Es gibt in Deutschland noch immer keine strategische Energiepolitik und folglich auch keine inhaltliche Koordinierung der Energieforschung. Sechs Chemiegesellschaften haben deshalb ein Positionspapier vorgelegt, um Forschern zu zeigen, wie sie zur Sicherung einer ökologisch sauberen und bezahlbaren Energieversorgung beitragen können. Sie können allerdings die von ihnen geforderte Abkehr vom Erdöl nicht begründen.
Windräder erzeugen unterm Strich mehr CO2 als sie vermeiden
Eine gerade erschienene Studie ehemaliger Shell-Mitarbeiter in den Niederladen mit dem Titel The hidden fuel costs of wind generated electricity rechnet vor: Deutsche Windräder benötigen mehr Energie und erzeugen mehr Kohlenstoffdioxid als sie vermeiden. (17. Dezember 2009)
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Energie der Zukunft mit mehr Chemie
In Deutschland gibt es trotz pompöser „Energiegipfel“ keine Energiepolitik, die diesen Namen verdient. Darauf hat BASF-Chef Jürgen Hambrecht schon vor zweieinhalb Jahren hingewiesen. Ob die neue Bundesregierung unter Angela Merkel ein schlüssiges Gesamtkonzept wird erarbeiten können, ist jetzt noch nicht absehbar. Bislang wurde die Energieforschung nicht nur vom Bundesforschungsministerium, sondern auch vom Wirtschaftsministerium, vom Bundesumweltministerium und vom Landwirtschaftsministerium gefördert. Um diese Zersplitterung zu überwinden, hat die neue Bundesregierung für das kommende Jahr eine nationale Energieforschungsinitiative angekündigt. Sechs im Koordinierungskreis Chemische Energieforschung zusammengeschlossene Chemiegesellschaften (DBG-Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie, DECHEMA-Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, DGMK-Deutsche wissenschaftliche Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle, GDCh-Gesellschaft deutscher Chemiker, VCI-Verband der Chemischen Industrie und VDI-GVC-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen) sahen deshalb den richtigen Zeitpunkt gekommen, um die Ergebnisse einer von ihnen erarbeiteten quantitativen Potentialanalyse verschiedener energietechnischer Innovationen in Form eines Positionspapiers zu veröffentlichen.
Die beteiligten Verbände hielten eine Quantifizierung ihrer Potentialabschätzungen für notwendig, um überblicken zu können, wo bei den Forschungsanstrengungen Prioritäten gesetzt werden müssen. Eine interaktive Excel-Tabelle im Internet (www.energie-und-Chemie.de) ermöglicht es, unterschiedliche Annahmen durchzurechnen und Interdependenzen zu berücksichtigen. Als Zeithorizont wurde das Jahr 2030 gewählt. Das Papier beginnt mit dem Reizthema Erdöl und der Feststellung: „Die konventionellen Kraftstoffe, das sind Ottokraftstoff (Benzin), Flugturbinenkraftstoff (Kerosin) und Dieselkraftstoff werden auf absehbare Zeit weiterhin die Grundlage der Mobilität unserer Gesellschaft bieten. (…) Auch Biokraftstoffe der zweiten Generation und aus den Rohstoffen Erdgas und Kohle werden bis 2030 voraussichtlich keine signifikante Rolle für die Erzeugung von Kraftstoffen spielen.“
Die Chemie könne unter anderem durch die Entwicklung neuer Katalysatoren für das Hydrotreating-Verfahren der Rohöl-Reinigung und neuer Hilfschemikalien für die Entölung der Lagerstätten wichtige Beiträge zur Verbesserung der Ausbeute von Rohölvorkommen leisten. Zurzeit liegt der durchschnittliche Entölungsgrad der Lagerstätten unter 40 Prozent. Die Autorinnen und Autoren des Positionspapiers gehen davon aus, dass der Anteil der tertiären Ölförderung mithilfe von geeigneten Chemikalien, der derzeit bei 4 Prozent liegt, mindestens verdoppelt werden kann.
Das Positionspapier geht leider nur kurz auf die Erschließung neuer Ölvorräte ein. Auch hier zeichnet sich erheblicher Forschungsbedarf ab. Denn in den vergangenen Jahren hat es sich gezeigt, dass man praktisch überall in der Welt Rohöl findet, wenn man nur tief genug bohrt. Förderungswürdig ist dieses Öl freilich nur, wenn der Ölpreis die damit verbundenen hohen Kosten rechtfertigt. Immerhin haben die Ergebnisse der Tiefenexploration (u. a. vor Brasilien und vor Sierra Leone im Atlantik oder im Golf von Mexiko) jenen Geologen Auftrieb gegeben, die seit längerem davon überzeugt sind, dass Erdöl nur zu einem Teil biotischen Ursprungs ist und zu einem Großteil im oberen Erdmantel beziehungsweise in der unteren Erdkruste aufgrund der dort herrschenden hohen Drücke und Temperaturen auf rein chemischem Wege ständig neu gebildet wird. Jedenfalls konnten Anton Kolesnikow, Vladimir G. Kutcherow und Alexander F. Goncharow von der Washingtoner Carnegie Institution, der Moskauer Lomonossow Universiät und des Königlich schwedischen Technologie Instituts in Stockholm in diesem Jahr experimentell bestätigen, dass Erdöl auch auf abiotischem Wege entstehen kann.
In welchem Verhältnis Neubildung und Verbrauch abiotischen Öls zueinander stehen, muss allerdings noch erforscht werden. Zurzeit scheint es jedenfalls keinen Grund zu geben, den Abschied vom Erdöl einzuleiten, denn es gibt keine Ölverknappung. „Fortschritte in der Chemie erleichtern den Abschied vom Öl“, lautet die Überschrift der Kurzfassung des Positionspapiers. Ebenso gut könnte man sagen, dass die Chemie hilft, das Erdöl noch möglichst lange als Energie- und Chemie-Rohstoff weiter nutzen zu können.
Anders als beim Erdöl gibt es bei Erdgas und Kohle nicht einmal scheinbare Verknappungssymptome. Beide Energieträger eignen sich auch für die Herstellung flüssiger Kraftstoffe. Das Positionspapier geht davon aus, dass das selbst in Deutschland wirtschaftlich interessant werden könnte. Vordringlich sei jedoch die Verbesserung der Technologie stationärer Kohle- und Gaskraftwerke. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass bis zum Jahre 2030 weltweit mindestens 75 Prozent aller neu gebauten Kraftwerke mit Kohle oder Gas befeuert werden. Für den Bau neuer Kraftwerkskapazitäten müssten bis dahin nicht weniger als 4 Billionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Der Weltenergierat (WEC) erwartet eine breite Einführung von Technologien der CO2-Abscheidung aus Kohlekraftwerken (CCS) nicht vor 2020. Es erscheint als fraglich, ob CCS jemals weltweit zum Standard werden wird, da hierdurch die Investitionskosten für fossil befeuerte Kraftwerke, je nach der gewählten Kraftwerkstechnologie, noch einmal um 30 bis 100 Prozent ansteigen würden. Da kommen die durch Insider aus der Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia (Norwich) ins Internet gestellten Dateien mit kompromittierender Korrespondenz zwischen führenden Vertretern des Weltklimarates IPCC über Klimadaten-Manipulationen gerade recht, um erneut anzuzweifeln, ob CO2-Emissionen überhaupt verantwortlich für den Klimawandel sind.
Interessanter als die teure und obendrein nicht unbedingt sichere Endlagerung von CO2 könnte dessen photokatalytische Reduktion oder Hydrierung sein. Doch hier stehe die Forschung noch ganz am Anfang, sagt das Papier.
Aktuell ist die Chemie viel stärker bei der der Verbesserung des Wirkungsrades der Photovoltaik gefordert. Zu über 90 Prozent sind die bislang in Deutschland installierten Photovoltaik-Module aus kristallinen Siliziumwafern gefertigt. Dünnschicht-Solarzellen aus anderen Halbleitern gewinnen erst seit wenigen Jahren Marktanteile. Das Papier verschweigt nicht, dass es sich bei der Photovoltaik mit CO2-Vermeidungskosten von ungefähr 3.500 €/t CO2 um die mit Abstand teuerste Methode der CO2-Einsparung handelt. Das spezifische Investment je kW Durchschnittsleistung übersteigt bei Siliziumbasierten Solarmodulen in Deutschland (mit einer mittleren jährlichen Sonneneinstrahlung von nur 1.000 kWh/m2) über 40.000 Euro. (Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke erfordern 1.700 €/kW und erdgasbefeuerte GuD-Kraftwerke nur 700 €/kW.) Ohne die im deutschen Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für 20 Jahre garantierten hohen Netzeinspeisetarife für Solarstrom hätte die Photovoltaik noch heute kaum Chancen auf dem Markt. Für die Zukunft versprechen sich die Verfasser des Positionspapiers einiges von der organischen Photovoltaik (polymere Heterojunctions, Grätzel-Zellen und organisch-anorganische Hybridzellen).
Beim Thema Energiespeicherung warnen die Autoren des Papiers davor, einseitig auf Wasserstoff zu setzen. „Methan darf als Zukunftsoption nicht vernachlässigt werden. Es erscheint mir als beinahe idealer Energiespeicher, weil man damit die vorhandene Gasversorgungs-Infrastruktur nutzen kann. Aber die Methanchemie ist bei uns leider unterentwickelt“, unterstrich Prof. Ferdi Schüth, Direktor des MPI für Kohlenforschung in Mühlheim und Vorsitzender des Koordinierungskreises Chemische Energieforschung, bei der Vorstellung des Positionspapiers in Frankfurt am Main. Beim Einsatz von Methanol sieht das Positionspapier hingegen eher Nachteile. Elektrochemische Energiespeicher, zum Beispiel Lithium-Ionen- oder Natrium-Nickelchlorid-Batterien, eignen sich bislang nicht für den großtechnischen Einsatz. Auch bei deren Anwendung in Plug-in-Hybridfahrzeugen oder in Privathaushalten beziehungsweise als Ergänzung zu Pumpspeicher-Kraftwerken in „intelligenten“ Stromnetzen gebe es noch erheblichen Forschungsbedarf. Wahrscheinlich mache der Anteil des „fluktuierenden Stroms“ von Windrädern und Photovoltaikanlagen im Jahre 2030 schon über ein Viertel des gesamten deutschen Stromaufkommens aus. Um Netzzusammenbrüche zu vermeiden, muss dieser oft zur Unzeit anfallende Strom irgendwie abgepuffert werden. Elektro- beziehungsweise Hybridfahrzeuge böten sich als rollende Stromspeicher an.
Andreas Kreimeyer (BASF), der Vorsitzende des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI, wies in Frankfurt auf Defizite in der elektrochemischen Forschung hin, die als wissenschaftliche Grundlage der Energiespeicherung benötigt wird. Der Fonds der Chemischen Industrie unterstützt deshalb gezielt elektrochemische Diplomarbeiten und Promotionsprojekte an den Hochschulen, um Professoren und Studenten anzuregen, sich mit diesem in jüngerer Zeit vernachlässigten Teil der Energieforschung zu beschäftigen. „Die Energieversorgung der Zukunft wird chemischer“, resümierte Kreimeyer.
Beim Thema effiziente Energienutzung beschäftigt sich das Positionspapier ausführlich mit der Brennstoffzellentechnik, insbesondere in Form virtueller Brennstoffzellen-Großkraftwerke durch die Vernetzung vieler dezentraler Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung untereinander sowie mit anderen regenerativen Energiequellen. Das Papier schätzt deren Potential aber äußerst vorsichtig ein, da die Wirtschaftlichkeit dieser Technik stark von Annahmen über die Entwicklung des Preises für CO2-Zertifikate abhängt.
Unter dem Thema effiziente Energienutzung handelt das Positionspapier auch die Entwicklung von Leuchtdioden (LEDs und OLEDs) und neuer Leuchtstoffe ab. Tatsächlich gehören diese interessanten Neuentwicklungen wohl eher in die Rubriken Ästhetik oder Bequemlichkeit. Denn auf die Beleuchtung entfallen in Deutschland laut Energieflussbild nur 0,7 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs. Selbst wenn die Deutschen gänzlich auf Beleuchtung verzichteten, könnten sie dadurch ihren Energieerbrauch nicht spürbar verringern. Tatsächlich eröffnet die Anwendung der Nanotechnologie die Möglichkeit, maßgeschneiderte Materialien für die Herstellung von Leuchttapeten oder andere völlig neuartiger Leuchtmittel ohne lästige Wärmeerzeugung zu entwickeln. Dadurch könnte die Architektur revolutioniert werden.
Aufgaben für Chemiker warten auch bei Versuchen, Hochtemperatur-Supraleiter der zweiten Generation auf der Basis von Ytrium-Barium-Kupferoxid zu verbessern. Der Einsatz von Supraleitern ermöglicht zwar Verlustreduktionen von bis zu 60 Prozent bei Generatoren und bis zu 95 Prozent bei stationären Transformatoren und Induktionsheizungen. Kurz- und mittelfristig fällt die dadurch mögliche Reduktion des Primärenergieeinsatzes wegen der damit verbundenen hohen Kosten jedoch nicht ins Gewicht. Werden heute Supraleiter im Maschinenbau und in der Medizintechnik eingesetzt, ist nicht die erwartete höhere Energieeffizienz dafür ausschlaggebend, stellt das Papier nüchtern fest.
In der breiten Öffentlichkeit längst anerkannt ist hingegen der Beitrag der chemischen Industrie zur Entwicklung neuer Werkstoffe für die Wärmedämmung von Gebäuden. Ohne das im Einzelnen zu quantifizieren, gehen die Autorinnen und Autoren hier von negativen CO2-Vermeidungskosten aufgrund der durch die Dämmstoffe bewirkten Heizkostenersparnis aus. Dabei gibt es bei den Dämmstoffen selbst durchaus noch Entwicklungspotenzial: So zum Beispiel durch den Einsatz nanoporöser Schaumstoffe oder durch die Integration von Flammschutzfunktionen.
Nicht so leicht ist die Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Entwicklung und dem Einsatz neuartiger Leichtbaustoffe im Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau. Bei einem für die Kfz-Flotte anvisierten Normalverbrauch von 4,5 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer belaufen sich die CO2-Vermeidungskosten immerhin auf durchschnittlich etwa 450€/t CO2. Solange nicht experimentell demonstriert werden kann, dass CO2 wirklich umweltschädlich ist, wird nicht jeder freiwillig solche Kosten in Kauf nehmen.
Umso mehr kommt es darauf an, knappe Forschungsgelder und Investitionsmittel dort einzusetzen, wo sie Mensch und Umwelt den größten Nutzen bringen. Deshalb kann man Andreas Kreimeyer wohl nur zustimmen, wenn er fordert: „Die Bundesregierung sollte ihre geplante nationale Energieforschungsinitiative dazu nutzen, eine Energieforschungspolitik aus einem Guss zu gestalten.“
Edgar L. Gärtner
(erschienen in: Chemische Rundschau Nr. 12/2009 vom 8. Dezember 2009. VS-Medien, CH-Solothurn)
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Einem Skandal auf der Spur von Edgar L. Gärtner
Mögliche Hintergründe der Aufregung um die Krümmel-Pannen
Die deutschen Betreiber von Kernkraftwerken bereiten sich auf einen möglichen „Ausstieg aus dem Ausstieg“ vor, denn sowohl die Union als auch die FDP haben versprochen, die unter der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelte Laufzeitverkürzung für Kernkraftwerke wieder rückgängig zu machen, falls es in Berlin zu einer schwarz-gelben Regierung käme. Mit aufwändigen Zeitungsbeilagen wollten die betroffenen Stromkonzerne in diesem Sommer für eine Verlängerung der Laufzeiten für ihre längst abgeschriebenen und daher konkurrenzlos kostengünstigen Kernkraftwerke werben, zumal Meinungsumfragen darauf hindeuteten, dass sich immer mehr Deutsche, angesichts drohender weiterer Strompreissteigerungen, mit dieser Lösung anfreunden. Doch am 4. Juli, wenige Tage vor dem ursprünglich angesetzten Start der PR-Kampagne des Deutschen Atomforums, musste das vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall betriebene norddeutsche Kernkraftwerk Krümmel, das nach einer zweijährigen Zwangspause wegen eines Transformatorbrandes gerade wieder ans Netz gegangen war, wegen eines erneuten Transformatorschadens schon wieder stillgelegt werden. Die Manager der deutschen Kernkraftbetreiber E.on, RWE und EnBW, sind nun sauer auf ihren nordischen Konkurrenten, der in Deutschland aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die Kernkraftwerke des verblichenen Hamburgischen Stromkonzerns HEW übernommen hat.
In einem vom 28. Juli 2009 datierten Schreiben an Ernst Michael Züfle, den Chef der Nuklear-Sparte von Vattenfall in Deutschland, das vor kurzem auszugsweise im „Handelsblatt“ veröffentlicht wurde, schrieben Klaus-Dieter Maubach, der Chef von E.On Energie, Gerd Jäger, der für Kernenergie zuständige Vorstand von RWE Power, und Hans-Josef Zimmer, technischer Vorstand der EnBW: „Wir sehen Vattenfall (…) in der Pflicht, zu den Ereignissenn und Vorgängen in Krümmel öffentlich Stellung zu beziehen. Dies ist in den letzten Tagen nicht immer geschehen. Vielmehr mussten wir feststellen, dass sich der Vattenfall-Konzern in dieser Frage … der Diskussion entzieht.“ Hintergrund des wütenden Schreibens ist nicht nur ein erneuter Anlauf für eine Zeitungsbeilage des Atomforums, die nun – anders als ursprünglich geplant – in der heißen Phase des Wahlkampfes erschienen ist. Dort sollte nach Ansicht der deutschen Kernkraftwerk-Betreiber nicht nur Michael Züfle zu den Vorfällen in Krümmel Stellung beziehen – sondern am besten Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson persönlich. Denn Vattenfall habe mit seinem Verhalten bei den Vorfällen in Krümmel den Atomkraft-Gegnern eine „Steilvorlage“ geliefert. Ein nicht minder wichtiger Grund für die Wut der deutschen Strom-Manager sind aber Befürchtungen, die Politik werde Zugeständnisse in Sachen Kraftwerks-Laufzeiten mit hohen finanziellen Forderungen verbinden.
Was ich in meinem Buch „Öko-Nihilismus“ (auf Seite 19 unten) schon vor über zwei Jahren für wahrscheinlich gehalten habe, wird nun, wie das „Handelsblatt“ vom 28. August berichtete, von der Unions- und der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag ganz offen propagiert: Im Falle einer Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke nach einem schwarz-gelben Sieg bei den bevorstehenden Bundestagswahlen soll der Staat mindestens die Hälfte der beim Weiterbetrieb abgeschriebener Atomkraftwerke anfallenden Extragewinne abschöpfen und in die Entwicklung „besserer“, weil teurerer „erneuerbaren“ Energien investieren oder auch für die Entlastung der Stromkunden einsetzen. Es geht hier, nach Analysen der Landesbank Baden-Württemberg, schon bei einer Laufzeitverlängerung von nur zehn Jahren um Summen in zweistelliger Milliardenhöhe. Bei einer technisch durchaus möglichen Laufzeitverlängerung um 25 Jahre und einem angenommenen Strompreis von 80 Euro je Megawattstunde winkt E.on ein Extragewinn von fast 32 Milliarden Euro. RWE könnte mit 23 und EnBW mit fast 15 Milliarden Euro rechnen.
Doch was ist mit Vattenfall? In Schweden geht das Gerücht um, der Staatskonzern habe die eher harmlosen, weil im nichtnuklearen Teil des KKW Krümmel eingetretenen Pannen vielleicht mit Absicht provoziert, um seinen deutschen Konkurrenten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Denn nach einem vom schwedischen Reichstag 1998 beschlossenen Gesetz muss der Staatskonzern in erster Linie als Instrument der schwedischen Politik agieren. Und diese kann kein Interesse an niedrigen Strompreisen in Deutschland haben. Nicht nur Schweden, sondern ganz Skandinavien sieht sich, im Unterschied zum Kontinent, mit wachsenden Stromüberschüssen und entsprechend sinkenden Strompreisen konfrontiert. Und dieser Strom wird fast zu 100 Prozent CO2-frei zu gleichen Teilen durch Wasser- und Kernkraftwerke erzeugt. Die skandinavischen Stromanbieter haben also vom CO2-Emissionshandel nichts zu befürchten. Sie bereiten sich darauf vor, ihre Stromüberschüsse, die sie zu äusserst günstigen Preisen generiert haben, kontinentalen Abnehmern zu teuren Marktpreisen anzubieten. Es könnte sogar so sein, dass Vattenfall sich aus dem gleichen Grund in Deutschland für die industriell unerprobte und teure Abscheidung und Endlagerung von Kohlenstoffdioxid aus den Abgasen von Stein- und Braunkohlenkraftwerken stark macht. Damit würden die Marginalkosten der Stromproduktion steigen. Im System des Börsenhandels von Elektrizität bestimmen die Marginalkosten die Strompreise. Je höher die Marginalkosten, desto höher auch der Marktpreis, zu welchem Vattenfall verkauft und kontinentale Anbieter einkaufen.
Dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel neben dem durchgeknallten Theoretischen Physiker Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ausgerechnet Vattenfall-Chef Josefsson zu ihrem Top-Berater in Sachen „Klimaschutz“ ernannt hat, zeigt meines Erachtens, was von der strategischen Kompetenz unserer politischen Klasse zu halten ist.
Literatur:
Edgar L. Gärtner: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie. Jena 2007
Internet:
Konkurrenten greifen Vattenfall an
Atomkonzerne sollen Milliarden zahlen
Interview mit Hans Joachim Schellnhuber
(7. September 2009)
Energiepolitik im Dienste ausländischer Interessen?
Von Edgar L. Gärtner
Einem Skandal auf der Spur (Fortsetzung)
Deutschland wird bald zum Stromimportland werden. Selbst nach Schätzungen der in diesem Zusammenhang unverdächtigen Deutschen Energieagentur (Dena) wird im Jahre 2020 eine Kraftwerksleistung von 12.000 Megawatt (MW) fehlen. Nach Hochrechnungen des Essener Stromkonzerns RWE wird Deutschland schon im Jahre 2015 netto mehr Strom importieren als exportieren. Sollte der Ausstieg aus der Kernkraftnutzung fortgesetzt und der Bau neuer Kohlekraftwerke nicht beschleunigt werden, droht uns nach dieser Rechnung bis 2020 eine Kapazitätslücke von 40.000 MW. Ein Bündnis aus insgesamt 140 Umweltschutzvereinen und kirchlichen Missions- und Hilfsrganisationen unter dem Namen „Klima-Allianz“ hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, Deutschlands Stromversorgung noch rascher den politischen Zielen und Geschäftsinteressen ausländischer Staatskonzerne zu unterwerfen.
Anlässlich der von der „Klima-Allianz“ bejubelten Verfügung des Oberverwaltungsgerichts Münster, den bereits fortgeschrittenen Neubau des größten Kohlekraftwerks des E.on-Konzerns im westfälischen Datteln zu stoppen, konnte auch die deutsche Qualitätspresse nicht mehr umhin, auf die dubiose Finanzierung der „Klima-Allianz“ aufmerksam zu machen. So wies die WELT am 10. September auf Spenden von in der Schweiz und in den USA beheimateten Stiftungen hin. Etwas deutlicher wurde die Financial Times Deutschland, die am 18. September berichtete, der britischen Hedge-Fonds TCI habe den Kampf gegen Kohlekraftwerke im vergangenen Jahr mit nicht weniger als 500.000 € unterstützt. Das erinnert an die Machenschaften David Bondermans, des Chefs des Investment-Fonds Texas Pacific. Bonderman leitete vor zweieinhalb Jahren durch eine von ihm gesponserten NGO-Kampagne die Übernahme des texanischen Kohlekraftswerks-Betreibers TXU ein. Dadurch verhinderte er, dass TXU seine Pläne für den Bau neuer Kohlekraftwerke umsetzen konnte und erreichte, dass stattdessen die Interessen der Wind- und Gasindustrie Oberhand bekamen.
Inzwischen hat die in den USA erfolgreich erprobte Methode politischer Erpressung von Investoren, die der US-Professor Jarol B. Manheim in seinem 2004 erschienen Buch „Biz-War and the Out-of-Power Elite“ analysiert hat, auch in Europa Einzug gehalten. Neben den Interessen der russischen Gazprom geht es in Europa insbesondere um die Interessen der staatlichen Stromkonzerne Frankreichs und Schwedens. Der schwedische Internet-Fachinformationsdienst www.elbranschen.com teilt übrigens meine kürzlich an dieser Stelle geäußerten Vermutungen über eine geheime Agenda des schwedischen Staatskonzerne Vattenfall. Einiges spricht dafür, dass Vattenfall die „Störfälle“ im KKW Krümmel provoziert hat, um eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke nach der anstehenden Bundestagswahl zu verhindern. Denn dann bekäme Vattenfall die Chance, überschüssigen skandinavischen Strom aus Wasser- und Atomkraftwerken zu Höchstpreisen in Deutschland abzusetzen. Der schwedische Informationsdienst fragt bereits scherzhaft, ob Vattenfall (ähnlich wie Gazprom im Falle der Abwahl Gerhard Schröders) Angela Merkel für den Fall ihrer nicht gänzlich ausgeschlossenen Abwahl als Bundeskanzlerin einen Aufsichtsratsposten bereithält.
Internet:
(24. September 2009)
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„The Economist“ sieht in England die Lichter ausgehen
Das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ vom 6. August analysiert schonungslos die energiepolitischen Illusionen der Labour Regierung unter Gordon Brown. Da Kohlekraftwerke als schmutzig abgelehnt werden, der Bau von Atomkraftwerken zu teuer und zu zeitaufwendig ist und die „erneuerbarer“ Wind- und Solarstrom nur sehr unregelmäßig und überdies ineffzient erzeugt werden kann, halten sich die Energieversorger an den Bau von Gas-Kraftwerken. Diese lassen sich zwar rasch und billig errichten, doch ihre Betriebskosten erscheinen als kaum kalkulierbar, da der wachsende Gasbedarf den Gaslieferanten Russland in eine mehr als komfortable Anbieter-Situation bringt. Freuen können sich darüber nur Wladimir Putin und seine Getreuen in der Kreml AG. (10. August 2009)
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Wüstenstrom bedroht gesunden Menschenverstand
Kollegen der Tageszeitung „Die Welt“ haben am 14. Juli 2009 einen Fragen- und Antworten-Katalog zu dem am 13. Juli in München auf den Weg gebrachten Wüstenstrom-Projekt veröffentlicht, der den Anschein erweckt, er sei unhinterfragt einem PR-Folder der federführenden Münchner Rückversicherung entnommen worden. Denn bislang kannte ich von diesen Kollegen eher kritische oder skeptische Beiträge zum Problem der Energieversorgungssicherheit Deutschlands. Im Folgenden möchte ich auf jeden der 10 Punkte des Katalogs einzeln eingehen.
1. Ob die für die Erzeugung und den Transport von solarthermisch erzeugtem Strom in der Sahara bis zum Jahre 2050 vorgesehenen Investitionen von mindestens 400 Milliarden Euro angemessen sind, ist eine eher theoretische Frage. Tatsache ist, dass der gesamte Strombedarf Deutschlands selbst bei Berücksichtigung der hohen Stromsteuer und der EEG-Umlage für ungefähr 30 Milliarden Euro im Jahr gedeckt werden kann. Wird der begonnene „Atom-Ausstieg“ wie geplant fortgesetzt und entwickelt sich der CO2-Emissionshandel, dann werden sich unsere Stromkosten rasch verdoppeln. Ob das den „Wüstenstrom“ wettbewerbsfähig machen wird, ist völlig offen. Es ist lediglich absehbar, dass das Desertec-Projekt viel teurer werden wird als vorläufig angenommen. Da die Standorte der Parabolspiegel-Kraftwerke noch nicht gefunden sind, lässt sich nicht abschätzen, wie weit und in welcher Form der durch sie erzeugte Strom transportiert werden wird. Für die Münchner Rück sind aber letztlich die durch Destertec vermiedenen „Klimaschäden“ ausschlaggebend. Doch diese sind rein hypothetischer Natur. Viel spricht dafür, dass es bei einer fortgesetzten Erderwärmung mehr Gewinner als Verlierer gäbe, denn Historikern ist bekannt, dass im mittelalterlichen „Klimaoptimum“ der Wohlstand wuchs. Außerdem dürfte die Erderwärmung ab einem bestimmten Niveau zu einer fortschreitenden Ergrünung der Sahara führen. Es gäbe dann möglicherweise überhaupt keinen Platz mehr für „Wüstenkraftwerke.“
2. Klar ist, dass Solarstrom aus der Sahara heute nicht wettbewerbsfähig wäre. Das zumindest für die Durchleitung des Wüstenstroms benötigte EU-Land Frankreich setzt weiterhin auf preisgünstigen Atomstrom. Dieser würde auch in Zukunft deutlich günstiger sein als Solarstrom.
3. In der Tat sind die Argumente der Fotovoltaik-Lobby gegenüber Desertec schwach. Sie beruhen auf der Angst heutiger Subventionsempfänger, in naher Zukunft Konkurrenz von einer weiteren um Subventionen werbenden Lobby zu bekommen. Dennoch hat die Fotovoltaik-Lobby recht, wenn sie darauf hinweist, dass Solarstrom aus der Sahara in Deutschland nicht gebraucht wird. Denn es gibt hier neben sehr kostengünstig arbeitenden, weil abgeschriebenen Kernkraftwerken auch moderne Braunkohlekraftwerke, die Strom ähnlich kostengünstig liefern, solange dieser nicht durch den CO2-Emissionshandel und/oder Öko-Steuern künstlich verteuert wird. Somit bin ich bereits beim Punkt 4.
4. Was bringt die Kollegen bzw. die Münchner Rück dazu, zu behaupten, das Kohlezeitalter gehe unweigerlich zu Ende? Im Gegenteil spricht Vieles dafür, dass es gerade erst richtig beginnt. Nicht nur in China gehen Kohlekraftwerke im Wochenrhythmus in Betrieb. Und wer wollte behaupten, die Kohlevorräte der Erde gingen zur Neige? Es gibt allenfalls vorübergehende Nachschubprobleme, aber keine Verknappung von Kohle. Die bekannten Lagerstätten reichen noch für Jahrhunderte. Da nicht nachweisbar ist, dass das bei der Verbrennung von Kohle entstehende Kohlenstoffdioxid irgendeinen negativen Einfluss auf Wetter und Klima ausübt, besteht kein Grund, auf die Nutzung dieses Naturschatzes zu verzichten.
5. In der Tat würde uns Desertec abhängig machen von politisch höchst instabilen Ländern. Insbesondere in Algerien, das, rein technisch gesehen, die besten Standortbedingungen für solarthermische Kraftwerke böte, gibt die politische Entwicklung Anlass zu großer Sorge. Die politische Macht befindet sich dort in den Händen einer aus der nationalen Befreiungsbewegung FLN gegen die französische Kolonialmacht hervorgegangenen Filzokratie. Nicht von ungefähr hat der in Algerien aufgewachsene französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus, trotz seines Engagements gegen den Kolonialismus, immer wieder davor gewarnt, die politische Macht in die Hände von „Banditen“ geraten zu lassen. Die in Algerien seit Jahrzehnten herrschende Cliquenwirtschaft hat verhindert, dass das mit Bodenschätzen aller Art gesegnete Land zu Wohlstand gelangt. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und fortschreitende Armut bereiten den Boden für Terroristen des Al-Kaida-Netzwerkes, deren erklärtes Ziel die Wiederherstellung des Kalifats Al Andalus bis zu den Pyrenäen und darüber hinaus bis nach Südfrankreich ist.
6. Das Desertec-Project hat durchaus ein kolonialistisches Geschmäckle. Das wäre anders, wenn die Initiative von den nordafrikanischen Ländern ausgegangen wäre. Die wirtschaftliche Entwicklung in bislang armen Ländern beflügeln könnte das Projekt nur unter geeigneten politischen Rahmenbedingungen.
7. In der Tat sind die Transportverluste bei der ins Auge gefassten Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) im Prinzip deutlich geringer als bei Wechselspannung. Bisherige Erfahrungen beziehen sich aber ausschließlich auf die Punkt-zu-Punkt-Übertragung großer Strommengen vom Ort der Erzeugung zu einem Ort hohen Verbrauchs. Das Desertec-Projekt ist hingegen als Verbund einer Vielzahl von Solarthermie-Kraftwerken konzipiert. Da die Standorte dieser Kraftwerke noch nicht feststehen, ist die Länge der notwendigen Übertragungswege und somit auch die Höhe der Transportverluste überhaupt noch nicht abschätzbar. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die erzeugte Elektrizität in Europa über ein noch nicht existierendes Gleichstromnetz oder über das vorhandene Wechselstromnetz verteilt werden wird.
8. Sandstürme scheinen ein eher geringes Problem zu sein, zumal sich die Parabolspiegel mithilfe ihrer ohnehin vorhandenen Nachführ-Motoren im Ernstfall aus dem Wind drehen lassen.
9. In der Tat würde Desertec zur Zementierung der Abhängigkeit der Stromverbraucher von zentralistischen Versorgungssystemen beitragen. Es gäbe durchaus sichere dezentrale Alternativen: etwa kleine Nuklear-Batterien beziehungsweise Hochtemperatur-Reaktoren oder auch Blockheizkraftwerke mit Stirling-Motoren, die man im Keller von Ein- oder Mehrfamilienhäusern aufstellen oder in deren Vorgärten oder Hinterhöfen vergraben könnte. Solche dezentralen, entsprechend individueller Bedürfnisse steuerbaren Energieversorgungstechniken würden durch Kontinente übergreifende Versorgungsstrukturen höchstwahrscheinlich gehemmt.
10. Das Desertec-Projekt lebt von dem vor allem in Deutschland verbreiteten gutmenschlichen Wunschdenken. Dessen Grundlage sind historisch bedingte Schuld-Komplexe und eine damit zusammenhängende Verlierer-Mentalität. Im Unterschied zu Idealen können Utopien, sobald sie zu totalitären Fiktionen geworden sind, durchaus Realität werden – allerdings nur als Farce.
Edgar L. Gärtner (16. Juli 2009)
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Stromarmut in Deutschland von Edgar L. Gärtner
Der Solar-Boom beschert den Stromverbrauchern eine Kostenlawine und vernichtet Arbeitsplätze.
In Deutschland hängen bekanntlich etwa sieben Millionen Arbeitslose oder Inhaber von Mini-Jobs ganz oder teilweise am Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV), davon etwa die Hälfte dauerhaft. Der monatliche Basissatz von ALG2 beträgt je Erwachsener neuerdings € 359,-. Hinzu kommen die Kosten für Wohnungsmiete, Heizung und Wasser, die in der Regel bis zu einem örtlich unterschiedlichen Deckelbetrag von der Kommune übernommen werden. In jeden Fall müssen die ALG2-Empfänger den Strom für Kochen, Beleuchtung, Kommunikation und Unterhaltung aus dem Regelsatz von € 359,- begleichen. In der Stadt Frankfurt werden für Haushalte ohne elektrische Warmwasseraufbereitung monatlich lediglich € 16,- für „Haushaltsenergie“ angesetzt. Da die Stromkosten für Privathaushalte in Deutschland im europäischen Vergleich mit fast 22 ct/kWh besonders hoch sind, müssen ALG2-Empfänger ihren Jahresverbrauch auf etwa 750 kWh begrenzen, wenn sie nicht ihre Ernährung einschränken wollen. Das entspricht weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Stromverbrauchs deutscher Einpersonenhaushalte, der zurzeit bei etwa 1.700 kWh/a liegt. Wer von ALG2 abhängt, muss also, ohne Hunger in Kauf zu nehmen, selbst seine Internet-Nutzung stark einschränken.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist sich durchaus bewusst, dass sich hier sozialer Sprengstoff ansammelt. Sein Ministerium beteiligt sich deshalb an der Finanzierung einer Studie des Frankfurter Instituts für sozial-ökologische Forschungen (ISOE) und das Heidelberger ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung. Im Auftrag der Caritas möchten diese erforschen, wie man ALG2-Empfängern am besten helfen könnte, an für sie unbezahlbare stromsparende Haushaltsgeräte der neuesten Generation zu kommen. Welche Scheinheiligkeit sich dahinter verbirgt, wird deutlich, wenn man erfährt, dass die hohen deutschen Strompreise zu 40 Prozent aus diversen Steuern und Zwangsabgaben bestehen. Darunter befindet sich auch die durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) im Jahre 2000 eingeführte Umlage für die Einspeisung nicht marktfähiger Strommengen aus Windkraftanlagen (WKA), Biogasanlagen und Photovoltaik-Modulen ins öffentliche Stromnetz.
Bis zur Jahrtausendwende zeichnete sich Deutschland durch eher moderate Strompreise aus. Diese wurden garantiert durch das große Gewicht älterer Braunkohle- und abgeschriebener Kernkraftwerke im deutschen Stromerzeugungs-Mix. Bei beiden Kraftwerkstypen lagen die Stromerzeugungskosten unter 2 ct/kWh. Steinkohlekraftwerke, die eine Mischung aus billig importierter Importkohle und hochsubventionierter heimischer Kohle nutzten, lagen mit knapp 5 ct/kWh auf einem mehr als doppelt so hohen Kostenniveau – und damit etwa gleichauf mit Wasserkraftwerken, deren Beitrag zum deutschen Strom-Mix seit vielen Jahren deutlich unter 5 Prozent bleibt, weil keine neuen, für die Anlage von Stauseen geeigneten Standorte verfügbar sind. Auch der Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung blieb bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bescheiden.
Als dann, entsprechend den EU-Vorgaben, der deutsche Strommarkt (im Prinzip) für den Wettbewerb geöffnet wurde, sank der Strompreis für Industriekunden zunächst auf etwa 6 ct/kWh und der mittlere Strompreis für Privataushalte auf 14 ct/kWh. Doch nach der Jahrtausendwende begannen die Strompreise wieder stetig zu steigen. Im vergangenen Jahr mussten Industriekunden schon wieder fast 13 ct/kWh und Endverbraucher fast 22 ct/kWh berappen. Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt im EEG mit seiner 20-jährigen Abnahme- und Preisgarantie für „grünen“ Strom.
Was nach den Erfahrungen mit Preis- und Abnahmegarantien auf den europäischen Agrarmärkten zu erwarten war, trat auch hier ein: Institutionelle und private Anleger investierten massiv in die Erschließung „erneuerbarer“ Energien, zunächst vor allem in Windparks. Insgesamt etwa 22.000 WKA steuern inzwischen schon 6,3 Prozent zur deutschen Bruttostromerzeugung von insgesamt 639 TWh (Milliarden Kilowattstunden) für einen garantierten Preis von 9 ct/kWh bei. Um die extrem unstetige Stromerzeugung der WKA ausgleichen zu können, müssen entweder Kohlekraftwerke im unwirtschaftlichen Stand-by-Betrieb weiterlaufen oder rasch an- und abschaltbare Gasturbinen bereitstehen. Deshalb ist der Gas-Anteil am deutschen Stromerzeugungs-Mix parallel zur Vervielfältigung der Zahl der WKA gestiegen: Während der Windstrom-Anteil zwischen 1990 und 2007 von Null auf 40 TWh zunahm, stieg der Gas-Anteil an der Stromerzeugung von 36 auf 75 TWh oder 13 Prozent (für durchschnittlich 7 ct/kWh). 83 Prozent des gesamten deutschen Erdgasbedarfs wurden im Jahre 2007 importiert, etwa die Hälfte davon aus Russland. Der Ausbau der Windkraft hat also die Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung verstärkt. Das gilt zwar nicht für den gleichzeitig geförderten Ausbau der Biomasse-Nutzung, die inzwischen mit 3,6 Prozent zur Stromerzeugung beisteuert. Doch trägt auch sie mit einem garantierten Stromabnahmepreis von 14 ct/kWh spürbar zur Verteuerung der Elektrizitätsversorgung bei.
So hat sich neun Jahre nach der Verabschiedung des EEG die Preisstruktur der deutschen Stromproduktion bereits deutlich verschoben. Die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten stiegen von 3,5 ct/kWh im Jahre 2003 auf 5,61 ct/kWh im Jahre 2008. Ein weiterer Grund für diese Entwicklung ist das nahende Auslaufen der Kernenergie-Nutzung, die ebenfalls im Jahre 2000 beschlossen wurde, sowie der Start des europäischen CO2-Emissionshandels. Aus diesem Grund beginnen inzwischen sogar Braunkohlekraftwerke ihre Vorteile einzubüßen.
Wichtigster Kostentreiber dürfte in den nächsten Jahren aber wohl die Photovoltaik sein. Seit 2004 erhielten private Betreiber von Solarmodulen eine garantierte Stromeinspeisungsvergütung von bis zu 57,4 ct/kWh mit einer jährlichen Degression von 5 Prozent. Seit Beginn dieses Jahres wurde der Garantiepreis nach zähen Verhandlungen mit der Solarlobby auf 43 ct/kWh gesenkt und die Degression auf 8 bzw. 9 Prozent erhöht. Selbst nach der hinter dem EEG stehenden umstrittenen Begründung hätte der Garantiepreis nach einhelliger Einschätzung der Fachleute viel stärker, und zwar mindestens auf 21 ct/kWh gesenkt werden müssen, um Einsparungseffekten Rechnung zu tragen. Denn es gibt zurzeit weltweit eine enorme Überproduktion von Solarzellen, die zu einem Preiskrieg zwischen chinesischen, japanischen, amerikanischen und europäischen Herstellern geführt hat. Der Preis je Silizium-Modul ist seit dem letzten Herbst von € 3,50 je Watt Leistung auf € 2,30 je Watt gefallen. Der US-Marktführer First Solar bietet seine Dünnschicht-Module aus Cadmiumtellurid, die allerdings einen deutlich größeren Flächenbedarf haben, inzwischen schon für einen Dollar je Watt Leistung an.
Wegen dieses Preisverfalls wird es in den nächsten Jahren wohl zu einem Solar-Boom kommen, während Windkraft-Projekte wegen der Krise mit beträchtlichen Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben. Schon für dieses Jahr erwarten Experten in Deutschland einen Kapazitätszuwachs von bis zu 2,5 Gigawatt. Werden die gesetzlich garantierten Abnahmepreise nicht deutlicher abgesenkt, droht den deutschen Stromkunden eine Kostenlawine ungeahnten Ausmaßes. Schon für die bis Ende 2008 installierten Photovoltaik-Module, die lediglich maximal 0,6 Prozent des deutschen Strombedarfs decken, müssen sie nach Berechnungen des Bonner Volkswirts Dieter Damian über 20 Jahre insgesamt 45 Milliarden Euro zahlen. Das bedeutet 563 Euro je Bürger, Kinder und Greise eingeschlossen! Schon im Jahre 2015 lägen die aufsummierten Kosten der Photovoltaik zwischen 133 und 169 Milliarden Euro. Und im Jahre 2020 könnten sie im schlimmsten Fall schon die Schallmauer von 300 Milliarden Euro durchbrechen. Das wären deutlich mehr als 3000 Euro zusätzliche Stromkosten je Bundesbürger!
Damians unveröffentlichte Berechnungen wurden im Prinzip bestätigt von Manuel Frondel und Mitarbeitern vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Essen). Auch diese Autoren errechneten bis 2015 reale Zusatzkosten der Photovoltaik von über 100 Milliarden Euro. Damian sieht in den wiederholten Hinweisen Gabriels und der Solarlobby auf bis zu 280.000 Arbeitsplätze, die angeblich mithilfe des EEG geschaffen worden seien, einen üblen Propaganda-Trick, weil die mit viel statistischer Kreativität hochgerechneten Beschäftigungseffekte immer nur mit den jährlichen durch das EEG verursachten Kosten verglichen würden und nicht mit den über 20 Jahre auflaufenden Kosten. Das RWI hat schon im Jahre 2004 vorgerechnet, durch das EEG würden schon ab 2010 deutlich mehr Arbeitsplätze vernichtet als neu geschaffen. Wenn überhaupt, fördere das EEG nur die Beschäftigung im Ausland.
Prof. Dr. Ing. Helmut Alt von der Fachhochschule Aachen hat durchgerechnet, was geschähe, wenn der deutsche Stromerzeugungs-Mix entsprechend den Vorstellungen von Andrea Ypsilanti (SPD) im hessischen Landtagswahlkampf umgebaut würde. Bei einem kompletten Verzicht auf die Kernenergie, einer Erhöhung des Windkraftanteils auf 20 und einer Verzehnfachung des Photovoltaik-Anteils auf 6 Prozent würden sich die Kosten der Stromerzeugung in Deutschland verdoppeln. Das könnte nicht ohne Einfluss auf die Beschäftigung bleiben. Doch zur „Stromarmut“ könnte es auf diesem Weg auch im wörtlichen Sinne kommen. Wird die genehmigte Laufzeit der noch arbeitenden 17 deutschen Kernkraftwerke nicht verlängert, würde Deutschland schon im Jahre 2015 zu einem Stromimportland, weil infolge der Finanzkrise und des Widerstandes „grüner“ Gruppierungen vor Ort inzwischen auch der Neubau von Kohlekraftwerken ins Stocken geraten ist.
Internet:
Im Zuge steigender Energiepreise wächst die „Energiearmut“
Billig-Solarzellen revolutionieren die Strombranche
Solaranlagen-Herstellern droht überfällige Auslese
Literatur:
Manuel Frondel, Nolan Ritter und Christoph M. Schmidt: Photovoltaik: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 34, Heft 1/2008
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Der Kampf gegen Windmühlen wird überflüssig
Ich bin stolz auf mich, denn ich konnte im letzten Sommer eine meiner Schwestern davon abhalten, ihre Ölheizung durch eine scheinbar modernere und nachhaltigere Gasheizung zu ersetzen. Von einem Freund in der Schweiz mit zuverlässigen Insider-Informationen versorgt, hatte ich etwa zur gleichen Zeit in Printmedien wie „Die Welt“, „Neue Zürcher Zeitung“ und „Wall Street Journal“ darauf aufmerksam gemacht, dass es Wirtschaftskreisen, die sich für den Bau riesiger Windparks an Land und auf hoher See stark machen, in Wirklichkeit darum geht, die Abhängigkeit Deutschlands und ganz Westeuropas von russischem Erdgas zu verstärken. Ich hatte auch auf Bestrebungen, ein internationales Gas-Kartell nach dem Vorbild der OPEC zusammenzubringen, aufmerksam gemacht und davor gewarnt, dass schon in diesem Winter von langer Hand vorbereitete Erpressungsversuche gestartet werden würden. Nun ist alles so gekommen, wie ich es vorausgesehen hatte. Gestern hat ein Wirtschaftsredakteur der „Welt“, der meinen Warnungen zunächst skeptisch gegenüber gestanden hatte, in der „Welt am Sonntag“ meine Sicht der Dinge voll und ganz bestätigt. Am 4. Februar hat der Kollege Daniel Wetzel nachgelegt, indem er eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Keearney mit dem Titel „Von der Finanzkrise zur Energiekrise“ vorstellt. Diese Studie macht nicht nur deutlich, dass das amtliche Ziel, den Anteil „erneuerbarer“ Energien bis zum Jahre 2020 auf 20 Prozent zu steigern, völlig illusorisch ist, sondern zeigt auch, dass steigende Kapitalkosten auch den Bau klassischer Kohlekraftwerke erschweren. Deshalb gehe Deutschland auf eine Stromerzeugungslücke und auf eine drastische Verteuerung der Elektrizität zu.
Auf die Genugtuung, Recht behalten zu haben, hätte ich allerdings gerne verzichtet. Alle Warnungen sind aber für die Katz, wenn die ganze politische Klasse im festen Glauben, etwas Gutes zu tun, mit offenen Augen, aber dennoch blind, weil nicht sehen wollend, den wirtschaftlichen Selbstmord vorbereitet. Ehrlich gesagt, fühle ich mich zurzeit gegenüber der raschen Ausbreitung der postmodernen Geisteskrankheit Nihilismus ziemlich hilflos. Makabererweise wird die angebrochene tiefe Wirtschaftskrise, nach deren Ende von der Wirtschaftswelt, wie wir sie kennen, nicht mehr viel übrig bleiben dürfte, nun zum verlässlichsten Bündnispartner im Kampf gegen den um sich greifenden Realitätsverlust. Die Mandate-Pipelines der Investmentbanken, die sich mit der Finanzierung von Windparks und anderen „grünen“ Großprojekten befassen, leeren sich, wie man hört, wegen der sich verschärfenden Kreditklemme zusehends. Kein Wunder, dass die Lobbyisten der „Erneuerbaren“, deren Geschäftsmodelle ohnehin weitestgehend auf Fiktionen und Subventionen beruhen, nun nach zusätzlicher Staatsknete rufen.
Ohne eine Rückbesinnung auf die christlichen Wurzeln Europas werden demgegenüber wahrheitsbasierte Geschäftsmodelle aber kaum Chancen haben. Denn un- wenn nicht antichristlicher Liberalismus ist auch nur eine Form von Nihilismus. Nicht zufällig wurde die ökologistische Ersatzreligion, auf die sich heute die Nihilisten aller Parteien berufen, hauptsächlich über (links-)liberale Netzwerke verbreitet. Freilich wird es dem säkularen Europa nicht leicht fallen, zum christlichen Glauben zurückzufinden. Wer nicht glauben kann, der soll zumindest so tun, „als ob es Christus gebe“, rät deshalb der italienische Atheist und Popper-Schüler Marcello Mera in seinem neuen Buch „Warum wir uns Christen nennen sollten – Liberalismus, Europa und Ethik“ (Ed. Mondadori, 2008). Mit diesem Thema werde ich mich im angebrochenen Krisenjahr wohl hauptsächlich beschäftigen. (5. Februar 2009)
Internet:
Offshore kämpft mit der Finanzkrise
Die Finanzkrise entwickelt sich zur Energiekrise
Auch veröffentlicht unter dem Titel „Die Krise als Bündnispartnerin“ auf ef-magazin online.
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Roland Tichy über den grünen Selbstbetrug
WiWo-Chefredakteur Roland Tichy schreibt im seinem Editorial vom 14. Februar 2009: „Ausblendet wird, dass Windräder die brutalste Landschaftszerstörung seit Erfindung des Betons sind und unterm Strich kein CO2 sparen.“
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Windräder bringen nichts für CO2-Ziel
Nun merken auch die GRÜNEN, dass die Verwandlung Deutschlands in einen Vogelscheuchenpark klimapolitisch völlig wirkungslos ist. Verantwortlich machen sie dafür aber nicht die lediglich ins Gigantische hochgezüchtete Uralt-Technik der Windräder, deren Wirkungsgrad mit wachsender Größe sinkt, sondern den europäischen Emissionshandel auf der Basis fester CO2-Quoten für jede nationale Volkswitrtschaft. Wird mehr Strom durch Windkraftanlagen erzeugt, werden CO2-Zertifikate frei. Die Stromkonzerne können die freigewordenen Zertifikate gewinnbringend an Länder wie Polen veräußern, deren Stromerzeugung größtenteils auf Kohlekraftwerken basiert. Unterm Strich wird dadurch selbstverständlich keine einzige Tonne CO2 eingespart. Obendrein ist der Preis der CO2-Zertifikate wegen der Wirtschaftskrise stark eingebrochen. Die Zukunft des europäischen Emissionshandelssystems ETS steht in den Sternen. Um es zu retten, müsste eiegentlich das deutsche das deutsche Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien ersatzlos gestrichen werden. Doch da stellt sich eine Lobby quer, die vorgibt, nicht auf Profit, sondern auf die Rettung der Welt hinzuarbeiten. (10. Februar 2009)
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Das Desaster der deutschen Energiepolitik im Internet:
Konrad Schuller analysiert Moskaus Angriffe auf die Souveränität der Ukraine
Ungereimtheiten des Gasstreits mit der Ukraine
Deutschland zieht den Kürzeren im europäischen Emissionshandel
CCS noch lange nicht marktreif
Deutsche Energiepolitik: Vom Dilemma zum Desaster?
Die Neue Zürcher Zeitung vom 23. August 2008 kann es sich leisten, die Sackgasse, in die die deutsche Energieversorgung zu geraten droht, ohne politische Rücksichtnahme auf der ersten Seite zu analysieren. Ich empfehle dringend die Lektüre dieses Artikels, der ohne meine Mitwirkung entstanden ist.
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Bedrohliche Gasabhängigkeit von Russland
Energiepreise: Die Ohnmachtpolitik des Westens
In der Neuen Zürcher Zeitung analysiert Peter Robejsek, Dozent in Wedel bei Hamburg, unvoreingenommen die kritische Lage des Westens im Kampf mit autoritären kapitalistischen Regimes, die über die entscheidenden Rohstoffvorkommen verfügen. Pflichtlektüre für alle, die sich auf unsere nicht ganz gemütliche Zukunft vorbereiten wollen!
Interview mit dena-Chef Stefan Kohler in der „Wirtschaftswoche“
Man kann nicht gleichzeitig aus Kohle und Kernkraft aussteigen. Diese nicht neue erkenntnis versucht Stefan Kohler seinen politischen Freunden nahe zu bringen. Würden keine neue Kohlekraftwerke gebaut, müsste die Laufzeit der KKW verlängert werden, denn Wind und Sonne seien nun mal von Natur aus unzuverlässige Energiequellen, die ein konventionelles backup benötigen. Schon ab 2015 können in Deutschland die Lichter ausgehen, weil dann auch im angrenzenden Ausland keine ausreichenden Kapazitäten für die Steigerung von durch Deutschland mehr vorhanden sein werden. Kohler verschweigt, dass die massive Förderung der Windkraft durch das binnenmarktswidrige deutsche EEG die Wurzel aller Schwierigkeiten im deutschen Energieversorhungssystem ist. Kein Wort auch darüber, dass ein gutes Backup der unsteten Stromlieferung der Wind- und Solarkraftwerke unter den gegebenen Bedingungen nur durch Gasturbinen geleistet werden kann. Er darf nicht durchblicken lassen, dass hinter dem deutschen Windkraft-Boom die Interessen der von seinem Parteifreund Gerhard Schröder vertretenen Gas- und Gasturbinen-Verkäufer stehen (3. August 2008).
„Heuschrecke“ Blackstone investiert in Nordsee-Windpark
Da deutsche Banken wegen der damit verbundenen hohen finanziellen und technischen Risiken bislang um die von der Bundsregierung gewünschten riesigen Offshore-Windparks einen großen Bogen machten, freut sich Bundesverkehrs- und Bauminister Tiefensee nun, dass die US Private Equity Firma Blackstone hier als Investor einsteigen will. Blackstone-Chef Schwarzmann, der in New York das größte Geburtstagsfest aller Zeiten feierte, wird wissen, warum er sich auf einmal für Windräder interessiert…
von Edgar Gärtner
Der 80-jährige texanische Öl- und Gasmilliardär T. Boone Pickens möchte sich ein Denkmal setzen, indem er seine Landsleute mit Tausenden von Windrädern beglückt. Nun hat er die ersten 667 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 1.000 Megawatt für zwei Milliarden Dollar beim „grünen“ US-Mischkonzern General Electric (GE) bestellt. Damit möchte der anscheinend vom Saulus zum Paulus gewandelte Geschäftsmann mithelfen, die hohe Abhängigkeit seines Landes von Ölimporten zu vermindern.
Was auf den ersten Blick wie der philanthropische Größenwahn eines Senilen anmutet, ist vermutlich Ausfluss einer höchst gerissenen Geschäftsstrategie. Waren frühere Windkraft-Investoren vielleicht noch wirklich davon überzeugt, mit ihrer guten Tat die Welt retten zu helfen, so geht es den heutigen in der Regel um etwas ganz anderes. Es hat sich herumgesprochen, dass jedes Kilowatt installierte Windleistung durch eine entsprechende Leistung einer Gasturbine ergänzt werden muss, um die Unstetigkeit des Windes auszugleichen. Wer sich heute für Windräder stark macht, dem geht es also höchstwahrscheinlich eher darum, Gasturbinen und/oder Gas zu verkaufen. In der Tat: Zu Pickens’ Firmengruppe gehört die außerordentlich erfolgreiche Gas-Explorationsfirma XTO-Energy.
Auch bei der „Ecomagination“-Kampagne von GE liegt das Gas-Interesse auf der Hand. GE bietet inzwischen seine Windmühlen besonders preisgünstig an, um Bestellungen von Gasturbinen zu pushen. Bei Gasturbinen ist GE unangefochten Weltmarktführer und verdient damit viel mehr als auf dem umkämpften Markt für Windräder. Darüber kann sich selbst Rex Tillerson, der Chef des Öl-Giganten Exxon freuen. Obwohl Tillerson gutmenschliche Wadenbeißer auf die Palme bringt, weil er nicht viel von Investitionen in „erneuerbare“ Energien hält und fortwährend wiederholt, dass Öl sein Kerngeschäft bleibt, hat auch er längst kapiert, dass mit Erdgas viel mehr zu verdienen ist. Dort investiert Exxon neuerdings kräftig.
Sein europäischer Wettbewerber Royal Dutch Shell hat sich, kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, längst in einen Gas-Konzern verwandelt, der – je nach Standort – eng mit staatseigenen Lieferanten wie Gasprom (Russland) oder Sonatrach (Algerien) kooperiert. Inzwischen sieht sich die EU in der Energiepolitik einer geschlossenen Front von Gaslieferanten, einer Art Gas-OPEC, gegenüber, zu der neben den genannten Konzernen auch das Emirat Quatar und die Öl- bzw. Gas-Konzerne Chevron, BP und Totalfina gehören.
Kürzlich verlautete auf dem World Petroleum Congress (WPC) in Madrid, schätzungsweise 88 Prozent der in den kommenden 20 Jahren in der EU installierten Kraftwerkskapazitäten entfielen voraussichtlich auf kombinierte Gas- und Dampfturbinen (CCGT). In Spanien sind solche Turbinen mit 21 Gigawatt Gesamtkapazität bereits zur wichtigsten Stromquelle geworden. Das ist kein Zufall, denn Spanien ist nach Deutschland das EU-Land mit der höchsten Windkraft-Kapazität. Diese erreichte Ende 2006 11.000 Megawatt. Bei schätzungsweise 2.000 Volllaststunden im Jahr entspricht das einer Elektrizitäts-Produktion von 23 Terawattstunden. Um diese sehr unregelmäßig anfallende Strommenge im Netz abzupuffern, eignen sich nur rasch an- und abschaltbare Gasturbinen.
Einen zusätzlichen Auftrieb erhalten die Gasverkäufer durch den europäischen CO2-Emissionsrechte-Handel. Sobald die Emissionsrechte, wie vorgesehen, ab 2013 ersteigert werden müssen, macht der Emissionshandel Investitionen in die energetische Nutzung der reichlich verfügbaren Braun- und Steinkohlevorräte uninteressant. Der Vormarsch des Gases in der Stromproduktion der EU führt zur fatalen Konsequenz, dass es schon bald keine echte Wahlmöglichkeit zwischen leitungsgebundenen Energieträgern mehr geben wird. Die wichtigste Alternative zum Einsatz von Erdgas in Turbinen ist übrigens Kerosin, das zurzeit, bezogen auf die enthaltene Wärmeenergie, etwa doppelt so viel kostet wie Rohöl. Dadurch zeichnet sich der Korridor der zukünftigen Entwicklung des Gaspreises ab.
Statt in Europa wird die weltweit zu günstigen Preisen verfügbare Kohle nun ausgerechnet in den Öl- und Gasförderländern verstärkt genutzt. Russland baut Kohlekraftwerke, um das immer teurer werdende Gas für den Export zu reservieren. Auch das Emirat Dubai baut für die eigene Stromversorgung Kohlekraftwerke, weil dessen Wirtschaftsstrategen die eigenen Öl- und Gasvorräte dafür zu schade erscheinen. Für die Energiepolitik Deutschlands und der meisten EU-Länder gibt es nach alledem nur ein Urteil: Dümmer geht’s nimmer! (14. Juli 2008)
Am 24. Juli 2008 in etwas abgespeckter Form in DIE WELT erschienen.
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Vorreiter = Verlierer?
Ist jemals in der deutschen Geschichte ein Vorreiter zum Sieger geworden? Die Geschichte des Vorreiters in der Schlacht von Tannenberg und andere historische Beispiele helfen Ihnen vielleicht, diese Frage zu beantworten. Auch die von Dr. Angela Merkel und ihren Vorgängern im Bundeskanzleramt gewählte Vorreiter-Rolle im „Klimaschutz“ dürfte die Reihe negativer historischer Erfahrungen fortsetzen. Das lässt eine Studie des Stromkonzerns RWE erahnen. (13. Juli 2008)
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Die Deutschen entdecken wieder den Reiz der Kernkraft. Doch diese hilft nur kurzfristig
Winand von Petersdorff berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 6. Juli 2008 über die Ergebnisse einer im Auftrag der Atomlobby durchgeführten Blitzumfrage. Danach sprechen sich 60 Prozent der befragten Männer und immerhin 35 Prozent der (vermutlich mit weniger gesundem Menschenverstand ausgestatteten) Frauen für eine Verlängerung der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder im „Atomkonsens“ mit der Energiewirtschaft vereinbarten Restlaufzeiten alter Kernkraftwerke aus. Dieser Wandel im Meinungsbild ist gut nachvollziehbar. Denn die längst abgeschriebenen Atommeiler liefern für etwa 2,5 Eurocent je Kilowattstunde konkurrenzlos billigen Strom.
Ob es dadurch wirklich zu einer „Renaissance“ der Kernenergie kommt, ist eine andere Frage. Deren Beantwortung hängt davon ab, ob sich private Investoren für den Neubau von Kernkraftwerken finden werden. Dafür gibt bislang keine Anzeichen. Als die britische Labour-Regierung vor wenigen Monaten die Kernenergie wieder offiziell für politisch korrekt erklärte, ließen die eingeladenen Investoren sofort verlauten, sie würden hier nur einsteigen, wenn sich auch der Staat massiv beteilige.
Immerhin könnte eine Verlängerung der Laufzeit bereits existierender KKW für zwei Jahrzehnte unsere Grundlastversorgung sichern. Um das auch längerfristig zu erreichen, käme es aber darauf an, mit dem CO2-Treibhaus-Dogma und der damit verbundenen Verteufelung des Kohlenstoffdioxids wie der Kohle als Brennstoff Schluss zu machen und in Deutschland zig moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke zu errichten – und zwar ohne die von der Politik geforderte Abscheidung und Endlagerung des Verbrennungsabgases CO2 (bekannt unter dem Kürzel CCS), die wegen der damit verbundenen erheblichen Wirkungsgrad-Einbuße die zurzeit preisgünstige Kohleverfeuerung unnötig verteuern würde.
Fährt Deutschland jedoch fort, die Erschließung der unsteten Windenergie durch die geplante Anlage von 30 riesigen Windrad-Parks in Nord- und Ostsee voranzutreiben, dann müssten die Investitionen zur Sicherung der Grundlastversorgung durch ebenso massive Investitionen in rasch an- und abschaltbare Gasturbinen für windarme Zeiten ergänzt werden, was die Abhängigkkeit Deutschlands von russischem Erdgas enorm vergrößern würde. Alexej Miller, der Chef des mächtigen russischen Gasprom-Konzerns, freut sich bereits auf das infolge des Ausbaus der Windkraft in Deutschland winkende zusätzliche Geschäft. Das auf Preisvergleiche spezialisierte Verivox-Portal rechnet wegen der Bindung des Gaspreises an den Rohölpreis bereits für den kommenden Winter mit einer Verdoppelung der Heizkosten für Privathaushalte. Andere Experten rechnen sogar damit, dass der Gaspreis wegen des wachsenden Bedarfs an Regelenergie für die unregelmäßige Einspeisung von Windstrom ins deutsche Netz schon bald den Ölpreis weit hinter sich lassen wird. Da erscheint die Forderung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, die Pläne für die Errichtung von Offshore-Windparks müssten schleunigst umgesetzt werden, um Deutschlands Abhängigkeit von Energieimporten zu vermindern, in einem anderen Licht. Als Investor für die Offshore-Windparks, um die deutsche Banken bislang wegen der damit verbundenen unwägbaren Havarie-Risiken einen großen Bogen gemacht haben. bietet sich neuerdings die „Heuschrecke“ Blackstone an. Vor diesem Hintergrund erscheint Tiefensees Vorstoß als blanker Hohn, wenn nicht als bewusste Irreführung der Deutschen im Dienste der Kreml-AG und des Finanzkapitals. Solange am CO2-Treibhaus-Dogma nicht gerüttelt wird, wird es für die wachsenden Probleme der Energieversorgung wohl keine vernünftigen Lösungen geben.
(Unter dem Titel „Her mit der Kohle“ in Kurzform auch in DIE WELT vom 11. Juli 2008 erschienen.)
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Der hohe Ölpreis hat nichts mit einer Verknappung zu tun
Unter der Überschrift „Theorien vom knappen Öl sind Märchen“ brachte die Online-Ausgabe der FAZ am 1. Juli 2007 eine interessante Übersicht über die weltweite Entwicklung der Rohölvorräte. Viele der schon lange bekannten Vorkommen wurden bislang nur unzureichend ausgebeutet, da es günstiger war, neue Vorkommen zu erschließen, als die alten optimal zu nutzen. Die jüngste Entwicklung der Rohölpreise ändert die Ausgangslage.(1. Juli 2008)
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