Edgar L. Gärtner
Bereits im letzten November, also Monate vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, habe ich an dieser Stelle auf drohende Hungersnöte wegen einer sprunghaften Erhöhung der Gas-, Stickstoffdünger- und Getreidepreise hingewiesen. Nach den Statistiken der Welternährungsorganisation FAO sind deshalb die Lebensmittelpreise im vergangenen Jahr weltweit schon um etwa 20 Prozent gestiegen. Eine Lebensmittel-Verteuerung in dieser Größenordnung hat im Jahre 2010 schon ausgereicht, um in nordafrikanischen Ländern die Revolte des „arabischen Frühling“ auszulösen. Schon in der ersten Woche nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine ist der Futures-Preis für Weizen um 40 Prozent gestiegen und ist danach noch weiter gestiegen, bevor der Markt sich wieder etwas beruhigte.
Den als Spekulanten geschmähten Investoren ist bekannt, dass über ein Viertel der weltweiten Weizenproduktion aus Russland und der Ukraine stammt. Dieser wurde bislang hauptsächlich in Länder des Nahen Ostens und Afrikas exportiert. Westeuropa ist bei Weizen (noch) autark. Es ist zu befürchten, dass die ukrainischen Landwirte in diesem Frühjahr ihre Felder nicht bestellen können. Dann würde der Weizenpreis noch einmal nach oben springen. Russland und die Ukraine spielen aber auch auf den Märkten für Mais, Sonnenblumenkerne, Gerste und Raps eine bedeutende Rolle.
Da die Ammoniaksynthese mithilfe von Erdgas erfolgt, das in Russland reichlich und preiswert vorhanden ist, wurde Russland zu einem der wichtigsten Exporteure von Stickstoffdünger. Fast ein Viertel der Weltproduktion von Ammoniak und 13 Prozent des Harnstoffs kommen aus Russland. In Westeuropa, zum Beispiel bei der BASF in Ludwigshafen und Antwerpen, wurden hingegen Ammoniak-Anlagen wegen des hohen Gaspreises schon im Herbst 2021 auf unbestimmte Zeit heruntergefahren. Es wird berichtet, dass westeuropäische Landwirte für die diesjährige Saison wegen der hohen Preise bereits deutlich weniger Stickstoffdünger eingekauft haben, sofern dieser überhaupt noch in ausreichenden Mengen angeboten wurde. So drohen auch bei uns Ertragseinbrüche, wenn nicht Missernten, was die Nahrungsmittelpreise weiter nach oben treibt.
Um das Maß voll zu machen, schreibt die EU in ihrer Farm2Fork-Strategie (F2F) von 2020, womit die Ziele des „Green Deal“ für die Landwirtschaft konkretisiert werden, für die nächsten zehn Jahre nicht nur eine 20-prozentige Verminderung des Düngemitteleinsatzes, sondern auch eine Halbierung des Einsatzes synthetischer Pflanzenschutzmittel im Ackerbau und von Antibiotika und Bioziden in der Viehzucht vor. Ein Viertel der Agrarfläche soll dem Öko-Anbau gewidmet werden. Bei der Formulierung dieser Strategie verzichtete die EU-Kommission völlig auf den Rat von aktiven Landwirten und Agronomen. Stattdessen wurden grüne NGOs konsultiert, die in Brüssel den Ton angeben. Diese forderten einen „transformativen Wandel“ hin zu einer fairen, gesunden und nachhaltigen Lebensmittelerzeugung. Die meisten Fachleute, einschließlich der für das EU-eigene Joint Research Center (IRC) arbeitenden Wissenschaftler, gehen davon aus, dass die Umsetzung des beschlossenen 10-Jahres-Plans zu einem Ertragsausfall von mindestens 20 Prozent führen werden. Bekanntlich erreichen die Erträge der Öko-Landwirtschaft im Schnitt nur etwa die Hälfte des Niveaus der konventionellen Landbewirtschaftung mithilfe der Agro-Chemie. Für den französischen Agrar-Ingenieur Philippe Stoop markiert die Begründung von Farm2Fork den Übergang von der wissenschaftlichen Agronomie zur abergläubischen Agrologie. Diese erinnere an die Lehre von Trofim Lyssenko, deren Anwendung in der Stalin-Zeit Tod und Verderben über Russland und die Ukraine brachte.
So weit ist es zum Glück noch nicht. Es könnte allerdings sein, dass es auch in Europa zu Hungersnöten kommt, wenn die EU infolge ihrer kopflosen Politik gänzlich von russischen Gaslieferungen abgeschnitten wird, bevor sie ihre eigenen Erdgaslagerstätten im Mittelmeer und ihre bedeutenden Schiefergasvorkommen unter den Landmassen erschließen kann. Bis jetzt ist das nämlich noch streng verboten.
Insbesondere Deutschland, das noch lange von russischen Gaslieferungen abhängig bleiben wird, geht harten Zeiten entgegen. Deutschlands hoher Gasbedarf ist bekanntlich eine direkte Folge der besonders intensiven Förderung der unsteten Energiequellen Wind und Sonne. Nun fordern Demonstrationen in deutschen Großstädten, noch rascher aus den verlässlichen Energiequellen Kohle, Öl und Gas auszusteigen, um Wladimir Putin für den Einmarsch in die Ukraine zu bestrafen. Putin wird sich durch diese Drohung mit dem wirtschaftlichen Selbstmord Deutschlands wohl nicht beeindrucken lassen.
(Zuerst veröffentlicht am 16. März 2022 bei EIKE)