Klimapolitik als matriarchalische Kontrolle

Big Brother ist eigentlich eine Matrone

Edgar L. Gärtner

Im Hafen von Porto

Der Ausgang des G7-Gipfels im oberbayerischen Schlosshotel Elmau zeigt zumindest eines: Naturwissenschaftliche Argumente sind im Streit um Bedeutung und Tragweite des Klimawandels zwecklos geworden. Es geht nur noch um gekränkten Narzissmus, um Schuldgefühle und eine darauf aufbauende Religion der Selbstbestrafung.

Kein Zweifel: Wir leben im ehemals christlich und daher individualistisch geprägten Westen längst im Anfangsstadium einer mehr oder weniger „sanften“ Diktatur, die ihren Namen nicht nennt. Die von George Orwell in seiner Dystopie „1984“ geschilderte Schreckensvision eines totalitären Polizeistaates wird durch neue Überwachungstechniken wie die automatische Gesichtserkennung, die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten, die mathematische Decodierung verschlüsselter Kommunikation und das automatische Erstellen von Bewegungsprofilen schon heute weit übertroffen. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit der Fernsteuerung des Rest-Privatlebens der Bevölkerung durch Gebäudedämm-Vorschriften, Smartmeter und Smartgrids bei der Stromversorgung und so weiter. Die bereits vorbereitete Abschaffung des Bargeldes wird die Möglichkeiten totaler Kontrolle der Untertanen einer im Verborgenen operierenden Machtelite noch abrunden.
Orwells virtuellen „Big Brother“ darf man sich aber nicht als Patriarchen nach dem Vorbild eines weise vorsorgenden römischen Pater familias vorstellen. Es handelt sich dabei eher um eine herrschsüchtige, kastrierende, sich überall einmischende Matrone. Der ausufernde Wohlfahrtsstaat sei ein matriarchalisches Herrschaftssystem, behauptet der linke französische Philosoph Jean-Claude Michéa in seinem im vergangenen Jahr endlich auch auf deutsch erschienen Essay „Das Reich des kleineren Übels“ (im franz. Original 2007). Schade, dass er ihn vor der Übersetzung nicht aktualisiert hat. Angela Merkels aktuelle Versuche einer bemutternden Volkspädagogik mithilfe von „Nudging“ (Anstupsen) böten reichlich Belege für seine Behauptung. Paradebeispiel für die Verhaltenslenkung von Individuen durch „Nudging“ ist das Aufmalen einer Fliege in Urinalen, was Männer veranlasst, beim Pinkeln darauf zu zielen und dadurch weniger zu kleckern. Das ist allerdings nur der eher harmlose, wenn nicht lächerliche Teil des Ansinnens.
Viel bedenklicher sind emotionale Erpressungsmethoden, wie sie zurzeit vor allem in der Klimapolitik üblich sind. Die Individuen sollen ihre Wünsche aufgeben und sich dem fabrizierten Konsens über die Notwendigkeit der Bekämpfung des von dienstbaren „Experten“ als gefährlich erklärten Klimawandels anschließen. Andernfalls droht ihnen soziale Ausgrenzung und wirtschaftlicher Ruin. Unter der heimtückischen matriarchalischen Kontrolle müsse das Subjekt sich fast unvermeidlich selbst die Schuld an seinem Undank und seiner moralischen Verkommenheit geben, schreibt Michéa. Der von der Matrone über eine masochistische, den Vater ausschließende Beziehung instrumentalisierte Selbsthass ist bekanntlich eine Ausdrucksform enttäuschter Selbstliebe. Der Narzissmus, eine durch elterliche Erziehungsfehler (zu viel Lob) verursachte Reifestörung, hat nach einem kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschienen Beitrag von Francesco Giammarco in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. (Wichtigster Indikator dafür sind ausgefallene Vornamen, die Eltern ihren Kindern ´geben.) Der amerikanische Historiker Christopher Lasch sprach schon gegen Ende der 1970er Jahre von der Ausbreitung einer dekadenten „Kultur des Narzissmus“. Deren Hauptursache sah er in der Infantilisierung der Menschen durch die „Segnungen“ des modernen Wohlfahrtsstaates.
Jean-Claude Michéa merkt übrigens an, dass inzwischen auch viele männliche Politiker und Manager den matriarchalischen Führungsstil beherrschen. Die unsichtbare Hand der matriarchalischen Kontrolle sei eben viel schwerer auszumachen als die sichtbare patriarchalische Unterdrückung. Deshalb habe sie sich durchgesetzt. „Es steht außer Frage“, schreibt Michéa, „dass die politische Kontrolle der totalitären Gesellschaften (im Unterschied zu der in klassischen Diktaturen) im Wesentlichen eine mütterliche ist.“ Darum geht es im Grunde bei der anlässlich des G7-Gipfels von Elmau von etlichen Journalisten-Kollegen beobachteten „Merkelisierung“ des Westens.
Der matriarchalische Führungsstil kennt keine festen Regeln. Er arbeitet, je nach Situation, wahlweise mit Verlockungen oder mit hinterlistiger, wenn nicht hinterfotziger Erpressung durch die Androhung von Liebesentzug. Worauf es ihm ankommt, ist das sture Verfolgen eines einmal von „Experten“ zum „Konsens“ erklärten fiktiven politischen Ziels um des Machterhalts willen. Diese Rolle spielen das ominöse „2-Grad-Ziel“ und die vollständige „Dekarbonisierung“ der Wirtschaft in der Klimapolitik. Wer sich diesem Ziel nicht unterordnet und sich als „Skeptiker“ zu erkennen gibt, wird als unmoralisch angeprangert und gesellschaftlich isoliert. Die Klimapolitik verspricht der von innerer Leere geplagten Generation von Narzissten satte Gewinne und moralisches Ansehen durch Zukunftsinvestitionen in „erneuerbare“ Energien. Den Skeptikern hingegen droht der Ruin. Das scheint das Geheimnis des Medienerfolges unserer „Klimakanzlerin“ zu sein. Sie kann sich auf die Wirksamkeit dieses Führungsstils verlassen, weil Narzissmus nur in seltenen Ausnahmefällen als heilbar gilt.