Windräder, eine Todesfalle für Fledermäuse

Zu Recht werden Windräder von Vogelfreunden als „Milan-Shredderanlagen“ tituliert. Viele Dutzende Exemplare des bei uns vom Aussterben bedrohten und daher im Prinzip streng geschützten roten Milans fanden sie zerschmettert im Umkreis der Flügel-Monster. Die Vogelschutzwarte des Landesumweltamtes Brandenburg in Buckow sammelt seit 2002 alle bundesweit verfügbare Daten über Kollisionen von Tieren mit Windenergieanlagen (WKA). Dabei stellte es sich heraus, dass längst nicht nur Greifvögel zu Opfern des Windkraftwahns werden. Es wurden weitaus mehr tote Fledermäuse gezählt. Allein in Brandenburg wird die Zahl der jährlich durch WKA zu Tode kommenden fliegenden Säuger auf bis zu 25.000 geschätzt. Von den 23 in Deutschland heimischen Fledermausarten sind dabei fünf besonders stark vertreten: der Große Abendsegler, die Zwergfledermaus, die Rauhautfledermaus, die Zweifarbfledermaus und der Kleine Abendsegler. Weiterlesen

Nachhaltige Begriffsverwirrung um „Erneuerbare“



 Beim Schlagwort „erneuerbar“ bekommen die meisten Deutschen leuchtende Augen. Glaubt man Meinungsumfragen, so hätten 80 bis 90 Prozent der Deutschen gerne so rasch wie möglich eine Energieversorgung, die zu hundert Prozent auf „Erneuerbaren“ beruht. Da hilft es wenig darauf hinzuweisen, dass es nach den Gesetzen der Physik in der irdischen Welt überhaupt keine erneuerbare Energie geben kann, weil jede Form hochwertiger, zur Arbeitsleistung tauglicher Energie sich nach getaner Arbeit in nutzlose, das heißt diffuse Abwärme verwandelt. Aber die Unterscheidung zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen hat sich inzwischen so fest im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert, dass man meinen könnte, sie gehe auf den Schöpfer selbst zurück. Weiterlesen

Das Atomzeitalter ist noch lange nicht zu Ende

Nur in Deutschland, der Schweiz und Italien ist nach dem Tsunami vom 11. März 2011 und dem nachfolgenden Unglück im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi das „Ende des Atomzeitalters“ ausgerufen worden. Andernorts geht der Bau neuer Kernreaktoren weiter. Doch überall ist die Diskussion über bessere Reaktorkonzepte in Gang gekommen.

Walk for C.0216Bei seinem Auftritt im Berliner Adlon-Hotel im April 2011 machte sich der US-Milliardär Bill Gates lustig über die Atom-Angst der Deutschen. Dass die Deutschen ihre Atomkraftwerke abschalteten, halte er „wahrlich für ein Zeichen von Wohlstand“, meinte der einst reichste Mann der Welt ironisch. Der Grund: Gates leitet neben der größten privaten Stiftung der Welt unter anderem auch die kleine Start-up-Firma TerraPower. Das kleine Unternehmen arbeitet daran, Kernreaktoren kleiner, billiger und sicherer zu machen.
Gates träumt von einem inhärent sicheren Mini-Kernreaktor, der samt eingeschweißtem Brennstoff in der Erde verbuddelt oder auf Schiffen montiert werden könnte, wo er wartungsfrei 50 bis 100 Jahre lang arbeiten könnte. Die Ingenieure von TerraPower arbeiten bereits am Modell eines so genannten Wanderwellen-Reaktors, in Deutschland bekannt als „Brüter“. Allerdings bislang nur am Bildschirm. Weiterlesen

Französische Atomindustrie vor einer wichtigen Entscheidung

centrales nucleaires en France
Im Unterschied zur deutschen Bundesregierung unter Angela Merkel hat die französische Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy nach der Kernreaktor-Havarie von Fukushima Daiichi klug entschieden, erst einmal nichts zu entscheiden. Das heißt nicht, dass der staatliche Stromversorger Electricité de France (EdF) und die ebenfalls mehrheitlich staatliche Reaktorbaufirma AREVA auch in Zukunft fortfahren können, als sei nichts gewesen. Jedenfalls hält sich die Freude in der französischen Stromwirtschaft über die nun eröffneten Exportmöglichkeiten nach Deutschland in Grenzen. Zu groß erscheinen die Probleme, die Angela Merkel mit ihrer überstürzten Entscheidung geschaffen hat. Weiterlesen

Atom-Ausstieg: Der Schöpfung verpflichtet?


 

Die deutschen Bischöfe versuchen sich in Energiepolitik

 

Israel 136Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat es sich in Deutschland eingebürgert, bei komplexen Problemen der Technologie- und Wirtschaftspolitik immer solche Gremien mit der Erstellung von Entscheidungshilfen zu betrauen, die die geringste Fachkompetenz aufweisen. Das begann mit dem vermeintlichen „Waldsterben“, für das nicht das Bundesforschungsministerium, sondern zunächst das Bundesinnenministerium und später das neu gegründete Bundesumweltministerium zuständig wurden. Dort gab es keine Experten für Waldbau und Forstwirtschaft. Ahnungslose Sachbearbeiter deuteten die Spätfolgen einiger trockener Sommer als Symptome einer tödlichen Baumkrankheit. So war dafür gesorgt, dass ganz Deutschland in Alarmstimmung geriet. Nach diesem bewährten Muster ging die Politik später auch beim ebenso erfundenen Problem eines katastrophalen Klimawandels vor. Nicht studierte Geologen und Klimatologen durften sich damit amtlich befassen, sondern neben Umwelt-Bürokraten und Diplomaten vornehmlich Physiker und Mathematiker sowie Computerspezialisten.

In der Energiepolitik ist Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einen Schritt weiter gegangen, indem sie ganz auf natur- und ingenieurwissenschaftlichen Sachverstand verzichtete und die argumentative Vorbereitung der Regierungsentscheidung über den Stopp der Kernenergienutzung in Deutschland einer „Ethikkommission“ auftrug.

Kernenergie als Brücke ins Nichts ?

 

Angela Merkels Energiespar-Totalitarismus


Bei der Lektüre des am 6. September 2010 vom Bundeswirtschafts- und vom Bundesumweltministerium endlich vorgelegten Entwurfs eines seit langem angekündigten Energiekonzepts fühlt man sich an eine durchaus gängige Definition des Totalitarismus erinnert: „Politik der Massenmobilisierung für unerreichbare Ziele.“ So der amerikanische Publizist Paul Berman in seinem Bestseller „Terror und Liberalismus“ (2004). Denn das „Energiekonzept“ soll angeblich den Weg in eine „umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ weisen, setzt dabei aber auf schlecht funktionierende Techniken und auf Berechnungen, die vorne und hinten nicht aufgehen. Weiterlesen

German energy deadlock

The German Renewable Energies Act (EEG) is not supported by the country’s leading economists. They are pointing out that billions of Euros invested in the “renewables” sector would only lead to marginal CO2 savings. It would be easier to create much more jobs with less money. All and above the EEG incompatible with the European Emissions Trading Scheme (ETS). Consumers will pick up the tab through high energy costs and and less supply security.

Some Facts about Renewables & Green Jobs in Germany

By Edgar L. Gärtner

The Renewable Energy Act (EEG) is leading to net job losses

When competition on the German power market was established in order to comply with EU’s power market directive, the mean power price for industrial consumers dropped to some 6 ct/kWh and the mean price for end consumers to 14 ct/kWh. But after 2000, the consumer prices began to rise continually. In 2008, industrial clients had already to pay nearly 13 ct/kWh and private clients nearly 22 ct/kWh. The main reason for this turn is the German Renewable Energy Act (EEG) which was passed in March 2000. The EEG guarantees high feed-in prices for any quantity of power generated by wind turbines, biomass converters or photovoltaic panels for a period of 20 years.

This guarantee was the key vehicle to the recent investment-boom in the German “renewables” sector, especially in wind power. Currently, some 20,000 wind turbines are generating 23,312 MW, i.e. 6.3 % of Germany’s total power supplies (639 TWh) for the guaranteed price of 9 ct/kWh. These remunerations are charged to power consumers. Weiterlesen

Öko-Industrie-Komplex

Reichtum schützt vor Dummheit nicht. Der im Alter von über 80 Jahren zur grünen Ersatzreligion konvertierte amerikanische Öl- und Gas-Milliardär T. Boone Pickens muss den Plan, sich in Texas in Form des größten Windparks der Welt ein Denkmal zu setzen, wegen der Finanzkrise auf Eis legen. Nun weiß er nicht, wohin mit den bei General Electric bereits fest bestellten Windrädern. Das könnte ein Vorbote des Platzens der grünen Blase sein.

US-Milliardär Pickens sucht Garage für seine Windmühlen

Wegen der wirtschaftlichen Depression und des damit verbundenen Sinkens des Ölpreises muss der im Öl- und Gasgeschäft zum Milliardär gewordene „grüne“ Investor T. Boone Pickens seinen Plan, in seinem Heimatstaat Texas den größten Windpark der Welt zu erreichten (siehe Bericht über das Wind-Gas-Kartell auf dieser Seite weiter unten) auf Eis legen. Sein Problem: Er hat bereits beim Anlagenkonzern General Electrics für nicht weniger als zwei Milliarden Dollar eine erste Tranche Windräder fest geordert. Nun weiß er nicht, wohin damit. Die Moral von der Geschicht‘: Reichtum schützt vor Dummheit nicht.

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Björn Lomborg über den Klima-Industrie-Komplex

Im „Wall Street Journal“ vom 21. Mai 2009 analysiert der bekannte dänische Statistik-Professor Björn Lomborg anlässlich des gerade in Kopenhagen stattfindenden Wirtschafts-Klimagipfels die hinter dem „grünen“ Engagement großer Energiekonzerne stehdnen parasitären Geschäftsinteressen. Lomborg bestätigt alles, was ich selbst seit Jahren zu diesem Thema geschrieben habe.

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Die Hitparade der Öko-Profiteure

Die Londoner Sunday Times wartet am 1. März 2009 mit einer langen Liste reicher „Weltbürger“ auf, die es besonders gut verstehen, die von ihnen selbst und ihnen hörigen Massenmedien geschürte Angst vor einer uns angeblich drohenden Klimakatastrophe auf Kosten wirtschaftlich benachteiligter Familien mit hohem Energieverbrauch zu Geld zu machen. Diese Liste ergänzt sehr gut meine eigene Analyse des deutschen Öko-Industrie-Komplexes (ÖIK), die im letzten Spätherbst im Magazin „eigentümlich frei“ erschienen ist:

Die Allparteien-Koalition Grüner Amigos

Über die endliche Erfolgsgeschichte des Ökologisch-Industriellen Komplexes (ÖIK) in Deutschland

von Edgar Gärtner

Das Scheitern der Machtübernahme Andrea Ypsilantis in Hessen an der der schmerzlichen, weil persönlich nachteiligen und deshalb späten Gewissensentscheidung von vier sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten hat sicher nicht wenig mit der Entlarvung der Inkompetenz des „Sonnenpapstes“ Hermann Scheer im SPIEGEL 45/2008 zu tun. Zum ersten Mal hat ein führendes deutsches Print-Medium hier den Heiligenschein des Trägers des alternativen Nobelpreises zerrissen, indem sie den Präsidenten des von seiner Ehefrau Irm Pontenagel gemanagten Vereins „Eurosolar“ als ebenso verbohrten wie skrupellosen Lobbyisten für die von der ganzen politischen Klasse Deutschlands zum Heil der Menschheit verklärte und daher hoch subventionierte, in Wirklichkeit aber unzuverlässigste und unwirtschaftlichste Form der Stromerzeugung dastehen lässt. (Vorausgegangen war dem SPIEGEL-Artikel ein Forums-Beitrag des freien Journalisten Jan-Philipp Hein, der am 14. April 2008 in der WELT erschien.) Die Tatsache, dass Scheer nun bei den in Hessen vorgesehenen Neuwahlen nicht mehr dem Schattenkabinett von Ypsilantis Platzhalter Thorsten Schäfer-Gümbel angehört, signalisiert darüber hinaus – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – eine Infragestellung von Scheers Plan, die Stromversorgung des Verkehrsknotenpunktes und Industriestandortes Hessen bis zum Jahre 2025 zu 100 Prozent auf Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraft umzustellen.

Schneller als selbst von Skeptikern erwartet, erweist sich der Börsenboom rund ums Themenfeld „erneuerbare Energien“ als eine politischen Signalen folgende Blase, die nun platzt. Vordergründig ist daran die durch das Platzen der US-Immobilienkredit-Blase ausgelöste globale Finanzkrise schuld. Das wegen des Verdachts, auch die Bücher bislang als seriös eingeschätzter Geldhäuser könnten noch viele faule Hypotheken enthalten, verschwundene Vertrauen zwischen den Banken hat zu drastischen Restriktionen bei der Kreditvergabe geführt, die sich bei den stark expandierenden Stars der Solar- und Windbranche als kaum überwindbare Kreditklemme bemerkbar macht. Deshalb sind Werte wie Q-Cells, SMA Solar, Solon und sogar die noch etwas besser dastehende Solarword AG, die den TecDax dominieren, in den letzten Monaten noch viel stärker eingebrochen als Dax und M-Dax. Ein kurzfristiges Hochschießen der Solarwerte anlässlich des Wahlsieges von Barack Obama in den USA hat daran nichts geändert.

Es spricht sich auch herum, dass die Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, trotz eines kräftigen Anstiegs der Konzentration des als „Klimakiller“ verteufelten Verbrennungsabgases Kohlenstoffdioxid (CO2), seit zehn Jahren nicht mehr weiter steigt. Angesichts leerer Staatskassen und einer beginnenden Rezession, die höchstwahrscheinlich deutlich länger als nur ein paar Monate anhalten wird, fragen sich immer mehr Investoren, die sich zumindest einen Rest gesunden Menschenverstands bewahrt haben, ob sie sich den Luxus leisten können, in Technologien zu investieren, die CO2 auf die denkbar teuerste Weise einsparen. Wer soll, angesichts der sich abzeichnenden Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten und Regionen, die Kosten dieser vermeintlichen „Zukunftstechnologien“ aufbringen? Können wir es uns wirklich noch leisten, die Nutzung des reichlich verfügbaren, leicht transportier- und lagerfähigen und daher konkurrenzlos preisgünstigen Energieträgers Kohle zu verzichten, nur um bei grünen Nihilisten gut Wetter zu machen? Ist nicht der soziale Frieden in höchster Gefahr, wenn den Menschen in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit immer höhere Energiekosten aufgebürdet werden?

Solche Fragen deuten an, dass das Ersatz-Feindbild „Umweltveränderung“ beziehungsweise „Klimawandel“, mit dessen Hilfe es die politischen und wirtschaftlichen Eliten des Westens seit der Entspannungsphase des Kalten Krieges gelang, das Volk einigermaßen bei Stange zu halten, inzwischen auf dem Prüfstand steht. Die Ablösung des Feindbildes „Kollektivismus“ durch das Ersatz-Feindbild „Klimawandel“ bot der herrschenden politischen Klasse den großen Vorteil, die Aufmerksamkeit der Beherrschten auf einen abstrakten, weder mit den fünf Sinnen noch durch den Verstand fassbaren Gegner zu lenken. Doch angesichts der beginnenden Wirtschaftskrise und der wenig dramatischen Entwicklung der Wetterabläufe gelingt es immer weniger, den Menschen damit noch Angst zu machen. Schon ist die Europäische Union dabei, ihr auf Betreiben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel angenommenes „Klima-Paket“ (jeweils 20 Prozent CO2-und Energieeinsparung und Steigerung des Anteils „erneuerbarer“ Energien bis zum Jahre 2020) aufzuschnüren und deutlich abzuschwächen. Das muss Auswirkungen auf einen durchwegs politischen Markt haben, auf dem sich in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten staatsmonopolitische Kartellstrukturen besonderer Art, der Öko-Industrie-Komplex (ÖIK), etabliert hatten. Damit wird auch die wirtschaftliche Basis einer historisch einmaligen politischen Allparteien-Koalition in Frage gestellt.

Wie kam es überhaupt dazu, dass sich das im Kern absurde Ersatzfeindbild „Klimawandel“ und das dadurch begründete staatsmonopolitische Industriekartell so rasch auch in der Privatwirtschaft durchsetzten? Dieser Frage möchte ich im Folgenden vorwiegend auf dem Hintergrund eigener Erfahrungen nachgehen und dabei auch andeuten, wo ich noch Klärungsbedarf sehe.

Zur Geschichte des Öko-Industrie-Komplexes

Schon in den Anfängen der um 1970 gestarteten systematischen Umweltpolitik galt für den auf den Bau von Filtern aller Art spezialisierten neuen Zweig des Anlagenbaus der Satz „Gesetze bestimmen die Umsätze“. So der Titel eines Beitrages in einem der damals eigens gegründeten Fachmagazine für Umwelttechnik. D.h. je schärfer die Grenzwerte für Schadstoffe in Abwasser und Abluft, desto besser die Geschäftschancen der Umweltbranche. Das wurde bereits auf der ersten deutschen auf Umwelttechnik spezialisierten Messe, der ENVITEC 1973 in Düsseldorf, thematisiert. Bei dieser vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) eröffneten Ausstellungs- und Kongress-Veranstaltung (auf der ich, nebenbei gesagt, mir meine ersten Sporen und Kröten als Umweltjournalist verdiente) wurde auch deutlich, dass die Branche stark von Konzernen des Militärisch-Industriellen Komplexes (MIK) dominiert wird. Deren Manager waren es seit der nazistischen Kriegswirtschaft (insbesondere in deren Endphase unter Albert Speer) gewohnt, in einer korporatistischen, aber hoch effizienten Form von Vetternwirtschaft auf politisch-bürokratisch bestimmten Märkten zu arbeiten.

Der Begriff „Militärisch-industrieller Komplex“ wurde vom Ex-General und späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhauer geprägt. Dieser warnte seine Landsleute am Ende seiner Amtszeit vor der Eigendynamik der in der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs aufgebauten kartellartigen Wirtschaftsstrukturen. Der Begriff „Öko-Industrie-Komplex“ wurde bereits im Jahre 1970 vom linksliberalen amerikanischen Publizisten Martin Gellen eingeführt. Dieser sah schon damals deutlich, dass die von US-Präsident Richard Nixon in großem Stil aus der Taufe gehobene Umweltpolitik als relativ eigenständiger Politikbereich zu dem MIK vergleichbaren parasitären Wirtschaftsstrukturen führen muss. Durchaus nicht zufällig ging übrigens der Start der Umweltpolitik einher mit der Abkehr der Nixon-Regierung vom wenigstens noch formalen Gold-Bezug des 1944 in Bretton Woods begründeten internationalen Währungssystems. Seither manifestiert sich die von der wachsenden Staatsverschuldung erzeugte Geldentwertung weniger in einer kontinuierlichen Verteuerung von Waren des täglichen Bedarfs als vielmehr in Form des Platzens politisch erzeugter Spekulationsblasen.

Einer der Vordenker des ÖIK in Deutschland war Ludwig Bölkow, der damalige Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB). Schon 1970 forderte dieser, um angesichts der sich abzeichnenden Ost-West-Entspannung, diversen Nachteilen der einseitig militärischen Ausrichtung seines Geschäfts zu begegnen, eine Ausweitung des zivilen Anteils der Fertigung seines Konzerns auf 50 Prozent. Dabei dachte er hauptsächlich daran, Umweltschutztechniken zum zweiten Standbein des durchwegs politisch bestimmten Geschäfts seines Konzerns zu machen. Neben Bölkow gehörte auch der ehemalige MBB-Manager und spätere „Atomminister“ Prof. Dr. Siegfried Balke zu den Vordenkern des ÖIK. Die Technologieberatungsfirma MBB Systemtechnik in Ottobrunn hat bis heute einen beträchtlichen Einfluss auf die deutsche und zum Teil auch europäische Forschungs- und Technologiepolitik im Bereich Energie und Umwelt – zum Beispiel in Form von Gutachten für Bundesministerien und Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages. Gleichzeitig fördert die Bölkow-Stiftung, in deren Stiftungsrat Grüne den Ton angeben, gezielt Pioniere „grüner“ Energietechnik.

Zu den Firmen, die das erste Umweltprogramm der deutschen Bundesregierung von 1971 und die darin enthaltenen (und von ihnen direkt beeinflussten!) Emissions-Grenzwerte in Form diverser Filter- und Reinigungstechniken umsetzten, gehörten denn auch fast durchwegs Töchter von Rüstungskonzernen wie Flick (insbesondere Krauss-Maffei), Quandt, Klöckner, Krupp, Haniel, MBB, Rheinstahl und, Siemens. Hinzu kamen Töchter von Metallgesellschaft, Degussa und Hoechst sowie des Energiekonzerns RWE, die (wie auch die meisten der vorgenannten Konzerne) in der Nuklearindustrie eine große Rolle spielten.

Begleitet wurde diese Neuausrichtung des MIK durch die allmähliche Transformation von Massenmedien in eine Angstindustrie. Eine große Gelegenheit dafür bot die Veröffentlichung der Studie „Die Grenzen des Wachstums“ durch den Club of Rome. Das Thema „CO2 und Klima“ spielte dabei in Deutschland jedoch zunächst kaum eine Rolle. Statt in Deutschland spielte die alte, aber im Grunde längst widerlegte Hypothese des schwedischen Chemikers Svante Arrhenius von 1896, der wachsende Ausstoß des Verbrennungsabgases CO2 führe zu einer Verstärkung des „Treibhauseffekts“, zunächst nur in Skandinavien eine Rolle. Vor allem die schwedischen Sozialdemokraten unter Olof Palme erwogen schon im Umkreis der ersten UN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm und des neu gegründeten internationalen Umwelt-Fachmagazins „Ambio“ die Einführung von CO2-Steuern, stießen damit jedoch zunächst in Kontinentaleuropa auf wenig Resonanz. Erst als der Preis des Nordsee-Öls in den 80er Jahren unter 10 Dollar je Barrel absackte und die Erdgasförderung in der Nordsee infolge der Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis unrentabel geworden war und es deshalb in Europa nahe lag, in der Wärme- und Stromproduktion massiv zur reichlich vorhandenen billigen Kohle zurückzukehren, starteten die skandinavischen Sozialdemokaten unter der Norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, später Vorsitzende der nach ihr benannten UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung, mithilfe der Sozialistischen Internationale eine europaweite Kampagne für CO2-Steuern, um den Kohle- und Öleinsatz künstlich zu verteuern und die Erdgasförderung in der Nordsee wie später auch in Russland wieder rentabel zu machen.

Das CO2-Thema war aber auch einigen Persönlichkeiten der damals in Bonn regierenden Großen Koalition von CDU/CSU und SPD und der sie ablösenden sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt jedoch durchaus von Anfang an bekannt. Zu diesen Persönlichkeiten zählt der heutige Lord Prof. Ralf Dahrendorf. Der bekannte liberale Soziologe beteiligte sich als Staatssekretär im Bundesaußenministerium aktiv an Debatten über die Ausgestaltung der „Dritten Dimension“ der NATO, wo das Klima-Thema im Wissenschaftsausschuss über den Klimatologen Prof. Herrmann Flohn (Bonn) zu einer Zeit, als die Wissenschaftlergemeinde noch beinahe einhellig vom Herannahen der nächsten Eiszeit überzeugt war, schon mit anthropogenen CO2-Emissionen in Zusammenhang gebracht wurde.

Wichtige Anstöße gingen auch von den US-Wissenschaftlern Roger Revelle und Charles Keeling sowie von dem später zum wichtigsten Kritiker der Klima-Hysterie gewandelten österreichisch-amerikanischen Weltraum-Physiker Fred Singer aus. Im Prinzip war auch Günter Hartkopf, FDP-Staatssekretär in dem damals noch für den Umweltschutz zuständigen Bundesinnenministerium, darüber informiert, hat aber dazu nichts verlauten lassen. Frage: Gab es damals Versuche der Brandt-Regierung, sich in dieser Angelegenheit mit den schwedischen Sozialdemokraten zu verständigen? Ich vermute: Da Umweltschutz Angelegenheit der FDP war, haben sich die Sozialdemokraten um das Thema „Klima“ längere Zeit wenig gekümmert. Wegen ihrer engen Verzahnung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) standen stattdessen Probleme der Arbeitswelt im Vordergrund.

In Deutschland war die Zeit nach der Ölkrise von 1973 geprägt von einer wachsenden Konfrontation zwischen der sozial-liberalen Regierung und der erstarkenden Anti-Atom-Bewegung. Beim Abwehrkampf des zuständigen sozialdemokratischen Forschungs- und Technologieministers Hans Matthöfer spielte das Klima-Thema aber so gut wie keine Rolle. Erst nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde das Thema auf Betreiben der deutschen Nuklearindustrie und ihr nahe stehender Naturwissenschaftler wie den Bonner Physiker Prof. Klaus Heinloth in Form einer „Warnung vor einer drohenden Klimakatastrophe“ durch die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) offensiv in die Medien gebracht.

Diese Kampagne mündete in der Einsetzung der Enquête-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ durch den 11. und 12. Deutschen Bundestag (BT). Ihr Vorsitzender war der als Lobbyist der Hanauer Nuklearindustrie (NUKEM) bekannte CDU-Abgeordnete Klaus Lippold. Die Kommission forderte schon vor der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro eine Reduktion der CO2-Emissionen der Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft (EG) um 20 bis 25 Prozent bis zum Jahre 2005 sowie eine Förderung „erneuerbarer“ Energien. Dem kam der BT erstmals 1991 in Form des „Einspeisegesetzes“ nach, das die Betreiber öffentlicher Stromnetze verpflichtet, jederzeit Strom aus Wasser-, Wind-, Sonnen- und Biomassekraftwerken abzunehmen. Hinter dem Gesetz standen u.a. die Abgeordneten Peter Ramsauer (CSU) und Peter Paziorek (CDU), die beide als Betreiber einer Mühle mit Wasserkraftwerk beziehungsweise als Teilhaber von Windparks ein unmittelbares finanzielles Interesse an der Förderung „erneuerbarer“ Energien hatten. Das Gesetz erregte damals wenig Aufsehen, da es zunächst nur kleine Strom-Mengen betraf. Als der Widerstand gegen die „Verspargelung“ der Landschaft durch riesige Windräder wuchs, hat der Bundestag 1996 noch unter Kohl und quer durch alle Fraktionen einen kleinen Zusatz zum Paragraphen 35 des Baugesetzbuches (BauGB) beschlossen. Dieser macht es möglich, Windräder, die höher sind als der Kölner Dom, schneller genehmigt zu bekommen als eine Frittenbude.

Schon im Vorfeld der Rio-Konferenz gab es Versuche, neben Sozialdemokraten auch die Grünen in den ÖIK einzubinden. Das geschah unter anderem auf einer Serie großzügig gesponserter Konferenzen, an denen neben Wirtschaftsvertretern des In- und Auslandes auch Spitzenpolitiker und bekannte Medienvertreter teilnahmen. (Ich kann mich erinnern an eine Konferenz im Kongresszentrum der Hannover Messe und an eine Konferenz im Hotel Maritim am Timmendorfer Strand mit Patricia Cairncross vom „Economist“, dem Schweizer Großindustriellen Stefan Schmidheiny, Klaus Töpfer usw.) Vermittelt über den Grünen Bundestagsabgeordneten Willi Hoss (eines abtrünnigen DGB-Gewerkschafters und Betriebsrats bei Daimler) finanzierte die Daimler AG einer starken „Delegation“ von Grünen die Reise nach Rio. Als „Gegenleistung“ sollten diese in Europa Positives über die Nutzung von Kokos- und Sisalfasern als nachwachsende Rohstoffe im Daimler Werk bei Bélem berichten.

Im Vorfeld der Rio-Konferenz gab es bei den Grünen und in ihrem Umkreis auch eine wegweisende Debatte im grünen Wirtschaftsinformationsdienst „Ökologische Briefe“ und in der „Frankfurter Rundschau“ (FR) über ein Zusammengehen mit verschiedenen privaten Großkonzernen. Diese Debatte habe ich als damals verantwortlicher Redakteur der „Ökologischen Briefe“ dummerweise selbst angestoßen (Eröffnungsartikel in der FR am 19. November 1991 während der Konferenz am Timmendorfer Strand). Im Rahmen dieser Debatte gab es im Frühjahr 1992 ein wichtiges Treffen in einem Düsseldorfer Nobelrestaurant. Beherrscht wurde dieses Treffen, an dem verschiedene Abgeordnete und Vorstandsmitglieder der Grünen (u. a. die Unternehmensberaterin Ruth Hammerbach) teilnahmen, von Michael Vester, Sohn eines Düsseldorfer CDU-Politikers und später Grüner Bauminister in Nordrhein-Westfalen (NRW). Auch Frank Asbeck, der spätere „Sonnenkönig“ von Bonn, war dabei.

Asbeck kommt aus einer alten Dortmunder Unternehmerfamilie, die mit der Stahlverarbeitung ein Vermögen machte. Er galt nie als typischer Grüner und wäre heute genauso gut in der rheinischen Klüngel-CDU aufgehoben. Außer mit Michael Vester ist Asbeck gut mit einflussreichen Politikern wie Kurt Biedenkopf (CDU), Jürgen Rüttgers (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer und Jürgen Trittin (Grüne) sowie mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle vernetzt. In seiner Jugend sympathisierte er eine Weile mit der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Er betrieb zunächst ein auf die Reparatur und das Recycling von Industrieanlagen (insbesondere in Entwicklungsländern) spezialisiertes kleines Ingenieurbüro und vertrieb zusammen mit seinem Bruder Ralf gepanzerte Limousinen – ein Geschäft, das vor allem während des Kosovo-Krieges blühte.

Mitte der 90er Jahre baute Asbeck auf dem Dach einer Bonner Industriehalle die damals größte Photovoltaik-Anlage Deutschlands. Die Module dafür lieferte BP Solar, dessen größter Kunde Asbeck damit wurde. 1998 gründete Asbeck die SolarWorld AG, die er 1999 erfolgreich an die Börse brachte. Mit dem eingenommenen Kapital kaufte er zunächst eine schwedische Solarmodulfabrik und übernahm im Jahre 2000 die Solarsparte der BAYER AG im sächsischen Freiberg. Dabei half ihm sein kurzer Draht zu Kurt Biedenkopf. Später tat sich Asbeck mit dem Chemiekonzern Degussa (jetzt: Evonik) zur Joint Solar Silicon GmbH & Co KG (JSSI) zusammen, um ein neuartiges Verfahren zur Abscheidung von Solar-Silizium anwendungsreif zu machen.

In die Zeit zwischen dem Tschernobyl-Unglück und der Rio-Konferenz fällt auch die Gründung des Verbandes EUROSOLAR durch den SPD-Abgeordneten Hermann Scheer und den Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell (ebenfalls Sohn eines CDU-Politikers). Das Ziel von EUROSOLAR: Die völlige Umstellung der Energieversorgung auf „Erneuerbare“ bis zum Jahre 2050, wenn nicht schon früher. Somit handelt es sich, im Vergleich zum eher pragmatischen und wirtschaftsfreundlichen rheinischen Netzwerk Asbecks, um eine eher fundamentalistische Gruppierung. Beide Strömungen verbanden sich aber im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) mit CDU/CSU-Politikern zu einer starken Lobby für den Ausbau des „Einspeisegesetzes“ zu einem „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarerer Energien“ (EEG), das für 20 Jahre großzügige Einspeisevergütungen für Solar-, Wind- und Biomasse-Strom garantiert. Dessen 1. Fassung wurde im März 2000 unter der ersten rot-grünen Regierung verabschiedet.

Ganovenstück EEG

Als Rot-Grün 1998 die Regierungsverantwortung übernahm, hatte sich rund um die „erneuerbaren“ Energien längst ein dichtes polit-ökonomisches Geflecht ausgebildet, in dem gelten soll: Nicht Angebot und Nachfrage, sondern maßgeschneiderte Gesetze und Paragraphen bestimmen Umsatz- und Gewinnchancen. Die neuen Machthaber der Berliner Republik brauchten also nur konsequent auf dem bereits eingeschlagenen Weg fortzufahren. Das taten sie mit dem EEG. Zu dessen Urhebern zählen der württembergische SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer und sein fränkischer Kollege Hans-Josef Fell von den Grünen. Scheer ist Präsident der Lobby-Vereinigung Eurosolar und Vorsitzender des Weltrates für Erneuerbare Energien. Er dürfte schon mit seinen Bestseller-Büchern über das kommende „Solarzeitalter“ und deren Popularisierung in jährlich etwa hundert bezahlten Vorträgen mehr verdienen als durch sein Bundestagsmandat. Fell war Vorsitzender der deutschen Sektion von Eurosolar, Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen für Forschung Technologie und Geschäftsführer der Hammelburger Solarstrom GmbH.

Die niedersächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Angelika Brunkhorst, selbst EEG-Lobbyistin, nannte die Durchschleusung des EEG durch Bundestag und Vermittlungsausschuss ein „Ganovenstück“, das von der Parlamentarier-Gruppe von Eurosolar und vom weitgehend personengleichen Parlamentarischen Beirat des Bundesverbandes erneuerbare Energien (BBE) eingefädelt wurde. Vorsitzender dieses Gremiums war wiederum Hermann Scheer. Stellvertretende Vorsitzende war Michaele Hustedt, damals energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Neben den Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU) und Hans-Josef Fell (Die Grünen) gehörten dem Gremium unter anderen die SPD-Abgeordneten Axel Berg, Marco Bülow und Christoph Matschie, die Unions-Abgeordneten Peter Harry Carstensen, Thomas Dörflinger, Josef Göppel und Peter Paziorek sowie Reinhard Loske, damals umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, heute Grüner Wirtschaftssenator im Stadtstaat Bremen, an. Loske gehörte gleichzeitig dem Kuratorium der Düsseldorfer Naturstrom AG und dem Umweltrat der Nürnberger Umweltbank an. Dietrich Austermann hatte als Mitglied des Verwaltungsrates der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) direkten Einfluss auf die Unterstützung von Wind- und Solarprojekten durch zinsgünstige Darlehen.

Im Detail legt das EEG fest, wie hoch die Stromnetzbetreiber und im Endeffekt die Verbraucher die gesetzlich erzwungene Abnahme teuren Wind- und Solarstroms vergüten müssen: Für Strom aus kleinen Wasserkraftwerken und Windrädern zum Beispiel bis zu über 9 Eurocent je Kilowattstunde (KWh), das heißt fast dreimal mehr als die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten in Deutschland. Es kam zu einem Boom von Windkraftfonds, die bei Gutverdienern mithilfe des Versprechens einer Steuerersparnis von über 100 Prozent für eine absolut saubere, sichere und profitable Geldanlage innerhalb weniger Jahre sieben bis zehn Milliarden Euro mobilisierten und damit in Deutschland über 20.000 WKA gebaut haben. Einige der genannten Parlamentarier verdienen als Teilhaber von Wind- und Solarparks oder (diskreter) als Zeichner „grüner“ Investmentfonds an dem vom EEG ausgelösten künstlichen Boom der „Erneuerbaren“ mehr oder weniger kräftig mit. Dabei halten sich die Mitglieder der Regierungsparteien aus nahe liegenden Gründen eher diskret zurück, während sich Oppositionspolitiker offen als Windmüller zu erkennen geben, um sich als besonders „klimafreundlich“ zu profilieren.

Die Bande zwischen grüner Industrie und grüner Partei sind eng. Im Wahlkampfjahr 2002, als SPD und Bündnis 90/Die Grünen bereits hoffnungslos abgeschlagen schienen, pumpten die Windkraftfirmen großzügig Geld in die Kassen der Umweltpartei. Über die Hälfte (300.000 von 550.000 Euro) der nach dem Parteiengesetz angabepflichtigen Großspenden stammte bei den Grünen im Jahre 2002 von Windkraftfirmen. Zu den Großspendern gehörten der Regensburger Windpark-Projektierer Ostwind-Verwaltungs GmbH mit 71.000 Euro, die beiden Betreiber des Windparks im hessischen Lichtenau mit insgesamt 52.500, die EWO Energietechnologie GmbH und die AGU Elektrotechnik GmbH am gleichen Ort mit 40.000 beziehungsweise 20.000 Euro sowie die inzwischen insolvente Umweltkontor Renewable Energy im rheinischen Erkelenz mit 50.000 Euro. Dass es sich dabei um gezielte Wahlkampfhilfe handelte, zeigt die Tatsache, dass die Grünen in den folgenden Jahren aus dieser Branche keine nennenswerten Spenden mehr verbuchten.

Die Sonnenwelt verfinstert sich

Auslöser des nun zu Ende gehenden Solar-Booms war die Anfang Juli 2004 vom Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Novelle des EEG. Es gäbe sonst keinen Grund, in unseren von der Sonne nicht gerade verwöhnten Breiten massiv in teure Solaranlagen zu investieren. Bis zu 57,4 Eurocent je Kilowattstunde (KWh) kassierten Hausbesitzer, die sich Photovoltaik-Module auf ihr Dach montieren lassen, wenn sie den dort produzierten Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Das ist etwa das 20-fache der Kosten von Strom aus Atom- oder Braunkohlekraftwerken, die in Deutschland etwa 3 Cent je KWh betragen. Selbst Strom aus großen, von kommerziellen Betreibern auf Freiflächen aufgestellten Photovoltaik-Anlagen mussten die Netzbetreiber für 45,7 Cent je KWh abnehmen. Allein für die im Jahre 2007 hinzugebauten Fotovoltaik-Anlagen mussten die deutschen Stromverbraucher und Steuerzahler 7,5 Milliarden Euro für die aufbringen. Der Beitrag der Solarenergie zur deutschen Stromversorgung erreichte zu Spitzenzeiten gerade einmal 0,7 Prozent. Kein Wunder in einem Land, das nicht zum Sonnengürtel des Globus zählt.

Durch die im Mai 2008 vorgenommene Anpassung der EEG-Fördersätze hat sich an diesem Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag wenig geändert. Statt die Einspeisevergütung für Solarstrom um 30 Prozent zu kürzen, wie von Teilen der CDU und der FDP gefordert, um Innovationsanreize zu geben, sieht das novellierte EEG für die kommenden zwei Jahre nur eine Kürzung um 8 Prozent vor. Die Solarlobby hat sich noch einmal durchgesetzt – und zwar vor allem mit dem Argument, sie schaffe Zigtausende von Arbeitsplätzen in den östlichen Bundesländern. Man braucht keine höhere Mathematik, um die Fadenscheinigkeit dieser Begründung zu erkennen. Nach Berechnungen des Bonner Volkswirtes Dieter Damian, die von Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bestätigt wurden, werden die kumulierten Kosten des subventionierten Ausbaus der Fotovoltaik in Deutschland schon im Jahre 2015 die Schallmauer von 100 Milliarden Euro durchstoßen haben, obwohl die blau schimmernden Siliziumscheiben bis dahin höchstens zwei Prozent zur Stromproduktion beitragen werden. Es käme billiger, jedem Arbeitslosen einfach ein Paket 500-Euro-Scheine in die Hand zu geben.

Die Netzbetreiber, das heißt in der Hauptsache die vier großen Energieversorgungsunternehmen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW und die mehr als 1.500 örtlichen Versorger, können diese Zusatzkosten bis jetzt wegen des geringen Wettbewerbs auf dem deutschen Strommarkt problemlos an die Endverbraucher weitergeben und dabei (wie die Kartellbehörden vermuten) sogar noch einiges aufschlagen. Die Stromverbraucher jedoch haben kaum Möglichkeiten, der staatlich verordneten Abzocke zu entgehen. Und die allgemeine Verteuerung des Stroms wird, ganz im Gegensatz zu der Behauptung Jürgen Trittins und Sigmar Gabriels, längerfristig unterm Strich höchstwahrscheinlich viel mehr Arbeitsplätze zerstören als neu schaffen. Neue Arbeitsplätze entstehen durch das EEG hauptsächlich in China und Japan, wo die meisten Solarzellen gefertigt werden.

Ausblick

Die Hinweise auf das näher rückende Platzen der „Erneuerbaren“-Blase dürfen nicht überbewertet werden. Der Öko-Industrie-Komplex wird, wie alle einmal etablierten techno-bürokratischen Strukturen, so schnell nicht verschwinden. Zum Geschäftsmodell des ÖIK gehört neben der massiven Subventionierung „erneuerbarer“ Energien vor allem der internationale CO2-Emissionshandel. Es handelt sich dabei, in den Worten des Wall Street Journal, um den „größten Umverteilungsplan seit Einführung der Einkommenssteuer.“ Davon werden die Banken, Versicherungen, Energie- und Anlagenbau-Konzerne, die sich dafür stark machen, so schnell nicht lassen. Die US-Umweltbehörde EPA schätzt die durch die Versteigerung von „Verschmutzungsrechten“ erzielbaren zusätzlichen Staatseinnahmen auf nicht weniger als 3,3 Billionen Dollar. Zwischen verschiedenen Firmen und Branchen der Privatwirtschaft würde Wertschöpfung in der Größenordnung von Hunderten von Milliarden Dollar umverteilt. Doch könnte die Vertrauenskrise in der Finanzwelt diese Pläne vereiteln, weil die deutlich spärlicher fließenden Kredite für dringendere Probleme wie die Rettung der Automobilindustrie vor dem Zusammenbruch benötigt werden.

Es besteht daher jetzt die Chance, das Ausufern des ÖIK zu stoppen und ihn auf eine einigermaßen erträgliche Größenordnung zurechtzustutzen. Voraussetzung dafür wäre die Popularisierung eines anderen politischen Feindbildes. Dieses könnte „Energieverteuerung“ oder „Versorgungsunsicherheit“ lauten. Eine neue Partei, die sich dieses auf die Fahne schriebe, hätte meines Erachtens durchaus Chancen, die politische Landschaft Deutschlands und der EU aufzumischen.

(veröffentlicht in: eigentümlich frei N° 88)

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Das Wind-Erdgas-Kartell

Eigennützige Förderung von Windkraft-Projekten

Von Edgar Gärtner*

Die Hersteller von Gasturbinen und die Förderer von Erdgas profitieren beide davon, wenn Strom aus Windkraft gewonnen wird. Diese Abhängigkeit führt jedoch zu Marktverzerrungen (Red.)

Der 80 Jahre alte texanische Erdöl- und Erdgas-Milliardär T. Boone Pickens möchte sich ein Denkmal setzen, indem er seine Landsleute mit Tausenden von Windrädern beglückt. Nun hat er die ersten 667 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 1000 Megawatt (MW) für rund 2 Mrd. $ beim «grünen» amerikanischen Konglomerat General Electric (GE) bestellt. Damit möchte der anscheinend vom Saulus zum Paulus gewandelte Geschäftsmann mithelfen, die hohe Abhängigkeit seines Landes von Erdölimporten zu mindern.

Interessen der Erdgas-Industrie

Was auf den ersten Blick als grössenwahnsinnig anmutet, ist vermutlich Ausfluss einer höchst gerissenen Geschäftsstrategie. Waren frühere Windkraft-Investoren

vielleicht noch wirklich davon überzeugt gewesen, mit ihrer guten Tat die Welt retten zu helfen, so geht es den Heutigen in der Regel um etwas ganz anderes. Es hat sich herumgesprochen, dass jedes Kilowatt installierte Windleistung durch eine entsprechende Leistung eines konventionellen Kraftwerks ergänzt werden muss, um die Unstetigkeit des Windes auszugleichen. Wer sich heute für Windräder stark macht, dem geht es also höchstwahrscheinlich eher darum, Gasturbinen und/oder Erdgas zu verkaufen. In der Tat: Zu Pickens Unternehmens- gruppe gehört die ausserordentlich erfolgreiche Erdgas- Explorationsgesellschaft XTO-Energy.

Auch bei der «Ecomagination»-Kampagne von GE liegt das Erdgas-Interesse auf der Hand. GE bietet inzwischen seine Windenergieanlagen besonders preisgünstig an, um Bestel- lungen von Gasturbinen anzukurbeln. Bei Gasturbinen ist GE unangefochten Weltmarktführer und verdient damit viel mehr als auf dem umkämpften Markt für Windräder. Darüber kann sich selbst Rex Tillerson, der Chef des Erdöl-Giganten Exxon Mobil freuen. Obwohl Tillerson Umweltschützer auf die Palme bringt, weil er nicht viel von Investitionen in erneuerbare Energien hält und fortwährend wiederholt, dass Erdöl sein Kerngeschäft bleibt, hat auch er längst kapiert, dass mit Erdgas viel mehr zu verdienen ist. Dort investiert Exxon Mobil neuerdings kräftig. Sein europäischer Mitbewerber Royal Dutch Shell hat sich, kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, längst in einen Erdgas-Konzern verwandelt, der – je nach Standort – eng mit staatseigenen Lieferanten wie Gazprom (Russland) oder Sonatrach (Algerien) kooperiert. Inzwischen sieht sich die EU in der Energiepolitik einer geschlossenen Front von Erdgaslieferanten – einer Art Erdgas-OPEC – gegenüber, zu der neben den genannten Konzernen auch das Emirat Katar und die Erdöl- beziehungsweise Erdgas-Konzerne Chevron, BP und Total gehören.

«Erdgas-Opec»

Kürzlich verlautete am World Petroleum Congress (WPC) in Madrid, über 80 Prozent der in den kommenden 20 Jahren in der EU installierten Kraftwerkkapazitäten entfielen voraussichtlich auf kombinierte Gas- und Dampfturbinen. In Spanien sind solche Turbinen mit 21 Gigawatt (GW) Gesamtkapazität bereits zur wichtigsten Stromquelle geworden. Das ist kein Zufall, denn Spanien ist nach Deutschland das EU-Land mit der höchsten Windkraft-Kapazität. Sie erreichte Ende 2006 rund 11 000 MW. Bei schätzungsweise 2000 Volllast-Stunden im Jahr entspricht das einer Elektrizitäts-Produktion von 23 Terawattstunden. Um diese sehr unregelmässig anfallende Strommenge im Übertragungsnetz abzupuffern, eignen sich am besten rasch an- und abschaltbare Gasturbinen.

Auch in Deutschland, wo über 20.000 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 21.400 MW die Landschaft „verschönern“, stieg der Gaseinsatz für die Stromproduktion parallel zum Ausbau der Windkraft, und zwar von 35,9 Mrd. kWh im Jahre 1990 auf 74,5 Mrd. kWh in 2007. Der Anteil von Gas an der gesamten Stromproduktion wuchs von 6,5 Prozent im Jahre 1990 auf 11,7 Prozent in 2007, während der Anteil von Windstrom von Null auf 6,2 Prozent stieg (siehe Grafik)). Das ist sicher nicht ganz zufällig. Bis heute wird in Deutschland allerdings noch immer ein Teil des Windkraft-Backup von alten Kohlekraftwerken übernommen. Diese müssen dann in einem unwirtschaftlichen Stand-by-Betrieb laufen, um bei Bedarf rasch angefahren werden zu können. Die Grünen und auch beträchtliche Teile der Regierungsparteien kämpfen derzeit mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. Deshalb ist es absehbar, dass die meisten alten Kohlekraftwerke letzten Endes durch Gasturbinen ersetzt werden.

Einen zusätzlichen Auftrieb erhalten die Verkäufer von Erdgas durch den Handel mit europäischen CO2-Emissionsrechten. Sobald die Emissionsrechte – wie vorgesehen – ab 2013 ersteigert werden müssen, macht der Emissionshandel Investitionen in die energetische Nutzung der reichlich vorhandenen Vorräte an Braun- und Steinkohle uninteressant. Der Vormarsch des Erdgases in der Stromproduktion der EU führt zur fatalen Konsequenz, dass es schon bald keine echte Wahlmöglichkeit zwischen leitungsgebundenen Energieträgern mehr geben wird. Die wichtigste Alternative zum Einsatz von Erdgas in Turbinen ist übrigens Kerosin, das zurzeit, bezogen auf die enthaltene Wärmeenergie, beinahe doppelt so viel kostet wie Rohöl. Dadurch zeichnet sich der Korridor der zukünftigen Entwicklung des Erdgaspreises ab. Es ist zu erwarten, dass der Gaspreis nicht länger vom Rohölpreis abhängen, sondern sich in 5 bis 10 Jahren dem Kerosinpreis angleichen wird. Nur Länder, die wie die Schweiz über große Wasserkraftreserven verfügen, könnten die einseitige Abhängigkeit vom Gas vermeiden.

Erdölländer setzen auf Kohle

Statt in Europa wird die weltweit zu günstigen Preisen verfügbare Kohle nun ausgerechnet in den Erdöl- und Erdgasförderländern verstärkt genutzt. Russland baut zurzeit 30 neue Kohlekraftwerke, um das immer teurer werdende Erdgas für den Export zu reservieren. Auch das Emirat Dubai setzt für die eigene Stromversorgung auf Kohlekraftwerke, weil dessen Wirtschaftsstrategen die eigenen Erdöl- und Erdgasvorräte dafür zu schade erscheinen.

*) erschienen in: Neue Zürcher Zeitung am 7. August 2008

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Umweltschutz jenseits der Rationalität von Edgar L. Gärtner*)

Jede gesellschaftliche Interessengruppe erzählt die Geschichte ihres Anliegens so, wie es ihr in den Kram passt. Auf Neudeutsch heißt das Story Telling. Wer begreifen will, wie und wann das zunächst vernünftige Anliegen des Umweltschutzes zu einem krankhaft religiösen Weltrettungswahn mit selbstmörderischen Zügen wurde, wer begreifen will, wie bürokratisch-rationale Umweltschützer zu skrupellosen Nihilisten wurden, die nicht davor zurückschrecken, Menschenleben zu opfern, um eine vermeintlich drohende Klimakatastrophe abzuwenden, der ist wohl schlecht beraten, wenn er ausgerechnet jene um Auskunft fragt, die den Umweltschutz – in welcher Form auch immer – zu ihrem Geschäft gemacht haben. Diese schwelgen im Mythos des Sündenfalls der industriellen Revolution bzw. des „Stummen Frühlings“ (Rachel Carson, 1962) infolge der Chemisierung der Landwirtschaft. Dieser Mythos steht auch hinter den „Grenzen des Wachstums“ (1972), deren Entdeckung zu Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine politische Wende erzwungen habe.

Doch der Start der Umweltpolitik im heutigen Sinne um 1970 hatte wenig mit einer krisenhaften Zuspitzung von Umweltproblemen zu tun, sondern mehr mit einer Anpassung der Strategie des Nordatlantischen Bündnisses an gewandelte Bedingungen des Kampfes gegen den Kommunismus. Zu ihren Hintergründen zählen die Infragestellung der westlichen Lebensweise durch die Studentenrevolte von 1968, die drohende Niederlage der USA im Vietnam-Krieg und das in Form der „Entspannung“ sich abzeichnende Ende des Kalten Krieges. Die Watergate-Affäre brachte zutage, welche Panik unter US-Präsident Richard Nixon im Weißen Haus herrschte. Um davon abzulenken, bot sich der von Denkfabriken wie der RAND Corporation und der Ministerialbürokratie vorgeschlagene neue Politiktypus „Umweltpolitik“ an.

Reaktive ordnungsrechtliche Eingriffe

Auf echte stoffliche Engpässe der industriellen Umweltnutzung und die damit verbundene Verletzung von Eigentumsrechten hatten klassische Industriestaaten wie England oder Deutschland, auf Druck Geschädigter, schon seit dem 19. Jahrhundert fallweise mit durchaus wirksamen ordnungsrechtlichen Eingriffen reagiert.

• Im englischen Parlament gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen dem eingesessenen Landadel und Sodafabrikanten, die als Emporkömmlinge einen unsicheren gesellschaftlichen Status innehatten. Der Grund war das für die Sodaherstellung zunächst angewandte Le-Blanc-Verfahren. Dabei wird Salzsäure frei, die die Vegetation in der Umgebung der Sodawerke verätzte. Aufgrund des 1863 erlassenen Alcali Act schickte der Staat Inspektoren in die Sodawerke, um für eine Verminderung der Salzsäure-Emissionen zu sorgen. Der Konflikt wurde aber letzten Endes nicht durch den Alcali Act, sondern durch den Übergang zum umweltfreundlicheren Solvay-Verfahren der Soda-Herstellung gelöst.

• 1869 kam im späteren Deutschland mit der Gewerbeordnung (GewO) des Norddeutschen Bundes die Genehmigungspflicht für alle Industrieanlagen, die Nachbargrundstücke beeinträchtigen können.

• Das deutsche Wasserhaushaltsgesetz (WHG) von 1957 war die Antwort auf die Übernutzung der Selbstreinigungskraft von Bächen, Flüssen und Seen während des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit.

• Anlass für die Technische Anleitung (TA) Luft von 1964, eine Verwaltungsvorschrift auf der Basis des § 16 der GewO von 1869, war die extreme Belastung der Luft des Ruhrgebietes mit Grob- und Feinstaub sowie mit Schwefel- und Stickoxiden, die zur Abwanderung von Arbeitskräften führte und zum Hemmschuh für die Modernisierung der Industrie durch die aufkommende Elektronik wurde. Der spätere sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt hatte 1961 im Wahlkampf gefordert: „Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden.“ Diese Verwaltungsvorschrift begnügte sich mit der Einführung von Emissionsgrenzwerten für wenige Schadstoffe und von Berechnungsmethoden für die für eine großräumige Verteilung von Abgasen erforderliche Höhe von Fabrikschornsteinen.

Die Bürokratie übernimmt die Führung

Doch dann geht die Bürokratie in die Offensive. Im Jahre 1969 wird anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Nordatlantik-Paktes das NATO Committee on Challenges of Modern Societies (CCMS) feierlich aus der Taufe gehoben. Dieses wurde als “dritte Dimension” der NATO bekannt. Sein erklärtes Hauptanliegen war die “Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Entscheidungsfindung”, d. h. die Übertragung betriebswirtschaftlicher und militärisch-logistischer Systemanalyse- und Planungsmethoden in die zivile Verwaltung. Erstmals wurden diese Methoden (mit überwiegend enttäuschenden Ergebnissen) im Rahmen des sozialpolitischen „Great Society“-Programms unter US-Präsident Lyndon B. Johnson erprobt. Als weitaus erfolgreicher (im Sinne der Bürokratie) erwies sich der am 1. Januar 1970 unter Präsident Richard Nixon verabschiedete US National Environmental Policy Act. Darin wurde auch der Begriff „Environmental Protection“ (Umweltschutz) geprägt. In den bis dahin eingeführten fall- und medienbezogenen ordnungsrechtlichen Regelungen wird man den heute gängigen Begriff vergebens suchen. Er tauchte erstmals in dem im September 1970 kurz nach dem US-Umweltprogramm ohne konkreten Anlass beschlossenen „umweltpolitischen Sofortprogramm“ der Bundesregierung auf.

Sehr anspruchsvoll kam dann das 1971 verabschiedete umfassende Umweltprogramm der deutschen Bundesregierung daher. Sein erklärtes Ziel: „Unerwünschte Nebenwirkungen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen sollen rechtzeitig erkannt und durch weit vorausschauende Umweltplanung vermieden werden.“ Voraussetzung dafür sei die Weckung eines „Umweltbewusstseins“ in der breiten Bevölkerung. Implizit ist hier auch schon das erst später so genannte „Vorsorgeprinzip“ angedeutet – und die damit verbundene Angstmache.

Nach dem oft gedankenlos zitierten, aber im Grunde vermessenen Grundsatz „Vorbeugen ist besser als heilen“ soll die so verstandene Umweltpolitik das Übel an der Wurzel packen und sich nicht mit dem Kurieren von Symptomen begnügen. Der gesunde Menschenverstand legt es stattdessen nahe, Probleme immer ein Stück weit auf sich zukommen zu lassen und Vorsorgeaufwendungen von ihrem absehbaren Nutzen abhängig zu machen. Denn wer sich allzu sehr um ungelegte Eier sorgt, der versäumt bekanntlich das Leben. Das „Vorsorgeprinzip“ war schon im WHG in Form des „Besorgnisgrundsatzes“ angeklungen. Im deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) von 1974, einer „ganzheitlichen“ Weiterentwicklung der TA Luft, wurde es dann weltweit zum ersten Mal kodifiziert. Es enthält, wie noch demonstriert werden wird, den Keim des Umschlags der bürokratisch-rationalen Regulierung in eine von irrationalen, nihilistischen Motiven getriebene Bewegung nach dem Prinzip „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.

Bei der Umsetzung des Versuchs, schon im Vorhinein klüger zu sein, setzten Spitzenbeamte des in Deutschland für den Umweltschutz zuständigen Bundesinnenministeriums (BMI), entsprechend des von US-Denkfabriken ersonnenen Modells der „professionalized reform“, von Anfang an auf das „Wadenbeißen“ außerparlamentarischer Gruppen, die heute als Non Governmental Organizations (NGOs) bekannt sind, und auf die Verwandlung der Massenmedien in eine „Angst-Industrie“. Die „Bürgerinitiativen“ wurden von der Ministerialbürokratie, wenn nicht aus der Taufe gehoben, so zumindest gezielt mit Informationen und einer „Anschubfinanzierung“ versorgt. Der damals im BMI für den Umweltschutz zuständige Staatssekretär Günter Hartkopf (FDP) hat das nach seiner Pensionierung in einer Rede auf dem Deutschen Beamtentag 1986 in Bad Kissingen offen ausgesprochen. Außerdem bedurfte die bürokratische Offensive einer Art von Zeigefinger-Pädagogik. Darum kümmerte sich eine elitäre Gruppe mit dunklem Hintergrund: der Club of Rome. Dessen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) half entscheidend mit, die Idee einer geschlossenen Welt mit absolut begrenzten Rohstoffvorräten bzw. den Mythos „Sündenfall industrielle Revolution“ zu verbreiten.

Bürokratie birgt nihilistische Versuchung

Der Übergang von der rationalen bürokratischen Planung und Regulierung zur Anbiederung an galoppierende Ängste bzw. nihilistische Auslegungen des „Vorsorgeprinzips“ begann schon zu Beginn der 80er Jahre, als die Vergilbung von Nadelbäumen in deutschen Mittelgebirgen als Symptom eines allgemeinen „Waldsterbens“ gedeutet wurde, das nur durch eine Drosselung des Kraftverkehrs und durch Milliarden-Investitionen in Rauchgasreinigungsanlagen aufgehalten werden könne. Kosten-Nutzen-Abwägungen spielten dabei offenbar schon keine Rolle mehr. Später stellte es sich heraus, dass die Entschwefelung der Rauchgase von Kohlekraftwerken zu weit getrieben worden war. Verblasste Rapsblüten auf den Feldern wiesen unmissverständlich auf Schwefelmangel in den Ackerböden hin.

1986 kam das Prinzip „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ vollends zum Durchbruch. Wichtigster Auslöser war die Reaktorexplosion von Tschernobyl in der Ukraine. In Deutschland griff Hysterie um sich. Aus Angst vor einer Kontamination durch den Fall Out der in Tschernobyl aufgestiegenen „Wolke“ mit radioaktiven Spaltprodukten verzichteten viele Menschen auf frische Nahrungsmittel und griffen zu Konserven. Manche retteten sich gar auf ferne Inseln. Unvergessen bleibt die Irrfahrt eines Güterzuges mit „verstrahltem“ Molkepulver kreuz und quer durch Westdeutschland. Um die seit der „Ölkrise“ von 1973/74 getätigten riesigen Investitionen in Kernkraftwerke zu retten, machten sich Ministerialbürokratie und Atomindustrie die Hypothese einer durch übermäßige Kohlenstoffdioxid-Emissionen verursachten Überhitzung der Erde zu Eigen. Dieser erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom schwedischen Chemiker Svante Arrhenius in die Welt gesetzte verstiegene Ansatz für die Erklärung der Eis- und Warmzeiten in der Erdgeschichte (unabhängig von heute bekannten astronomischen und geologischen Zyklen) spielte zwar schon bei der Begründung der „dritten Dimension“ der NATO eine Rolle und war auch von amerikanischen Investoren-Kreisen schon als weit tragende Geschäftsidee erkannt worden, wurde aber bis dato in Europa sowohl in der Wissenschaft als auch in den nationalen Bürokratien zu recht nicht ernst genommen.

Schließlich erklärte der „Erd-Gipfel“ 1992 in Rio de Janeiro das „Vorsorgeprinzip“ in der Rio-Deklaration, in der „Agenda 21“ und in der Klima-Rahmenkonvention zur obersten Richtschnur der Politik. Grundsatz 15 der Rio-Deklaration lautet auf Deutsch: “Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben.” Was heißt „kostenwirksam“ (cost effective)? Kosteneffizienz ist damit offenbar nicht gemeint. Denn Kosten-Nutzen-Vergleiche sollen keine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, eine hypothetische Klimakatastrophe aufzuhalten. Die Europäische Union bezieht sich im Maastricht-Vertrag von 1992 ebenfalls auf das „Vorsorgeprinzip“, und zwar ohne es zu definieren und ohne klar zu stellen, in welchem Verhältnis dieses zu dem im gleichen Vertrag verankerten Prinzip der Verhältnismäßigkeit steht. Der Versuch einer Klärung erfolgte erst acht Jahre später in einer im Jahr 2000 veröffentlichten „Communication“ der EU-Kommission. Deren Einfluss auf grundlegende politische Entscheidungen hat aber seit der Jahrtausendwende kontinuierlich abgenommen. Vor zwei Jahren forderte der amtierende EU-Umweltkommissar Stavros Dimas offen den Übergang zu einer planmäßigen „Kriegswirtschaft“, um den Klimawandel – koste es, was es wolle – durch eine „ökologische Revolution“ zu bekämpfen.

Eindeutig pathologische Züge trägt der Beschluss Deutschlands und der EU, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2020 im Alleingang um 20 Prozent zu reduzieren. Überschlägige Berechnungen weisen aus, das die „Maßnahmen-Pakete“, mit deren Hilfe dieser Beschluss in Deutschland umgesetzt werden soll, zwischen 500 und 900 Milliarden Euro verschlingen werden. Auf der Ebene der EU kommt man schnell in die Billionen. Dabei geht es insbesondere um physikalisch oft mehr als fragwürdige Energiesparmaßnahmen. Selbst wer an die CO2-Hypothese glaubt, wird nicht behaupten können, diesem Aufwand stände irgendein messbares Ergebnis gegenüber. Deutschland wird, wenn die Entwicklung „nach Plan“ verläuft, im Jahre 2030 nur noch mit 1,2 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beitragen, während allein auf China über ein Viertel entfiele. Selbst das völlige Verschwinden Deutschlands hätte unter dieser Bedingung keinerlei Einfluss auf die globale Durchschnittstemperatur.

Man sieht hier, dass der gefährliche Schwebezustand zwischen einem pervertierten Christentum und dem Glauben an den Übermenschen, den Friedrich Nietzsche als Nihilismus bezeichnete, schlicht mit Dummheit gleichgesetzt werden kann. Um die Dummheit zu verbreiten, bedarf es keiner Verschwörung, denn Dummheit ist von sich aus hoch ansteckend. Wie Dummheit zur Epidemie werden kann, hat Elisabeth Noelle-Neumann mit ihrer Theorie der „Schweigespirale“ gezeigt.

Von einer vagen Hypothese zur totalitären Fiktion?

Inzwischen ist die verstiegene Hypothese eines „Treibhauseffektes“ und dessen Verstärkung durch CO2-Emissionen menschlichen Ursprungs infolge ihrer Verbindung mit einer breiten politischen Bewegung und einem immer mächtiger werdenden „Ökologisch-industriellen Komplex“ (ÖIK) von Profiteuren hoch subventionierter „erneuerbarer“ Energien, des CO2-Emissionshandels und damit verbundener wachsender Erdgasabhängigkeit dabei, sich zu einer gegenüber der Realität abgedichteten totalitären Fiktion zu verselbständigen. Wer heute möglichst viel Erdgas zu möglichst hohen Preisen verkaufen will, der sorgt dafür, dass ganze Länder wie Deutschland oder Spanien voll Windräder gestellt werden. Denn deren unstete Stromproduktion lässt sich am besten mit rasch an- und abschaltbaren Gasturbinen kompensieren. Die Zunahme des Erdgasverbrauchs korreliert in beiden Ländern sehr eng mit der Zunahme der Anzahl von Windrädern. Nur mithilfe marktwidriger staatlicher Vorgaben wie dem deutschen Gesetz über den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) von 2004 bzw. 2008 lassen sich diese parasitären Geschäftsstrategien umsetzen. So entstehen stabile staatsmonopolistische Kartelle.

Die Tatsache, dass die Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde nun schon ein Jahrzehnt lang, trotz eines vor allem in Asien kräftig gewachsenen CO2-Ausstoßes, nicht mehr steigt, hat deshalb bislang weder in der großen Politik noch in der Wirtschaft dazu geführt, die Stichhaltigkeit der CO2-Erwärmungs-Hypothese in nennenswertem Umfang zu hinterfragen. Im Gegenteil: Es werden CO2-Rationierungs-Pläne auf der Basis persönlicher CO2-Kreditkarten geschmiedet, die bald dazu führen könnten, dass nicht nur Industrien, sondern auch Privatpersonen buchstäblich für jeden Furz CO2-Emissions-Zertifikate erwerben müssen. CO2-Sparen soll zum zentralen Lebensinhalt werden. Ein solches System als „Öko-Faschismus“ zu bezeichnen, wäre ein Euphemismus, denn das Regime Benito Mussolinis erschiene demgegenüber noch beinahe als liberal. Darin, und nicht etwa im islamistischen Terrorismus, sehe ich derzeit die mit Abstand wichtigste Gefahr für die Freiheit.

Als totalitär definierte die große politische Philosophin Hannah Arendt Fiktionen, die aufgrund gewisser politischer und ökonomischer Konstellationen allgegenwärtig und unwiderlegbar werden. Arendt hat das bekanntlich in ihrem Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ am Beispiel der Fiktion einer jüdischen Weltverschwörung aufgezeigt. Solche Fiktionen tragen Züge einer self fulfilling prophecy. Hitler konnte nicht widerlegt, sondern nur militärisch besiegt werden, bemerkte Arendt lapidar. Auch wenn der „Krieg der Köpfe“ in der Klimafrage schon längst kaum mehr in Form wissenschaftlicher Dispute ausgetragen wird, besteht aber meines Erachtens noch immer etwas Hoffnung, dass sich auch hier zu guter Letzt die Spreu auf einigermaßen normalem Wege vom Weizen trennt. Gelingt das nicht, müsste man versuchen, die Öko-Nihilisten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – zum Beispiel, indem man Neid gegen die Profiteure des ÖIK schürt. Aber das wäre für anständige Liberale sicher das letzte Mittel…

*) vorgetragen am 13. Juni 2008 auf dem Symposium des Liberalen Instituts, Zürich, zum Thema „Umweltschutz als Freiheitsschutz“

Literatur:

Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus. Totalitarismus. Taschenbuchausgabe, München 2003

Gärtner, Edgar L.: Vorsorge oder Willkür. Kunststoffweichmacher im politischen Kreuzfeuer, Köln 2006

Gärtner, Edgar L.: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie, Jena 2007

Gärtner, Edgar L.: Klimaschutzpolitik als Ausdruck des Nihilismus. Ein Plädoyer für gesunden Menschenverstand und Wettbewerb statt Bürokratie und konsensuale Gutheissung, in: Neue Zürcher Zeitung vom 7. Juni 2008

Noelle-Neuman, Elisabeth: Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut. 6. Aufl., München 2001

(Dieser Vortragstext wurde inzwischen veröffentlicht in: Christian Hoffmann/Pierre Bessard (Hrsg.): Natürliche Verbündete. Marktwirtschaft und Umweltschutz. Edition Liberales Institut, Zürich. ISBN 978-3-033-01795-5)

Energiepolitik ohne Konzept

Es gibt in Deutschland noch immer keine strategische Energiepolitik und folglich auch keine inhaltliche Koordinierung der Energieforschung. Sechs Chemiegesellschaften haben deshalb ein Positionspapier vorgelegt, um Forschern zu zeigen, wie sie zur Sicherung einer ökologisch sauberen und bezahlbaren Energieversorgung beitragen können. Sie können allerdings die von ihnen geforderte Abkehr vom Erdöl nicht begründen.

Windräder erzeugen unterm Strich mehr CO2 als sie vermeiden

Eine gerade erschienene Studie ehemaliger Shell-Mitarbeiter in den Niederladen mit dem Titel The hidden fuel costs of wind generated electricity rechnet vor: Deutsche Windräder benötigen mehr Energie und erzeugen mehr Kohlenstoffdioxid als sie vermeiden. (17. Dezember 2009)

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Energie der Zukunft mit mehr Chemie

In Deutschland gibt es trotz pompöser „Energiegipfel“ keine Energiepolitik, die diesen Namen verdient. Darauf hat BASF-Chef Jürgen Hambrecht schon vor zweieinhalb Jahren hingewiesen. Ob die neue Bundesregierung unter Angela Merkel ein schlüssiges Gesamtkonzept wird erarbeiten können, ist jetzt noch nicht absehbar. Bislang wurde die Energieforschung nicht nur vom Bundesforschungsministerium, sondern auch vom Wirtschaftsministerium, vom Bundesumweltministerium und vom Landwirtschaftsministerium gefördert. Um diese Zersplitterung zu überwinden, hat die neue Bundesregierung für das kommende Jahr eine nationale Energieforschungsinitiative angekündigt. Sechs im Koordinierungskreis Chemische Energieforschung zusammengeschlossene Chemiegesellschaften (DBG-Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie, DECHEMA-Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, DGMK-Deutsche wissenschaftliche Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle, GDCh-Gesellschaft deutscher Chemiker, VCI-Verband der Chemischen Industrie und VDI-GVC-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen) sahen deshalb den richtigen Zeitpunkt gekommen, um die Ergebnisse einer von ihnen erarbeiteten quantitativen Potentialanalyse verschiedener energietechnischer Innovationen in Form eines Positionspapiers zu veröffentlichen.

Die beteiligten Verbände hielten eine Quantifizierung ihrer Potentialabschätzungen für notwendig, um überblicken zu können, wo bei den Forschungsanstrengungen Prioritäten gesetzt werden müssen. Eine interaktive Excel-Tabelle im Internet (www.energie-und-Chemie.de) ermöglicht es, unterschiedliche Annahmen durchzurechnen und Interdependenzen zu berücksichtigen. Als Zeithorizont wurde das Jahr 2030 gewählt. Das Papier beginnt mit dem Reizthema Erdöl und der Feststellung: „Die konventionellen Kraftstoffe, das sind Ottokraftstoff (Benzin), Flugturbinenkraftstoff (Kerosin) und Dieselkraftstoff werden auf absehbare Zeit weiterhin die Grundlage der Mobilität unserer Gesellschaft bieten. (…) Auch Biokraftstoffe der zweiten Generation und aus den Rohstoffen Erdgas und Kohle werden bis 2030 voraussichtlich keine signifikante Rolle für die Erzeugung von Kraftstoffen spielen.“

Die Chemie könne unter anderem durch die Entwicklung neuer Katalysatoren für das Hydrotreating-Verfahren der Rohöl-Reinigung und neuer Hilfschemikalien für die Entölung der Lagerstätten wichtige Beiträge zur Verbesserung der Ausbeute von Rohölvorkommen leisten. Zurzeit liegt der durchschnittliche Entölungsgrad der Lagerstätten unter 40 Prozent. Die Autorinnen und Autoren des Positionspapiers gehen davon aus, dass der Anteil der tertiären Ölförderung mithilfe von geeigneten Chemikalien, der derzeit bei 4 Prozent liegt, mindestens verdoppelt werden kann.

Das Positionspapier geht leider nur kurz auf die Erschließung neuer Ölvorräte ein. Auch hier zeichnet sich erheblicher Forschungsbedarf ab. Denn in den vergangenen Jahren hat es sich gezeigt, dass man praktisch überall in der Welt Rohöl findet, wenn man nur tief genug bohrt. Förderungswürdig ist dieses Öl freilich nur, wenn der Ölpreis die damit verbundenen hohen Kosten rechtfertigt. Immerhin haben die Ergebnisse der Tiefenexploration (u. a. vor Brasilien und vor Sierra Leone im Atlantik oder im Golf von Mexiko) jenen Geologen Auftrieb gegeben, die seit längerem davon überzeugt sind, dass Erdöl nur zu einem Teil biotischen Ursprungs ist und zu einem Großteil im oberen Erdmantel beziehungsweise in der unteren Erdkruste aufgrund der dort herrschenden hohen Drücke und Temperaturen auf rein chemischem Wege ständig neu gebildet wird. Jedenfalls konnten Anton Kolesnikow, Vladimir G. Kutcherow und Alexander F. Goncharow von der Washingtoner Carnegie Institution, der Moskauer Lomonossow Universiät und des Königlich schwedischen Technologie Instituts in Stockholm in diesem Jahr experimentell bestätigen, dass Erdöl auch auf abiotischem Wege entstehen kann.

In welchem Verhältnis Neubildung und Verbrauch abiotischen Öls zueinander stehen, muss allerdings noch erforscht werden. Zurzeit scheint es jedenfalls keinen Grund zu geben, den Abschied vom Erdöl einzuleiten, denn es gibt keine Ölverknappung. „Fortschritte in der Chemie erleichtern den Abschied vom Öl“, lautet die Überschrift der Kurzfassung des Positionspapiers. Ebenso gut könnte man sagen, dass die Chemie hilft, das Erdöl noch möglichst lange als Energie- und Chemie-Rohstoff weiter nutzen zu können.

Anders als beim Erdöl gibt es bei Erdgas und Kohle nicht einmal scheinbare Verknappungssymptome. Beide Energieträger eignen sich auch für die Herstellung flüssiger Kraftstoffe. Das Positionspapier geht davon aus, dass das selbst in Deutschland wirtschaftlich interessant werden könnte. Vordringlich sei jedoch die Verbesserung der Technologie stationärer Kohle- und Gaskraftwerke. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass bis zum Jahre 2030 weltweit mindestens 75 Prozent aller neu gebauten Kraftwerke mit Kohle oder Gas befeuert werden. Für den Bau neuer Kraftwerkskapazitäten müssten bis dahin nicht weniger als 4 Billionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Der Weltenergierat (WEC) erwartet eine breite Einführung von Technologien der CO2-Abscheidung aus Kohlekraftwerken (CCS) nicht vor 2020. Es erscheint als fraglich, ob CCS jemals weltweit zum Standard werden wird, da hierdurch die Investitionskosten für fossil befeuerte Kraftwerke, je nach der gewählten Kraftwerkstechnologie, noch einmal um 30 bis 100 Prozent ansteigen würden. Da kommen die durch Insider aus der Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia (Norwich) ins Internet gestellten Dateien mit kompromittierender Korrespondenz zwischen führenden Vertretern des Weltklimarates IPCC über Klimadaten-Manipulationen gerade recht, um erneut anzuzweifeln, ob CO2-Emissionen überhaupt verantwortlich für den Klimawandel sind.

Interessanter als die teure und obendrein nicht unbedingt sichere Endlagerung von CO2 könnte dessen photokatalytische Reduktion oder Hydrierung sein. Doch hier stehe die Forschung noch ganz am Anfang, sagt das Papier.

Aktuell ist die Chemie viel stärker bei der der Verbesserung des Wirkungsrades der Photovoltaik gefordert. Zu über 90 Prozent sind die bislang in Deutschland installierten Photovoltaik-Module aus kristallinen Siliziumwafern gefertigt. Dünnschicht-Solarzellen aus anderen Halbleitern gewinnen erst seit wenigen Jahren Marktanteile. Das Papier verschweigt nicht, dass es sich bei der Photovoltaik mit CO2-Vermeidungskosten von ungefähr 3.500 €/t CO2 um die mit Abstand teuerste Methode der CO2-Einsparung handelt. Das spezifische Investment je kW Durchschnittsleistung übersteigt bei Siliziumbasierten Solarmodulen in Deutschland (mit einer mittleren jährlichen Sonneneinstrahlung von nur 1.000 kWh/m2) über 40.000 Euro. (Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke erfordern 1.700 €/kW und erdgasbefeuerte GuD-Kraftwerke nur 700 €/kW.) Ohne die im deutschen Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für 20 Jahre garantierten hohen Netzeinspeisetarife für Solarstrom hätte die Photovoltaik noch heute kaum Chancen auf dem Markt. Für die Zukunft versprechen sich die Verfasser des Positionspapiers einiges von der organischen Photovoltaik (polymere Heterojunctions, Grätzel-Zellen und organisch-anorganische Hybridzellen).

Beim Thema Energiespeicherung warnen die Autoren des Papiers davor, einseitig auf Wasserstoff zu setzen. „Methan darf als Zukunftsoption nicht vernachlässigt werden. Es erscheint mir als beinahe idealer Energiespeicher, weil man damit die vorhandene Gasversorgungs-Infrastruktur nutzen kann. Aber die Methanchemie ist bei uns leider unterentwickelt“, unterstrich Prof. Ferdi Schüth, Direktor des MPI für Kohlenforschung in Mühlheim und Vorsitzender des Koordinierungskreises Chemische Energieforschung, bei der Vorstellung des Positionspapiers in Frankfurt am Main. Beim Einsatz von Methanol sieht das Positionspapier hingegen eher Nachteile. Elektrochemische Energiespeicher, zum Beispiel Lithium-Ionen- oder Natrium-Nickelchlorid-Batterien, eignen sich bislang nicht für den großtechnischen Einsatz. Auch bei deren Anwendung in Plug-in-Hybridfahrzeugen oder in Privathaushalten beziehungsweise als Ergänzung zu Pumpspeicher-Kraftwerken in „intelligenten“ Stromnetzen gebe es noch erheblichen Forschungsbedarf. Wahrscheinlich mache der Anteil des „fluktuierenden Stroms“ von Windrädern und Photovoltaikanlagen im Jahre 2030 schon über ein Viertel des gesamten deutschen Stromaufkommens aus. Um Netzzusammenbrüche zu vermeiden, muss dieser oft zur Unzeit anfallende Strom irgendwie abgepuffert werden. Elektro- beziehungsweise Hybridfahrzeuge böten sich als rollende Stromspeicher an.

Andreas Kreimeyer (BASF), der Vorsitzende des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI, wies in Frankfurt auf Defizite in der elektrochemischen Forschung hin, die als wissenschaftliche Grundlage der Energiespeicherung benötigt wird. Der Fonds der Chemischen Industrie unterstützt deshalb gezielt elektrochemische Diplomarbeiten und Promotionsprojekte an den Hochschulen, um Professoren und Studenten anzuregen, sich mit diesem in jüngerer Zeit vernachlässigten Teil der Energieforschung zu beschäftigen. „Die Energieversorgung der Zukunft wird chemischer“, resümierte Kreimeyer.

Beim Thema effiziente Energienutzung beschäftigt sich das Positionspapier ausführlich mit der Brennstoffzellentechnik, insbesondere in Form virtueller Brennstoffzellen-Großkraftwerke durch die Vernetzung vieler dezentraler Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung untereinander sowie mit anderen regenerativen Energiequellen. Das Papier schätzt deren Potential aber äußerst vorsichtig ein, da die Wirtschaftlichkeit dieser Technik stark von Annahmen über die Entwicklung des Preises für CO2-Zertifikate abhängt.

Unter dem Thema effiziente Energienutzung handelt das Positionspapier auch die Entwicklung von Leuchtdioden (LEDs und OLEDs) und neuer Leuchtstoffe ab. Tatsächlich gehören diese interessanten Neuentwicklungen wohl eher in die Rubriken Ästhetik oder Bequemlichkeit. Denn auf die Beleuchtung entfallen in Deutschland laut Energieflussbild nur 0,7 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs. Selbst wenn die Deutschen gänzlich auf Beleuchtung verzichteten, könnten sie dadurch ihren Energieerbrauch nicht spürbar verringern. Tatsächlich eröffnet die Anwendung der Nanotechnologie die Möglichkeit, maßgeschneiderte Materialien für die Herstellung von Leuchttapeten oder andere völlig neuartiger Leuchtmittel ohne lästige Wärmeerzeugung zu entwickeln. Dadurch könnte die Architektur revolutioniert werden.

Aufgaben für Chemiker warten auch bei Versuchen, Hochtemperatur-Supraleiter der zweiten Generation auf der Basis von Ytrium-Barium-Kupferoxid zu verbessern. Der Einsatz von Supraleitern ermöglicht zwar Verlustreduktionen von bis zu 60 Prozent bei Generatoren und bis zu 95 Prozent bei stationären Transformatoren und Induktionsheizungen. Kurz- und mittelfristig fällt die dadurch mögliche Reduktion des Primärenergieeinsatzes wegen der damit verbundenen hohen Kosten jedoch nicht ins Gewicht. Werden heute Supraleiter im Maschinenbau und in der Medizintechnik eingesetzt, ist nicht die erwartete höhere Energieeffizienz dafür ausschlaggebend, stellt das Papier nüchtern fest.

In der breiten Öffentlichkeit längst anerkannt ist hingegen der Beitrag der chemischen Industrie zur Entwicklung neuer Werkstoffe für die Wärmedämmung von Gebäuden. Ohne das im Einzelnen zu quantifizieren, gehen die Autorinnen und Autoren hier von negativen CO2-Vermeidungskosten aufgrund der durch die Dämmstoffe bewirkten Heizkostenersparnis aus. Dabei gibt es bei den Dämmstoffen selbst durchaus noch Entwicklungspotenzial: So zum Beispiel durch den Einsatz nanoporöser Schaumstoffe oder durch die Integration von Flammschutzfunktionen.

Nicht so leicht ist die Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Entwicklung und dem Einsatz neuartiger Leichtbaustoffe im Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau. Bei einem für die Kfz-Flotte anvisierten Normalverbrauch von 4,5 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer belaufen sich die CO2-Vermeidungskosten immerhin auf durchschnittlich etwa 450€/t CO2. Solange nicht experimentell demonstriert werden kann, dass CO2 wirklich umweltschädlich ist, wird nicht jeder freiwillig solche Kosten in Kauf nehmen.

Umso mehr kommt es darauf an, knappe Forschungsgelder und Investitionsmittel dort einzusetzen, wo sie Mensch und Umwelt den größten Nutzen bringen. Deshalb kann man Andreas Kreimeyer wohl nur zustimmen, wenn er fordert: „Die Bundesregierung sollte ihre geplante nationale Energieforschungsinitiative dazu nutzen, eine Energieforschungspolitik aus einem Guss zu gestalten.“

Edgar L. Gärtner

(erschienen in: Chemische Rundschau Nr. 12/2009 vom 8. Dezember 2009. VS-Medien, CH-Solothurn)

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Einem Skandal auf der Spur von Edgar L. Gärtner

Mögliche Hintergründe der Aufregung um die Krümmel-Pannen

Die deutschen Betreiber von Kernkraftwerken bereiten sich auf einen möglichen „Ausstieg aus dem Ausstieg“ vor, denn sowohl die Union als auch die FDP haben versprochen, die unter der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelte Laufzeitverkürzung für Kernkraftwerke wieder rückgängig zu machen, falls es in Berlin zu einer schwarz-gelben Regierung käme. Mit aufwändigen Zeitungsbeilagen wollten die betroffenen Stromkonzerne in diesem Sommer für eine Verlängerung der Laufzeiten für ihre längst abgeschriebenen und daher konkurrenzlos kostengünstigen Kernkraftwerke werben, zumal Meinungsumfragen darauf hindeuteten, dass sich immer mehr Deutsche, angesichts drohender weiterer Strompreissteigerungen, mit dieser Lösung anfreunden. Doch am 4. Juli, wenige Tage vor dem ursprünglich angesetzten Start der PR-Kampagne des Deutschen Atomforums, musste das vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall betriebene norddeutsche Kernkraftwerk Krümmel, das nach einer zweijährigen Zwangspause wegen eines Transformatorbrandes gerade wieder ans Netz gegangen war, wegen eines erneuten Transformatorschadens schon wieder stillgelegt werden. Die Manager der deutschen Kernkraftbetreiber E.on, RWE und EnBW, sind nun sauer auf ihren nordischen Konkurrenten, der in Deutschland aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die Kernkraftwerke des verblichenen Hamburgischen Stromkonzerns HEW übernommen hat.

In einem vom 28. Juli 2009 datierten Schreiben an Ernst Michael Züfle, den Chef der Nuklear-Sparte von Vattenfall in Deutschland, das vor kurzem auszugsweise im „Handelsblatt“ veröffentlicht wurde, schrieben Klaus-Dieter Maubach, der Chef von E.On Energie, Gerd Jäger, der für Kernenergie zuständige Vorstand von RWE Power, und Hans-Josef Zimmer, technischer Vorstand der EnBW: „Wir sehen Vattenfall (…) in der Pflicht, zu den Ereignissenn und Vorgängen in Krümmel öffentlich Stellung zu beziehen. Dies ist in den letzten Tagen nicht immer geschehen. Vielmehr mussten wir feststellen, dass sich der Vattenfall-Konzern in dieser Frage … der Diskussion entzieht.“ Hintergrund des wütenden Schreibens ist nicht nur ein erneuter Anlauf für eine Zeitungsbeilage des Atomforums, die nun – anders als ursprünglich geplant – in der heißen Phase des Wahlkampfes erschienen ist. Dort sollte nach Ansicht der deutschen Kernkraftwerk-Betreiber nicht nur Michael Züfle zu den Vorfällen in Krümmel Stellung beziehen – sondern am besten Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson persönlich. Denn Vattenfall habe mit seinem Verhalten bei den Vorfällen in Krümmel den Atomkraft-Gegnern eine „Steilvorlage“ geliefert. Ein nicht minder wichtiger Grund für die Wut der deutschen Strom-Manager sind aber Befürchtungen, die Politik werde Zugeständnisse in Sachen Kraftwerks-Laufzeiten mit hohen finanziellen Forderungen verbinden.

Was ich in meinem Buch „Öko-Nihilismus“ (auf Seite 19 unten) schon vor über zwei Jahren für wahrscheinlich gehalten habe, wird nun, wie das „Handelsblatt“ vom 28. August berichtete, von der Unions- und der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag ganz offen propagiert: Im Falle einer Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke nach einem schwarz-gelben Sieg bei den bevorstehenden Bundestagswahlen soll der Staat mindestens die Hälfte der beim Weiterbetrieb abgeschriebener Atomkraftwerke anfallenden Extragewinne abschöpfen und in die Entwicklung „besserer“, weil teurerer „erneuerbaren“ Energien investieren oder auch für die Entlastung der Stromkunden einsetzen. Es geht hier, nach Analysen der Landesbank Baden-Württemberg, schon bei einer Laufzeitverlängerung von nur zehn Jahren um Summen in zweistelliger Milliardenhöhe. Bei einer technisch durchaus möglichen Laufzeitverlängerung um 25 Jahre und einem angenommenen Strompreis von 80 Euro je Megawattstunde winkt E.on ein Extragewinn von fast 32 Milliarden Euro. RWE könnte mit 23 und EnBW mit fast 15 Milliarden Euro rechnen.

Doch was ist mit Vattenfall? In Schweden geht das Gerücht um, der Staatskonzern habe die eher harmlosen, weil im nichtnuklearen Teil des KKW Krümmel eingetretenen Pannen vielleicht mit Absicht provoziert, um seinen deutschen Konkurrenten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Denn nach einem vom schwedischen Reichstag 1998 beschlossenen Gesetz muss der Staatskonzern in erster Linie als Instrument der schwedischen Politik agieren. Und diese kann kein Interesse an niedrigen Strompreisen in Deutschland haben. Nicht nur Schweden, sondern ganz Skandinavien sieht sich, im Unterschied zum Kontinent, mit wachsenden Stromüberschüssen und entsprechend sinkenden Strompreisen konfrontiert. Und dieser Strom wird fast zu 100 Prozent CO2-frei zu gleichen Teilen durch Wasser- und Kernkraftwerke erzeugt. Die skandinavischen Stromanbieter haben also vom CO2-Emissionshandel nichts zu befürchten. Sie bereiten sich darauf vor, ihre Stromüberschüsse, die sie zu äusserst günstigen Preisen generiert haben, kontinentalen Abnehmern zu teuren Marktpreisen anzubieten. Es könnte sogar so sein, dass Vattenfall sich aus dem gleichen Grund in Deutschland für die industriell unerprobte und teure Abscheidung und Endlagerung von Kohlenstoffdioxid aus den Abgasen von Stein- und Braunkohlenkraftwerken stark macht. Damit würden die Marginalkosten der Stromproduktion steigen. Im System des Börsenhandels von Elektrizität bestimmen die Marginalkosten die Strompreise. Je höher die Marginalkosten, desto höher auch der Marktpreis, zu welchem Vattenfall verkauft und kontinentale Anbieter einkaufen.

Dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel neben dem durchgeknallten Theoretischen Physiker Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ausgerechnet Vattenfall-Chef Josefsson zu ihrem Top-Berater in Sachen „Klimaschutz“ ernannt hat, zeigt meines Erachtens, was von der strategischen Kompetenz unserer politischen Klasse zu halten ist.

Literatur:

Edgar L. Gärtner: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie. Jena 2007

Internet:

Konkurrenten greifen Vattenfall an

Atomkonzerne sollen Milliarden zahlen

Interview mit Hans Joachim Schellnhuber

(7. September 2009)

Energiepolitik im Dienste ausländischer Interessen?

Von Edgar L. Gärtner

Einem Skandal auf der Spur (Fortsetzung)

Deutschland wird bald zum Stromimportland werden. Selbst nach Schätzungen der in diesem Zusammenhang unverdächtigen Deutschen Energieagentur (Dena) wird im Jahre 2020 eine Kraftwerksleistung von 12.000 Megawatt (MW) fehlen. Nach Hochrechnungen des Essener Stromkonzerns RWE wird Deutschland schon im Jahre 2015 netto mehr Strom importieren als exportieren. Sollte der Ausstieg aus der Kernkraftnutzung fortgesetzt und der Bau neuer Kohlekraftwerke nicht beschleunigt werden, droht uns nach dieser Rechnung bis 2020 eine Kapazitätslücke von 40.000 MW. Ein Bündnis aus insgesamt 140 Umweltschutzvereinen und kirchlichen Missions- und Hilfsrganisationen unter dem Namen „Klima-Allianz“ hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, Deutschlands Stromversorgung noch rascher den politischen Zielen und Geschäftsinteressen ausländischer Staatskonzerne zu unterwerfen.

Anlässlich der von der „Klima-Allianz“ bejubelten Verfügung des Oberverwaltungsgerichts Münster, den bereits fortgeschrittenen Neubau des größten Kohlekraftwerks des E.on-Konzerns im westfälischen Datteln zu stoppen, konnte auch die deutsche Qualitätspresse nicht mehr umhin, auf die dubiose Finanzierung der „Klima-Allianz“ aufmerksam zu machen. So wies die WELT am 10. September auf Spenden von in der Schweiz und in den USA beheimateten Stiftungen hin. Etwas deutlicher wurde die Financial Times Deutschland, die am 18. September berichtete, der britischen Hedge-Fonds TCI habe den Kampf gegen Kohlekraftwerke im vergangenen Jahr mit nicht weniger als 500.000 € unterstützt. Das erinnert an die Machenschaften David Bondermans, des Chefs des Investment-Fonds Texas Pacific. Bonderman leitete vor zweieinhalb Jahren durch eine von ihm gesponserten NGO-Kampagne die Übernahme des texanischen Kohlekraftswerks-Betreibers TXU ein. Dadurch verhinderte er, dass TXU seine Pläne für den Bau neuer Kohlekraftwerke umsetzen konnte und erreichte, dass stattdessen die Interessen der Wind- und Gasindustrie Oberhand bekamen.

Inzwischen hat die in den USA erfolgreich erprobte Methode politischer Erpressung von Investoren, die der US-Professor Jarol B. Manheim in seinem 2004 erschienen Buch „Biz-War and the Out-of-Power Elite“ analysiert hat, auch in Europa Einzug gehalten. Neben den Interessen der russischen Gazprom geht es in Europa insbesondere um die Interessen der staatlichen Stromkonzerne Frankreichs und Schwedens. Der schwedische Internet-Fachinformationsdienst www.elbranschen.com teilt übrigens meine kürzlich an dieser Stelle geäußerten Vermutungen über eine geheime Agenda des schwedischen Staatskonzerne Vattenfall. Einiges spricht dafür, dass Vattenfall die „Störfälle“ im KKW Krümmel provoziert hat, um eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke nach der anstehenden Bundestagswahl zu verhindern. Denn dann bekäme Vattenfall die Chance, überschüssigen skandinavischen Strom aus Wasser- und Atomkraftwerken zu Höchstpreisen in Deutschland abzusetzen. Der schwedische Informationsdienst fragt bereits scherzhaft, ob Vattenfall (ähnlich wie Gazprom im Falle der Abwahl Gerhard Schröders) Angela Merkel für den Fall ihrer nicht gänzlich ausgeschlossenen Abwahl als Bundeskanzlerin einen Aufsichtsratsposten bereithält.

Internet:

Einem Skandal auf der Spur

30 Kohlekraftwerke bedroht

E.ons Kohlekrampfwerk

Vermutungen eines Schweden

(24. September 2009)

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„The Economist“ sieht in England die Lichter ausgehen

Das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ vom 6. August analysiert schonungslos die energiepolitischen Illusionen der Labour Regierung unter Gordon Brown. Da Kohlekraftwerke als schmutzig abgelehnt werden, der Bau von Atomkraftwerken zu teuer und zu zeitaufwendig ist und die „erneuerbarer“ Wind- und Solarstrom nur sehr unregelmäßig und überdies ineffzient erzeugt werden kann, halten sich die Energieversorger an den Bau von Gas-Kraftwerken. Diese lassen sich zwar rasch und billig errichten, doch ihre Betriebskosten erscheinen als kaum kalkulierbar, da der wachsende Gasbedarf den Gaslieferanten Russland in eine mehr als komfortable Anbieter-Situation bringt. Freuen können sich darüber nur Wladimir Putin und seine Getreuen in der Kreml AG. (10. August 2009)

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Wüstenstrom bedroht gesunden Menschenverstand

Kollegen der Tageszeitung „Die Welt“ haben am 14. Juli 2009 einen Fragen- und Antworten-Katalog zu dem am 13. Juli in München auf den Weg gebrachten Wüstenstrom-Projekt veröffentlicht, der den Anschein erweckt, er sei unhinterfragt einem PR-Folder der federführenden Münchner Rückversicherung entnommen worden. Denn bislang kannte ich von diesen Kollegen eher kritische oder skeptische Beiträge zum Problem der Energieversorgungssicherheit Deutschlands. Im Folgenden möchte ich auf jeden der 10 Punkte des Katalogs einzeln eingehen.

1. Ob die für die Erzeugung und den Transport von solarthermisch erzeugtem Strom in der Sahara bis zum Jahre 2050 vorgesehenen Investitionen von mindestens 400 Milliarden Euro angemessen sind, ist eine eher theoretische Frage. Tatsache ist, dass der gesamte Strombedarf Deutschlands selbst bei Berücksichtigung der hohen Stromsteuer und der EEG-Umlage für ungefähr 30 Milliarden Euro im Jahr gedeckt werden kann. Wird der begonnene „Atom-Ausstieg“ wie geplant fortgesetzt und entwickelt sich der CO2-Emissionshandel, dann werden sich unsere Stromkosten rasch verdoppeln. Ob das den „Wüstenstrom“ wettbewerbsfähig machen wird, ist völlig offen. Es ist lediglich absehbar, dass das Desertec-Projekt viel teurer werden wird als vorläufig angenommen. Da die Standorte der Parabolspiegel-Kraftwerke noch nicht gefunden sind, lässt sich nicht abschätzen, wie weit und in welcher Form der durch sie erzeugte Strom transportiert werden wird. Für die Münchner Rück sind aber letztlich die durch Destertec vermiedenen „Klimaschäden“ ausschlaggebend. Doch diese sind rein hypothetischer Natur. Viel spricht dafür, dass es bei einer fortgesetzten Erderwärmung mehr Gewinner als Verlierer gäbe, denn Historikern ist bekannt, dass im mittelalterlichen „Klimaoptimum“ der Wohlstand wuchs. Außerdem dürfte die Erderwärmung ab einem bestimmten Niveau zu einer fortschreitenden Ergrünung der Sahara führen. Es gäbe dann möglicherweise überhaupt keinen Platz mehr für „Wüstenkraftwerke.“

2. Klar ist, dass Solarstrom aus der Sahara heute nicht wettbewerbsfähig wäre. Das zumindest für die Durchleitung des Wüstenstroms benötigte EU-Land Frankreich setzt weiterhin auf preisgünstigen Atomstrom. Dieser würde auch in Zukunft deutlich günstiger sein als Solarstrom.

3. In der Tat sind die Argumente der Fotovoltaik-Lobby gegenüber Desertec schwach. Sie beruhen auf der Angst heutiger Subventionsempfänger, in naher Zukunft Konkurrenz von einer weiteren um Subventionen werbenden Lobby zu bekommen. Dennoch hat die Fotovoltaik-Lobby recht, wenn sie darauf hinweist, dass Solarstrom aus der Sahara in Deutschland nicht gebraucht wird. Denn es gibt hier neben sehr kostengünstig arbeitenden, weil abgeschriebenen Kernkraftwerken auch moderne Braunkohlekraftwerke, die Strom ähnlich kostengünstig liefern, solange dieser nicht durch den CO2-Emissionshandel und/oder Öko-Steuern künstlich verteuert wird. Somit bin ich bereits beim Punkt 4.

4. Was bringt die Kollegen bzw. die Münchner Rück dazu, zu behaupten, das Kohlezeitalter gehe unweigerlich zu Ende? Im Gegenteil spricht Vieles dafür, dass es gerade erst richtig beginnt. Nicht nur in China gehen Kohlekraftwerke im Wochenrhythmus in Betrieb. Und wer wollte behaupten, die Kohlevorräte der Erde gingen zur Neige? Es gibt allenfalls vorübergehende Nachschubprobleme, aber keine Verknappung von Kohle. Die bekannten Lagerstätten reichen noch für Jahrhunderte. Da nicht nachweisbar ist, dass das bei der Verbrennung von Kohle entstehende Kohlenstoffdioxid irgendeinen negativen Einfluss auf Wetter und Klima ausübt, besteht kein Grund, auf die Nutzung dieses Naturschatzes zu verzichten.

5. In der Tat würde uns Desertec abhängig machen von politisch höchst instabilen Ländern. Insbesondere in Algerien, das, rein technisch gesehen, die besten Standortbedingungen für solarthermische Kraftwerke böte, gibt die politische Entwicklung Anlass zu großer Sorge. Die politische Macht befindet sich dort in den Händen einer aus der nationalen Befreiungsbewegung FLN gegen die französische Kolonialmacht hervorgegangenen Filzokratie. Nicht von ungefähr hat der in Algerien aufgewachsene französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus, trotz seines Engagements gegen den Kolonialismus, immer wieder davor gewarnt, die politische Macht in die Hände von „Banditen“ geraten zu lassen. Die in Algerien seit Jahrzehnten herrschende Cliquenwirtschaft hat verhindert, dass das mit Bodenschätzen aller Art gesegnete Land zu Wohlstand gelangt. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und fortschreitende Armut bereiten den Boden für Terroristen des Al-Kaida-Netzwerkes, deren erklärtes Ziel die Wiederherstellung des Kalifats Al Andalus bis zu den Pyrenäen und darüber hinaus bis nach Südfrankreich ist.

6. Das Desertec-Project hat durchaus ein kolonialistisches Geschmäckle. Das wäre anders, wenn die Initiative von den nordafrikanischen Ländern ausgegangen wäre. Die wirtschaftliche Entwicklung in bislang armen Ländern beflügeln könnte das Projekt nur unter geeigneten politischen Rahmenbedingungen.

7. In der Tat sind die Transportverluste bei der ins Auge gefassten Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) im Prinzip deutlich geringer als bei Wechselspannung. Bisherige Erfahrungen beziehen sich aber ausschließlich auf die Punkt-zu-Punkt-Übertragung großer Strommengen vom Ort der Erzeugung zu einem Ort hohen Verbrauchs. Das Desertec-Projekt ist hingegen als Verbund einer Vielzahl von Solarthermie-Kraftwerken konzipiert. Da die Standorte dieser Kraftwerke noch nicht feststehen, ist die Länge der notwendigen Übertragungswege und somit auch die Höhe der Transportverluste überhaupt noch nicht abschätzbar. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die erzeugte Elektrizität in Europa über ein noch nicht existierendes Gleichstromnetz oder über das vorhandene Wechselstromnetz verteilt werden wird.

8. Sandstürme scheinen ein eher geringes Problem zu sein, zumal sich die Parabolspiegel mithilfe ihrer ohnehin vorhandenen Nachführ-Motoren im Ernstfall aus dem Wind drehen lassen.

9. In der Tat würde Desertec zur Zementierung der Abhängigkeit der Stromverbraucher von zentralistischen Versorgungssystemen beitragen. Es gäbe durchaus sichere dezentrale Alternativen: etwa kleine Nuklear-Batterien beziehungsweise Hochtemperatur-Reaktoren oder auch Blockheizkraftwerke mit Stirling-Motoren, die man im Keller von Ein- oder Mehrfamilienhäusern aufstellen oder in deren Vorgärten oder Hinterhöfen vergraben könnte. Solche dezentralen, entsprechend individueller Bedürfnisse steuerbaren Energieversorgungstechniken würden durch Kontinente übergreifende Versorgungsstrukturen höchstwahrscheinlich gehemmt.

10. Das Desertec-Projekt lebt von dem vor allem in Deutschland verbreiteten gutmenschlichen Wunschdenken. Dessen Grundlage sind historisch bedingte Schuld-Komplexe und eine damit zusammenhängende Verlierer-Mentalität. Im Unterschied zu Idealen können Utopien, sobald sie zu totalitären Fiktionen geworden sind, durchaus Realität werden – allerdings nur als Farce.

Edgar L. Gärtner (16. Juli 2009)

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Stromarmut in Deutschland von Edgar L. Gärtner

Der Solar-Boom beschert den Stromverbrauchern eine Kostenlawine und vernichtet Arbeitsplätze.

In Deutschland hängen bekanntlich etwa sieben Millionen Arbeitslose oder Inhaber von Mini-Jobs ganz oder teilweise am Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV), davon etwa die Hälfte dauerhaft. Der monatliche Basissatz von ALG2 beträgt je Erwachsener neuerdings € 359,-. Hinzu kommen die Kosten für Wohnungsmiete, Heizung und Wasser, die in der Regel bis zu einem örtlich unterschiedlichen Deckelbetrag von der Kommune übernommen werden. In jeden Fall müssen die ALG2-Empfänger den Strom für Kochen, Beleuchtung, Kommunikation und Unterhaltung aus dem Regelsatz von € 359,- begleichen. In der Stadt Frankfurt werden für Haushalte ohne elektrische Warmwasseraufbereitung monatlich lediglich € 16,- für „Haushaltsenergie“ angesetzt. Da die Stromkosten für Privathaushalte in Deutschland im europäischen Vergleich mit fast 22 ct/kWh besonders hoch sind, müssen ALG2-Empfänger ihren Jahresverbrauch auf etwa 750 kWh begrenzen, wenn sie nicht ihre Ernährung einschränken wollen. Das entspricht weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Stromverbrauchs deutscher Einpersonenhaushalte, der zurzeit bei etwa 1.700 kWh/a liegt. Wer von ALG2 abhängt, muss also, ohne Hunger in Kauf zu nehmen, selbst seine Internet-Nutzung stark einschränken.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist sich durchaus bewusst, dass sich hier sozialer Sprengstoff ansammelt. Sein Ministerium beteiligt sich deshalb an der Finanzierung einer Studie des Frankfurter Instituts für sozial-ökologische Forschungen (ISOE) und das Heidelberger ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung. Im Auftrag der Caritas möchten diese erforschen, wie man ALG2-Empfängern am besten helfen könnte, an für sie unbezahlbare stromsparende Haushaltsgeräte der neuesten Generation zu kommen. Welche Scheinheiligkeit sich dahinter verbirgt, wird deutlich, wenn man erfährt, dass die hohen deutschen Strompreise zu 40 Prozent aus diversen Steuern und Zwangsabgaben bestehen. Darunter befindet sich auch die durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) im Jahre 2000 eingeführte Umlage für die Einspeisung nicht marktfähiger Strommengen aus Windkraftanlagen (WKA), Biogasanlagen und Photovoltaik-Modulen ins öffentliche Stromnetz.

Bis zur Jahrtausendwende zeichnete sich Deutschland durch eher moderate Strompreise aus. Diese wurden garantiert durch das große Gewicht älterer Braunkohle- und abgeschriebener Kernkraftwerke im deutschen Stromerzeugungs-Mix. Bei beiden Kraftwerkstypen lagen die Stromerzeugungskosten unter 2 ct/kWh. Steinkohlekraftwerke, die eine Mischung aus billig importierter Importkohle und hochsubventionierter heimischer Kohle nutzten, lagen mit knapp 5 ct/kWh auf einem mehr als doppelt so hohen Kostenniveau – und damit etwa gleichauf mit Wasserkraftwerken, deren Beitrag zum deutschen Strom-Mix seit vielen Jahren deutlich unter 5 Prozent bleibt, weil keine neuen, für die Anlage von Stauseen geeigneten Standorte verfügbar sind. Auch der Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung blieb bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bescheiden.

Als dann, entsprechend den EU-Vorgaben, der deutsche Strommarkt (im Prinzip) für den Wettbewerb geöffnet wurde, sank der Strompreis für Industriekunden zunächst auf etwa 6 ct/kWh und der mittlere Strompreis für Privataushalte auf 14 ct/kWh. Doch nach der Jahrtausendwende begannen die Strompreise wieder stetig zu steigen. Im vergangenen Jahr mussten Industriekunden schon wieder fast 13 ct/kWh und Endverbraucher fast 22 ct/kWh berappen. Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt im EEG mit seiner 20-jährigen Abnahme- und Preisgarantie für „grünen“ Strom.

Was nach den Erfahrungen mit Preis- und Abnahmegarantien auf den europäischen Agrarmärkten zu erwarten war, trat auch hier ein: Institutionelle und private Anleger investierten massiv in die Erschließung „erneuerbarer“ Energien, zunächst vor allem in Windparks. Insgesamt etwa 22.000 WKA steuern inzwischen schon 6,3 Prozent zur deutschen Bruttostromerzeugung von insgesamt 639 TWh (Milliarden Kilowattstunden) für einen garantierten Preis von 9 ct/kWh bei. Um die extrem unstetige Stromerzeugung der WKA ausgleichen zu können, müssen entweder Kohlekraftwerke im unwirtschaftlichen Stand-by-Betrieb weiterlaufen oder rasch an- und abschaltbare Gasturbinen bereitstehen. Deshalb ist der Gas-Anteil am deutschen Stromerzeugungs-Mix parallel zur Vervielfältigung der Zahl der WKA gestiegen: Während der Windstrom-Anteil zwischen 1990 und 2007 von Null auf 40 TWh zunahm, stieg der Gas-Anteil an der Stromerzeugung von 36 auf 75 TWh oder 13 Prozent (für durchschnittlich 7 ct/kWh). 83 Prozent des gesamten deutschen Erdgasbedarfs wurden im Jahre 2007 importiert, etwa die Hälfte davon aus Russland. Der Ausbau der Windkraft hat also die Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung verstärkt. Das gilt zwar nicht für den gleichzeitig geförderten Ausbau der Biomasse-Nutzung, die inzwischen mit 3,6 Prozent zur Stromerzeugung beisteuert. Doch trägt auch sie mit einem garantierten Stromabnahmepreis von 14 ct/kWh spürbar zur Verteuerung der Elektrizitätsversorgung bei.

So hat sich neun Jahre nach der Verabschiedung des EEG die Preisstruktur der deutschen Stromproduktion bereits deutlich verschoben. Die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten stiegen von 3,5 ct/kWh im Jahre 2003 auf 5,61 ct/kWh im Jahre 2008. Ein weiterer Grund für diese Entwicklung ist das nahende Auslaufen der Kernenergie-Nutzung, die ebenfalls im Jahre 2000 beschlossen wurde, sowie der Start des europäischen CO2-Emissionshandels. Aus diesem Grund beginnen inzwischen sogar Braunkohlekraftwerke ihre Vorteile einzubüßen.

Wichtigster Kostentreiber dürfte in den nächsten Jahren aber wohl die Photovoltaik sein. Seit 2004 erhielten private Betreiber von Solarmodulen eine garantierte Stromeinspeisungsvergütung von bis zu 57,4 ct/kWh mit einer jährlichen Degression von 5 Prozent. Seit Beginn dieses Jahres wurde der Garantiepreis nach zähen Verhandlungen mit der Solarlobby auf 43 ct/kWh gesenkt und die Degression auf 8 bzw. 9 Prozent erhöht. Selbst nach der hinter dem EEG stehenden umstrittenen Begründung hätte der Garantiepreis nach einhelliger Einschätzung der Fachleute viel stärker, und zwar mindestens auf 21 ct/kWh gesenkt werden müssen, um Einsparungseffekten Rechnung zu tragen. Denn es gibt zurzeit weltweit eine enorme Überproduktion von Solarzellen, die zu einem Preiskrieg zwischen chinesischen, japanischen, amerikanischen und europäischen Herstellern geführt hat. Der Preis je Silizium-Modul ist seit dem letzten Herbst von € 3,50 je Watt Leistung auf € 2,30 je Watt gefallen. Der US-Marktführer First Solar bietet seine Dünnschicht-Module aus Cadmiumtellurid, die allerdings einen deutlich größeren Flächenbedarf haben, inzwischen schon für einen Dollar je Watt Leistung an.

Wegen dieses Preisverfalls wird es in den nächsten Jahren wohl zu einem Solar-Boom kommen, während Windkraft-Projekte wegen der Krise mit beträchtlichen Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben. Schon für dieses Jahr erwarten Experten in Deutschland einen Kapazitätszuwachs von bis zu 2,5 Gigawatt. Werden die gesetzlich garantierten Abnahmepreise nicht deutlicher abgesenkt, droht den deutschen Stromkunden eine Kostenlawine ungeahnten Ausmaßes. Schon für die bis Ende 2008 installierten Photovoltaik-Module, die lediglich maximal 0,6 Prozent des deutschen Strombedarfs decken, müssen sie nach Berechnungen des Bonner Volkswirts Dieter Damian über 20 Jahre insgesamt 45 Milliarden Euro zahlen. Das bedeutet 563 Euro je Bürger, Kinder und Greise eingeschlossen! Schon im Jahre 2015 lägen die aufsummierten Kosten der Photovoltaik zwischen 133 und 169 Milliarden Euro. Und im Jahre 2020 könnten sie im schlimmsten Fall schon die Schallmauer von 300 Milliarden Euro durchbrechen. Das wären deutlich mehr als 3000 Euro zusätzliche Stromkosten je Bundesbürger!

Damians unveröffentlichte Berechnungen wurden im Prinzip bestätigt von Manuel Frondel und Mitarbeitern vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Essen). Auch diese Autoren errechneten bis 2015 reale Zusatzkosten der Photovoltaik von über 100 Milliarden Euro. Damian sieht in den wiederholten Hinweisen Gabriels und der Solarlobby auf bis zu 280.000 Arbeitsplätze, die angeblich mithilfe des EEG geschaffen worden seien, einen üblen Propaganda-Trick, weil die mit viel statistischer Kreativität hochgerechneten Beschäftigungseffekte immer nur mit den jährlichen durch das EEG verursachten Kosten verglichen würden und nicht mit den über 20 Jahre auflaufenden Kosten. Das RWI hat schon im Jahre 2004 vorgerechnet, durch das EEG würden schon ab 2010 deutlich mehr Arbeitsplätze vernichtet als neu geschaffen. Wenn überhaupt, fördere das EEG nur die Beschäftigung im Ausland.

Prof. Dr. Ing. Helmut Alt von der Fachhochschule Aachen hat durchgerechnet, was geschähe, wenn der deutsche Stromerzeugungs-Mix entsprechend den Vorstellungen von Andrea Ypsilanti (SPD) im hessischen Landtagswahlkampf umgebaut würde. Bei einem kompletten Verzicht auf die Kernenergie, einer Erhöhung des Windkraftanteils auf 20 und einer Verzehnfachung des Photovoltaik-Anteils auf 6 Prozent würden sich die Kosten der Stromerzeugung in Deutschland verdoppeln. Das könnte nicht ohne Einfluss auf die Beschäftigung bleiben. Doch zur „Stromarmut“ könnte es auf diesem Weg auch im wörtlichen Sinne kommen. Wird die genehmigte Laufzeit der noch arbeitenden 17 deutschen Kernkraftwerke nicht verlängert, würde Deutschland schon im Jahre 2015 zu einem Stromimportland, weil infolge der Finanzkrise und des Widerstandes „grüner“ Gruppierungen vor Ort inzwischen auch der Neubau von Kohlekraftwerken ins Stocken geraten ist.

Internet:

Im Zuge steigender Energiepreise wächst die „Energiearmut“

Billig-Solarzellen revolutionieren die Strombranche

Neue Hoffnung für Solarstrom

Solaranlagen-Herstellern droht überfällige Auslese

Literatur:

Manuel Frondel, Nolan Ritter und Christoph M. Schmidt: Photovoltaik: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 34, Heft 1/2008

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Der Kampf gegen Windmühlen wird überflüssig

Ich bin stolz auf mich, denn ich konnte im letzten Sommer eine meiner Schwestern davon abhalten, ihre Ölheizung durch eine scheinbar modernere und nachhaltigere Gasheizung zu ersetzen. Von einem Freund in der Schweiz mit zuverlässigen Insider-Informationen versorgt, hatte ich etwa zur gleichen Zeit in Printmedien wie „Die Welt“, „Neue Zürcher Zeitung“ und „Wall Street Journal“ darauf aufmerksam gemacht, dass es Wirtschaftskreisen, die sich für den Bau riesiger Windparks an Land und auf hoher See stark machen, in Wirklichkeit darum geht, die Abhängigkeit Deutschlands und ganz Westeuropas von russischem Erdgas zu verstärken. Ich hatte auch auf Bestrebungen, ein internationales Gas-Kartell nach dem Vorbild der OPEC zusammenzubringen, aufmerksam gemacht und davor gewarnt, dass schon in diesem Winter von langer Hand vorbereitete Erpressungsversuche gestartet werden würden. Nun ist alles so gekommen, wie ich es vorausgesehen hatte. Gestern hat ein Wirtschaftsredakteur der „Welt“, der meinen Warnungen zunächst skeptisch gegenüber gestanden hatte, in der „Welt am Sonntag“ meine Sicht der Dinge voll und ganz bestätigt. Am 4. Februar hat der Kollege Daniel Wetzel nachgelegt, indem er eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Keearney mit dem Titel „Von der Finanzkrise zur Energiekrise“ vorstellt. Diese Studie macht nicht nur deutlich, dass das amtliche Ziel, den Anteil „erneuerbarer“ Energien bis zum Jahre 2020 auf 20 Prozent zu steigern, völlig illusorisch ist, sondern zeigt auch, dass steigende Kapitalkosten auch den Bau klassischer Kohlekraftwerke erschweren. Deshalb gehe Deutschland auf eine Stromerzeugungslücke und auf eine drastische Verteuerung der Elektrizität zu.

Auf die Genugtuung, Recht behalten zu haben, hätte ich allerdings gerne verzichtet. Alle Warnungen sind aber für die Katz, wenn die ganze politische Klasse im festen Glauben, etwas Gutes zu tun, mit offenen Augen, aber dennoch blind, weil nicht sehen wollend, den wirtschaftlichen Selbstmord vorbereitet. Ehrlich gesagt, fühle ich mich zurzeit gegenüber der raschen Ausbreitung der postmodernen Geisteskrankheit Nihilismus ziemlich hilflos. Makabererweise wird die angebrochene tiefe Wirtschaftskrise, nach deren Ende von der Wirtschaftswelt, wie wir sie kennen, nicht mehr viel übrig bleiben dürfte, nun zum verlässlichsten Bündnispartner im Kampf gegen den um sich greifenden Realitätsverlust. Die Mandate-Pipelines der Investmentbanken, die sich mit der Finanzierung von Windparks und anderen „grünen“ Großprojekten befassen, leeren sich, wie man hört, wegen der sich verschärfenden Kreditklemme zusehends. Kein Wunder, dass die Lobbyisten der „Erneuerbaren“, deren Geschäftsmodelle ohnehin weitestgehend auf Fiktionen und Subventionen beruhen, nun nach zusätzlicher Staatsknete rufen.

Ohne eine Rückbesinnung auf die christlichen Wurzeln Europas werden demgegenüber wahrheitsbasierte Geschäftsmodelle aber kaum Chancen haben. Denn un- wenn nicht antichristlicher Liberalismus ist auch nur eine Form von Nihilismus. Nicht zufällig wurde die ökologistische Ersatzreligion, auf die sich heute die Nihilisten aller Parteien berufen, hauptsächlich über (links-)liberale Netzwerke verbreitet. Freilich wird es dem säkularen Europa nicht leicht fallen, zum christlichen Glauben zurückzufinden. Wer nicht glauben kann, der soll zumindest so tun, „als ob es Christus gebe“, rät deshalb der italienische Atheist und Popper-Schüler Marcello Mera in seinem neuen Buch „Warum wir uns Christen nennen sollten – Liberalismus, Europa und Ethik“ (Ed. Mondadori, 2008). Mit diesem Thema werde ich mich im angebrochenen Krisenjahr wohl hauptsächlich beschäftigen. (5. Februar 2009)

Internet:

Offshore kämpft mit der Finanzkrise

Die Finanzkrise entwickelt sich zur Energiekrise

Auch veröffentlicht unter dem Titel „Die Krise als Bündnispartnerin“ auf ef-magazin online.

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Roland Tichy über den grünen Selbstbetrug

WiWo-Chefredakteur Roland Tichy schreibt im seinem Editorial vom 14. Februar 2009: „Ausblendet wird, dass Windräder die brutalste Landschaftszerstörung seit Erfindung des Betons sind und unterm Strich kein CO2 sparen.“

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Windräder bringen nichts für CO2-Ziel

Nun merken auch die GRÜNEN, dass die Verwandlung Deutschlands in einen Vogelscheuchenpark klimapolitisch völlig wirkungslos ist. Verantwortlich machen sie dafür aber nicht die lediglich ins Gigantische hochgezüchtete Uralt-Technik der Windräder, deren Wirkungsgrad mit wachsender Größe sinkt, sondern den europäischen Emissionshandel auf der Basis fester CO2-Quoten für jede nationale Volkswitrtschaft. Wird mehr Strom durch Windkraftanlagen erzeugt, werden CO2-Zertifikate frei. Die Stromkonzerne können die freigewordenen Zertifikate gewinnbringend an Länder wie Polen veräußern, deren Stromerzeugung größtenteils auf Kohlekraftwerken basiert. Unterm Strich wird dadurch selbstverständlich keine einzige Tonne CO2 eingespart. Obendrein ist der Preis der CO2-Zertifikate wegen der Wirtschaftskrise stark eingebrochen. Die Zukunft des europäischen Emissionshandelssystems ETS steht in den Sternen. Um es zu retten, müsste eiegentlich das deutsche das deutsche Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien ersatzlos gestrichen werden. Doch da stellt sich eine Lobby quer, die vorgibt, nicht auf Profit, sondern auf die Rettung der Welt hinzuarbeiten. (10. Februar 2009)

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Das Desaster der deutschen Energiepolitik im Internet:

CO2-Speicherung ist wirtschaftlich nicht machbar. Deshalb rufen die Energieriesen jetzt nach dem ohnehin schon bankrotten Staat

Durcheinander in der Ukraine

Konrad Schuller analysiert Moskaus Angriffe auf die Souveränität der Ukraine

Ungereimtheiten des Gasstreits mit der Ukraine

Deutschland zieht den Kürzeren im europäischen Emissionshandel

CCS noch lange nicht marktreif

Deutsche Energiepolitik: Vom Dilemma zum Desaster?

Die Neue Zürcher Zeitung vom 23. August 2008 kann es sich leisten, die Sackgasse, in die die deutsche Energieversorgung zu geraten droht, ohne politische Rücksichtnahme auf der ersten Seite zu analysieren. Ich empfehle dringend die Lektüre dieses Artikels, der ohne meine Mitwirkung entstanden ist.

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Bedrohliche Gasabhängigkeit von Russland

Energiepreise: Die Ohnmachtpolitik des Westens

In der Neuen Zürcher Zeitung analysiert Peter Robejsek, Dozent in Wedel bei Hamburg, unvoreingenommen die kritische Lage des Westens im Kampf mit autoritären kapitalistischen Regimes, die über die entscheidenden Rohstoffvorkommen verfügen. Pflichtlektüre für alle, die sich auf unsere nicht ganz gemütliche Zukunft vorbereiten wollen!

Interview mit dena-Chef Stefan Kohler in der „Wirtschaftswoche“

Man kann nicht gleichzeitig aus Kohle und Kernkraft aussteigen. Diese nicht neue erkenntnis versucht Stefan Kohler seinen politischen Freunden nahe zu bringen. Würden keine neue Kohlekraftwerke gebaut, müsste die Laufzeit der KKW verlängert werden, denn Wind und Sonne seien nun mal von Natur aus unzuverlässige Energiequellen, die ein konventionelles backup benötigen. Schon ab 2015 können in Deutschland die Lichter ausgehen, weil dann auch im angrenzenden Ausland keine ausreichenden Kapazitäten für die Steigerung von durch Deutschland mehr vorhanden sein werden. Kohler verschweigt, dass die massive Förderung der Windkraft durch das binnenmarktswidrige deutsche EEG die Wurzel aller Schwierigkeiten im deutschen Energieversorhungssystem ist. Kein Wort auch darüber, dass ein gutes Backup der unsteten Stromlieferung der Wind- und Solarkraftwerke unter den gegebenen Bedingungen nur durch Gasturbinen geleistet werden kann. Er darf nicht durchblicken lassen, dass hinter dem deutschen Windkraft-Boom die Interessen der von seinem Parteifreund Gerhard Schröder vertretenen Gas- und Gasturbinen-Verkäufer stehen (3. August 2008).

„Heuschrecke“ Blackstone investiert in Nordsee-Windpark

Da deutsche Banken wegen der damit verbundenen hohen finanziellen und technischen Risiken bislang um die von der Bundsregierung gewünschten riesigen Offshore-Windparks einen großen Bogen machten, freut sich Bundesverkehrs- und Bauminister Tiefensee nun, dass die US Private Equity Firma Blackstone hier als Investor einsteigen will. Blackstone-Chef Schwarzmann, der in New York das größte Geburtstagsfest aller Zeiten feierte, wird wissen, warum er sich auf einmal für Windräder interessiert…

Das Wind-Gas-Kartell

von Edgar Gärtner

Der 80-jährige texanische Öl- und Gasmilliardär T. Boone Pickens möchte sich ein Denkmal setzen, indem er seine Landsleute mit Tausenden von Windrädern beglückt. Nun hat er die ersten 667 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 1.000 Megawatt für zwei Milliarden Dollar beim „grünen“ US-Mischkonzern General Electric (GE) bestellt. Damit möchte der anscheinend vom Saulus zum Paulus gewandelte Geschäftsmann mithelfen, die hohe Abhängigkeit seines Landes von Ölimporten zu vermindern.

Was auf den ersten Blick wie der philanthropische Größenwahn eines Senilen anmutet, ist vermutlich Ausfluss einer höchst gerissenen Geschäftsstrategie. Waren frühere Windkraft-Investoren vielleicht noch wirklich davon überzeugt, mit ihrer guten Tat die Welt retten zu helfen, so geht es den heutigen in der Regel um etwas ganz anderes. Es hat sich herumgesprochen, dass jedes Kilowatt installierte Windleistung durch eine entsprechende Leistung einer Gasturbine ergänzt werden muss, um die Unstetigkeit des Windes auszugleichen. Wer sich heute für Windräder stark macht, dem geht es also höchstwahrscheinlich eher darum, Gasturbinen und/oder Gas zu verkaufen. In der Tat: Zu Pickens’ Firmengruppe gehört die außerordentlich erfolgreiche Gas-Explorationsfirma XTO-Energy.

Auch bei der „Ecomagination“-Kampagne von GE liegt das Gas-Interesse auf der Hand. GE bietet inzwischen seine Windmühlen besonders preisgünstig an, um Bestellungen von Gasturbinen zu pushen. Bei Gasturbinen ist GE unangefochten Weltmarktführer und verdient damit viel mehr als auf dem umkämpften Markt für Windräder. Darüber kann sich selbst Rex Tillerson, der Chef des Öl-Giganten Exxon freuen. Obwohl Tillerson gutmenschliche Wadenbeißer auf die Palme bringt, weil er nicht viel von Investitionen in „erneuerbare“ Energien hält und fortwährend wiederholt, dass Öl sein Kerngeschäft bleibt, hat auch er längst kapiert, dass mit Erdgas viel mehr zu verdienen ist. Dort investiert Exxon neuerdings kräftig.

Sein europäischer Wettbewerber Royal Dutch Shell hat sich, kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, längst in einen Gas-Konzern verwandelt, der – je nach Standort – eng mit staatseigenen Lieferanten wie Gasprom (Russland) oder Sonatrach (Algerien) kooperiert. Inzwischen sieht sich die EU in der Energiepolitik einer geschlossenen Front von Gaslieferanten, einer Art Gas-OPEC, gegenüber, zu der neben den genannten Konzernen auch das Emirat Quatar und die Öl- bzw. Gas-Konzerne Chevron, BP und Totalfina gehören.

Kürzlich verlautete auf dem World Petroleum Congress (WPC) in Madrid, schätzungsweise 88 Prozent der in den kommenden 20 Jahren in der EU installierten Kraftwerkskapazitäten entfielen voraussichtlich auf kombinierte Gas- und Dampfturbinen (CCGT). In Spanien sind solche Turbinen mit 21 Gigawatt Gesamtkapazität bereits zur wichtigsten Stromquelle geworden. Das ist kein Zufall, denn Spanien ist nach Deutschland das EU-Land mit der höchsten Windkraft-Kapazität. Diese erreichte Ende 2006 11.000 Megawatt. Bei schätzungsweise 2.000 Volllaststunden im Jahr entspricht das einer Elektrizitäts-Produktion von 23 Terawattstunden. Um diese sehr unregelmäßig anfallende Strommenge im Netz abzupuffern, eignen sich nur rasch an- und abschaltbare Gasturbinen.

Einen zusätzlichen Auftrieb erhalten die Gasverkäufer durch den europäischen CO2-Emissionsrechte-Handel. Sobald die Emissionsrechte, wie vorgesehen, ab 2013 ersteigert werden müssen, macht der Emissionshandel Investitionen in die energetische Nutzung der reichlich verfügbaren Braun- und Steinkohlevorräte uninteressant. Der Vormarsch des Gases in der Stromproduktion der EU führt zur fatalen Konsequenz, dass es schon bald keine echte Wahlmöglichkeit zwischen leitungsgebundenen Energieträgern mehr geben wird. Die wichtigste Alternative zum Einsatz von Erdgas in Turbinen ist übrigens Kerosin, das zurzeit, bezogen auf die enthaltene Wärmeenergie, etwa doppelt so viel kostet wie Rohöl. Dadurch zeichnet sich der Korridor der zukünftigen Entwicklung des Gaspreises ab.

Statt in Europa wird die weltweit zu günstigen Preisen verfügbare Kohle nun ausgerechnet in den Öl- und Gasförderländern verstärkt genutzt. Russland baut Kohlekraftwerke, um das immer teurer werdende Gas für den Export zu reservieren. Auch das Emirat Dubai baut für die eigene Stromversorgung Kohlekraftwerke, weil dessen Wirtschaftsstrategen die eigenen Öl- und Gasvorräte dafür zu schade erscheinen. Für die Energiepolitik Deutschlands und der meisten EU-Länder gibt es nach alledem nur ein Urteil: Dümmer geht’s nimmer! (14. Juli 2008)

Am 24. Juli 2008 in etwas abgespeckter Form in DIE WELT erschienen.

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Vorreiter = Verlierer?

Ist jemals in der deutschen Geschichte ein Vorreiter zum Sieger geworden? Die Geschichte des Vorreiters in der Schlacht von Tannenberg und andere historische Beispiele helfen Ihnen vielleicht, diese Frage zu beantworten. Auch die von Dr. Angela Merkel und ihren Vorgängern im Bundeskanzleramt gewählte Vorreiter-Rolle im „Klimaschutz“ dürfte die Reihe negativer historischer Erfahrungen fortsetzen. Das lässt eine Studie des Stromkonzerns RWE erahnen. (13. Juli 2008)

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Die Deutschen entdecken wieder den Reiz der Kernkraft. Doch diese hilft nur kurzfristig

Winand von Petersdorff berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 6. Juli 2008 über die Ergebnisse einer im Auftrag der Atomlobby durchgeführten Blitzumfrage. Danach sprechen sich 60 Prozent der befragten Männer und immerhin 35 Prozent der (vermutlich mit weniger gesundem Menschenverstand ausgestatteten) Frauen für eine Verlängerung der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder im „Atomkonsens“ mit der Energiewirtschaft vereinbarten Restlaufzeiten alter Kernkraftwerke aus. Dieser Wandel im Meinungsbild ist gut nachvollziehbar. Denn die längst abgeschriebenen Atommeiler liefern für etwa 2,5 Eurocent je Kilowattstunde konkurrenzlos billigen Strom.

Ob es dadurch wirklich zu einer „Renaissance“ der Kernenergie kommt, ist eine andere Frage. Deren Beantwortung hängt davon ab, ob sich private Investoren für den Neubau von Kernkraftwerken finden werden. Dafür gibt bislang keine Anzeichen. Als die britische Labour-Regierung vor wenigen Monaten die Kernenergie wieder offiziell für politisch korrekt erklärte, ließen die eingeladenen Investoren sofort verlauten, sie würden hier nur einsteigen, wenn sich auch der Staat massiv beteilige.

Immerhin könnte eine Verlängerung der Laufzeit bereits existierender KKW für zwei Jahrzehnte unsere Grundlastversorgung sichern. Um das auch längerfristig zu erreichen, käme es aber darauf an, mit dem CO2-Treibhaus-Dogma und der damit verbundenen Verteufelung des Kohlenstoffdioxids wie der Kohle als Brennstoff Schluss zu machen und in Deutschland zig moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke zu errichten – und zwar ohne die von der Politik geforderte Abscheidung und Endlagerung des Verbrennungsabgases CO2 (bekannt unter dem Kürzel CCS), die wegen der damit verbundenen erheblichen Wirkungsgrad-Einbuße die zurzeit preisgünstige Kohleverfeuerung unnötig verteuern würde.

Fährt Deutschland jedoch fort, die Erschließung der unsteten Windenergie durch die geplante Anlage von 30 riesigen Windrad-Parks in Nord- und Ostsee voranzutreiben, dann müssten die Investitionen zur Sicherung der Grundlastversorgung durch ebenso massive Investitionen in rasch an- und abschaltbare Gasturbinen für windarme Zeiten ergänzt werden, was die Abhängigkkeit Deutschlands von russischem Erdgas enorm vergrößern würde. Alexej Miller, der Chef des mächtigen russischen Gasprom-Konzerns, freut sich bereits auf das infolge des Ausbaus der Windkraft in Deutschland winkende zusätzliche Geschäft. Das auf Preisvergleiche spezialisierte Verivox-Portal rechnet wegen der Bindung des Gaspreises an den Rohölpreis bereits für den kommenden Winter mit einer Verdoppelung der Heizkosten für Privathaushalte. Andere Experten rechnen sogar damit, dass der Gaspreis wegen des wachsenden Bedarfs an Regelenergie für die unregelmäßige Einspeisung von Windstrom ins deutsche Netz schon bald den Ölpreis weit hinter sich lassen wird. Da erscheint die Forderung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, die Pläne für die Errichtung von Offshore-Windparks müssten schleunigst umgesetzt werden, um Deutschlands Abhängigkeit von Energieimporten zu vermindern, in einem anderen Licht. Als Investor für die Offshore-Windparks, um die deutsche Banken bislang wegen der damit verbundenen unwägbaren Havarie-Risiken einen großen Bogen gemacht haben. bietet sich neuerdings die „Heuschrecke“ Blackstone an. Vor diesem Hintergrund erscheint Tiefensees Vorstoß als blanker Hohn, wenn nicht als bewusste Irreführung der Deutschen im Dienste der Kreml-AG und des Finanzkapitals. Solange am CO2-Treibhaus-Dogma nicht gerüttelt wird, wird es für die wachsenden Probleme der Energieversorgung wohl keine vernünftigen Lösungen geben.

(Unter dem Titel „Her mit der Kohle“ in Kurzform auch in DIE WELT vom 11. Juli 2008 erschienen.)

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Der hohe Ölpreis hat nichts mit einer Verknappung zu tun

Unter der Überschrift „Theorien vom knappen Öl sind Märchen“ brachte die Online-Ausgabe der FAZ am 1. Juli 2007 eine interessante Übersicht über die weltweite Entwicklung der Rohölvorräte. Viele der schon lange bekannten Vorkommen wurden bislang nur unzureichend ausgebeutet, da es günstiger war, neue Vorkommen zu erschließen, als die alten optimal zu nutzen. Die jüngste Entwicklung der Rohölpreise ändert die Ausgangslage.(1. Juli 2008)

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„Klimaschutzpaket“ – Abkassieren ohne Gegenleistung

Risse im Grünen Weltbild

Politik und Wirtschaft stellen noch immer die Ablösung „fossiler“ Energiequellen wie Kohle und Erdöl durch „erneuerbare“ als alternativlos dar. In Wahrheit ist das Weltbild, das auf der Endlichkeit von Kohlenwasserstoffvorkommen beruht, aber längst in Frage gestellt worden. Im Auftrag des Königlich Schwedischen Technologieinstituts haben Forscher gezeigt, dass Erdöl auch ohne die Zersetzung von Biomasse entstehen kann.

Erdöl, eine erneuerbare Energiequelle

Das Königlich Schwedische Technologieinstitut (KTH) in Stockholm hat bekanntgegeben, nun sei der experimentell bewiesen worden, worauf es nun schon seit Jahrzehnten Hinweise gibt: Für die Entstehung von Erdöl ist keine fossile Biomasse nötig. Unter hohem Druck und hohen Temperaturen können komplexere Kohlenwasserstoffe auch direkt aus normalen anorganischen Bestandteilen des oberen Erdmantels und der Erdkruste wie Methan entstehen. Das haben Anton Kolesnikov, Vladimir G. Kutcherov und Alexander F. Goncharov von der Washingtoner Carnegie Institution, der Moskauer Lomonossow Universiät und des Königlich schwedischen Technologie Instituts in Stockholm durch ein aufwändiges Experiment demonstriert.

Die Konsequenz: Bohrt man nur tief genug, könnte man fast überall auf der Welt auf Öl-, Gas- und Kohle-Lagerstätten stoßen. Die Kohlenwasserstoffvorräte der Erde sind keineswegs endlich, sondern Teil eines langfristigen geochemischen Kreislaufs, in den der Mensch nur minimal eingreifen kann. (10. September 2009)

Der folgende Artikel, dessen Urfassung bereits im vergangenen Jahr entstanden ist, bekommt durch die am KTH durchgeführten Forschungen neue Aktualität.

Abschied vom grünen Weltbild

von Edgar L. Gärtner

„Angesichts der Endlichkeit fossiler Brennstoffe gehört die Zukunft der Energieversorgung zweifellos den Erneuerbare-Energien-Technologien.“ Mit dieser ganz selbstverständlich erscheinenden und deshalb nicht begründeten Behauptung beginnt eine im Magazin „Cicero“ 12/2008 unter dem Titel „Die Energie-Lüge“ veröffentlichte gnadenlose Abrechnung acht liberaler Wirtschaftsprofessoren mit der Förderung unausgereifter und unbezahlbarer „Zukunftstechniken“ durch das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Die Professoren zeigen: Auch wer an das grüne Weltbild glaubt, kann es nicht gutheißen, dass die Energieverbraucher wegen eines den kurzsichtigen finanziellen Interessen grüner Amigos auf den Leib geschneiderten Gesetzes für die Vermeidung einer einzigen Tonne CO2 bis zu 1000 Euro zahlen müssen. Aber muss man wirklich an das ökologistische Weltbild glauben?

Schon eine unvoreingenommene Auswertung des beinahe tragischen Ausgangs des Biosphäre-2-Experiments in der Sonora Wüste von Arizona hätte meines Erachtens nur den Schluss zugelassen, das grüne Weltbild zu begraben. Das auf 100 Jahre angelegte Experiment eines autonomen Lebens in einem von der Gaia-Theorie von James Lovelock inspirierten Nachbau der irdischen Lebewelt in einer Glaskuppel mit anderthalb Hektar Grundfläche musste schon nach knapp zwei Jahren abgebrochen werden – kurz vor dem absehbaren Hungertod der acht Bewohner des künstlichen Öko-Paradieses. Aber das gegen Ende der 80er Jahre vom texanischen Ölmilliardär Ed Brass in einer romantischen Anwandlung für insgesamt 200 Millionen US-Dollar in die Welt gesetzte Projekt wurde aus ideologischen Gründen bis heute nicht umfassend analysiert und bewertet.

Das Experiment, wäre es wirklich sauber angelegt worden, hätte wohl zeigen können, dass der Planet Erde nicht so funktioniert, wie es bis heute in vielen populären Ökologiebüchern steht. Es hätte insbesondere Aufschlüsse geben können über das Verhältnis zwischen geologischen und biologischen Stoffkreisläufen. Nur weil Hohepriester der Gaia-Religion sich bislang standhaft weigerten, bereits gesichertes wissenschaftliches Wissen ins ökologische Weltbild zu integrieren, können sie überhaupt zur Behauptung gelangen, der durch die Verbrennung fossiler Kohlenwasserstoffe verursachte Anstieg der Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre und der damit vermutlich verbundene Anstieg der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde seien das dringendste Problem der Menschheit und müssten unbedingt gestoppt werden – koste es, was es wolle.

Das Kyoto-Protokoll von 1997 ist mehr als eine Übereinkunft über eine bescheidene Reduktion der CO2-Emissionen der Signatarstaaten. Da es auch CO2-Senken anerkennt, beinhaltet es vielmehr im Prinzip den Anspruch, die Ära des globalen Managements des gesamten Kohlenstoff-Kreislaufs zu eröffnen. Das setzt voraus, dass

• erstens die wichtigsten Stoffkreisläufe der Erde hinreichend genau quantifiziert werden können und

• zweitens nachzuweisen, dass der Kreislauf des Kohlenstoffs einen nennenswerten Einfluss auf atmosphärische Vorgänge ausübt.

Die Erde ist ein Wasserplanet. Etwa 71 Prozent ihrer Oberfläche sind von Meerwasser bedeckt. Folglich überragt der von der Sonnenwärme durch Verdunstung angetriebene Wasserkreislauf mengenmäßig alle anderen Zyklen. An zweiter Stelle folgt der Kreislauf des Sauerstoffs, des wichtigsten Elements in der Erdkruste. Der Kohlenstoffkreislauf folgt erst an dritter Stelle. Danach kommt der Kreislauf des reaktionsträgen Stickstoffs, der zwar 80 Prozent der Atmosphäre ausmacht, aber in den Böden und in den Gewässern eher rar ist. Das führt zur Frage, ob ein drittrangiger Stoffkreislauf grundsätzlich in der Lage ist, den Wasserkreislauf anzutreiben, der das Wettergeschehen bestimmt. Auf diese Frage gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. Doch legen Satellitenmessungen nahe, sie zu verneinen.

Ausgerechnet die Bilanz des Kohlenstoffkreislaufs weist große Lücken auf. Viele Milliarden Tonnen Kohlenstoff scheinen jahraus, jahrein aus dem Kreislauf einfach zu verschwinden. Das ist deshalb von Belang, weil das grüne Weltbild auf der Annahme beruht, der Kohlenstoffkreislauf (C-Zyklus) sei im Wesentlichen biologischer Natur: Grüne Algen und Landpflanzen nehmen CO2 aus dem Wasser bzw. der Luft auf und geben Sauerstoff ab. Dabei stelle sich ein Gleichgewicht ein, das der Mensch nicht stören dürfe. Verdrängt wird in dieser Weltsicht, dass es auch einen rein geochemischen C-Zyklus gibt, der der in Form von Bodenausgasungen und Vulkanausbrüchen jedes Jahr viele Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre bringt.

Seit der Bestätigung der Kontinentalverschiebungs-Hypothese von Alfred Wegener wissen wir, dass die Erdkruste in ständiger Bewegung ist. Alles, was einmal oben war, kommt im Prinzip auch wieder nach unten, d.h. von der mehr oder weniger festen Erdkruste tief in den breiartigen Erdmantel, wo auch Kohlenstoffverbindungen biologischen oder nichtbiologischen Ursprungs (wie vor allem Kalk und Dolomit) zu Magma eingeschmolzen werden. An anderer Stelle kommt der Kohlenstoff später in Form von Ausgasungen von Methan und Kohlenstoffdioxid sowie Vulkanausbrüchen wieder hoch. Dieser Kreislauf fände auch statt, wenn es überhaupt kein Leben auf der Erde gäbe. Es ist aber wegen lückenhafter Messungen bislang kaum möglich, das Massenverhältnis zwischen biologischen und abiotschen C-Kreisläufen einigermaßen genau abzuschätzen. Die Entstehung von Erdöl-, Kohle- und Methanhydratlagerstätten ist möglicherweise überwiegend Teil eines nichtbiologischen Zyklus. Unter hohen Drücken und Temperaturen können sich im Erdmantel aus reichlich vorhandenen Ausgangsbestandteilen spontan Kohlenwasserstoff-Gemische bilden, die nach oben wandern und sich in der Erdkruste unter undurchlässigen Tonschichten zu Gas-, Öl- oder Kohlelagerstätten konzentrieren. Auch die riesigen auf den Meeresböden lagernden Methanhydratvorkommen in der Größenordnung von 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff können vermutlich kaum auf biologischem Wege entstanden sein. Der bekannte US-Astrophysiker und Erfinder Thomas Gold, der als einer der ersten eine (umstrittene) Theorie des nichtbiologischen Ursprungs der Rohölvorräte in die Welt setzte, nahm an, dass auch Archaebakterien tief in der Erdkruste an der Rohölentstehung beteiligt sind bzw. im Erdöl ihre Spuren hinterlassen. Auch das würde dem „grünen“ Weltbild widersprechen. Kurz: Statt als begrenzte Ressource fossilen Ursprungs können Methan, Kohle und Erdöl (das zu Recht auch Mineralöl heißt) möglicherweise als erneuerbare Rohstoffe betrachtet werden. Absolute Ressourcenknappheit könnte nur eintreten, wenn die Erdmasse abnähme. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Wegen Meteoriteneinschlägen nimmt sie unterm Strich sogar allmählich zu.

Inzwischen ist klar geworden, dass man in der Erdkruste praktisch überall Kohle- und Erdöl-Lagerstätten findet, wenn man nur tief genug bohrt. Im September 2009 machte zum Beispiel die Aktie des Ölkonzerns BP einen Sprung nach oben, weil BP im Golf von Mexiko riesige neue Ölvorräte entdeckt hat. Im gleichen Monat wurde die Entdeckung gigantischer Ölvorkommen vor der Küste des westafrikanischen Sierre Leone und in Uganda gemeldet. Kurz zuvor hatte der Iran die Entdeckung neuer Ölvorkommen beklanntgegeben. Ob sich die Nutzung dieser tiefer gelegenen Lagerstätten wirtschaftlich lohnt, hängt allerdings vom jeweiligen Weltmarktpreis des Rohöls ab. In den letzten Jahrzehnten sind tatsächlich im Schnitt deutlich mehr Erdölvorräte verbraucht als neu entdeckt worden, da die Explorationstätigkeit, abhängig vom Weltmarktpreis für Rohöl, sehr unregelmäßig verief. Auffällig ist, dass die Reichweite der sicheren Vorräte mit 40 Jahren etwa konstant blieb. Das hat vor allem finanztechnische Gründe, da es schwierig bis unmöglich ist, Explorationsprojekte, die über diesen Zeithorizont hinausreichen, zu finanzieren.

Dennoch wäre es nun an der Zeit, nüchtern zu überprüfen, ob der „Abschied vom Zeitalter fossiler Energien“ wirklich Dreh- und Angelpunkt der Energiepolitik sein kann. Da die Theorie Golds und des US-Geologen Kenney, des Inhabers der Gas Resources Corp. in Houston, Texas, immer mehr Anhänger gewinnt und neuerdings auch durch Laborexperimente gestützt wird, hat sich der Wissenschaftsjournalist Wolfgang W. Merkel jüngst unter dem Titel „Erdöl auf ewig?“ in der „Welt am Sonntag“ damit beschäftigt, um das grüne Weltbild zu retten. Leider erwähnt er darin nicht, dass Thomas Gold mit seiner Theorie der primären Tiefen-Biosphäre längst erklärt hat, warum im Erdöl Spuren lebender Materie zu finden sind. So muss nun selbst SPIEGELonline eingestehen, dass „Peak Oil“-Theorien in der Finanzwelt derzeit nicht mehr sehr hoch im Kurs stehen, weil allein in diesem Jahr nicht weniger als 200 neue Ölvorkommen entdeckt wurden. (24. September 2009)

Literatur

Edgar Gärtner: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie. Jena 2007

Thomas Gold: Deep Hot Biosphere. The Myth of Fossil Fuels. New York 1999, 2001

James Lovelock: Das Gaia-Prinzip. Die Biografie unseres Planeten. Zürich-München 1991

Internet

Der schwarze Schatz aus der Tiefsee

Ölindustrie erntet Früchte des Booms

BP entdeckt gigantisches Rohölvorkommen

Riesiges Ölfeld vor Sierra Leone entdeckt

Einfach tiefer bohren

Geplatzte Öko-Blase

Geplatzte Öko-Blase 2

Ernst Georg Beck: Der C-Zyklus

Verschüttete Erkenntnisse über den Kohlenstoffkreislauf

Siegfried Emanuel Tischler: Der Erdöl-Schwindel

Wolfgang W.Merkel: „Erdöl auf ewig?“

Weitere Links zu kritischen Beiträgen von scholar.google.com über die Hypothese von Thomas Gold, die nachdenklich machen:

Über Thomas Gold

Bibliografie

Abstract

Abstract

Abstract

Evgeny Yantovski über Golds Hypothese

Havard

Spiedl

Sciencelinks

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Darf Politik sich auf hypothetische Probleme konzentrieren?

Von Edgar L. Gärtner

Selbstverständlich darf sich auch die große Politik, wie jeder Normalsterbliche, hin und wieder mit der Frage „Was wäre, wenn…“ beschäftigen. Doch lehrt uns der gesunde Menschenverstand, dass es oft klüger ist, die Probleme ein Stück weit auf sich zu kommen zu lassen. Denn wer sich ständig nur um ungelegte Eier kümmert, der wird über kurz oder lang unter Brücken nächtigen, sagt eine Volksweisheit. Diese Einsicht sollte sich meines Erachtens auch der großen Politik bemächtigen. Viele vom Wohlfahrtsstaat verwöhnte politische Akteure (das gilt sowohl für Berufspolitiker als auch für ihre Wähler) sperren sich aber dagegen, indem sie sich auf die mir eher gedankenlos als klug erscheinende Devise „Vorbeugen ist besser als heilen“ berufen. Vorbeugen kann man aber nur gegen bekannte Gefahren. Wer etwa an einem großen Fluss baut, muss Vorsorge gegen gelegentliche Überschwemmungen treffen. Oder: Wer bei minus 20 Grad spazieren gehen will, der muss sich warm anziehen und etwas Ordentliches essen. Vorsorge gegen rein hypothetische Gefahren erweist sich hingegen meistens als reine Geldverschwendung, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Einzelne oder Gemeinschaften im realen Leben stattdessen mit Problemen konfrontiert, an die zuvor niemand gedacht hat. Diesen kann man schlecht begegnen, wenn man die verfügbaren Mittel zuvor in die Abwehr rein hypothetischer Probleme investiert hat.

Das zuletzt Gesagte trifft meines Erachtens auf die zurzeit in Europa sehr populäre „Klimapolitik“ zu. Diese stützt sich auf die nur in Computermodellen simulier-, aber experimentell nicht überprüfbare Hypothese, von den Menschen verursachte Kohlenstoffdioxid-Emissionen seien die Hauptursache der im vergangenen Jahrhundert registrierten leichten Erhöhung der Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, und führten, wenn sie nicht gestoppt werden, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu einer gefährlichen Überhitzung unseres Planeten. Um den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf plus zwei Grad Celsius zu begrenzen, dürfe die Menschheit nur noch eine Menge fossiler Brennstoffe nutzen, die dem Äquivalent von 700 Milliarden Tonnen CO2 entspricht. Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Milliardenbeträge, die schon jetzt mit dem Verweis auf diese Hypothese in vermeintlich „klimaneutrale“ neue Energien investiert werden, auch zu den erhofften Resultaten führen werden. Schlimmer noch: Wer diesen Denkansatz akzeptiert, gelangt schnurgerade zu einer kommunistischen Politik der globalen Kohlenstoff-Rationierung und Umverteilung, in der für offenen Wettbewerb als Suchprozess kein Platz mehr ist. Es macht dann keinen Unterschied mehr, ob diese Rationierung durch das Plankommissariat eines imaginären Weltstaates oder durch den Handel mit CO2-Emissions-Zertifikaten auf dem Weltmarkt erfolgt. Insofern wundere ich mich sehr, dass Politiker, die sich als liberal verstehen, sich mit dieser Art von Politik angefreundet haben.

Ist es überhaupt möglich, liberale Politik jemals durch den Verweis auf Naturwissenschaften zu begründen? Die Antwort liegt meines Erachtens auf der Hand. Und das nicht nur, weil naturwissenschaftliche Theorien nach Karl R. Popper immer hypothetisch und daher korrigierbar bleiben müssen. Zurzeit spricht zum Beispiel Vieles dafür, dass „Klimawandel“ in den kommenden Jahrzehnten statt Erwärmung eher Abkühlung bedeuten wird. Die auf die Bedkämpfung der (hypothetischen) globalen Erwärmung zugeschnittene Politik aber wird unkorrigierbar, sobald sie erst einmal in den Aufbau von Bürokratien übersetzt worden ist. Dieser Punkt ist vermutlich schon erreicht, denn in Bonn, New York und Genf sind in im Namen der Bekämpfung der Erwärmung durch CO2-Reduktion bereits bürokratische Wasserköpfe entstanden. Deren bloße Existenz verhindert weitere Lernprozesse in Sachen Mensch und Klima. Konkret wird das vermutlich bedeuten: Auch wenn es immer häufiger zu kältebedingten Ernteausfällen kommt und immer mehr Menschen an Erkältungskrankheiten leiden, wenn nicht sterben, werden noch immer Milliardenbeträge für die Bekämpfung der fiktiven Erwärmung ausgegeben werden.

Für noch wichtiger halte ich aber folgendes Argument: Demokratische Politik im heutigen Sinne wurde bekanntlich in antiken und mittelalterlichen Stadtstaaten erfunden. Globale Politik ist nach klassischem, nicht imperialem Politikverständnis ein Widerspruch in sich. Die physische Einheit des Planeten Erde ist politisch von untergeordneter Bedeutung und wird es vermutlich auch bleiben. Denn die meisten Menschen haben, zum Glück, gelernt, auf Probleme erst dann durch kostenträchtige individuelle und kollektive Anpassungsmaßnahmen zu reagieren, wenn sie sie am eigenen Leib spüren oder ihnen nahe kommen sehen. (16. Juni 2009)

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Öko-Nihilismus: Wirtschaftlicher Selbstmord aus Angst vor dem Tod

von Edgar Gärtner

Entscheidungen, deren Kosten ihren Nutzen dauerhaft weit übersteigen, sind schlicht dumm. Denn auf eine ganze Volkswirtschaft übertragen, wären sie gleichbedeutend mit Selbstmord. Da der Billionen verschlingende „Klimaschutz“ im Nichts enden wird, bezeichne ich diese Perversion von Ökologie als „Öko-Nihilismus“ – was nur eine andere Bezeichnung für Dummheit ist. Ein Meinungsbeitrag von Edgar Gärtner.

Es gibt zwei konträre, mitunter aber auch komplementäre Auffassungen von Ökologie:

Zum einen die von der „Physico-Theologie“ des 17. und 18. Jahrhunderts ausgehende statische, hauswirtschaftliche, wonach die Welt ein geschlossenes, tendenziell vollständig analysierbares System im Gleichgewicht, genannt Naturhaushalt darstellt.

Dieser soll durch die Anwendung wissenschaftlich abgeleiteter Management-Regeln mit wenigstens 90-prozentiger Gewissheit hausväterlich verwaltet werden können.

Dem gegenüber steht die evolutionistische Sicht, wonach die Welt nach allen Seiten (außer nach rückwärts) offen ist. Es gibt darin kein statisches Gleichgewicht, keine prästabilisierte Harmonie. Systeme existieren, so gesehen, nur in unseren Köpfen oder in Dingen bzw. Organisationen, die wir bewusst schaffen. Menschliches Wissen bleibt immer eine Insel in einem Meer von Nichtwissen. Statt 90 Prozent wissen wir oft weniger als ein Prozent von dem, was wir wissen müssten, um natürliche und/oder gesellschaftliche Prozesse zielgerichtet steuern zu können.

Wir müssen aus Versuch und Irrtum lernen. Nur historisch gewachsene und bewährte Institutionen, angefangen mit der Familie und der Gemeinde, bieten uns danach provisorische Gewissheit. Erst im Rahmen solcher Institutionen bekommt ein haushälterisches Herangehen an Probleme der Ressourcen-Allokation Sinn.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln sich im Gewicht, das verschiedenen Methoden der kollektiven Entscheidungsfindung beigemessen wird. Oberhalb der „magischen Zahl“ von 150 Personen (Familien oder Clans) gibt es im Grunde nur zwei Wege kollektiver Entscheidungsfindung: den Markt und die Bürokratie.

Der Markt ist historisch älter, denn schon der Homo sapiens sapiens von Cro Magnon betrieb vor Zigtausend Jahren nachweislich Fernhandel mit unbekannten Zeitgenossen und verdankt diesem vermutlich sein Überleben in der unwirtlichen Eiszeit.

Dennoch erscheint uns der Markt noch heute als „künstlich“, weil das über Hunderttausende von Jahren an das Leben in kleinen Horden angepasste menschliche Hirn mit unpersönlichen Formen des Austauschs offenbar schlecht zurechtkommt. Demgegenüber erscheint uns die erst sehr viel später mit dem Leben in größeren Städten aufgekommene Bürokratie eher als „natürlich“, weil diese offenbar an die hierarchische Struktur der Familie bzw. des Clans erinnert.

Bürokratische Versuche, reale oder vermeintliche Probleme zu lösen, erscheinen den meisten Menschen als attraktiver, als sich der Ungewissheit offener Märkte anzuvertrauen, wenn nicht auszuliefern. Außer in Notzeiten, in denen die Marktwirtschaft spontan in Form des Schwarzhandels aufblüht, bedarf die Marktwirtschaft deshalb meistens einer ordnungspolitischen Förderung. Der freie Markt bleibt eine Kulturaufgabe.

Ein Stück weit muss Bürokratie auch in einer freien Marktwirtschaft als notwendiges Übel akzeptiert werden: So in Buchführung und Statistik oder im Banken- und Versicherungswesen. Markt und Bürokratie können sich im Prinzip ganz gut ergänzen, sofern die Bürokratie sich damit begnügt, die Ergebnisse des Wettbewerbs und des damit verbundenen Lernens aus Versuch und Irrtum festzuhalten, um zu vermeiden, dass Fehler wiederholt werden. Gelangt die Bürokratie jedoch in eine führende Rolle, wird sie leicht zur „Anmaßung von Wissen“ (Friedrich August von Hayek). Diese führt nicht nur zu ineffizienter Ressourcen-Allokation, sondern auch zur Versuchung des Nihilismus.

Nihilismus bedeutet nach Albert Camus nicht, an nichts zu glauben, sondern nicht an das, was ist.

Nach Friedrich Nietzsche, der den Begriff prägte, handelt es sich beim Nihilismus um ein zweideutiges und daher hoch gefährliches Durchgangsstadium zwischen dem Abfall von Gott und dem Glauben an den Übermenschen. Habe ich Nietzsche richtig verstanden, dann ist Nihilismus lediglich eine vornehme Umschreibung von Dummheit.

Diese hat wenig mit dem IQ zu tun, dafür aber umso mehr mit krankhafter Religiosität, mit dem Glauben, es gebe etwas Wichtigeres als das wirkliche Leben in Freiheit und Würde. Oft setzen Nihilisten alles daran, etwas wirklich oder scheinbar Gutes zu erreichen, achten dabei aber nicht auf dessen Preis. Dieser kann unverhältnismäßig hoch sein. Das ist eindeutig der Fall, wenn des vermeintlich Guten wegen nicht nur Freiheit und Menschenwürde, sondern u. U. sogar Millionen von Menschenleben geopfert werden, was im 20.Jahrhundert leider wiederholt vorkam. Nihilismus wurde und wird noch heute auch zur physischen „Negation des Lebens“ (Nietzsche).

Die aktuell gefährlichste Form von Nihilismus bzw. gutmenschlicher Dummheit sehe ich im „Klimaschutz“, weil dieser alles auf eine Karte setzt. Um das Ziel einer 20-prozentigen Reduktion des „Treibhausgases“ Kohlenstoffdioxid (CO2) bis zum Jahre 2020 zu erreichen und damit eine „Vorreiterrolle“ im Kampf gegen den als bedrohlich dargestellten Klimawandel spielen zu können, müssen nach den von der deutschen Bundesregierung im August 2007 im Schloss Meseberg getroffenen Beschlüssen schätzungsweise 500 Milliarden Euro investiert werden. Die EU-Kommission hat das Meseberger Programm im Januar 2008 für die ganze EU verbindlich gemacht. Dessen Gesamtkosten, so es denn umgesetzt wird, gehen also in die Billionen. Diesen Rieseninvestitionen stünde mit Sicherheit kein messbarer Einfluss auf die Durchschnittstemperatur der Erde gegenüber. Denn Deutschlands Beitrag zu den globalen CO2-Emissionen wird, nach „offiziellen“ Projektionen, im Jahre 2020 nur noch 1,6 und im Jahre 2030 gerade noch 1,2 Prozent ausmachen, während China allein über ein Viertel beisteuern würde.

Zwar führt die „Klimaschutzpolitik“ der Bundesregierung, die Förderung unbezahlbarer „erneuerbarer“ Energiequellen bei gleichzeitigem Verzicht auf den Weiterbetrieb abgeschriebener und daher konkurrenzlos kostengünstiger Kernkraftwerke zweifelsohne auch zu einem Aufschwung mittelständischer Industrie- und Handwerksbetriebe. Aber diese Blüte und die mit ihr verbundene Schaffung Hunderttausender von (hoch subventionierten) Arbeitsplätzen werden erkauft durch enorm steigende Energiepreise. Das könnte sich als fatal erweisen, sollten jene Astronomen Recht behalten, die vor einer „Kleinen Eiszeit“ infolge nachlassender Sonnenaktivität warnen.

Gedankenlos nimmt so die „Klimapolitik“ mit der (gewollten) Verteuerung von Energieträgern und Nahrungsmitteln Hunger- und Erfrierungsopfer in Kauf, um vorgeblich ein statistisches Konstrukt, die bodennahe Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, zu schützen.

„Klimaschutz“ durch die Drosselung von CO2-Emissionen mithilfe des Einsatzes „erneuerbarer“ bzw. kohlenstoffarmer Energieträger und des Handels mit streng rationierten CO2-Emissionsrechten ist die bürokratische Antwort auf den ständigen, auch ohne menschliches Zutun ablaufenden Klimawandel. Statt auf der unvoreingenommenen Überprüfung von Hypothesen mithilfe von Experimenten und Messungen beruht die bürokratische Herangehensweise auf der Herstellung eines scheinbaren Konsenses über CO2-Emissionen als Hauptursache des Klimawandels mithilfe numerischer Computersimulationen im „Weltklimarat“ IPCC.

In welchem Maße es auf der Erde in den nächsten 100 Jahren wärmer oder kühler wird, können uns numerische Modelle der atmosphärischen Zirkulation, wie die US-Atmosphärenforscher Gerald Roe und Marcia Baker (in „Science“ vol. 318, p. 582) durch Tests aller gängigen „Klimamodelle“ demonstriert haben, aber gar nicht sagen. Die vernünftige Antwort auf diese Herausforderung liefert uns der gesunde Menschenverstand. Dieser legt uns nahe, Probleme immer ein Stück weit auf uns zukommen zu lassen, statt uns um ungelegte Eier zu sorgen. Wir müssen versuchen, uns dem unvorhersehbaren und unaufhaltsamen Wandel möglichst intelligent anzupassen.

Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind Wettbewerb und Glaubensfreiheit.

Mehr Wettbewerb führt erfahrungsgemäß zur Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands. Dieser wiederum erleichtert die Anpassung an unvorhersehbare Entwicklungen wie Erdbeben oder Klimaverschiebungen. Denn nicht zufällig unterscheiden sich die Opferzahlen bei schweren Erdbeben in armen und reichen Ländern um einige Größenordnungen. Schreitet die „Klimapolitik“ jedoch auf dem eingeschlagenen Weg fort, droht uns m. E. eine allgemeine Verarmung und damit ein Sinken der Anpassungsfähigkeit, wenn nicht Selbstmord auf Raten.

Dennoch stehen die Chancen, dem pseudoreligiösen Wahn des „Klimaschutzes“ ein Ende zu bereiten, derzeit nicht besonders gut. Dafür sorgt ein staatsmonopolistisches Kartell von Profiteuren maßgeschneiderter Gesetze im Namen des „Klimaschutzes“: der Öko-Industrie-Komplex. Zu diesem bekannten sich jüngst in einer auf Initiative des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) zustande gekommenen Erklärung zum bevorstehenden G8-Gipfel die Chefs von 91 internationalen Industrie-, Bank- und Versicherungskonzernen.

Darin machen sie sich stark für eine „kohlenstoffarme“ Wirtschaft durch eine Halbierung der weltweiten CO2-Emissionen bis zum Jahre 2050. Dabei gelte es, internationale „top-down“-Verpflichtungen mit „bottom-up“-Initiativen mithilfe von „Marktmechanismen“ zu einer „intensiven Public-Private-Cooperation“ zu verbinden. Was die ergrünten CEOs unter „Marktmechanismen“ verstehen, hat aber mit offener Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards wenig zu tun. Es handelt sich vielmehr um die geschlossene und statische Welt der Bürokratie. Deshalb wäre es nur logisch, diese Konzerne umgehend zu verstaatlichen.

Für die Verbreitung der Dummheit bedarf es keiner Verschwörung, denn Dummheit ist von sich aus hoch ansteckend. Das hat die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann in ihrem Klassiker „Die Schweigespirale“ gezeigt.

Was als Offensive des Bürokratismus begann, droht deshalb zu einer gegenüber der Realität abgedichteten „totalitären Fiktion“ zu werden. Es ist zwecklos, die Erfinder und Profiteure dieser Fiktion widerlegen zu wollen.

Das hat die Philosophin Hannah Arendt am Beispiel der (noch immer fortlebenden) Fiktion einer jüdischen Weltverschwörung demonstriert. Hitler konnte nicht widerlegt, sondern nur militärisch besiegt werden, bemerkte Arendt trocken.

Auf die heutige Situation übertragen, heißt das für mich: Wir müssen versuchen, den Öko-Industrie-Komplex und seine nihilistischen Propheten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

(veröffentlicht am 12. August 2008 auf www.wiwo.de)

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Die Schöpfung bewahren… von Edgar Gärtner

Barack Obama hat zumindest in Deutschland Papst Benedikt XVI. die Show gestohlen. Doch während vom berauschenden Wortschwall an der Berliner Siegessäule vermutlich nicht viel hängen bleiben wird, haben die Massenmedien rund um die Welt in seltener Eintracht Benedikts Ansprache auf dem Weltjugendtag in Sydney als Ausdruck des Ergrünens des Vatikans gewertet. Unwidersprochen wurde behauptet, Benedikt reihe sich nun ein in den Kampf gegen den Klimawandel. Die deutsche Katholische Bischofkonferenz, die sich schon vor fast zwei Jahren unter dem Motto „Die Schöpfung bewahren!“ vorbehaltlos den Katastrophenwarnungen des „Weltklimarates“ IPCC angeschlossen hatte, wird sicher nichts tun, um diesem Missverständnis entgegen zu treten. Doch wer sich Benedikts Redetext genauer anschaut, stellt fest, dass darin von „Klimaschutz“ nirgends die Rede ist. Nur an einer Stelle spielt der Papst überhaupt auf das Klima-Thema an: Als er darauf hinweist, einige Inselstaaten seien von steigenden Fluten bedroht, während andere Nationen unter verheerender Trockenheit litten. Kein Wort über „Treibhausgase“.

Dagegen warnt der Oberhirte der Katholiken vor Erosion, Entwaldung sowie vor der Verschwendung mineralischer Rohstoffe und der Reichtümer des Meeres. Das sei Ausdruck eines unstillbaren Konsumhungers. Damit drückte er aus, dass er die gesellschaftlichen Lebensbedingungen seiner Schäflein für mindestens ebenso wichtig erachtet wie die physischen. Ökologie habe auch eine moralische Dimension, betont der Papst. Wunden und Narben an der sozialen Umwelt müssten als Signale für unhaltbare Zustände ernst genommen werden. Benedikt XI. unterstützt zwar die Idee einer nachhaltigen Entwicklung, warnt aber davor, bei deren Umsetzung die Menschenwürde in konstruktivistischer Hybris hintan zu stellen. Einmal mehr geißelte Benedikt XVI. die „Diktatur des säkularen Werterelativismus“. Diese sei verantwortlich für Fehlentwicklungen wie Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, sexuelle Verwahrlosung und Gewaltverherrlichung.

Josef Ratzinger alias Benedikt XVI. hätte noch deutlicher werden können. In seinem Bestseller „Jesus von Nazareth“ (2007) legte Josef Ratzinger als Kardinal, nicht als Papst, seinen Lesern auf Seite 71 zwischen den Zeilen sogar nahe, in der auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten „Agenda 21“ die Bibel des Antichrist zu sehen. Ratzinger hatte sich schon 1968 als Theologieprofessor in seiner „Einführung in das Christentum“ gegen eine Politische Theologie gewandt, die dazu verleiten könnte, im Namen des Primats des Machbaren gegenüber dem Gemachten Gott zu spielen. Die Menschen könnten ihre Lebensressourcen „Liebe“ und „Sinn“ nicht selbst kreieren, sondern nur als Geschenk empfangen, mahnte Ratzinger. Nach meinem Verständnis impliziert das die Ablehnung einer globalen „Klimapolitik“ nach dem Muster des Kyoto-Protokolls. Denn diese Politik läuft auf den größenwahnsinnigen Versuch hinaus, mithilfe einer künstlichen Verteuerung von Energie und Nahrung eine im Detail chaotische und daher nicht vorhersehbare zyklische Entwicklung in den Griff zu bekommen.

Die Losung „Schöpfung bewahren!“ liegt zwar eindeutig auf der Linie des christlichen Primats des Gemachten vor dem Machbaren. Aber eine Politik nach dem Muster des Kyoto-Protokolls kann sie nicht rechtfertigen. Gehören das CO2, ohne das kein pflanzliches Leben auf der Erde möglich ist, und die Menschen, die es umso stärker ausstoßen, je freier und intensiver sie leben, etwa nicht zur Schöpfung?

(veröffentlicht am 28. Juli 2008 auf www.ef-online.de

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Klimaschutzpolitik als Ausdruck des Nihilismus

Ein Plädoyer für gesunden Menschenverstand und Wettbewerb statt Bürokratie und konsensuale Gutheissung

Der Klimawandel wird mit politischen und bürokratischen Mitteln zu bekämpfen versucht. Der Autor kritisiert diesen statischen Ansatz und plädiert für mehr Wettbewerb und gesunden Menschenverstand, um sich nicht die künftigen Chancen zu verbauen. (Red.)

Von Edgar Gärtner*

In den Auseinandersetzungen um den richtigen Umgang mit dem Klimawandel oder den Gesundheitsrisiken von Chemikalien geht es im Grund um den Kampf zwischen zwei kaum vereinbaren Weltbildern. Auf der einen Seite steht die Auffassung, wir Menschen lebten in einem geschlossenen System (Naturhaushalt) und könnten durch dessen fortschreitende Erforschung wenigstens mit 90%iger Gewissheit die Kräfte erlangen, die das System im Gleichgewicht halten. Der Naturhaushalt und die Lebensgrundlagen, die er uns liefert, könnten folglich durch die Anwendung wissenschaftlich abgeleiteter Management-Regeln haushälterisch verwaltet werden. Das ist die Sicht der vordarwinistischen (und präkantianischen), aus der Physico-Theologie des 17. und 18. Jahrhunderts hervorgegangenen Ökologie.

Insel im Meer des Nichtwissens

Ihr gegenüber steht die auf Charles Darwin (1859) zurückgehende evolutionäre Sichtweise, wonach es in der Natur keine prästabilierte Harmonie gibt. Vielmehr ist die Welt in jeder Hinsicht offen. Fast alles befindet sich in ständigem Fluss. Die Entwicklungsrichtung von Mensch und Natur ist das Ergebnis des Lernens aus Versuch und Irrtum. Systeme existieren daher nur in unseren Köpfen oder in Gegenständen beziehungsweise Organisationen, die wir bewusst schaffen. Menschliches Wissen bleibt eine Insel in einem Meer von Nichtwissen. Oder mit anderen Worten: Statt 90% wissen wir meist weniger als 1% von dem, was wir wissen müssten, um Entwicklungen in Natur und Gesellschaft gezielt steuern zu können. Wir müssen – nur mit dem schwachen Licht der Vernunft ausgerüstet – im Dunkeln voranschreiten. Nur im «Kampf ums Dasein» bewährte Institutionen, beginnend mit der Familie, der Kommune und der Kirchgemeinde, vermitteln uns dabei provisorische Gewissheit. Nur in deren Rahmen kann auch ein haushälterisches Herangehen an Probleme der Ressourcenversorgung sinnvoll sein.

In der evolutionären Sichtweise kann es keine ökologische Nachhaltigkeit ohne Freiheit geben, denn diese ist Voraussetzung des Lernens aus Versuch und Irrtum. Freiheit bedeutet Reden und Handeln im Einklang mit seinen mentalen Dispositionen. Dabei überwiegen Glaubenssätze, Motive und Präferenzen, die ihren individuellen Trägern nur zum Teil bewusst sind. Bewusstes wissenschaftliches Wissen ist hingegen weniger wichtig als der gesunde Menschenverstand. Das gilt auch für kollektive Entscheidungsprozesse. Nur in Familien, Clans oder Horden bis zu einer Gruppenstärke von höchstens 150 Personen können diese unmittelbar ausdiskutiert werden, wobei bekanntlich nicht alle Stimmen das gleiche Gewicht haben. Vielmehr kommt es auf die Meinung von Häuptlingen oder anderen Autoritäten an.

Verführerische Bürokratie

Oberhalb der «magischen Zahl» von 150 gibt es im Grund nur zwei Methoden kollektiver Entscheidungsfindung: den Markt und die Bürokratie. Der Markt ist zwar historisch viel älter, denn wir wissen, dass schon die Jäger und Sammler der Steinzeit Fernhandel mit unbekannten Menschen trieben. Dennoch erscheint er als «künstlich», weil das menschliche Hirn, angepasst an das Jahrtausende bis Jahrmillionen währende Leben in überschaubaren Horden, schlecht mit unpersönlichen Formen des Austauschs zurechtkommt. Viel «natürlicher» scheint uns eigenartigerweise die erst viel später mit dem Leben in grösseren Städten aufgekommene Bürokratie zu sein, weil sie vermutlich an die hierarchische Struktur der Horde erinnert. Die Bürokratie kann viel verführerischer sein als der Markt. Deshalb bedarf es einer Ordnungspolitik zur Eindämmung bürokratischer Auswüchse.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Risikovorsorge. Das «Vorsorgeprinzip» wurde im Jahr 1992 auf der Uno-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (Unced), dem legendären «Erd-Gipfel» von Rio, folgendermassen definiert: «Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Massnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben» (Grundsatz 15 der Rio-Deklaration).

Wie verträgt sich dieser Grundsatz mit dem Prinzip der Verhältnismässigkeit, wonach die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen von Massnahmen stehen müssen? Weil der ebenfalls 1992 angenommene EU-Vertrag von Maastricht im Artikel 130r (später 174) das Vorsorgeprinzip kodifizierte, aber nicht näher definierte, sah sich die EU-Kommission im Jahr 2000 veranlasst, in einem umfangreicheren Papier zu präzisieren, dass seine Anwendung im Risikomanagement auf einer wissenschaftlichen Risikobewertung und einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung fussen muss. Kurz: Das Vorsorgeprinzip schliesse das im Maastricht-Vertrag ebenfalls kodifizierte Prinzip der Verhältnismässigkeit und die damit verbundene Verpflichtung zur Gesetzesfolgen-Abschätzung ein. Leider spielt der Maastricht-Vertrag heute für die Begründung der EU-Politik kaum noch eine Rolle.

Übertriebene Vorsorge

Vorsorgeaufwendungen, die mehr kosten, als sie je einbringen können, gelten zu Recht als bescheuert, als irrational. Das ist eindeutig der Fall, wenn das Vorsorgeprinzip als Forderung nach einem «Nullrisiko» ausgelegt wird. So erklärte beispielsweise der damals in der EU federführende österreichische Umweltminister Josef Pröll im Jahr 2006 bei der Verabschiedung der Dubai-Deklaration zur Chemikalien-Sicherheit: «Die Deklaration sagt: Wenn du dir nicht sicher bist, welche Auswirkungen etwas hat, lasse die Finger davon.» Hätten die Menschen immer diesen Grundsatz befolgt, hätten sie weder das Feuer gezähmt noch das Rad erfunden! Und man müsste auch Schokolade verbieten, weil man mit Utensilien und Zutaten, die in jeder Küche zu finden sind, daraus leicht gefährlichen Sprengstoff herstellen könnte. Übertriebene Vorsorge führt also zum Stillstand, wenn nicht gar zum Tod. Die dahinterstehende Denkweise heisst Nihilismus.

Was verstehen wir darunter? In gängigen Lexika wie der Online-Enzyklopädie «Wikipedia» liest man meistens, Nihilisten glaubten an gar nichts. Heute gelten islamistische Selbstmordattentäter als typische Nihilisten. Niemand kann aber behaupten, diese glaubten an nichts. Deshalb scheint mir die Nihilismus-Definition, die der französische Schriftsteller Albert Camus in seinem 1951 veröffentlichten Essay «Der Mensch in der Revolte» gab, weitaus erhellender zu sein. «Der Nihilist», schrieb Camus, «glaubt nicht an nichts, sondern nicht an das, was ist.» Er berief sich dabei auf Friedrich Nietzsche, der den Nihilismus als Negation des Lebens definiert hatte. Allgemein bedeutet danach Nihilismus, etwas höher zu schätzen als das menschliche Leben in Freiheit und Würde. Für die Motive von Selbstmordattentätern trifft das sicher zu.

Negation des Lebens

Selbstmordattentate sind aber heute beileibe nicht die einzige und wahrscheinlich nicht einmal die wichtigste Manifestation des Nihilismus. Auch hinter Übertreibungen der heutigen Wellness-Bewegung lassen sich unschwer nihilistische Motive ausmachen. Viele Wellness-Jünger tun des Guten zu viel und verpassen über der Sorge, ob sie wirklich alles Denkbare für den Erhalt ihrer Gesundheit getan haben, das Leben. Statt sich des Lebens zu erfreuen, heben sie sich die Gesundheit für das Ende ihrer Tage auf. «Auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot», bemerkte dazu mit trockenem Humor der bekannte Psychiater und katholische Theologe Manfred Lütz.

Wirtschaftlicher Selbstmord aus Angst vor dem Tod

Weniger lustig mutet dagegen der verbissene Kampf von Umweltverbänden und grünen Politikern gegen verdächtige Kunststoffweichmacher in lebensrettenden Blutbeuteln und flexiblen Infusionsschläuchen an – alles in guter Absicht, versteht sich. Offenbar ist ihnen aber nicht recht bewusst, dass sie den Übertritt gewisser Weichmachermengen in das Blut von Patienten für ein grösseres Übel halten, als die Patienten ohne die Verabreichung von Blutkonserven oder künstlicher Nahrung ihrem Schicksal zu überlassen. Da vergeht einem schon das Lachen.

Vorteile der Klimaerwärmung

Als noch gefährlicher erscheint mir der in der Klimaschutzpolitik zutage tretende gedankenlose Nihilismus. Denn die EU schickt sich an, für den Kampf gegen den vermutlich unvermeidlichen Klimawandel in Gestalt der Förderung unwirtschaftlicher «erneuerbarer» Energien und des verordneten CO 2 -Emissions-Handels nicht weniger als 500 Mrd. € lockerzumachen. Angesichts des Eifers der amtlichen Weltretter muss der nüchterne Beobachter zum Eindruck gelangen, hier werde der wirtschaftliche Selbstmord aus Angst vor dem Tod vorbereitet, zumal eine mässige Erwärmung der Erde sicher mehr wirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile als Nachteile mit sich brächte.

Es ist nicht klar, was die Klimapolitik eigentlich schützen will. Die gegebenen Grenzen zwischen den Klimazonen der Erde? Oder einen globalen Temperaturmittelwert? Woher weiss die politische «Elite», die sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat, überhaupt, in welche Richtung sich die Durchschnittstemperatur bewegen wird? Aus Modellrechnungen auf Grosscomputern, die davon ausgehen, dass die Erde ein geschlossenes System («Treibhaus») ist?

Im vergangenen Herbst haben die US-Statistiker Gerald Roe und Marcia Baker in der Publikation «Science» (Vol. 318, Seite 582) einen vergleichenden Test aller gängigen Klimamodelle veröffentlicht. Sie kommen dabei zum Schluss, numerische Modell-Läufe der atmosphärischen Zirkulation könnten grundsätzlich nicht herausfinden, ob es in den nächsten 100 Jahren auf der Erde wärmer oder kühler wird. Wir brauchen uns daher mit Details der Klimaprojektionen gar nicht mehr zu befassen. Wie die Zukunft aussehen wird, bleibt wie eh und je eine Glaubenssache.

Der gesunde Menschenverstand weiss seit langem, mit dieser heute von manchen aufgeregten Zeitgenossen als völlig neu empfundenen Situation umzugehen, indem er uns lehrt, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Glaubens- und Redefreiheit sowie der Wettbewerb zwischen verschiedenen Problemlösungsansätzen sind die wichtigsten Voraussetzungen der gesellschaftlichen Anpassung an unvorhersehbare Entwicklungen wie Erdbeben oder Klimaverschiebungen. Der Wettbewerb fördert gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Wohlstand. Dieser wiederum ist die beste Vorsorge gegenüber Naturkatastrophen und anderen Unbilden. Denn bekanntlich unterscheiden sich die Opferzahlen bei vergleichbar starken Erdbeben in armen und wohlhabenden Ländern in der Regel um einige Grössenordnungen.

Nur provisorische Gewissheiten

Dennoch orientiert sich die Klimaschutzpolitik nicht an diesem bewährten Muster gesellschaftlicher Problemlösung, sondern am scheinbar näherliegenden bürokratischen Ansatz. Einen Wettbewerb verschiedener Herangehensweisen bei der Suche nach den effizientesten, gerechtesten und nachhaltigsten Lösungen kann es hier nicht geben. Das unvoreingenommene Streben nach Wahrheit musste durch die Herstellung eines scheinbaren Konsenses über das Spurengas CO2 als vermeintliche Hauptursache des Klimawandels ersetzt werden, obwohl es keine statistische Korrelation zwischen der CO2-Konzentration und der Temperatur der Luft gibt. Das 1988 von der World Meteorological Organization und dem Umweltprogramm der Uno (Unep) eingesetzte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bekam den ausdrücklichen Auftrag, zu demonstrieren, dass der Mensch mit seinen CO 2 -Emissionen für die leichte Erderwärmung des letzten Jahrhunderts verantwortlich ist. Das allein reicht schon, um das Gremium als politische Einrichtung zu charakterisieren, denn in der Wissenschaft hat der Begriff «Konsens» nichts zu suchen. Hier steht nach Karl Raimund Popper die «Refutation» begründeter Vermutungen (Hypothesen) mit Hilfe intelligenter Experimente und des kritischen Disputs im Mittelpunkt, das heisst gerade nicht die konsensuale Gutheissung und Kodifizierung von Aussagen. Es gibt auch hier nur provisorische Gewissheit.

Gefährliche Ziele

In der Politik hingegen ist Konsens durchaus erwünscht. Seine Grundlage kann aber nur zum geringsten Teil die Wissenschaft liefern. Viel grösseres Gewicht sollte nach Auffassung der Totalitarismus-Kritikerin Hannah Arendt der gesunde Menschenverstand haben. Und dieser verbietet es, alles auf die Karte einer einzigen vermuteten Ursache des Klimawandels zu setzen. Wer das dennoch tut, setzt unseren Wohlstand und damit auch unsere Anpassungsfähigkeit aufs Spiel. Mehr noch: Wer am Ziel festhält, die CO2-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte zu halbieren oder, wie vom amerikanischen Ex-Vizepräsidenten Al Gore gefordert, sogar um 90% zu senken, nimmt – bewusst oder unbewusst – den Tod jener Abermillionen von Menschen in Kauf, die infolge der klimapolitisch bedingten Preisexplosion bei Nahrungsmitteln und Energieträgern schlicht überzählig werden. (erschienen in: Neue Zürcher Zeitung am 7. Juni 2008)

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Gesunder Menschenverstand

Nicht einmal Brotkrusten durften wir in meinem streng katholischen Elternhaus wegwerfen. Sie kamen ins Schweinefutter. Mais und Weizen zu verheizen, um dadurch Wetter und Klima zu beeinflussen – das wäre uns als Sakrileg erschienen. Uns Kindern war beigebracht worden, im Zweifelsfall immer für das Leben Partei zu ergreifen. Viele der jüngeren Generation tun sich bis heute schwer, wenn es darum geht, nicht nur zwischen Gut und Böse, sondern zwischen zwei Übeln abzuwägen. Diese Fähigkeit der Abwägung ist der Kern dessen, was als „gesunder Menschenverstand“ gilt. Heute streiten viele nicht selten ab, dass es so etwas überhaupt gibt, indem sie Ethik auf die Durchsetzung und Anerkennung von Wertekatalogen reduzieren. Doch damit bestätigen sie nur die Diagnose der Philosophin Hannah Arendt, die im Verlust des gesunden Menschenverstandes das wichtigste Charakteristikum der Moderne sah.

Seit Friedrich Nietzsche heißen Menschen, denen die Fähigkeit der Übelabwägung abhanden gekommen ist, Nihilisten oder Gutmenschen. Diese Menschen, das betonte der französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus im Anschluss an Nietzsche, glauben nicht an nichts, sondern nicht an das, was ist. Sie führen meist nichts Böses im Schilde, sondern erstreben mit Nachdruck etwas Gutes. Dabei vergessen sie, dass alles einen Preis hat. Dieser kann im Extremfall darin bestehen, der guten Absicht nicht nur die Freiheit, sondern das Leben von Tausenden, wenn nicht sogar von Millionen Menschen zu opfern. Im „modernen“ 20.Jahrhundert gibt es dafür etliche Beispiele.

Im gerade begonnenen 21. Jahrhundert droht leider eine Fortsetzung dieser unheilvollen Entwicklung, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Diesmal sind es nicht mehr nur Stammesfehden und Eroberungskriege, die Hunderttausende von unschuldigen Opfern fordern. Als noch folgenreicher könnte sich die Arbeit eines schwach legitimierten Gremiums, des „Weltklimarates“ IPCC, erweisen, der im „Konsens“ mit seinen politischen Auftraggebern entschieden hat, nicht Armut, Hunger und Krankheit seien die dringendsten Herausforderungen der Menschheit, sondern der Klimawandel. Um diesen zu bekämpfen, erscheint manchen beinahe jedes Mittel recht. So wurden die Warnungen des Nestlé-Chefs Peter Brabeck-Letmathe vor einer drohenden Hungerkatastrophe infolge der Umwidmung immer größerer Ackerflächen für die Produktion „klimaneutraler“ Brenn- und Treibstoffe so lange in den Wind geschlagen, bis es nun zu Hungeraufständen kam. Wann wird sich die EU wieder an ihrem christlichen Erbe statt an Weltverbesserungsplänen orientieren?

(erschienen in: WELTonline am 27. April 2008)

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2. November 2007, 04:00 Uhr Von Edgar Gärtner

Gastkommentar in: DIE WELT:

Lob des kleineren Übels

Fast alle Menschen wollen das Gute. Selbst Tyrannen sind meist subjektiv davon überzeugt, nur gute Absichten zu verfolgen. Die moderne Öffentlichkeitsarbeit in Politik und Wirtschaft folgt daher der Devise „Tue Gutes und rede darüber!“ Dieser Grundsatz ist freilich noch nicht sehr alt, und es erscheint keineswegs sicher, dass er sich auch als nachhaltig erweisen wird.Niccolò Machiavelli, der zu Recht noch immer als der größte Lehrmeister der politischen Öffentlichkeitsarbeit anerkannt ist, gab jedenfalls den Fürsten im Gegenteil den ganz und gar unchristlich anmutenden Rat, ihre Untertanen im Zweifelsfalle eher das Fürchten zu lehren, als sich auf ihre Liebe und Zuneigung zu verlassen. Ein unvoreingenommener Rückblick auf das 20. Jahrhundert könnte zeigen, dass der Meister mit diesem Ansinnen so falsch nicht lag. Denn alle großen Untaten, die dem vergangenen Jahrhundert ihr Gepräge gaben, wurden durch das Gute begründet. Hitler, Stalin und Mao wurden von der großen Mehrheit ihrer Völker innig geliebt, wenn nicht angebetet, obwohl sie der Umsetzung ihrer Weltverbesserungspläne zig Millionen Menschen opferten. Dabei hätte man wissen können, dass es nicht genügt, das Gute zu wollen. Gehört es doch schon lange zu den Volksweisheiten, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist.Die meisten Menschen wissen auch aus ihren Alltagserfahrungen: Wer das Gute anstrebt, muss dabei oft gewisse üble Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Am leichtesten fallen noch Entscheidungen zwischen etwas Gutem und etwas klar Bösem. Schon etwas schwieriger ist oft die Wahl zwischen etwas Gutem und etwas weniger Gutem. Am schwierigsten ist es jedoch, sich zwischen zwei Übeln entscheiden zu müssen. Manchmal zeigt es sich, dass die Hinnahme kleiner Übel besser ist als die Durchsetzung scheinbar zeitlos guter Ziele nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“.Was der Alltag zeigt, dürfte auch in Politik und Wirtschaft gelten. Warum setzt die Öffentlichkeitsarbeit dennoch oft darauf, üble Nebenwirkungen des Guten zu verdrängen? So konnte sich in der Energiepolitik eine Denkweise ausbreiten, die um des Guten, der Stabilisierung der Durchschnittstemperatur willen, Investitionen in absolut unwirtschaftliche Techniken wie Windräder oder Fotovoltaikanlagen verlangt, während alle bezahlbaren Formen der Energiegewinnung, also Atom- und Kohlekraftwerke, bekämpft werden. Wie lässt sich demgegenüber eine rationale Übelabwägung kommunizieren? Das ist derzeit die wichtigste Herausforderung einer verantwortungsvollen Öffentlichkeitsarbeit.