Energiewende: Energiesparen durch ökologischen Unfug

von Edgar L. Gärtner

Vorzeitige Ausmusterung von Geräten vergeudet Ressourcen

feuer-0091.gif von 123gif.de Download & GrußkartenversandAls ich noch ein kleiner Junge war, hielt mich meine Großmutter immer mit der oft wiederholten Ermahnung „Beim Streichholz fängt das Sparen an“ zum sparsamen Gebrauch von Streichhölzern und anderer Hilfsmittel des täglichen Lebens an. Später wurde diese Mahnung für mich zum Sinnbild des Sparens vom falschen Ende her. Zwar ist am Sprichwort „Kleinvieh macht auch Mist“ durchaus etwas dran. Aber wenn es ums Energiesparen geht, legt es einem der gesunde Menschenverstand nahe, bei den größten Energiefressern zu beginnen und sich die kleineren später vorzunehmen. Doch die EU steht mit dem gesunden Menschenverstand bekanntermaßen auf Kriegsfuß. So propagierte sie die vergleichsweise teuren Energiesparlampen mit giftigem Quecksilber als Einstieg in den sparsamen Umgang mit Energie, obwohl die Beleuchtung in Deutschland insgesamt nur 0,7 Prozent des Primärenergiebedarfs benötigt.
Einen ähnlichen Unfug leistete sich die deutsche Bundesregierung im Krisenjahr 2009 mit der im Rahmen des „Konjunkturpakets II“ eingeführten „Umweltprämie“ von 2.500 Euro (im Volksmund „Abwrackprämie“) für den Ersatz eines mindestens neun Jahre alten Pkw durch einen Neuwagen. Finanziert wurde das insgesamt fünf Milliarden Euro teure Förderprogramm aus einem Sondervermögen des Bundes. Bis zum Auslaufen des Programms im September 2009 wurden beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über 1,7 Millionen Anträge gestellt. Zeitweise brach der Server des BAFA wegen der hohen Zahl von Online-Anträgen zusammen. Offiziell wurde das Programm mit einer möglichen Entlastung der Umwelt durch die saubereren und sparsameren Neuwagen begründet. Doch diese Begründung lässt sich durch keine halbwegs realistische Öko-Bilanz-Analyse rechtfertigen.
Der Physiko-Chemiker Prof. Dr. Friedrich-Schmidt-Bleek, ehemals Vizepräsident des (rot-grünen) Wuppertal Instituts, hat schon in den 1990er Jahren vorgerechnet, dass ein Mittelklassewagen, bevor er auch nur einen einzigen Kilometer gefahren ist, einen virtuellen „ökologischen Rucksack“ von 25 Tonnen mit sich herumschleppt. Bei heutigen Wagen der oberen Mittelklasse kann der „ökologische Rucksack“ wegen des inzwischen durch den Einsatz von elektronischen Sicherheitsvorrichtungen stark gewachsenen Leergewichts schon dreimal so groß sein. Ein solcher Wagen schleppt also einen virtuellen Rucksack von über 70 Tonnen mit sich herum. Der „ökologische Rucksack“ ist ein denkbar einfaches Maß für die Umweltbelastungen durch beliebige Industrieprodukte. Ich lasse jetzt einmal die berechtigte Kritik an dem der Berechnung des „ökiologischen Rucksacks“ zugrunde liegenden MIPS-Konzept beiseite. MIPS bedeutet Material-Input je Service-Einheit. Dabei werden alle für die Herstellung eines bestimmten Produktes notwendigen Roh- und Hilfsstoffe samt des Bergwerks-Abraums und der bei der Rohstoff-Verarbeitung anfallenden Abfälle sowie die bei der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung eingesetzten Energien (umgerechnet in Masse-Äquivalente) zusammengezählt und auf Dienstleistungs-Einheiten (z.B. die jährliche Kilometerleistung eines wagens) umgerechnet. Dabei wird allerdings die Wassernutzung nicht berücksichtigt.
Der „ökologische Rucksack“ des während der etwa 20-jährigen Lebenszeit des Pkw verbrauchten Kraftstoffs ist übrigens kaum größer als die Summe der Umweltbelastungen, die bei der Herstellung des Pkw entstehen. Wird ein Pkw also vorzeitig verschrottet, bedeutet das in der Öko-Bilanz seines gesamten Lebenszyklus einen Verlust, der durch andere Vorteile nicht aufgewogen werden kann. Die „Umweltprämie“ ist ökologisch eindeutig kontraproduktiv. In Wirklichkeit handelte es sich dabei lediglich um eine indirekte Subvention der notleidenden Automobilindustrie. Diese Einsicht hat die neue französische Regierung unter dem sozialistischen Staatspräsidenten François Hollande nicht davon abgehalten, die „Umweltprämie“ sogar noch zu erhöhen, um den Herstellern von Elektro- und Hybridfahrzeugen auf die Sprünge zu helfen. Käufer von E-Mobilen sollen nun vom französischen Pleite-Staat 7.000 Euro, Käufer von Hybrid-Autos 4.000 Euro erhalten.
Nach dem überwältigenden Echo der Abwrackprämie für Pkw wurden sofort Stimmen laut, diese auch auf Kühlschränke, Waschmaschinen und andere langlebige Haushaltsgeräte auszudehnen. Doch für diese gilt im Prinzip das gleiche wie für vorzeitig ausgemusterte Pkw. Während sich das Auswechseln eines Kühlschranks gegen ein modernes, energiesparendes Gerät nach zehn Jahren ökologisch und ökonomisch auszahlen kann, sollte eine Waschmaschine nach Ansicht des österreichischen Wiederverwerters Sepp Eisenriegler möglichst 20 Jahre im Gebrauch bleiben. Eisenriegler hat ein Tuning-Programm entwickelt, mit dem er gegen eine Gebühr von 150 Euro beliebige Geräte der Energieeffizienz-Klasse C in Klasse A umwandeln kann. Das Tuning sorgt dafür, dass in den Wasch-Phasen, in denen aufgeheizt wird, weniger Frischwasser zuströmt. Dadurch würden 30 Prozent Wasser und 20 Prozent gespart. Nicht jeder wird seine Waschmaschine 20 Jahre behalten wollen. Die Entscheidung darüber sollte der Staat aber dem einzelnen Bürger überlassen. Anreize zur vorzeitigen Stilllegung von Geräten helfen jedenfalls nicht der Umwelt, sondern nur der Industrie.
Nun plant die deutsche Bundesregierung nach Presseinformationen eine Abwrackprämie, die Hauseigentümer für den Austausch alter Öl- und Gasheizungen durch modernere Geräte erhalten sollen. Dafür soll das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) novelliert werden. Finanziert werden soll die Prämie durch Aufschläge auf die Öl- und Gaspreise. Zur Kasse gebeten werden also auf jeden Fall die Mieter. Diese werden der Regierung für diese Aktion zum Schutz eines virtuellen Weltklimas sicher dankbar sein.
Internet:

Ökologischer Rucksack

MIPS-Konzept

MIPS Online

Das Geschäft mit der Energiesparmasche

Regierung plant Abwrackprämie für alte Heizungen
(zuerst veröffentlicht am 17. August 2012 auf ef-magazin.de)