Christliches Europa

Alle, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, als Schreibtischtäter eifrig mitzuhelfen bei der Konstruktion eines werterelativen, „multikulturellen“ Europa ohne Bindung an seine christlichen Wurzeln, schießen sich nun auf euroskeptische Politiker ein. Damit hoffen sie wohl, von ihrer eigenen Ratlosigkeit angesichts der von ihrer interventionistischen Hybris mitverschuldeten Wirtschaftskrise ablenken zu können.

Was heißt Integration? Von Edgar Gärtner

Oder: Warum Nihilismus nicht gegen Terrorismus hilft

Über die geifernde Reaktion deutscher „Qualitätsjournalisten“ auf den beeindruckenden Wahlerfolg des liberalen Europaskeptikers Geert Wilders in den Niederlanden ist schon das Nötigste gesagt worden. Landauf, landab wird Geert Wilders nicht nur als „Rechtspopulist“, sondern auch als „Islamhasser“ geschmäht. Da hilft es wenig, wenn man darauf hinweist, dass der Verunglimpfte immer wieder betont hat, gegen Muslime an sich nichts zu haben, wohl aber gegen eine blauäugige Immigrationspolitik, die Integration mit Kapitulation gegenüber den archaischen moralischen Einstellungen von Clans verwechselt und dadurch nicht nur die Gettoisierung der Einwandererfamilien fördert, sondern auch den Terrorismus. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was Wilders fordert. Zum Beispiel würde ich nicht den Koran verbieten, sondern eher dafür sorgen, dass möglichst viele Europäer den Koran lesen und mit der Bibel vergleichen, um sich selbst ein Urteil darüber bilden zu können.

Aus Berichten zum Christentum konvertierter Muslime, die in Deutschland als vom Tod bedrohte Apostaten unter Decknamen leben müssen, wissen wir, dass die christliche Lehre von der Macht der Liebe und der göttlichen Gnade gerade auf tiefgläubige Muslime eine große Anziehungskraft ausübt. Denn der Islam verleiht nur jenen Heilsgewissheit, die im Djihad den Märtyrertod sterben. Alle anderen bleiben – egal wie viel gute oder schlechte Taten sie in ihrem Leben auch begehen mögen – der Willkür eines fernen, über die Schöpfung erhabenen und unberechenbaren, weil nicht an die Kategorie der Vernünftigkeit gebundenen Gottes ausgeliefert. Diese Ungewissheit lastet auf dem Denken und Fühlen vieler Muslime und verleitet einige von ihnen, in schwierigen Lebenssituationen den vermeintlich einzigen ihnen offen stehenden Weg zum Heil einzuschlagen – und dadurch in Wirklichkeit der schlimmsten Form des von ihnen abgelehnten Nihilismus zu verfallen. Einen Ausweg aus diesem Teufelskreis bietet die christliche Lehre, die nicht ausschließt, dass auch Ungläubige und Sünder Gnade erlangen. Sie kann deshalb gerade auf verzweifelte Muslime befreiend wirken, sofern diese überhaupt die Gelegenheit bekommen, sie unverfälscht kennenzulernen.

Leider brauchen fromme muslimische Einwanderer in Westeuropa oft Jahre, bis sie überhaupt einem wirklich gläubigen Christen begegnen. (Ich hatte vor einigen Wochen selbst Gelegenheit, mir entsprechende Berichte auf einer Veranstaltung in Bad Nauheim anzuhören.) Lernt ein wirklich gläubiger Muslim einen wirklich gläubigen Christen kennen, der ihm die Bedeutung von Jesus’ stellvertretendem Sühnetod am Kreuz erklärt, sind die Chancen groß, dass der Muslim über kurz oder lang zum Christentum konvertiert, weil dieses ihm als die humanere Religion erscheinen wird. Es ist nicht das bei uns kaum noch sichtbare Christentum, das Muslime provoziert, sondern der im Westen verbreitete relativistische Nihilismus und der damit verbundene dekadente Lebensstil.

„Terroristisches Gedankengut ist latent in jedem Moslem vorhanden“, schreibt der Konvertit Nassim Ben Iman (Pseudonym) in einem vor einigen Jahren erschienen frommen Büchlein. Ein Sinneswandel sei nur über die „Wiedergeburt durch Jesus Christus, den Erlöser“ zu erwarten. Als hätte er Barack Obamas jüngsten nihilistischen Kniefall vor dem Islamismus in Kairo vor Augen gehabt, betont Nassim: „Dies ist die Hoffnung, die in meinem arabischen Blut lebt: Am Grab, also am Kreuz und in der Wiederauferstehung von Jesus Juden und Araber vereint zu sehen, die ihren gemeinsam Erlöser Jesus Christus anbeten, (…) Ob Terroristen oder nur potenzielle Terroristen – alle sind gleichermaßen ohne den Glauben an Jesus verloren.“

Hätten sich Obamas Berater mehr mit der Theorie des Politischen von Carl Schmitt beschäftigt, wüsste er, dass man in der Politik nicht durch das Verwischen von Unterschieden weiter kommt, sondern nur, indem man sein Feindbild klar benennt. Nur dann können Feinde unter gewissen Umständen auch einmal zu Bündnispartnern werden. In der zurzeit modischen ökumenischen Umarmung erscheinen demgegenüber alle, die sich nicht dem Diktat des Relativismus unterwerfen und wirklich noch an etwas glauben und der Wahrheit anhängen, notwendigerweise als üble Spielverderber. Konkreter: Ist der Nihilismus erst einmal als Hauptfeind der Aufklärung ausgemacht, dann wird es auch denkbar, in frommen Muslimen punktuelle Bündnispartner zu sehen. Optimistisch stimmen mich in dieser Hinsicht die Meditationen des heute in den USA lebenden algerischen Poeten Kebir M. Ammi über den heiligen Augustinus, den Begründer der christlichen Aufklärung, des sehenden Glaubens. Auch Papst Benedikt XVI., einer der wenigen Augustinus-Kenner in der heutigen katholischen Hierarchie, hat das wohl begriffen.

Literatur:

Nassim Ben Iman: Der wahre Feind. …warum ich kein Terrorist geworden bin. Leuchter Edition. Erzhausen, 2002.

Kebir M. Ammi: Sur les pas de saint Augustin. Presses de la Renaissance. Paris, 2007

(7. Juni 2009)

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Papst Benedikt XVI. stört die Nihilisten

In der EU ist der Nihilismus in Gestalt des darwinistischen Reduktionismus und des Kulturrelativismus quasi zur Staatsdoktrin geworden. Hinter dieser selbstmörderischen Haltung steht nicht zuletzt das Wirken von Netzwerken der Freimaurer, die seit langem die Europäische Kommission beherrschen. Diese Netzwerke haben dafür gesorgt, dass im zweiten Anlauf zu einer europäischen Verfassung in Gestalt des Lissaboner Vertrags nicht mehr auf die besondere Rolle des Christentums bei der Herausbildung der europäischen Identität verwiesen wird. Dieses Machwerk ist freilich noch längst nicht in trockenen Tüchern. Die aktuelle Finanzkrise und die hilflose Art, mit der die Politik damit umgeht, zeigt, dass unsere neunmalklugen Berufspolitiker in Wirklichkeit nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht und nur so tun können, als wüssten sie, wo es langgeht. Da gab ihnen die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen und z.T. europaskeptischen Pius-Bruderschaft und die Tatsache, dass einer dieser vier Bischöfe die Bedeutung von Gaskammern im Nazi-Reich herunterspielt, eine willkommene Gelegenheit, auf das ihnen intellektuell haushoch überlegene Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche einzudreschen. Dabei vermieden sie es tunlichst, ihrem Publikum zu erklären, dass die Aufhebung der Exkommunikation nicht gleichbedeutend ist mit der Wiedereingliederung der Traditionalisten in die römisch-katholische Kirche, sondern nur eine Vorbedingung für die Wiederaufnahme des Dialogs mit ihnen.

„Was treibt denn den Joseph Ratzinger aus Marktl am Inn nur um, dass er sich mit allen anlegt? Aggressiv von Natur scheint er nicht. Salutschüsse aus Kanonen und Gewehren von Schützenvereinen erschrecken ihn noch immer. Es muss wohl daran liegen, dass Joseph Ratzinger vor allem eines ist: grundzufrieden katholisch. Dies ist im intellektuellen Europa eine relativ seltene, und wenn, dann meist verborgene Geisteshaltung; damit zieht man wie der heilige Sebastian die Pfeile bei jeder Gelegenheit auf sich“, schreibt Heinz-Joachim Fischer, der Vatikan-Korrespondent der FAZ, in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 1. Februar 2009. Fischer hat damit auf den Punkt gebracht, dass es gerade kulturelle Selbstverständlichkeiten sind, die die westeuropäische „Dressur-Elite“ auf die Palme treiben. Doch mit dem Versuch, damit das Kirchenvolk gegen seinen geistigen Oberhirten aufzubringen, werden sie vermutlich nicht weit kommen. Anders als die Politik, die ständig darauf angewiesen ist, Journalisten zu manipulieren, um Lügengebäude wie die Mär von der drohenden Klimakatastrophe aufrecht zu erhalten, kann es sich der heilige Vater leisten, ohne Umschweife die Wahrheit auszusprechen und Entscheidungen ohne diplomatische Hintergedanken und Zweideutigkeiten zu treffen. Anerkennend weist Heinz-Joachim Fischer in einem ansonsten eher kritischen Artikel darauf hin, wenn er am 4. Februar 2009 in der FAZ schreibt: „dass der Vatikan informiert, doch keine aktive Presse-Politik betreibt: Er manipuliert nicht Journalisten, um die Öffentlichkeit einzustimmen, wie es in demokratischen Regierungszentralen üblich ist. Der Papst hat einen Privatsekretär, aber kein Präsidialamt mit Staatsministern, Stäben, Fachabteilungen und vielen Fachleuten, die ihm ständig zuflüstern, wie dies oder jenes ‚wirkt‘.“

Mein Freund André Lichtschlag hat auf ef-online weiteres Bedenkenswertes zu dem Vorgang gesagt. Seither gibt es in Deutschland tendenziell nur noch ein Thema. Durch die Bank fordern Berufspolitiker und „Qualitätsmedien“, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Stellvertreter Gottes auf Erden auf, Abbitte zu leisten. Gleichzeitig tolerieren sie antisemitische Hassparolen von Hamas-Anhängern auf deutschen Straßen. Das hat es noch nie gegeben. André Lichtschlag hat in einem neuen Blog gezeigt, dass die Selbstgleichschaltung deutscher „Qualitätsmedien“ kein Zufall ist. Eine noch weiter gehende Analyse der Hintergründe des Papst-Bashing in deutschen Medien hat Andreas Puettmann von „Komma“ auf KATH.NET veröffentlicht.

In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 15. Februar 2009 erklärt der bekannte katholische Philosoph Robert Spaemann, was hinter der in Europa wachsenden religiösen Intolerenz steckt: „…es hat etwas zu tun mit dem sich ausbreitenden radikalen Relativismus. Dort, wo man denkt, dass Wahrheit erreichbar ist für den Menschen, da gibt es Diskurs, da gibt es einen Kampf der Meinungen, aber alle wollen das gleiche Ziel: Sie wollen wissen, wie es wirklich ist. In einer radikal relativistischen Gesellschaft gibt es dagegen nicht mehr das Moment der Regulation durch die Wahrheitsidee, sondern nur noch die Regulation durch das Konventionelle, das auch im Interesse derer ist, die gerade die Macht haben.“ Ein ausführlicheres Gespräch mit Robert Spaemann von Regina Einig von der katholischen „Tagespost“ findet sich beim katholischen Nachrichtendienst KATH.NET.

Die Gründe für diese Hass-Kampagne liegen auf der Hand: Seit dem legendären Auftritt Papst Johannes Pauls II. in seinem damals noch kommunistisch beherrschten Heimatland Polen weiß die europäische „Elite“, dass die „Soft Power“ des Vatikan in der Lage ist, totalitäre Herrschaftssysteme zu Fall zu bringen. Aktuell fürchtet die „Elite“ um Bundeskanzlerin Angela Merkel, angesichts der fortschreitenden wirtschaftlichen Rezession, vor allem um die Zukunft ihrer totalitären „Klimapolitik“ und um den Erfolg ihrer Kampagne für die Gründung eines dirigistischen Uno-Wirtschaftsrates als Meilenstein auf dem Weg zu einer dezidiert antichristlichen „Neuen Weltordnung.“ Es ist bekannt, dass der Papst vor dieser Hybris warnt. In seiner Friedensbotschft vom Beginn dieses Jahres hat er sich ausdrücklich für marktwirtschaftliche Wege der Armutsbekämpfung nach dem Subsidiaritätsprinzip ausgesprochen. Noch weniger hält der heilige Vater von dem vom neuen US-Präsidenten Obama aktiv mit Staatsgeldern geförderten Versuch, der Armut in der Dritten Welt durch Abtreibungskampagnen zu begegnen. Unter seinem Amtsvorgänger Bush war das durch ein Gesetz ausdrücklich untersagt. In einer seiner ersten Amthandlungen hob Präsident Obama dieses Gesetz auf. Somit können die USA über die von ihnen maßgeblich finanzierte Uno und mithilfe von „grünen“ NGOs nun im großen Stil Kampagnen für die Geburtenkontrolle finanzieren. Dem Vatikan bleibt in dieser Situation nichts anderes übrig, als in der Bevölkerungspolitik die Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen zu suchen. Weiter möchte ich noch hinweisen auf den erhellenden Beitrag des Büchner-Preisträgers Martin Mosebach im SPIEGEL Nr. 7/2009, der auch auf KATH.NET steht. Schließlich möchte ich noch auf die ebenso polemische wie köstliche Analyse der deutschnationalen Papstkritik des Kölner Rechtsanwalts Dr. Franz Norbert Otterbeck aufmerksam machen, die unter dem Titel „Generation Auflehner“ zunächst auf KATH.Net erschien und nun auf der Website des Bistums Regensburg steht. In einem Aufsatz mit dem Titel „Hans Küng. Ein alternativer Rückblick“ auf kathnews.de führt Otterbeck die Auseinandersetzung mit den Papst-Kritikern fort. Inzwischen hat Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. in einem längeren Brief an die Bischöfe selbst, in gebührendem Abstand, zu der durch Kommunikationspannen im Vatikan erleichterten üblen Medienkampagne gegen ihn und sein Amt Stellung genommen.

(21. Juni, akt. 11. August 2009)

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Eros der Freiheit ohne Gott? Von Edgar L. Gärtner

„In einer Zeit, in der im Namen des Islam terroristische Kriege gegen den ungläubigen Westen geführt werden, der weltweite Gottesstaat erkämpft werden soll, junge Männer aus gutem westeuropäischem Haus konvertieren und sich ins Paradies bomben wollen und zugleich die Begeisterung für den Papst und seine Botschaften wächst, sind solche Einlassungen für das diesseitige Leben und die allseits verteufelten Ungläubigen sehr erfrischend.“ Mit diesem meines Erachtens äußerst zweischneidigen Lob bedenkt meine Frankfurter Kollegin Ulrike Ackermann in ihrem im letzten Jahr erschienen Büchlein „Eros der Freiheit“ das antireligiöse Pamphlet „Der Herr ist kein Hirte. Wie die Religion die Welt vergiftet“ (2007) von Christopher Hitchens. Immerhin distanziert sich Ulrike Ackermann schon im nächsten Satz vom kruden Naturalismus des fast zeitgleich unter dem Titel „Der Gotteswahn“ erschienenen atheistischen Manifests des bekannten Oxforder Darwinismus-Propagandisten Richard Dawkins.

Ganz und gar nicht folgen kann ich der Kollegin aber, wenn sie die massenhafte Begeisterung für Papst Benedikt XVI. und Usama Bin Laden in einem Atemzug anführt, um vor der „Renaissance des Religiösen“ als in ihren Augen wichtigsten Bedrohung der säkularen Freiheiten des Westens zu warnen. Wie viele andere nichtchristliche Liberale hält Ackermann offenbar auch den christlichen Glauben für Unvernunft, wenn nicht Blödsinn, den man zwar in einem freiheitlichen und pluralistischen Gemeinwesen, unter Berufung auf Sigmund Freud, in Form privater Marotten jedermann gnädig zugesteht, der aber aus dem öffentlichen Raum verbannt werden soll. Diese Auffassung widerspricht freilich schon dem Begriff von Religion. Insofern ist es nur konsequent, wenn militante Darwinisten heute glauben, einen Kreuzzug gegen das Religiöse überhaupt führen zu müssen, um dem Weltfrieden näher zu kommen.

Ulrike Ackermann zieht diese Konsequenz zwar nicht, sondern räumt durchaus ein, dass es fundamentale Unterschiede zwischen dem christlichen und dem muslimischen Gottes- und Menschenbild gibt und dass das heute im Westen noch vorherrschende liberale Verständnis von Freiheit etwas mit der christlichen Lehre von der Willensfreiheit zu tun hat. Sie nimmt also an, dass es Abstufungen im Irrationalen gibt, bleibt aber dabei, Religion an sich und von daher auch den Eros (einschließlich der Freiheitsliebe) und die damit verbundenen Gefühle für etwas zutiefst Irrationales zu halten. Nur von daher versteht sich übrigens ihr Lob des romantischen Aufstandes gegen das Diktat der reinen Vernunft im Namen der Gefühle und der absoluten Freiheit des Individuums. Was Ackerman über die Romantik schreibt, gilt aber ohnehin nur für die Frühromantik (vor allem für F.W.J. Schelling). Nicht ohne Grund zählte der führende Ideenhistoriker Isaiah Berlin, den die Autorin in einem andern Zusammenhang zitiert, zum Beispiel auch Karl Marx zur Romantik.

Ehrlich gesagt: Ich habe in Ulrike Ackermanns Eros-Buch wenig Verführerisches gefunden. Um das auch von ihr erkannte „Vakuum der negativen Freiheit“, das heißt der Freiheit von Zwang mit einer attraktiven Idee des Guten zu füllen, gibt es meines Erachtens nur den Weg, den Friedrich August von Hayek in seinem Spätwerk aufgezeigt hat. Ulrike Ackermann zitiert zwar mehrmals Hayek und dessen Vorstellung von spontaner Ordnung, folgt diesem jedoch nur auf halbem Wege, indem sie sein Spätwerk und die dort entwickelte Idee einer Komplementarität von kapitalistischer Marktwirtschaft und Christentum unterschlägt. Diese Idee ist meines Erachtens aber kein Ausdruck beginnender Senilität, sondern im Gegenteil Summe der Altersweisheit eines Mannes, der wie kaum ein anderer verstanden hat, was die westliche Welt im Innersten zusammenhält.

Ich halte den in liberalen Kreisen an Einfluss gewinnenden militanten Atheismus für gedankenlos, weil er nicht fragt, woher er seinen Wahrheitsbegriff bezieht oder beziehen könnte. So verwundert es nicht, dass gerade Liberale es zulassen, dass im postmodernen Interessengruppenstaat Wissenschaft immer mehr durch (vermeintlich) politisch nützliche Fiktionen (z.B. in der so genannten Klimaforschung) ersetzt wird. Wem es demgegenüber aber auf Wahrheit und nicht auf kurzsichtige politische Nützlichkeit ankommt, der wäre selbst mit einem nur fiktiven Gott immer noch besser bedient als mit gar keinem. Denn ohne das Absolute, ohne Gott ist der Mensch, wie vor allen Friedrich Nietzsche unter Schmerzen erkannte, kein wahrheits- und liebesfähiges Wesen. So habe ich die Position des von mir schon mehrfach zitierten italienischen Philosophen und Senators Marcello Pera verstanden, der als studierter Atheist zum echten Glauben nicht zurückfinden kann.

Diente die Vernunft nicht der Selbsttranszendenz der Menschen, sondern, wie dogmatische Darwinisten behaupten, nur ihrer Selbstbehauptung mithilfe überlebensdienlicher Illusionen, dann gäbe es keinen Grund, nicht im Namen des individuellen Überlebenserfolgs vor der neuerdings in der Politik wieder wachsenden Unvernunft zu kapitulieren. Woher kommt denn die Liebe zur Wahrheit? Woher kommt die Leidenschaft, die Menschenwürde, die Freiheit des Glaubens und des individuellen Gewissens notfalls auch unter Einsatz des Lebens zu verteidigen? „Um sittlich handeln zu können, müssen wir an eine letztendliche Einheit von Tugend und Glückseligkeit glauben. Und nur Gott kann eine solche Einheit garantieren“, betont der katholische Philosoph Robert Spaemann in einem bemerkenswerten Buch mit philosophischen Kommentaren zur provozierenden Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI. vom September 2006 unter dem Titel „Gott, rette die Vernunft!“.

Als Theologieprofessor Joseph Ratzinger hatte der heutige Papst selbst schon in seiner 1968 erschienenen „Einführung in das Christentum“ darauf hingewiesen, dass der Glaube an den einen Gott der Absage an jegliche Anbetung politischer Macht gleichkommt: „Das Bekenntnis ‚Es gibt nur einen Gott’ ist in diesem Sinn, gerade weil es selbst keine politischen Absichten ausdrückt, ein Programm von einschneidender politischer Bedeutung: Durch die Absolutheit, die es dem Einzelnen von seinem Gott her verleiht, und durch die Relativierung, in die es alle politischen Gemeinschaften von der Einheit des sie alle umspannenden Gottes rückt, ist es der einzige definitive Schutz gegen die Macht des Kollektivs und zugleich die grundsätzliche Aufhebung jedes Ausschließlichkeitsdenkens in der Menschheit überhaupt.“ Hätte ich das 1968 gelesen, wäre ich wahrscheinlich kein 68er geworden!

Heute ist es vor allem der christliche Glaube, der den Wahrheitsanspruch der menschlichen Vernunft verteidigt. Der Glaube an einen persönlichen Gott, an die Unendlichkeit der Liebe ist keine in einer säkularen Gesellschaft gerade noch tolerierbare Verstiegenheit, sondern ein notwendiger, die Leistung der fünf Sinne und der Wissenschaft komplementierender und transzendierender Zugang zur Wirklichkeit. Es ist meines Erachtens kein Zufall, dass der Realitätsverlust in der Europäischen Union in gleichem Rhythmus wie ihre Entchristlichung voranschreitet. Wenn das so weiter geht, wird wohl auch das Oberhaupt der katholischen Kirche bald zu einem der letzten Verteidiger des Kapitalismus und der sozialen Marktwirtschaft werden. In seinem dem neuen Buch Marcello Peras vorangestellten Brief an den Autor wie auch in seiner Friedensbotschaft zu Beginn dieses Jahres spricht sich Benedikt XVI. ebenso klar wie sein Vorgänger Johannes Paul II. für die Überwindung der Armut durch die globalisierte kapitalistische Marktwirtschaft aus und warnt davor, die christlich-liberalen Wurzeln der europäischen Identität durch multikulturelle Utopien zu verdrängen. Das wird den meisten deutschen Bischöfen nicht gefallen.

Kurz: Ohne Gott gibt es weder die Wahrheit noch die auf Freiheit und Unendlichkeit angelegte Liebe. Und ohne beides kann es keinen Frieden auf Erden geben. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass im menschlichen Unterbewusstsein, dessen Entdeckung zu Recht oder zu Unrecht Sigmund Freud zugeschrieben wird, die Begierde nicht notwendigerweise den größten Platz einnimmt. Sie kann beherrscht werden durch Vernunft und Liebe, die beide göttlichen Ursprungs sind.

Internet:

Marcello Pera bei Mondadori

Diskussionsbeiträge

Benedikt XVI. schreibt an Marcello Pera

Friedensbotschaft Benedikts XVI. vom Januar 2009

Literatur:

Ulrike Ackermann: Eros der Freiheit. Plädoyer für eine radikale Aufklärung. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2008

Benedikt XVI., André Glucksmann, Wael Farouq, Sari Nusseibeh, Robert Spaemann, Joseph Weiler: Gott, rette die Vernunft! Die Regensburger Vorlesung des Papstes in der philosophischen Diskussion. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2008

Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum. Kösel Verlag, München 1968, 2000, 2005

Marcello Pera: Perché dobbiamo dirci cristiani. Il liberalismo, l’Europa, l’etica. Editore Mondadori, Milano 2008

(auch veröffentlicht in: ef-magazin online)

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Ausweg ins neue Mittelalter

von Edgar Gärtner

Wenn nicht alles täuscht, gehen wir im Alten Europa, in der Folge der nun anbrechenden „systemischen“ Wirtschaftskrise, blutigen Bürgerkriegen entgegen. Nach der Stunde der Wahrheit, dem Platzen der Blase billigen Papiergeldes, zeichnet sich immer klarer die Perspektive allgemeiner materieller Verarmung ab. Unsere Vorfahren wussten mit Notzeiten noch einigermaßen mental zurecht zu kommen, indem sie sich mehrheitlich, statt sich um den kleiner werdenden Kuchen des Bruttosozialprodukts zu raufen, durch Beten in die Obhut des Allmächtigen begaben. Das ist in der materialistischen und/oder esoterischen Postmoderne nur noch bei einer Minderheit vorstellbar. Viele Interessengruppen werden auf verbriefte, inzwischen aber wertlos gewordene Ansprüche pochen und sich mithilfe von Streiks und/oder gewaltsamen Ausschreitungen gegenseitig zu erpressen suchen. Andere werden, statt die Augen gen Himmel zu richten, nach einem starken Mann auf Erden Ausschau halten.

Am Ende wird es sich wohl herausstellen, dass Moderne und Postmoderne nur realitätsferne Projektionen hochmütiger Intellektueller waren und dass das Mittelalter sozusagen den Normalzustand der menschlichen Entwicklung darstellt. Unter dem Mittelalter dürfen wir uns nach dem Frankfurter Historiker Johannes Fried allerdings keine besondere Gesellschaftsformation vorstellen, die je nach Standpunkt als finster geschmäht oder romantisch verklärt wird, sondern ganz unvoreingenommen nur den Zeitabschnitt zwischen 500 und 1500 nach Christus. Immerhin kann man dieser Periode einen geringen Hang zu geistiger Gleichschaltung und totaler Herrschaft bescheinigen. Statt der (erst mit Napoléon Bonaparte aufgekommenen) totalen Kriege gab es überwiegend vernünftig eingehegte Scharmützel, bei denen die Zivilbevölkerung geschont wurde.

Im Spannungsfeld zwischen der religiösen Macht der katholischen Kirche und den weltlichen Mächten entstanden Freiräume für Neugier, vielfältiges geistiges Schöpfertum und materielle Experimentierfreude. Jedenfalls begann das, was die Propagandisten der Moderne später hochtrabend als „Aufklärung“ bezeichneten, nicht erst im 17. Jahrhundert, sondern war bereits in den (spätantiken) Schriften des großen Kirchenlehrers Augustinus aus dem 5. Jahrhundert angelegt. Nicht von ungefähr sahen zeitgenössische Theologen in der ketzerischen Lehre des Aufklärers René Descartes eine Form des Augustinismus. (Ein typisches Beispiel für ein produktives Mißverständnis!) Das zeigt meines Erachtens noch heute, wie man Krisen und Katastrophen geistig gesund überstehen kann. Nicht zuletzt brachte das Mittelalter auf der Grundlage der christlichen Lehre von der Willensfreiheit die Idee der politischen Gedanken- und Meinungsfreiheit hervor. Die Durchsetzung des ebenfalls im Mittelalter aufgekommenen Kapitalismus war nicht Voraussetzung, sondern umgekehrt zwingende Konsequenz einmal errungener oder eingeräumter Glaubens- und Meinungsfreiheit, denn es handelt sich hier um die einzige Wirtschaftsform, bei der es auf persönliche Einstellungen und Überzeugungen letztlich nicht ankommt.

Das nach Ansicht Johannes Frieds wichtigste Erbe des Mittelalters sind jedoch Ideale wie Höflichkeit, Ritterlichkeit und Urbanität. Diese könnten einen Weg weisen für die Regelung gesellschaftlicher Probleme ohne Klassenkampf und Bürgerkrieg. Leider wurden solche zivilisatorische Errungenschaften des Mittelalters im modernen Interessengruppen- bzw. Wohlfahrtsstaat durch die Anerkennung erpresserischer Aktionen wie Streiks und Blockaden als legitimes Ausdrucksmittel, wenn nicht als „höhere Gewalt“ weitgehend geopfert. Durch die nihilistische Reduktion des Menschen auf Biologisches, Psychologisches oder Soziologisches wurde auch das zur Transzendenz und damit zum Absoluten hin offene christliche Menschenbild der Diktatur des Werterelativismus preisgegeben.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die Fronten in den kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen weniger zwischen Liberalen und Autoritären, sondern zwischen Nihilisten und jenen verlaufen, die an einen Übersinn des Lebens glauben. Dabei sollte man m. E. aber nicht vergessen, dass ein erfundener „Übersinn“, der sich gegen das wirkliche Leben wendet, nach Friedrich Nietzsche selbst die extremste Form von Nihilismus darstellt. Deshalb sollten islamistische Selbstmordattentäter (ebenso wie extrem asketische christliche Sekten) nicht als Idealisten gelten, denen man bis zu einem gewissen Grad Verständnis entgegen bringt, sondern als Feinde des Lebens.

Internet:

Johannes Fried: Das Ende der Canossa-Legende

Literatur:

Johannes Fried: Das Mittelalter. Geschichte und Kultur. Verlag C.H. Beck, München 2008

Henri Irénée Marrou: Saint Augustin et l’augustinisme. Éditions du Seuil, Paris 1955 und 2003

Klimawandel meistern statt scheitern! Jahrbuch 2008 des Club of Home

“Nur die Dummen dämmen”, sagt Dipl.Ing. Alfred Eisenschink, der Sprecher des “Club of Home”, eines in Berlin registrierten gemeinnützigen Verbraucherschutzbundes von Architekten, Bauingenieuren und Häuslebauern, der seine Mitglieder mit Rat und Tat davor bewahren möchte, im Namen des “Klimaschutzes” in unsinnige “Energiesparmaßnahmen” zu investieren. “Die Verbraucher müssen vor baulichen und gesundheitlichen Schäden infolge des energiepolitischen Verordnungsterrors geschützt werden”, sagt Eisenschink.

Club of Home: Meistern statt Scheitern. Chancen des Klimawandels. Jahrbuch 1-2008. GLOOR Verlag. München. ISBN 978-3-938037-07-2

Club of Home e.V., gemeinnütziger Verbraucherschutzbund. 1. Vorsitzender: Jürgen Minke, Kuno-Fischer-Straße 13, 14057 Berlin, Tel/Fax: +49-30322556. Jahresbeitrag € 60,-.Kontonummer 172 54 517 bei der Kreissparkasse Pullach (BLZ 702 501 50)

Öko-Industrie-Komplex

Reichtum schützt vor Dummheit nicht. Der im Alter von über 80 Jahren zur grünen Ersatzreligion konvertierte amerikanische Öl- und Gas-Milliardär T. Boone Pickens muss den Plan, sich in Texas in Form des größten Windparks der Welt ein Denkmal zu setzen, wegen der Finanzkrise auf Eis legen. Nun weiß er nicht, wohin mit den bei General Electric bereits fest bestellten Windrädern. Das könnte ein Vorbote des Platzens der grünen Blase sein.

US-Milliardär Pickens sucht Garage für seine Windmühlen

Wegen der wirtschaftlichen Depression und des damit verbundenen Sinkens des Ölpreises muss der im Öl- und Gasgeschäft zum Milliardär gewordene „grüne“ Investor T. Boone Pickens seinen Plan, in seinem Heimatstaat Texas den größten Windpark der Welt zu erreichten (siehe Bericht über das Wind-Gas-Kartell auf dieser Seite weiter unten) auf Eis legen. Sein Problem: Er hat bereits beim Anlagenkonzern General Electrics für nicht weniger als zwei Milliarden Dollar eine erste Tranche Windräder fest geordert. Nun weiß er nicht, wohin damit. Die Moral von der Geschicht‘: Reichtum schützt vor Dummheit nicht.

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Björn Lomborg über den Klima-Industrie-Komplex

Im „Wall Street Journal“ vom 21. Mai 2009 analysiert der bekannte dänische Statistik-Professor Björn Lomborg anlässlich des gerade in Kopenhagen stattfindenden Wirtschafts-Klimagipfels die hinter dem „grünen“ Engagement großer Energiekonzerne stehdnen parasitären Geschäftsinteressen. Lomborg bestätigt alles, was ich selbst seit Jahren zu diesem Thema geschrieben habe.

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Die Hitparade der Öko-Profiteure

Die Londoner Sunday Times wartet am 1. März 2009 mit einer langen Liste reicher „Weltbürger“ auf, die es besonders gut verstehen, die von ihnen selbst und ihnen hörigen Massenmedien geschürte Angst vor einer uns angeblich drohenden Klimakatastrophe auf Kosten wirtschaftlich benachteiligter Familien mit hohem Energieverbrauch zu Geld zu machen. Diese Liste ergänzt sehr gut meine eigene Analyse des deutschen Öko-Industrie-Komplexes (ÖIK), die im letzten Spätherbst im Magazin „eigentümlich frei“ erschienen ist:

Die Allparteien-Koalition Grüner Amigos

Über die endliche Erfolgsgeschichte des Ökologisch-Industriellen Komplexes (ÖIK) in Deutschland

von Edgar Gärtner

Das Scheitern der Machtübernahme Andrea Ypsilantis in Hessen an der der schmerzlichen, weil persönlich nachteiligen und deshalb späten Gewissensentscheidung von vier sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten hat sicher nicht wenig mit der Entlarvung der Inkompetenz des „Sonnenpapstes“ Hermann Scheer im SPIEGEL 45/2008 zu tun. Zum ersten Mal hat ein führendes deutsches Print-Medium hier den Heiligenschein des Trägers des alternativen Nobelpreises zerrissen, indem sie den Präsidenten des von seiner Ehefrau Irm Pontenagel gemanagten Vereins „Eurosolar“ als ebenso verbohrten wie skrupellosen Lobbyisten für die von der ganzen politischen Klasse Deutschlands zum Heil der Menschheit verklärte und daher hoch subventionierte, in Wirklichkeit aber unzuverlässigste und unwirtschaftlichste Form der Stromerzeugung dastehen lässt. (Vorausgegangen war dem SPIEGEL-Artikel ein Forums-Beitrag des freien Journalisten Jan-Philipp Hein, der am 14. April 2008 in der WELT erschien.) Die Tatsache, dass Scheer nun bei den in Hessen vorgesehenen Neuwahlen nicht mehr dem Schattenkabinett von Ypsilantis Platzhalter Thorsten Schäfer-Gümbel angehört, signalisiert darüber hinaus – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – eine Infragestellung von Scheers Plan, die Stromversorgung des Verkehrsknotenpunktes und Industriestandortes Hessen bis zum Jahre 2025 zu 100 Prozent auf Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraft umzustellen.

Schneller als selbst von Skeptikern erwartet, erweist sich der Börsenboom rund ums Themenfeld „erneuerbare Energien“ als eine politischen Signalen folgende Blase, die nun platzt. Vordergründig ist daran die durch das Platzen der US-Immobilienkredit-Blase ausgelöste globale Finanzkrise schuld. Das wegen des Verdachts, auch die Bücher bislang als seriös eingeschätzter Geldhäuser könnten noch viele faule Hypotheken enthalten, verschwundene Vertrauen zwischen den Banken hat zu drastischen Restriktionen bei der Kreditvergabe geführt, die sich bei den stark expandierenden Stars der Solar- und Windbranche als kaum überwindbare Kreditklemme bemerkbar macht. Deshalb sind Werte wie Q-Cells, SMA Solar, Solon und sogar die noch etwas besser dastehende Solarword AG, die den TecDax dominieren, in den letzten Monaten noch viel stärker eingebrochen als Dax und M-Dax. Ein kurzfristiges Hochschießen der Solarwerte anlässlich des Wahlsieges von Barack Obama in den USA hat daran nichts geändert.

Es spricht sich auch herum, dass die Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde, trotz eines kräftigen Anstiegs der Konzentration des als „Klimakiller“ verteufelten Verbrennungsabgases Kohlenstoffdioxid (CO2), seit zehn Jahren nicht mehr weiter steigt. Angesichts leerer Staatskassen und einer beginnenden Rezession, die höchstwahrscheinlich deutlich länger als nur ein paar Monate anhalten wird, fragen sich immer mehr Investoren, die sich zumindest einen Rest gesunden Menschenverstands bewahrt haben, ob sie sich den Luxus leisten können, in Technologien zu investieren, die CO2 auf die denkbar teuerste Weise einsparen. Wer soll, angesichts der sich abzeichnenden Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten und Regionen, die Kosten dieser vermeintlichen „Zukunftstechnologien“ aufbringen? Können wir es uns wirklich noch leisten, die Nutzung des reichlich verfügbaren, leicht transportier- und lagerfähigen und daher konkurrenzlos preisgünstigen Energieträgers Kohle zu verzichten, nur um bei grünen Nihilisten gut Wetter zu machen? Ist nicht der soziale Frieden in höchster Gefahr, wenn den Menschen in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit immer höhere Energiekosten aufgebürdet werden?

Solche Fragen deuten an, dass das Ersatz-Feindbild „Umweltveränderung“ beziehungsweise „Klimawandel“, mit dessen Hilfe es die politischen und wirtschaftlichen Eliten des Westens seit der Entspannungsphase des Kalten Krieges gelang, das Volk einigermaßen bei Stange zu halten, inzwischen auf dem Prüfstand steht. Die Ablösung des Feindbildes „Kollektivismus“ durch das Ersatz-Feindbild „Klimawandel“ bot der herrschenden politischen Klasse den großen Vorteil, die Aufmerksamkeit der Beherrschten auf einen abstrakten, weder mit den fünf Sinnen noch durch den Verstand fassbaren Gegner zu lenken. Doch angesichts der beginnenden Wirtschaftskrise und der wenig dramatischen Entwicklung der Wetterabläufe gelingt es immer weniger, den Menschen damit noch Angst zu machen. Schon ist die Europäische Union dabei, ihr auf Betreiben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel angenommenes „Klima-Paket“ (jeweils 20 Prozent CO2-und Energieeinsparung und Steigerung des Anteils „erneuerbarer“ Energien bis zum Jahre 2020) aufzuschnüren und deutlich abzuschwächen. Das muss Auswirkungen auf einen durchwegs politischen Markt haben, auf dem sich in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten staatsmonopolitische Kartellstrukturen besonderer Art, der Öko-Industrie-Komplex (ÖIK), etabliert hatten. Damit wird auch die wirtschaftliche Basis einer historisch einmaligen politischen Allparteien-Koalition in Frage gestellt.

Wie kam es überhaupt dazu, dass sich das im Kern absurde Ersatzfeindbild „Klimawandel“ und das dadurch begründete staatsmonopolitische Industriekartell so rasch auch in der Privatwirtschaft durchsetzten? Dieser Frage möchte ich im Folgenden vorwiegend auf dem Hintergrund eigener Erfahrungen nachgehen und dabei auch andeuten, wo ich noch Klärungsbedarf sehe.

Zur Geschichte des Öko-Industrie-Komplexes

Schon in den Anfängen der um 1970 gestarteten systematischen Umweltpolitik galt für den auf den Bau von Filtern aller Art spezialisierten neuen Zweig des Anlagenbaus der Satz „Gesetze bestimmen die Umsätze“. So der Titel eines Beitrages in einem der damals eigens gegründeten Fachmagazine für Umwelttechnik. D.h. je schärfer die Grenzwerte für Schadstoffe in Abwasser und Abluft, desto besser die Geschäftschancen der Umweltbranche. Das wurde bereits auf der ersten deutschen auf Umwelttechnik spezialisierten Messe, der ENVITEC 1973 in Düsseldorf, thematisiert. Bei dieser vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) eröffneten Ausstellungs- und Kongress-Veranstaltung (auf der ich, nebenbei gesagt, mir meine ersten Sporen und Kröten als Umweltjournalist verdiente) wurde auch deutlich, dass die Branche stark von Konzernen des Militärisch-Industriellen Komplexes (MIK) dominiert wird. Deren Manager waren es seit der nazistischen Kriegswirtschaft (insbesondere in deren Endphase unter Albert Speer) gewohnt, in einer korporatistischen, aber hoch effizienten Form von Vetternwirtschaft auf politisch-bürokratisch bestimmten Märkten zu arbeiten.

Der Begriff „Militärisch-industrieller Komplex“ wurde vom Ex-General und späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhauer geprägt. Dieser warnte seine Landsleute am Ende seiner Amtszeit vor der Eigendynamik der in der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs aufgebauten kartellartigen Wirtschaftsstrukturen. Der Begriff „Öko-Industrie-Komplex“ wurde bereits im Jahre 1970 vom linksliberalen amerikanischen Publizisten Martin Gellen eingeführt. Dieser sah schon damals deutlich, dass die von US-Präsident Richard Nixon in großem Stil aus der Taufe gehobene Umweltpolitik als relativ eigenständiger Politikbereich zu dem MIK vergleichbaren parasitären Wirtschaftsstrukturen führen muss. Durchaus nicht zufällig ging übrigens der Start der Umweltpolitik einher mit der Abkehr der Nixon-Regierung vom wenigstens noch formalen Gold-Bezug des 1944 in Bretton Woods begründeten internationalen Währungssystems. Seither manifestiert sich die von der wachsenden Staatsverschuldung erzeugte Geldentwertung weniger in einer kontinuierlichen Verteuerung von Waren des täglichen Bedarfs als vielmehr in Form des Platzens politisch erzeugter Spekulationsblasen.

Einer der Vordenker des ÖIK in Deutschland war Ludwig Bölkow, der damalige Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB). Schon 1970 forderte dieser, um angesichts der sich abzeichnenden Ost-West-Entspannung, diversen Nachteilen der einseitig militärischen Ausrichtung seines Geschäfts zu begegnen, eine Ausweitung des zivilen Anteils der Fertigung seines Konzerns auf 50 Prozent. Dabei dachte er hauptsächlich daran, Umweltschutztechniken zum zweiten Standbein des durchwegs politisch bestimmten Geschäfts seines Konzerns zu machen. Neben Bölkow gehörte auch der ehemalige MBB-Manager und spätere „Atomminister“ Prof. Dr. Siegfried Balke zu den Vordenkern des ÖIK. Die Technologieberatungsfirma MBB Systemtechnik in Ottobrunn hat bis heute einen beträchtlichen Einfluss auf die deutsche und zum Teil auch europäische Forschungs- und Technologiepolitik im Bereich Energie und Umwelt – zum Beispiel in Form von Gutachten für Bundesministerien und Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages. Gleichzeitig fördert die Bölkow-Stiftung, in deren Stiftungsrat Grüne den Ton angeben, gezielt Pioniere „grüner“ Energietechnik.

Zu den Firmen, die das erste Umweltprogramm der deutschen Bundesregierung von 1971 und die darin enthaltenen (und von ihnen direkt beeinflussten!) Emissions-Grenzwerte in Form diverser Filter- und Reinigungstechniken umsetzten, gehörten denn auch fast durchwegs Töchter von Rüstungskonzernen wie Flick (insbesondere Krauss-Maffei), Quandt, Klöckner, Krupp, Haniel, MBB, Rheinstahl und, Siemens. Hinzu kamen Töchter von Metallgesellschaft, Degussa und Hoechst sowie des Energiekonzerns RWE, die (wie auch die meisten der vorgenannten Konzerne) in der Nuklearindustrie eine große Rolle spielten.

Begleitet wurde diese Neuausrichtung des MIK durch die allmähliche Transformation von Massenmedien in eine Angstindustrie. Eine große Gelegenheit dafür bot die Veröffentlichung der Studie „Die Grenzen des Wachstums“ durch den Club of Rome. Das Thema „CO2 und Klima“ spielte dabei in Deutschland jedoch zunächst kaum eine Rolle. Statt in Deutschland spielte die alte, aber im Grunde längst widerlegte Hypothese des schwedischen Chemikers Svante Arrhenius von 1896, der wachsende Ausstoß des Verbrennungsabgases CO2 führe zu einer Verstärkung des „Treibhauseffekts“, zunächst nur in Skandinavien eine Rolle. Vor allem die schwedischen Sozialdemokraten unter Olof Palme erwogen schon im Umkreis der ersten UN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm und des neu gegründeten internationalen Umwelt-Fachmagazins „Ambio“ die Einführung von CO2-Steuern, stießen damit jedoch zunächst in Kontinentaleuropa auf wenig Resonanz. Erst als der Preis des Nordsee-Öls in den 80er Jahren unter 10 Dollar je Barrel absackte und die Erdgasförderung in der Nordsee infolge der Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis unrentabel geworden war und es deshalb in Europa nahe lag, in der Wärme- und Stromproduktion massiv zur reichlich vorhandenen billigen Kohle zurückzukehren, starteten die skandinavischen Sozialdemokaten unter der Norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, später Vorsitzende der nach ihr benannten UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung, mithilfe der Sozialistischen Internationale eine europaweite Kampagne für CO2-Steuern, um den Kohle- und Öleinsatz künstlich zu verteuern und die Erdgasförderung in der Nordsee wie später auch in Russland wieder rentabel zu machen.

Das CO2-Thema war aber auch einigen Persönlichkeiten der damals in Bonn regierenden Großen Koalition von CDU/CSU und SPD und der sie ablösenden sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt jedoch durchaus von Anfang an bekannt. Zu diesen Persönlichkeiten zählt der heutige Lord Prof. Ralf Dahrendorf. Der bekannte liberale Soziologe beteiligte sich als Staatssekretär im Bundesaußenministerium aktiv an Debatten über die Ausgestaltung der „Dritten Dimension“ der NATO, wo das Klima-Thema im Wissenschaftsausschuss über den Klimatologen Prof. Herrmann Flohn (Bonn) zu einer Zeit, als die Wissenschaftlergemeinde noch beinahe einhellig vom Herannahen der nächsten Eiszeit überzeugt war, schon mit anthropogenen CO2-Emissionen in Zusammenhang gebracht wurde.

Wichtige Anstöße gingen auch von den US-Wissenschaftlern Roger Revelle und Charles Keeling sowie von dem später zum wichtigsten Kritiker der Klima-Hysterie gewandelten österreichisch-amerikanischen Weltraum-Physiker Fred Singer aus. Im Prinzip war auch Günter Hartkopf, FDP-Staatssekretär in dem damals noch für den Umweltschutz zuständigen Bundesinnenministerium, darüber informiert, hat aber dazu nichts verlauten lassen. Frage: Gab es damals Versuche der Brandt-Regierung, sich in dieser Angelegenheit mit den schwedischen Sozialdemokraten zu verständigen? Ich vermute: Da Umweltschutz Angelegenheit der FDP war, haben sich die Sozialdemokraten um das Thema „Klima“ längere Zeit wenig gekümmert. Wegen ihrer engen Verzahnung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) standen stattdessen Probleme der Arbeitswelt im Vordergrund.

In Deutschland war die Zeit nach der Ölkrise von 1973 geprägt von einer wachsenden Konfrontation zwischen der sozial-liberalen Regierung und der erstarkenden Anti-Atom-Bewegung. Beim Abwehrkampf des zuständigen sozialdemokratischen Forschungs- und Technologieministers Hans Matthöfer spielte das Klima-Thema aber so gut wie keine Rolle. Erst nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde das Thema auf Betreiben der deutschen Nuklearindustrie und ihr nahe stehender Naturwissenschaftler wie den Bonner Physiker Prof. Klaus Heinloth in Form einer „Warnung vor einer drohenden Klimakatastrophe“ durch die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) offensiv in die Medien gebracht.

Diese Kampagne mündete in der Einsetzung der Enquête-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ durch den 11. und 12. Deutschen Bundestag (BT). Ihr Vorsitzender war der als Lobbyist der Hanauer Nuklearindustrie (NUKEM) bekannte CDU-Abgeordnete Klaus Lippold. Die Kommission forderte schon vor der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro eine Reduktion der CO2-Emissionen der Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft (EG) um 20 bis 25 Prozent bis zum Jahre 2005 sowie eine Förderung „erneuerbarer“ Energien. Dem kam der BT erstmals 1991 in Form des „Einspeisegesetzes“ nach, das die Betreiber öffentlicher Stromnetze verpflichtet, jederzeit Strom aus Wasser-, Wind-, Sonnen- und Biomassekraftwerken abzunehmen. Hinter dem Gesetz standen u.a. die Abgeordneten Peter Ramsauer (CSU) und Peter Paziorek (CDU), die beide als Betreiber einer Mühle mit Wasserkraftwerk beziehungsweise als Teilhaber von Windparks ein unmittelbares finanzielles Interesse an der Förderung „erneuerbarer“ Energien hatten. Das Gesetz erregte damals wenig Aufsehen, da es zunächst nur kleine Strom-Mengen betraf. Als der Widerstand gegen die „Verspargelung“ der Landschaft durch riesige Windräder wuchs, hat der Bundestag 1996 noch unter Kohl und quer durch alle Fraktionen einen kleinen Zusatz zum Paragraphen 35 des Baugesetzbuches (BauGB) beschlossen. Dieser macht es möglich, Windräder, die höher sind als der Kölner Dom, schneller genehmigt zu bekommen als eine Frittenbude.

Schon im Vorfeld der Rio-Konferenz gab es Versuche, neben Sozialdemokraten auch die Grünen in den ÖIK einzubinden. Das geschah unter anderem auf einer Serie großzügig gesponserter Konferenzen, an denen neben Wirtschaftsvertretern des In- und Auslandes auch Spitzenpolitiker und bekannte Medienvertreter teilnahmen. (Ich kann mich erinnern an eine Konferenz im Kongresszentrum der Hannover Messe und an eine Konferenz im Hotel Maritim am Timmendorfer Strand mit Patricia Cairncross vom „Economist“, dem Schweizer Großindustriellen Stefan Schmidheiny, Klaus Töpfer usw.) Vermittelt über den Grünen Bundestagsabgeordneten Willi Hoss (eines abtrünnigen DGB-Gewerkschafters und Betriebsrats bei Daimler) finanzierte die Daimler AG einer starken „Delegation“ von Grünen die Reise nach Rio. Als „Gegenleistung“ sollten diese in Europa Positives über die Nutzung von Kokos- und Sisalfasern als nachwachsende Rohstoffe im Daimler Werk bei Bélem berichten.

Im Vorfeld der Rio-Konferenz gab es bei den Grünen und in ihrem Umkreis auch eine wegweisende Debatte im grünen Wirtschaftsinformationsdienst „Ökologische Briefe“ und in der „Frankfurter Rundschau“ (FR) über ein Zusammengehen mit verschiedenen privaten Großkonzernen. Diese Debatte habe ich als damals verantwortlicher Redakteur der „Ökologischen Briefe“ dummerweise selbst angestoßen (Eröffnungsartikel in der FR am 19. November 1991 während der Konferenz am Timmendorfer Strand). Im Rahmen dieser Debatte gab es im Frühjahr 1992 ein wichtiges Treffen in einem Düsseldorfer Nobelrestaurant. Beherrscht wurde dieses Treffen, an dem verschiedene Abgeordnete und Vorstandsmitglieder der Grünen (u. a. die Unternehmensberaterin Ruth Hammerbach) teilnahmen, von Michael Vester, Sohn eines Düsseldorfer CDU-Politikers und später Grüner Bauminister in Nordrhein-Westfalen (NRW). Auch Frank Asbeck, der spätere „Sonnenkönig“ von Bonn, war dabei.

Asbeck kommt aus einer alten Dortmunder Unternehmerfamilie, die mit der Stahlverarbeitung ein Vermögen machte. Er galt nie als typischer Grüner und wäre heute genauso gut in der rheinischen Klüngel-CDU aufgehoben. Außer mit Michael Vester ist Asbeck gut mit einflussreichen Politikern wie Kurt Biedenkopf (CDU), Jürgen Rüttgers (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer und Jürgen Trittin (Grüne) sowie mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle vernetzt. In seiner Jugend sympathisierte er eine Weile mit der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Er betrieb zunächst ein auf die Reparatur und das Recycling von Industrieanlagen (insbesondere in Entwicklungsländern) spezialisiertes kleines Ingenieurbüro und vertrieb zusammen mit seinem Bruder Ralf gepanzerte Limousinen – ein Geschäft, das vor allem während des Kosovo-Krieges blühte.

Mitte der 90er Jahre baute Asbeck auf dem Dach einer Bonner Industriehalle die damals größte Photovoltaik-Anlage Deutschlands. Die Module dafür lieferte BP Solar, dessen größter Kunde Asbeck damit wurde. 1998 gründete Asbeck die SolarWorld AG, die er 1999 erfolgreich an die Börse brachte. Mit dem eingenommenen Kapital kaufte er zunächst eine schwedische Solarmodulfabrik und übernahm im Jahre 2000 die Solarsparte der BAYER AG im sächsischen Freiberg. Dabei half ihm sein kurzer Draht zu Kurt Biedenkopf. Später tat sich Asbeck mit dem Chemiekonzern Degussa (jetzt: Evonik) zur Joint Solar Silicon GmbH & Co KG (JSSI) zusammen, um ein neuartiges Verfahren zur Abscheidung von Solar-Silizium anwendungsreif zu machen.

In die Zeit zwischen dem Tschernobyl-Unglück und der Rio-Konferenz fällt auch die Gründung des Verbandes EUROSOLAR durch den SPD-Abgeordneten Hermann Scheer und den Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell (ebenfalls Sohn eines CDU-Politikers). Das Ziel von EUROSOLAR: Die völlige Umstellung der Energieversorgung auf „Erneuerbare“ bis zum Jahre 2050, wenn nicht schon früher. Somit handelt es sich, im Vergleich zum eher pragmatischen und wirtschaftsfreundlichen rheinischen Netzwerk Asbecks, um eine eher fundamentalistische Gruppierung. Beide Strömungen verbanden sich aber im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) mit CDU/CSU-Politikern zu einer starken Lobby für den Ausbau des „Einspeisegesetzes“ zu einem „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarerer Energien“ (EEG), das für 20 Jahre großzügige Einspeisevergütungen für Solar-, Wind- und Biomasse-Strom garantiert. Dessen 1. Fassung wurde im März 2000 unter der ersten rot-grünen Regierung verabschiedet.

Ganovenstück EEG

Als Rot-Grün 1998 die Regierungsverantwortung übernahm, hatte sich rund um die „erneuerbaren“ Energien längst ein dichtes polit-ökonomisches Geflecht ausgebildet, in dem gelten soll: Nicht Angebot und Nachfrage, sondern maßgeschneiderte Gesetze und Paragraphen bestimmen Umsatz- und Gewinnchancen. Die neuen Machthaber der Berliner Republik brauchten also nur konsequent auf dem bereits eingeschlagenen Weg fortzufahren. Das taten sie mit dem EEG. Zu dessen Urhebern zählen der württembergische SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer und sein fränkischer Kollege Hans-Josef Fell von den Grünen. Scheer ist Präsident der Lobby-Vereinigung Eurosolar und Vorsitzender des Weltrates für Erneuerbare Energien. Er dürfte schon mit seinen Bestseller-Büchern über das kommende „Solarzeitalter“ und deren Popularisierung in jährlich etwa hundert bezahlten Vorträgen mehr verdienen als durch sein Bundestagsmandat. Fell war Vorsitzender der deutschen Sektion von Eurosolar, Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen für Forschung Technologie und Geschäftsführer der Hammelburger Solarstrom GmbH.

Die niedersächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Angelika Brunkhorst, selbst EEG-Lobbyistin, nannte die Durchschleusung des EEG durch Bundestag und Vermittlungsausschuss ein „Ganovenstück“, das von der Parlamentarier-Gruppe von Eurosolar und vom weitgehend personengleichen Parlamentarischen Beirat des Bundesverbandes erneuerbare Energien (BBE) eingefädelt wurde. Vorsitzender dieses Gremiums war wiederum Hermann Scheer. Stellvertretende Vorsitzende war Michaele Hustedt, damals energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Neben den Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU) und Hans-Josef Fell (Die Grünen) gehörten dem Gremium unter anderen die SPD-Abgeordneten Axel Berg, Marco Bülow und Christoph Matschie, die Unions-Abgeordneten Peter Harry Carstensen, Thomas Dörflinger, Josef Göppel und Peter Paziorek sowie Reinhard Loske, damals umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, heute Grüner Wirtschaftssenator im Stadtstaat Bremen, an. Loske gehörte gleichzeitig dem Kuratorium der Düsseldorfer Naturstrom AG und dem Umweltrat der Nürnberger Umweltbank an. Dietrich Austermann hatte als Mitglied des Verwaltungsrates der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) direkten Einfluss auf die Unterstützung von Wind- und Solarprojekten durch zinsgünstige Darlehen.

Im Detail legt das EEG fest, wie hoch die Stromnetzbetreiber und im Endeffekt die Verbraucher die gesetzlich erzwungene Abnahme teuren Wind- und Solarstroms vergüten müssen: Für Strom aus kleinen Wasserkraftwerken und Windrädern zum Beispiel bis zu über 9 Eurocent je Kilowattstunde (KWh), das heißt fast dreimal mehr als die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten in Deutschland. Es kam zu einem Boom von Windkraftfonds, die bei Gutverdienern mithilfe des Versprechens einer Steuerersparnis von über 100 Prozent für eine absolut saubere, sichere und profitable Geldanlage innerhalb weniger Jahre sieben bis zehn Milliarden Euro mobilisierten und damit in Deutschland über 20.000 WKA gebaut haben. Einige der genannten Parlamentarier verdienen als Teilhaber von Wind- und Solarparks oder (diskreter) als Zeichner „grüner“ Investmentfonds an dem vom EEG ausgelösten künstlichen Boom der „Erneuerbaren“ mehr oder weniger kräftig mit. Dabei halten sich die Mitglieder der Regierungsparteien aus nahe liegenden Gründen eher diskret zurück, während sich Oppositionspolitiker offen als Windmüller zu erkennen geben, um sich als besonders „klimafreundlich“ zu profilieren.

Die Bande zwischen grüner Industrie und grüner Partei sind eng. Im Wahlkampfjahr 2002, als SPD und Bündnis 90/Die Grünen bereits hoffnungslos abgeschlagen schienen, pumpten die Windkraftfirmen großzügig Geld in die Kassen der Umweltpartei. Über die Hälfte (300.000 von 550.000 Euro) der nach dem Parteiengesetz angabepflichtigen Großspenden stammte bei den Grünen im Jahre 2002 von Windkraftfirmen. Zu den Großspendern gehörten der Regensburger Windpark-Projektierer Ostwind-Verwaltungs GmbH mit 71.000 Euro, die beiden Betreiber des Windparks im hessischen Lichtenau mit insgesamt 52.500, die EWO Energietechnologie GmbH und die AGU Elektrotechnik GmbH am gleichen Ort mit 40.000 beziehungsweise 20.000 Euro sowie die inzwischen insolvente Umweltkontor Renewable Energy im rheinischen Erkelenz mit 50.000 Euro. Dass es sich dabei um gezielte Wahlkampfhilfe handelte, zeigt die Tatsache, dass die Grünen in den folgenden Jahren aus dieser Branche keine nennenswerten Spenden mehr verbuchten.

Die Sonnenwelt verfinstert sich

Auslöser des nun zu Ende gehenden Solar-Booms war die Anfang Juli 2004 vom Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Novelle des EEG. Es gäbe sonst keinen Grund, in unseren von der Sonne nicht gerade verwöhnten Breiten massiv in teure Solaranlagen zu investieren. Bis zu 57,4 Eurocent je Kilowattstunde (KWh) kassierten Hausbesitzer, die sich Photovoltaik-Module auf ihr Dach montieren lassen, wenn sie den dort produzierten Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Das ist etwa das 20-fache der Kosten von Strom aus Atom- oder Braunkohlekraftwerken, die in Deutschland etwa 3 Cent je KWh betragen. Selbst Strom aus großen, von kommerziellen Betreibern auf Freiflächen aufgestellten Photovoltaik-Anlagen mussten die Netzbetreiber für 45,7 Cent je KWh abnehmen. Allein für die im Jahre 2007 hinzugebauten Fotovoltaik-Anlagen mussten die deutschen Stromverbraucher und Steuerzahler 7,5 Milliarden Euro für die aufbringen. Der Beitrag der Solarenergie zur deutschen Stromversorgung erreichte zu Spitzenzeiten gerade einmal 0,7 Prozent. Kein Wunder in einem Land, das nicht zum Sonnengürtel des Globus zählt.

Durch die im Mai 2008 vorgenommene Anpassung der EEG-Fördersätze hat sich an diesem Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag wenig geändert. Statt die Einspeisevergütung für Solarstrom um 30 Prozent zu kürzen, wie von Teilen der CDU und der FDP gefordert, um Innovationsanreize zu geben, sieht das novellierte EEG für die kommenden zwei Jahre nur eine Kürzung um 8 Prozent vor. Die Solarlobby hat sich noch einmal durchgesetzt – und zwar vor allem mit dem Argument, sie schaffe Zigtausende von Arbeitsplätzen in den östlichen Bundesländern. Man braucht keine höhere Mathematik, um die Fadenscheinigkeit dieser Begründung zu erkennen. Nach Berechnungen des Bonner Volkswirtes Dieter Damian, die von Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bestätigt wurden, werden die kumulierten Kosten des subventionierten Ausbaus der Fotovoltaik in Deutschland schon im Jahre 2015 die Schallmauer von 100 Milliarden Euro durchstoßen haben, obwohl die blau schimmernden Siliziumscheiben bis dahin höchstens zwei Prozent zur Stromproduktion beitragen werden. Es käme billiger, jedem Arbeitslosen einfach ein Paket 500-Euro-Scheine in die Hand zu geben.

Die Netzbetreiber, das heißt in der Hauptsache die vier großen Energieversorgungsunternehmen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW und die mehr als 1.500 örtlichen Versorger, können diese Zusatzkosten bis jetzt wegen des geringen Wettbewerbs auf dem deutschen Strommarkt problemlos an die Endverbraucher weitergeben und dabei (wie die Kartellbehörden vermuten) sogar noch einiges aufschlagen. Die Stromverbraucher jedoch haben kaum Möglichkeiten, der staatlich verordneten Abzocke zu entgehen. Und die allgemeine Verteuerung des Stroms wird, ganz im Gegensatz zu der Behauptung Jürgen Trittins und Sigmar Gabriels, längerfristig unterm Strich höchstwahrscheinlich viel mehr Arbeitsplätze zerstören als neu schaffen. Neue Arbeitsplätze entstehen durch das EEG hauptsächlich in China und Japan, wo die meisten Solarzellen gefertigt werden.

Ausblick

Die Hinweise auf das näher rückende Platzen der „Erneuerbaren“-Blase dürfen nicht überbewertet werden. Der Öko-Industrie-Komplex wird, wie alle einmal etablierten techno-bürokratischen Strukturen, so schnell nicht verschwinden. Zum Geschäftsmodell des ÖIK gehört neben der massiven Subventionierung „erneuerbarer“ Energien vor allem der internationale CO2-Emissionshandel. Es handelt sich dabei, in den Worten des Wall Street Journal, um den „größten Umverteilungsplan seit Einführung der Einkommenssteuer.“ Davon werden die Banken, Versicherungen, Energie- und Anlagenbau-Konzerne, die sich dafür stark machen, so schnell nicht lassen. Die US-Umweltbehörde EPA schätzt die durch die Versteigerung von „Verschmutzungsrechten“ erzielbaren zusätzlichen Staatseinnahmen auf nicht weniger als 3,3 Billionen Dollar. Zwischen verschiedenen Firmen und Branchen der Privatwirtschaft würde Wertschöpfung in der Größenordnung von Hunderten von Milliarden Dollar umverteilt. Doch könnte die Vertrauenskrise in der Finanzwelt diese Pläne vereiteln, weil die deutlich spärlicher fließenden Kredite für dringendere Probleme wie die Rettung der Automobilindustrie vor dem Zusammenbruch benötigt werden.

Es besteht daher jetzt die Chance, das Ausufern des ÖIK zu stoppen und ihn auf eine einigermaßen erträgliche Größenordnung zurechtzustutzen. Voraussetzung dafür wäre die Popularisierung eines anderen politischen Feindbildes. Dieses könnte „Energieverteuerung“ oder „Versorgungsunsicherheit“ lauten. Eine neue Partei, die sich dieses auf die Fahne schriebe, hätte meines Erachtens durchaus Chancen, die politische Landschaft Deutschlands und der EU aufzumischen.

(veröffentlicht in: eigentümlich frei N° 88)

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Das Wind-Erdgas-Kartell

Eigennützige Förderung von Windkraft-Projekten

Von Edgar Gärtner*

Die Hersteller von Gasturbinen und die Förderer von Erdgas profitieren beide davon, wenn Strom aus Windkraft gewonnen wird. Diese Abhängigkeit führt jedoch zu Marktverzerrungen (Red.)

Der 80 Jahre alte texanische Erdöl- und Erdgas-Milliardär T. Boone Pickens möchte sich ein Denkmal setzen, indem er seine Landsleute mit Tausenden von Windrädern beglückt. Nun hat er die ersten 667 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 1000 Megawatt (MW) für rund 2 Mrd. $ beim «grünen» amerikanischen Konglomerat General Electric (GE) bestellt. Damit möchte der anscheinend vom Saulus zum Paulus gewandelte Geschäftsmann mithelfen, die hohe Abhängigkeit seines Landes von Erdölimporten zu mindern.

Interessen der Erdgas-Industrie

Was auf den ersten Blick als grössenwahnsinnig anmutet, ist vermutlich Ausfluss einer höchst gerissenen Geschäftsstrategie. Waren frühere Windkraft-Investoren

vielleicht noch wirklich davon überzeugt gewesen, mit ihrer guten Tat die Welt retten zu helfen, so geht es den Heutigen in der Regel um etwas ganz anderes. Es hat sich herumgesprochen, dass jedes Kilowatt installierte Windleistung durch eine entsprechende Leistung eines konventionellen Kraftwerks ergänzt werden muss, um die Unstetigkeit des Windes auszugleichen. Wer sich heute für Windräder stark macht, dem geht es also höchstwahrscheinlich eher darum, Gasturbinen und/oder Erdgas zu verkaufen. In der Tat: Zu Pickens Unternehmens- gruppe gehört die ausserordentlich erfolgreiche Erdgas- Explorationsgesellschaft XTO-Energy.

Auch bei der «Ecomagination»-Kampagne von GE liegt das Erdgas-Interesse auf der Hand. GE bietet inzwischen seine Windenergieanlagen besonders preisgünstig an, um Bestel- lungen von Gasturbinen anzukurbeln. Bei Gasturbinen ist GE unangefochten Weltmarktführer und verdient damit viel mehr als auf dem umkämpften Markt für Windräder. Darüber kann sich selbst Rex Tillerson, der Chef des Erdöl-Giganten Exxon Mobil freuen. Obwohl Tillerson Umweltschützer auf die Palme bringt, weil er nicht viel von Investitionen in erneuerbare Energien hält und fortwährend wiederholt, dass Erdöl sein Kerngeschäft bleibt, hat auch er längst kapiert, dass mit Erdgas viel mehr zu verdienen ist. Dort investiert Exxon Mobil neuerdings kräftig. Sein europäischer Mitbewerber Royal Dutch Shell hat sich, kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, längst in einen Erdgas-Konzern verwandelt, der – je nach Standort – eng mit staatseigenen Lieferanten wie Gazprom (Russland) oder Sonatrach (Algerien) kooperiert. Inzwischen sieht sich die EU in der Energiepolitik einer geschlossenen Front von Erdgaslieferanten – einer Art Erdgas-OPEC – gegenüber, zu der neben den genannten Konzernen auch das Emirat Katar und die Erdöl- beziehungsweise Erdgas-Konzerne Chevron, BP und Total gehören.

«Erdgas-Opec»

Kürzlich verlautete am World Petroleum Congress (WPC) in Madrid, über 80 Prozent der in den kommenden 20 Jahren in der EU installierten Kraftwerkkapazitäten entfielen voraussichtlich auf kombinierte Gas- und Dampfturbinen. In Spanien sind solche Turbinen mit 21 Gigawatt (GW) Gesamtkapazität bereits zur wichtigsten Stromquelle geworden. Das ist kein Zufall, denn Spanien ist nach Deutschland das EU-Land mit der höchsten Windkraft-Kapazität. Sie erreichte Ende 2006 rund 11 000 MW. Bei schätzungsweise 2000 Volllast-Stunden im Jahr entspricht das einer Elektrizitäts-Produktion von 23 Terawattstunden. Um diese sehr unregelmässig anfallende Strommenge im Übertragungsnetz abzupuffern, eignen sich am besten rasch an- und abschaltbare Gasturbinen.

Auch in Deutschland, wo über 20.000 Windräder mit einer Gesamtkapazität von 21.400 MW die Landschaft „verschönern“, stieg der Gaseinsatz für die Stromproduktion parallel zum Ausbau der Windkraft, und zwar von 35,9 Mrd. kWh im Jahre 1990 auf 74,5 Mrd. kWh in 2007. Der Anteil von Gas an der gesamten Stromproduktion wuchs von 6,5 Prozent im Jahre 1990 auf 11,7 Prozent in 2007, während der Anteil von Windstrom von Null auf 6,2 Prozent stieg (siehe Grafik)). Das ist sicher nicht ganz zufällig. Bis heute wird in Deutschland allerdings noch immer ein Teil des Windkraft-Backup von alten Kohlekraftwerken übernommen. Diese müssen dann in einem unwirtschaftlichen Stand-by-Betrieb laufen, um bei Bedarf rasch angefahren werden zu können. Die Grünen und auch beträchtliche Teile der Regierungsparteien kämpfen derzeit mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. Deshalb ist es absehbar, dass die meisten alten Kohlekraftwerke letzten Endes durch Gasturbinen ersetzt werden.

Einen zusätzlichen Auftrieb erhalten die Verkäufer von Erdgas durch den Handel mit europäischen CO2-Emissionsrechten. Sobald die Emissionsrechte – wie vorgesehen – ab 2013 ersteigert werden müssen, macht der Emissionshandel Investitionen in die energetische Nutzung der reichlich vorhandenen Vorräte an Braun- und Steinkohle uninteressant. Der Vormarsch des Erdgases in der Stromproduktion der EU führt zur fatalen Konsequenz, dass es schon bald keine echte Wahlmöglichkeit zwischen leitungsgebundenen Energieträgern mehr geben wird. Die wichtigste Alternative zum Einsatz von Erdgas in Turbinen ist übrigens Kerosin, das zurzeit, bezogen auf die enthaltene Wärmeenergie, beinahe doppelt so viel kostet wie Rohöl. Dadurch zeichnet sich der Korridor der zukünftigen Entwicklung des Erdgaspreises ab. Es ist zu erwarten, dass der Gaspreis nicht länger vom Rohölpreis abhängen, sondern sich in 5 bis 10 Jahren dem Kerosinpreis angleichen wird. Nur Länder, die wie die Schweiz über große Wasserkraftreserven verfügen, könnten die einseitige Abhängigkeit vom Gas vermeiden.

Erdölländer setzen auf Kohle

Statt in Europa wird die weltweit zu günstigen Preisen verfügbare Kohle nun ausgerechnet in den Erdöl- und Erdgasförderländern verstärkt genutzt. Russland baut zurzeit 30 neue Kohlekraftwerke, um das immer teurer werdende Erdgas für den Export zu reservieren. Auch das Emirat Dubai setzt für die eigene Stromversorgung auf Kohlekraftwerke, weil dessen Wirtschaftsstrategen die eigenen Erdöl- und Erdgasvorräte dafür zu schade erscheinen.

*) erschienen in: Neue Zürcher Zeitung am 7. August 2008

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Umweltschutz jenseits der Rationalität von Edgar L. Gärtner*)

Jede gesellschaftliche Interessengruppe erzählt die Geschichte ihres Anliegens so, wie es ihr in den Kram passt. Auf Neudeutsch heißt das Story Telling. Wer begreifen will, wie und wann das zunächst vernünftige Anliegen des Umweltschutzes zu einem krankhaft religiösen Weltrettungswahn mit selbstmörderischen Zügen wurde, wer begreifen will, wie bürokratisch-rationale Umweltschützer zu skrupellosen Nihilisten wurden, die nicht davor zurückschrecken, Menschenleben zu opfern, um eine vermeintlich drohende Klimakatastrophe abzuwenden, der ist wohl schlecht beraten, wenn er ausgerechnet jene um Auskunft fragt, die den Umweltschutz – in welcher Form auch immer – zu ihrem Geschäft gemacht haben. Diese schwelgen im Mythos des Sündenfalls der industriellen Revolution bzw. des „Stummen Frühlings“ (Rachel Carson, 1962) infolge der Chemisierung der Landwirtschaft. Dieser Mythos steht auch hinter den „Grenzen des Wachstums“ (1972), deren Entdeckung zu Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine politische Wende erzwungen habe.

Doch der Start der Umweltpolitik im heutigen Sinne um 1970 hatte wenig mit einer krisenhaften Zuspitzung von Umweltproblemen zu tun, sondern mehr mit einer Anpassung der Strategie des Nordatlantischen Bündnisses an gewandelte Bedingungen des Kampfes gegen den Kommunismus. Zu ihren Hintergründen zählen die Infragestellung der westlichen Lebensweise durch die Studentenrevolte von 1968, die drohende Niederlage der USA im Vietnam-Krieg und das in Form der „Entspannung“ sich abzeichnende Ende des Kalten Krieges. Die Watergate-Affäre brachte zutage, welche Panik unter US-Präsident Richard Nixon im Weißen Haus herrschte. Um davon abzulenken, bot sich der von Denkfabriken wie der RAND Corporation und der Ministerialbürokratie vorgeschlagene neue Politiktypus „Umweltpolitik“ an.

Reaktive ordnungsrechtliche Eingriffe

Auf echte stoffliche Engpässe der industriellen Umweltnutzung und die damit verbundene Verletzung von Eigentumsrechten hatten klassische Industriestaaten wie England oder Deutschland, auf Druck Geschädigter, schon seit dem 19. Jahrhundert fallweise mit durchaus wirksamen ordnungsrechtlichen Eingriffen reagiert.

• Im englischen Parlament gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen dem eingesessenen Landadel und Sodafabrikanten, die als Emporkömmlinge einen unsicheren gesellschaftlichen Status innehatten. Der Grund war das für die Sodaherstellung zunächst angewandte Le-Blanc-Verfahren. Dabei wird Salzsäure frei, die die Vegetation in der Umgebung der Sodawerke verätzte. Aufgrund des 1863 erlassenen Alcali Act schickte der Staat Inspektoren in die Sodawerke, um für eine Verminderung der Salzsäure-Emissionen zu sorgen. Der Konflikt wurde aber letzten Endes nicht durch den Alcali Act, sondern durch den Übergang zum umweltfreundlicheren Solvay-Verfahren der Soda-Herstellung gelöst.

• 1869 kam im späteren Deutschland mit der Gewerbeordnung (GewO) des Norddeutschen Bundes die Genehmigungspflicht für alle Industrieanlagen, die Nachbargrundstücke beeinträchtigen können.

• Das deutsche Wasserhaushaltsgesetz (WHG) von 1957 war die Antwort auf die Übernutzung der Selbstreinigungskraft von Bächen, Flüssen und Seen während des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit.

• Anlass für die Technische Anleitung (TA) Luft von 1964, eine Verwaltungsvorschrift auf der Basis des § 16 der GewO von 1869, war die extreme Belastung der Luft des Ruhrgebietes mit Grob- und Feinstaub sowie mit Schwefel- und Stickoxiden, die zur Abwanderung von Arbeitskräften führte und zum Hemmschuh für die Modernisierung der Industrie durch die aufkommende Elektronik wurde. Der spätere sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt hatte 1961 im Wahlkampf gefordert: „Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden.“ Diese Verwaltungsvorschrift begnügte sich mit der Einführung von Emissionsgrenzwerten für wenige Schadstoffe und von Berechnungsmethoden für die für eine großräumige Verteilung von Abgasen erforderliche Höhe von Fabrikschornsteinen.

Die Bürokratie übernimmt die Führung

Doch dann geht die Bürokratie in die Offensive. Im Jahre 1969 wird anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Nordatlantik-Paktes das NATO Committee on Challenges of Modern Societies (CCMS) feierlich aus der Taufe gehoben. Dieses wurde als “dritte Dimension” der NATO bekannt. Sein erklärtes Hauptanliegen war die “Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Entscheidungsfindung”, d. h. die Übertragung betriebswirtschaftlicher und militärisch-logistischer Systemanalyse- und Planungsmethoden in die zivile Verwaltung. Erstmals wurden diese Methoden (mit überwiegend enttäuschenden Ergebnissen) im Rahmen des sozialpolitischen „Great Society“-Programms unter US-Präsident Lyndon B. Johnson erprobt. Als weitaus erfolgreicher (im Sinne der Bürokratie) erwies sich der am 1. Januar 1970 unter Präsident Richard Nixon verabschiedete US National Environmental Policy Act. Darin wurde auch der Begriff „Environmental Protection“ (Umweltschutz) geprägt. In den bis dahin eingeführten fall- und medienbezogenen ordnungsrechtlichen Regelungen wird man den heute gängigen Begriff vergebens suchen. Er tauchte erstmals in dem im September 1970 kurz nach dem US-Umweltprogramm ohne konkreten Anlass beschlossenen „umweltpolitischen Sofortprogramm“ der Bundesregierung auf.

Sehr anspruchsvoll kam dann das 1971 verabschiedete umfassende Umweltprogramm der deutschen Bundesregierung daher. Sein erklärtes Ziel: „Unerwünschte Nebenwirkungen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen sollen rechtzeitig erkannt und durch weit vorausschauende Umweltplanung vermieden werden.“ Voraussetzung dafür sei die Weckung eines „Umweltbewusstseins“ in der breiten Bevölkerung. Implizit ist hier auch schon das erst später so genannte „Vorsorgeprinzip“ angedeutet – und die damit verbundene Angstmache.

Nach dem oft gedankenlos zitierten, aber im Grunde vermessenen Grundsatz „Vorbeugen ist besser als heilen“ soll die so verstandene Umweltpolitik das Übel an der Wurzel packen und sich nicht mit dem Kurieren von Symptomen begnügen. Der gesunde Menschenverstand legt es stattdessen nahe, Probleme immer ein Stück weit auf sich zukommen zu lassen und Vorsorgeaufwendungen von ihrem absehbaren Nutzen abhängig zu machen. Denn wer sich allzu sehr um ungelegte Eier sorgt, der versäumt bekanntlich das Leben. Das „Vorsorgeprinzip“ war schon im WHG in Form des „Besorgnisgrundsatzes“ angeklungen. Im deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) von 1974, einer „ganzheitlichen“ Weiterentwicklung der TA Luft, wurde es dann weltweit zum ersten Mal kodifiziert. Es enthält, wie noch demonstriert werden wird, den Keim des Umschlags der bürokratisch-rationalen Regulierung in eine von irrationalen, nihilistischen Motiven getriebene Bewegung nach dem Prinzip „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.

Bei der Umsetzung des Versuchs, schon im Vorhinein klüger zu sein, setzten Spitzenbeamte des in Deutschland für den Umweltschutz zuständigen Bundesinnenministeriums (BMI), entsprechend des von US-Denkfabriken ersonnenen Modells der „professionalized reform“, von Anfang an auf das „Wadenbeißen“ außerparlamentarischer Gruppen, die heute als Non Governmental Organizations (NGOs) bekannt sind, und auf die Verwandlung der Massenmedien in eine „Angst-Industrie“. Die „Bürgerinitiativen“ wurden von der Ministerialbürokratie, wenn nicht aus der Taufe gehoben, so zumindest gezielt mit Informationen und einer „Anschubfinanzierung“ versorgt. Der damals im BMI für den Umweltschutz zuständige Staatssekretär Günter Hartkopf (FDP) hat das nach seiner Pensionierung in einer Rede auf dem Deutschen Beamtentag 1986 in Bad Kissingen offen ausgesprochen. Außerdem bedurfte die bürokratische Offensive einer Art von Zeigefinger-Pädagogik. Darum kümmerte sich eine elitäre Gruppe mit dunklem Hintergrund: der Club of Rome. Dessen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) half entscheidend mit, die Idee einer geschlossenen Welt mit absolut begrenzten Rohstoffvorräten bzw. den Mythos „Sündenfall industrielle Revolution“ zu verbreiten.

Bürokratie birgt nihilistische Versuchung

Der Übergang von der rationalen bürokratischen Planung und Regulierung zur Anbiederung an galoppierende Ängste bzw. nihilistische Auslegungen des „Vorsorgeprinzips“ begann schon zu Beginn der 80er Jahre, als die Vergilbung von Nadelbäumen in deutschen Mittelgebirgen als Symptom eines allgemeinen „Waldsterbens“ gedeutet wurde, das nur durch eine Drosselung des Kraftverkehrs und durch Milliarden-Investitionen in Rauchgasreinigungsanlagen aufgehalten werden könne. Kosten-Nutzen-Abwägungen spielten dabei offenbar schon keine Rolle mehr. Später stellte es sich heraus, dass die Entschwefelung der Rauchgase von Kohlekraftwerken zu weit getrieben worden war. Verblasste Rapsblüten auf den Feldern wiesen unmissverständlich auf Schwefelmangel in den Ackerböden hin.

1986 kam das Prinzip „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ vollends zum Durchbruch. Wichtigster Auslöser war die Reaktorexplosion von Tschernobyl in der Ukraine. In Deutschland griff Hysterie um sich. Aus Angst vor einer Kontamination durch den Fall Out der in Tschernobyl aufgestiegenen „Wolke“ mit radioaktiven Spaltprodukten verzichteten viele Menschen auf frische Nahrungsmittel und griffen zu Konserven. Manche retteten sich gar auf ferne Inseln. Unvergessen bleibt die Irrfahrt eines Güterzuges mit „verstrahltem“ Molkepulver kreuz und quer durch Westdeutschland. Um die seit der „Ölkrise“ von 1973/74 getätigten riesigen Investitionen in Kernkraftwerke zu retten, machten sich Ministerialbürokratie und Atomindustrie die Hypothese einer durch übermäßige Kohlenstoffdioxid-Emissionen verursachten Überhitzung der Erde zu Eigen. Dieser erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom schwedischen Chemiker Svante Arrhenius in die Welt gesetzte verstiegene Ansatz für die Erklärung der Eis- und Warmzeiten in der Erdgeschichte (unabhängig von heute bekannten astronomischen und geologischen Zyklen) spielte zwar schon bei der Begründung der „dritten Dimension“ der NATO eine Rolle und war auch von amerikanischen Investoren-Kreisen schon als weit tragende Geschäftsidee erkannt worden, wurde aber bis dato in Europa sowohl in der Wissenschaft als auch in den nationalen Bürokratien zu recht nicht ernst genommen.

Schließlich erklärte der „Erd-Gipfel“ 1992 in Rio de Janeiro das „Vorsorgeprinzip“ in der Rio-Deklaration, in der „Agenda 21“ und in der Klima-Rahmenkonvention zur obersten Richtschnur der Politik. Grundsatz 15 der Rio-Deklaration lautet auf Deutsch: “Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben.” Was heißt „kostenwirksam“ (cost effective)? Kosteneffizienz ist damit offenbar nicht gemeint. Denn Kosten-Nutzen-Vergleiche sollen keine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, eine hypothetische Klimakatastrophe aufzuhalten. Die Europäische Union bezieht sich im Maastricht-Vertrag von 1992 ebenfalls auf das „Vorsorgeprinzip“, und zwar ohne es zu definieren und ohne klar zu stellen, in welchem Verhältnis dieses zu dem im gleichen Vertrag verankerten Prinzip der Verhältnismäßigkeit steht. Der Versuch einer Klärung erfolgte erst acht Jahre später in einer im Jahr 2000 veröffentlichten „Communication“ der EU-Kommission. Deren Einfluss auf grundlegende politische Entscheidungen hat aber seit der Jahrtausendwende kontinuierlich abgenommen. Vor zwei Jahren forderte der amtierende EU-Umweltkommissar Stavros Dimas offen den Übergang zu einer planmäßigen „Kriegswirtschaft“, um den Klimawandel – koste es, was es wolle – durch eine „ökologische Revolution“ zu bekämpfen.

Eindeutig pathologische Züge trägt der Beschluss Deutschlands und der EU, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2020 im Alleingang um 20 Prozent zu reduzieren. Überschlägige Berechnungen weisen aus, das die „Maßnahmen-Pakete“, mit deren Hilfe dieser Beschluss in Deutschland umgesetzt werden soll, zwischen 500 und 900 Milliarden Euro verschlingen werden. Auf der Ebene der EU kommt man schnell in die Billionen. Dabei geht es insbesondere um physikalisch oft mehr als fragwürdige Energiesparmaßnahmen. Selbst wer an die CO2-Hypothese glaubt, wird nicht behaupten können, diesem Aufwand stände irgendein messbares Ergebnis gegenüber. Deutschland wird, wenn die Entwicklung „nach Plan“ verläuft, im Jahre 2030 nur noch mit 1,2 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beitragen, während allein auf China über ein Viertel entfiele. Selbst das völlige Verschwinden Deutschlands hätte unter dieser Bedingung keinerlei Einfluss auf die globale Durchschnittstemperatur.

Man sieht hier, dass der gefährliche Schwebezustand zwischen einem pervertierten Christentum und dem Glauben an den Übermenschen, den Friedrich Nietzsche als Nihilismus bezeichnete, schlicht mit Dummheit gleichgesetzt werden kann. Um die Dummheit zu verbreiten, bedarf es keiner Verschwörung, denn Dummheit ist von sich aus hoch ansteckend. Wie Dummheit zur Epidemie werden kann, hat Elisabeth Noelle-Neumann mit ihrer Theorie der „Schweigespirale“ gezeigt.

Von einer vagen Hypothese zur totalitären Fiktion?

Inzwischen ist die verstiegene Hypothese eines „Treibhauseffektes“ und dessen Verstärkung durch CO2-Emissionen menschlichen Ursprungs infolge ihrer Verbindung mit einer breiten politischen Bewegung und einem immer mächtiger werdenden „Ökologisch-industriellen Komplex“ (ÖIK) von Profiteuren hoch subventionierter „erneuerbarer“ Energien, des CO2-Emissionshandels und damit verbundener wachsender Erdgasabhängigkeit dabei, sich zu einer gegenüber der Realität abgedichteten totalitären Fiktion zu verselbständigen. Wer heute möglichst viel Erdgas zu möglichst hohen Preisen verkaufen will, der sorgt dafür, dass ganze Länder wie Deutschland oder Spanien voll Windräder gestellt werden. Denn deren unstete Stromproduktion lässt sich am besten mit rasch an- und abschaltbaren Gasturbinen kompensieren. Die Zunahme des Erdgasverbrauchs korreliert in beiden Ländern sehr eng mit der Zunahme der Anzahl von Windrädern. Nur mithilfe marktwidriger staatlicher Vorgaben wie dem deutschen Gesetz über den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) von 2004 bzw. 2008 lassen sich diese parasitären Geschäftsstrategien umsetzen. So entstehen stabile staatsmonopolistische Kartelle.

Die Tatsache, dass die Durchschnittstemperatur über den Landmassen der Erde nun schon ein Jahrzehnt lang, trotz eines vor allem in Asien kräftig gewachsenen CO2-Ausstoßes, nicht mehr steigt, hat deshalb bislang weder in der großen Politik noch in der Wirtschaft dazu geführt, die Stichhaltigkeit der CO2-Erwärmungs-Hypothese in nennenswertem Umfang zu hinterfragen. Im Gegenteil: Es werden CO2-Rationierungs-Pläne auf der Basis persönlicher CO2-Kreditkarten geschmiedet, die bald dazu führen könnten, dass nicht nur Industrien, sondern auch Privatpersonen buchstäblich für jeden Furz CO2-Emissions-Zertifikate erwerben müssen. CO2-Sparen soll zum zentralen Lebensinhalt werden. Ein solches System als „Öko-Faschismus“ zu bezeichnen, wäre ein Euphemismus, denn das Regime Benito Mussolinis erschiene demgegenüber noch beinahe als liberal. Darin, und nicht etwa im islamistischen Terrorismus, sehe ich derzeit die mit Abstand wichtigste Gefahr für die Freiheit.

Als totalitär definierte die große politische Philosophin Hannah Arendt Fiktionen, die aufgrund gewisser politischer und ökonomischer Konstellationen allgegenwärtig und unwiderlegbar werden. Arendt hat das bekanntlich in ihrem Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ am Beispiel der Fiktion einer jüdischen Weltverschwörung aufgezeigt. Solche Fiktionen tragen Züge einer self fulfilling prophecy. Hitler konnte nicht widerlegt, sondern nur militärisch besiegt werden, bemerkte Arendt lapidar. Auch wenn der „Krieg der Köpfe“ in der Klimafrage schon längst kaum mehr in Form wissenschaftlicher Dispute ausgetragen wird, besteht aber meines Erachtens noch immer etwas Hoffnung, dass sich auch hier zu guter Letzt die Spreu auf einigermaßen normalem Wege vom Weizen trennt. Gelingt das nicht, müsste man versuchen, die Öko-Nihilisten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – zum Beispiel, indem man Neid gegen die Profiteure des ÖIK schürt. Aber das wäre für anständige Liberale sicher das letzte Mittel…

*) vorgetragen am 13. Juni 2008 auf dem Symposium des Liberalen Instituts, Zürich, zum Thema „Umweltschutz als Freiheitsschutz“

Literatur:

Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus. Totalitarismus. Taschenbuchausgabe, München 2003

Gärtner, Edgar L.: Vorsorge oder Willkür. Kunststoffweichmacher im politischen Kreuzfeuer, Köln 2006

Gärtner, Edgar L.: Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie, Jena 2007

Gärtner, Edgar L.: Klimaschutzpolitik als Ausdruck des Nihilismus. Ein Plädoyer für gesunden Menschenverstand und Wettbewerb statt Bürokratie und konsensuale Gutheissung, in: Neue Zürcher Zeitung vom 7. Juni 2008

Noelle-Neuman, Elisabeth: Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut. 6. Aufl., München 2001

(Dieser Vortragstext wurde inzwischen veröffentlicht in: Christian Hoffmann/Pierre Bessard (Hrsg.): Natürliche Verbündete. Marktwirtschaft und Umweltschutz. Edition Liberales Institut, Zürich. ISBN 978-3-033-01795-5)