Am sofortigen Stopp des „Kohleaussiegs“ führt wohl kein Weg vorbei
Deutschland steht selbst verschuldet vor einem unlösbaren Problem. Um die (gedankenlos) begonnene „Energiewende“ fortzusetzen, braucht das Land dringend neue Gaskraftwerke als Backup für die witterungsabhängige Elektrizitätserzeugung durch Wind- und Solarkraftwerke. Um die von der Berliner Ampelkoalition gesteckten Ziele zu erreichen, müssten in Deutschland schon in den kommenden acht Jahren 20 bis 50 neue große Gaskraftwerke der 800-Megawatt-Klasse gebaut werden. Doch kein Investor hat sich bislang bereit erklärt, die dafür benötigten Milliardenbeträge zu mobilisieren. Die großen Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard und andere haben sich in politisch korrekten Selbstverpflichtungen zum Net-Zero-Carbon-Ziel bekannt. Allein die Versechsfachung des Gaspreises gegenüber den Vorjahren (zeitweilig wurde eine Megawattstunde schon für 345 Euro gehandelt) dürfte aber schon ausreichen, um Investoren von der Finanzierung des Baus neuer Gaskraftwerke abzuhalten.
Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel hat untersucht, wie Europa in transatlantischer Zusammenarbeit russische Gasimporte ersetzen könnte. Deutschland ist bekanntlich zu etwa 55 Prozent von russischen Gas-Importen abhängig. Bei den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten (außer der Ukraine) ist die Abhängigkeit noch größer. Bei den westeuropäischen Staaten wie Frankreich, den Niederlanden und Spanien jedoch deutlich kleiner. Deutschland könnte seine starke Abhängigkeit von russischem Erdgas weder durch Flüssiggasimporte aus Übersee noch durch den Ausbau der Nutzung der Solarenergie oder den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen nennenswert verringern. Einen spürbaren Effekt brächte einzig ein massiver Wiedereinstieg in die Kohlenutzung. Die Ampelregierung müsste also ihr Ziel eines vorgezogenen Kohleausstiegs aufgeben. Der auf Friedens-Demos geforderte beschleunigte Ausbau der Windkraftnutzung wurde vom Brüsseler Think Tank als kurzfristige Alternative zum russischen Gas gar nicht erst in Erwägung gezogen. Nur die Verlängerung der Laufzeit von noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerken, sofern überhaupt noch technisch möglich und politisch erwünscht, brächte außer der Rückkehr zur Kohlenutzung eine nennenswerte Entlastung der deutschen Primärenergiebilanz.
Schon im vergangenen Jahr erlebte die Steinkohle wegen der steigenden Gaspreise und einer lang anhaltenden Windflaute ein Comeback, und zwar weltweit. Der Kohlepreis stieg über 250 US-Dollar je Tonne, da die Chinesen alles kauften, was zu haben war. So musste die Steag ihr Steinkohle-Kraftwerk Bergkamen im letzten Oktober zeitweise herunterfahren, weil der Nachschub ausblieb. Noch betont selbst RWE-Chef Markus Krebber, grundsätzlich am vorgezogenen „Kohleausstieg“ festhalten zu wollen. Das Wiederhochfahren stillgelegter Kraftwerksblöcke sei lediglich der aktuellen Notsituation geschuldet. Doch solche Bekenntnisse sollte man nicht allzu ernst nehmen. Immerhin wurde der Rückbau des stillgelegten (neuen) Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg bereits gestoppt.
Angesichts hoher Gaspreise hat die Ampel-Regierung wohl gar keine andere Wahl, als den begonnenen Kohleausstieg abzublasen. So schreibt der kundige WELT-Redakteur Daniel Wetzel: „…die Gaspreise bleiben mit der Abkehr Deutschlands von Russland und seinen Energielieferungen langfristig hoch. Die relativ sauberen Gaskraftwerke haben damit wirtschaftlich keine Chance, die schmutzige, aber billige Kohlekraft beim Strommix zu verdrängen. Wenn kein Wunder geschieht, müssen die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl 2025 also mit einem Klima-Minister antreten, in dessen Amtszeit der CO₂-Ausstoß nicht verringert, sondern sogar noch einmal gesteigert wurde.“
Sogar die verrufene Braunkohle, deren Nutzung nur in Deutschland große Bedeutung erlangt hat, könnte zu neuen Ehren gelangen. Ohnehin erlebte die Braunkohlenutzung schon im vergangenen Jahr einen kräftigen Zuwachs. Ich habe an dieser Stelle vor einigen Jahren auf nur ansatzweise erforschte unkonventionelle Methoden der energetischen Kohlenutzung wie die Untertage-Vergasung und die carbothermische Nitridierung silikatreicher Braunkohle hingewiesen. In Verbindung mit Ammoniak entsteht dabei Siliziumkarbid und Siliciumnitrid, woraus hochwertige Keramik hergestellt werden kann. Dabei wird viel Energie frei, aber kein unerwünschtes CO2.
(zuerst veröffentlicht am 18. März 2022 bei EIKE.)