Nachhaltige Begriffsverwirrung um „Erneuerbare“



 Beim Schlagwort „erneuerbar“ bekommen die meisten Deutschen leuchtende Augen. Glaubt man Meinungsumfragen, so hätten 80 bis 90 Prozent der Deutschen gerne so rasch wie möglich eine Energieversorgung, die zu hundert Prozent auf „Erneuerbaren“ beruht. Da hilft es wenig darauf hinzuweisen, dass es nach den Gesetzen der Physik in der irdischen Welt überhaupt keine erneuerbare Energie geben kann, weil jede Form hochwertiger, zur Arbeitsleistung tauglicher Energie sich nach getaner Arbeit in nutzlose, das heißt diffuse Abwärme verwandelt. Aber die Unterscheidung zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen hat sich inzwischen so fest im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert, dass man meinen könnte, sie gehe auf den Schöpfer selbst zurück.

Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich diese Unterscheidung in der Praxis schlicht als unsinnig. Noch keine einzige für erschöpfbar erklärte Ressource wie Öl, Erdgas, Uran, Gold, Silber und selbst Phosphat ist uns bislang ausgegangen. Im Gegenteil: Gerade bei Erdgas haben sich die sicheren Reserven in letzter Zeit mindestens versechsfacht. Dafür gibt es etliche Beispiele so genannter erneuerbarer Ressourcen (vor allem Tier- und Pflanzenarten wie zum Beispiel Speisefische wie der Zackenbarsch und der Kabeljau oder auch Nutzhölzer und Heilpflanzen), die von Menschen nahezu vollständig aufgebraucht beziehungsweise endgültig ausgerottet wurden. Verbindet man gar die Begriffe „erneuerbar“ und „Natur“ miteinander, wird die Konfusion komplett: Holzkohle ist im Prinzip ein erneuerbarer Energieträger. In der Praxis wurden durch die Holzkohleherstellung aber ganze Gebirge entwaldet und Urwälder unwiderruflich zerstört. Naturdünger wie Guano oder Kuhmist sind im Prinzip erneuerbar. Dennoch kam es im 19. Jahrhundert weltweit zu einem Stickstoffmangel in den Ackerböden, weil die Naturdünger-Vorräte nicht mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt halten konnten. Die heutigen Kunstdünger jedoch sind im besten Sinne erneuerbar, denn Stickstoff kann mithilfe der Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren unbegrenzt aus der Luft gewonnen werden. Und denitrifizierende Bakterien führen ihn wieder von den Böden zurück in die Atmosphäre.

Auch bei Ressourcen wie Erdöl und Erdgas hilft die gängige Unterscheidung zwischen „erneuerbar“ und „nicht erneuerbar“ nicht weiter. Lange Zeit glaubten die meisten westlichen Geologen, dass fossile Kohlenwasserstoffe nur aus abgestorbener Biomasse entstehen können und daher in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein werden. Nach der 1972 veröffentlichten Studie „Grenzen des Wachstums“ im Auftrag des Club of Rome sollte das Erdöl bereits um die Jahrtausendwende vollständig erschöpft sein. Heute kann sich jeder davon überzeugen, dass diese Hochrechnung auf einem Irrtum beruhte. Anton Kolesnikov, Vladimir G. Kutcherov und Alexander F. Goncharov von der Washingtoner Carnegie Institution, der Moskauer Lomonossow Universität und des Königlich schwedischen Technologie Instituts in Stockholm haben vor zwei Jahren durch ein aufwändiges Experiment demonstriert, dass Erdöl unter den Bedingungen, wie sie im oberen Erdmantel herrschen, das heißt unter hohem Druck und einer Temperatur von über 1000 Grad Celsius, auch ohne die Gegenwart fossiler Biomasse aus normalen Bestandteilen der Erdkruste wie Methan und Carbonaten entstehen kann.

Seit der Bestätigung der Kontinentaldrift-Hypothese des deutschen Geografen Alfred Wegener ist ohnehin klar, dass alles, was sich auf der Erdoberfläche befindet, in geologischen Zeiträumen mit Platten der Erdkruste, die sich ruckartig unter benachbarte Platten schieben (Subduktion), irgendwann einmal im oberen Erdmantel landet, wo es eingeschmolzen und später in Form von Ausgasungen und Vulkanausbrüchen wieder an die Oberfläche gelangen kann. Heute gehen vor allem russische Geologen davon aus, dass die Erdölvorkommen sowohl durch biotische als auch durch abiotische Stoffumwandlungen im oberen Erdmantel gespeist werden. Das bedeutet: Auch die Erdölvorkommen sind zumindest teilweise erneuerbar. Tatsächlich wurde auch wiederholt beobachtet, dass sich wegen Erschöpfung aufgegebene Erdöllagerstätten nach einiger Zeit wieder aufgefüllt haben.

Fazit: Längst nicht alles, was Grüne für „erneuerbar“ erklären, kann tatsächlich nachhaltig genutzt werden. Dafür gibt es auf der andern Seite Ressourcen, die von den Grünen verteufelt werden, aber in Wirklichkeit eine längerfristige Basis der wirtschaftlichen Entwicklung darstellen könnten. Dazu gehört neben Erdöl und Erdgas auch die am besten erneuerbare Energieressource, das Plutonium. Was als „erneuerbar“ gilt, ist also weitgehend Definitionssache. Die Definitionsmacht liegt allerdings zurzeit bei den Grünen aller Parteien.