Während die Welt noch im Bann des Tsunami mit folgender Nuklear-Havarie in Japan steht, bahnt sich bereits neues Unheil an. Anfang September 2005 bemerkte ein Doktorand der amerikanischen Cornell Universität eher zufällig, dass koronare Massenausbrüche der Sonne (Flares), die von großen Sonnenflecken angetrieben werden, in gefährlicher Weise die Funktion von GPS-Empfängern stören können. Der Doktorand namens Alessandro Cerruti untersuchte während einer vergleichsweise schwachen Sonneneruption in Puerto Rico mithilfe eines GPS-Scintillometers Unregelmäßigkeiten der irdischen Ionosphäre. Hätte er seine Messungen nachts durchgeführt, wäre ihm gar nichts aufgefallen. Doch im Sonnenlicht sank die Stärke des GPS-Signals während 15 Minuten auf etwa die Hälfte. Cerruti schloss aus seiner Beobachtung, dass stärkere Sonneneruptionen, wie sie im Maximum des elfjährigen Sonnenfleckenzyklus zu erwarten sind, GPS-Signale leicht über 90 Prozent abschwächen können, was bedeutet, dass die Satelliten-Signale von GPS-Empfängern nicht mehr vom Hintergrund-Rauschen unterschieden werden können. Das hängt damit zusammen, dass die Sonneneruptionen eine große Bandbreite starker elektromagnetischer Wellen erzeugen, die gerade in den vom Global Positioning System benutzen 1,2- und 1,6-Gigahertz-Bändern am stärksten sind.
Während sich die elektromagnetischen Wellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, also nach nur acht Minuten auf der Erde eintreffen, brauchen die ausgestoßenen Partikel 24 Stunden und länger. Sie machen sich auf der Erde als Nordlichter bemerkbar. Diese entstehen, wenn die solaren Partikel (vor allem Protonen) vom Magnetfeld der Erde abgebremst werden. Dabei entstehen elektromagnetische Stürme, die elektronische Geräte aller Art beeinträchtigen oder gar zerstören können, sofern sie nicht gegen solche Einflüsse abgeschirmt sind.
Die große Empfindlichkeit des GPS gegenüber den Launen der Sonne blieb lange unbemerkt, da die rasante Verbreitung GPS-basierter Pkw-Navigationsgeräte mit einer Phase geringer Sonnenaktivität zusammenfiel. Aber schon im September 2006 warnte der britische „New Scientist“ vor einem Zusammenbruch des GPS während des für 2012/2013 zu erwartenden nächsten Maximums der Sonnenaktivität. In der Tat ist die Sonne nach einer auffälligen Ruhephase ohne oder mit nur sehr wenigen Sonnenflecken zwischen Ende 2006 und Anfang 2010 im Laufe des vergangenen Jahres wieder auffällig aktiv geworden. Im Februar 2011, genau am Valentinstag, gab es erstmals wieder eine Masseneruption der X-Klasse. Das ist die höchste Stufe einer logarithmischen Skala, die von A, B, C und M bis zu X reicht. Das bedeutet: Flares der B-Klasse sind zehnmal stärker als Eruptionen der A-Klasse und so weiter. Am 14. Februar wurden allerdings lediglich Störungen des Funkverkehrs in China gemeldet. Doch Kenner der Sonne erwarten, dass die größten Ausbrüche des aktuellen 24. Sonnenzyklus noch vor uns liegen.
Das könnte bedeuten, dass auf der Erde nicht nur Millionen von Kfz-Navigationsgeräten ausfallen, sondern zum Beispiel auch das Satelliten-Fernsehen oder der Flugverkehr schwer beeinträchtigt würden. Zwar benötigen die Verkehrsflugzeuge das GPS nicht für die Orientierung. Aber ihre Bewegungen werden vom Boden aus mithilfe von GPS-Empfängern überwacht. Fällt das GPS aus, müssen die Flugzeuge viel größere Abstände einhalten, was zu langen Wartezeiten auf den Flughäfen führen würde. Im Güterverkehr lassen sich mithilfe des GPS Lieferungen verfolgen. Neben dem Straßen- und Luftverkehr sind inzwischen aber auch andere wichtige Wirtschaftsobjekte wie Nachrichten- und TV-Satelliten, der Mobilfunk, die Hochspannungsnetze, Ölpipelines, Wasserleitungen, Notrufsysteme und das ganze Finanzsystem vom GPS abhängig geworden. Bei elektronischen Buchungen liefert das GPS die Zeit- und Ortsstempel. Sogar die Türen moderner Eisenbahn-Waggons öffnen sich nur auf ein GPS-Signal hin.
Fallen alle diese Systeme zur gleichen Zeit für Stunden oder Tage aus, entstehen volkswirtschaftliche Schäden, die rasch in die Milliarden, wenn nicht in die Billionen gehen können. Bei einer Sonnen-Eruption im März 1989 brach in der kanadischen Provinz Quebec das ganze Stromnetz zusammen. Fünf Jahre später, im Januar 1994, ließ ein Magnetsturm zwei Satelliten abstürzen. Nach einer Studie der EU-Kommission hängt in der EU bereits eine Wirtschaftsleistung von 800 Milliarden Euro vom GPS ab. Die britische Royal Academy of Engineering hat deshalb kürzlich vor einer zu großen Abhängigkeit unserer Gesellschaft vom GPS gewarnt. Denn außer durch solare Eruptionen kann das System auch leicht durch kriminelle Eingriffe gestört werden. So ist es Nordkorea vor kurzem gelungen, die militärische Kommunikation Südkoreas zu stören. Auf dem Schwarzmarkt sind billige Störsender erhältlich, die dazu dienen sollen Lkw-Mautsysteme und Verkehrskontrollen lahmzulegen. Sie können jedoch auch von Kriminellen zu groß angelegten Erpressungs- und Sabotageaktionen benutzt werden. Das wirft die Frage auf, ob die zentralisierte Globalisierung in diesem Punkt nicht schon viel zu weit getrieben worden ist.
Internet:
Solar flares cause GPS failures
Cosmic Katrinas – A super solar-storm could cost $ 2 trillions
Academy report warns on over-reliance on global satellite navigation systems