichten Appell gegen einen „institutionellen Staatsstreich“.

Neueste Umfragen sehen übrigens wieder Chancen für Fillon, zumal aus der Medien-Blase um Macron langsam die Luft entweicht. Dieser hat sich selbst durch völlig widersprüchliche Erklärungen als Opportunist entlarvt. So erklärte er bei einem Auftritt in Algerien den französischen Kolonialismus zum „Verbrechen gegen die Menschhlichkeit.“ Wenige Tage später bedauerte er die Ausgrenzung der in der „Demo für alle“ engagierten konservativen Katholiken, forderte aber kurz darauf die Legalisierung der Leihmutterschaft für lesbische und homoerotische Paare. Stärker als Fillon kommt aber die begonnene Ernüchterung über den „Sonnyboy“ Macron wohl Marine Le Pen zugute, die bei einem Solo-Auftritt im staatlichen TV-Sender France 2 eine sehr gute Figur machte. Auch führende Sozialisten schließen nun nicht mehr aus, dass Le Pen am 7. Mai das Rennen machen wird.