Eine Zukunft für die Kohle

Edgar Gärtner

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Unter unseren Füßen liegen schätzungsweise 10 Billionen Tonnen Kohle. Ein Vorrat, der leicht reichen könnte, um die Menschheit für mindestens 1.000 Jahre mit Wärme und Strom zu versorgen. Folgte der Lauf der Welt jedoch den Vorstellungen der Grünen aller Parteien, dann dürfte dieser Schatz zum allergrößten Teil nicht gehoben werden. Denn bei der Verbrennung von Kohle entsteht das „böse“ Kohlenstoffdioxid, das hauptsächlich für die Erderwärmung verantwortlich sein soll. In seiner Öko-Enzyklika „Laudato si“ hat sich nun sogar Papst Franziskus, den Einflüsterungen seines neuen Beraters John Schellnhuber von Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) folgend, dieser Weltsicht angeschlossen: Um Gottes Schöpfung vor Verschmutzung zu bewahren, soll die Kohle unter der Erde bleiben. Milliarden von Armen sollen sich mit kohlenstofffreien, aber teuren und größtenteils unzuverlässigen „erneuerbaren“ Energien begnügen.
Aber vielleicht irrt sich der Papst und die Kohle gehört doch zu den Geschenken, die uns der Schöpfer hinterlassen hat, damit wir Menschen unser Leben im Diesseits etwas angenehmer gestalten können. Denn abgesehen von ihrem reichlichen Vorhandensein hat die Kohle als Energieträger noch andere Vorzüge: Sie ist größtenteils billig und lässt sich gefahrlos transportieren und lagern. Freilich hat die Kohle auch gewichtige Nachteile: Bei ihrer bergmännischen Gewinnung unter oft schwierigen Bedingungen verlieren vor allem in Asien und Lateinamerika und zum Teil auch in Osteuropa jahraus, jahrein Tausende von Bergleuten ihr Leben. Außerdem entstehen Beeinträchtigungen der Umwelt wie Bergsenkungen und Belastungen des Grundwassers mit Giften wie Arsen, Quecksilber und Blei. Nicht zuletzt werden bei der ungefilterten Verbrennung von Kohle etliche Schadstoffe in großen Mengen in die Luft geblasen. Ob auch der bei der Verbrennung entstehende Pflanzennährstoff Kohlenstoffdioxid (CO2) als Schadstoff betrachtet werden muss, bleibt allerdings wissenschaftlich umstritten.
Schon seit der „Ölkrise“ in den 1970er Jahren gibt es deshalb Versuche, schwer zugängliche Kohle-Lagerstätten an Ort und Stelle in Brand zu setzen und die dabei entstehenden Gase (hauptsächlich Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid sowie etwas Methan, aber auch nicht brennbares CO2 und Wasserdampf) nach einer mehr oder weniger aufwändigen Reinigung über Tage energetisch oder rohstofflich zu nutzen. Der Prozess heißt Untertage-Vergasung von Kohle, englisch Underground Coal Gasification (UCG). Allein im Kohleland USA gab es um diese Zeit über 30 Pilotprojekte, mit denen die Ingenieure mehr oder weniger gute Erfahrungen sammelten. In Australien startete im Jahre 1997 unter dem Namen „Chinchilla“ das erste UCG-Langzeit-Pilotprojekt in der westlichen Welt. Sein Ziel war die Herstellung von ultrareinem Diesel und Kerosin. In Südafrika zündete der Stromversorger Eskom im Jahre 2007 das erste Kohlefeld.
Als besonders groß gelten die Chancen der UCG in Indien und China. Indien verfügt kaum über Erdgas-Vorkommen, dafür aber über viel größtenteils schwer zugängliche Kohle. Auch China verfügt über etliche für die UCG geeignete Kohleflöze, von denen einige schon ohne menschliches Zutun in Brand geraten sind. Über den Fortgang der zahlreichen chinesischen UCG-Projekte gibt es im Westen keine Übersicht. Wie im Westen dürften aber auch diese Projekte in den letzten Jahren wegen der Verfügbarkeit großer Mengen von preiswertem Schiefergas und -öl auf dem Weltmarkt durch Fracking ins Stocken geraten sein.
In den USA war vor allem das bekannte kalifornische Lawrence Livermore Lab mit der Auswertung der UCG-Pilotprojekte betraut. Es fand, dass zumindest bei einem frühen UCG-Projekt im US-Bundesstaat Wyoming schwere Umweltschäden aufgetreten waren, weil krebserregendes Benzol in die Grundwasserschichten aufgestiegen war. Spätere Versuche wurden deshalb vom Vorhandensein undurchlässiger Tonschichten über den Kohleflözen abhängig gemacht. Das in großen Mengen entstehende CO2 wurde über Pipelines für die Verbesserung der Ausbeute von Ölfeldern genutzt. Es könnte aber auch in die durch die UCG unter Tage entstehenden Hohlräume gepumpt werden. Ob das mit tragbaren Kosten machbar ist, steht allerdings dahin.
Eine viel bessere Lösung für die energetische und rohstoffliche Verwertung von Kohlevorkommen glaubt der Münsterländer Erfinder Dr. Florian Krass gefunden zu haben. Der heute in der Schweiz lebende gelernte Zahnarzt hat sich bzw. seiner Firma Sincono AG u. a. die „Self Propagating High Temperature Synthesis“ (SHS) von Siliziumcarbid und Siliziumnitrid aus Ölsanden oder silikatreicher Braunkohle (Diatomeenkohle) patentieren lassen. Die Idee geht zurück auf Vorarbeiten, die Prof. Bernhard Himmel in den letzten Tagen der DDR an der Universität Rostock durchführte. Deren Ziel war allerdings nicht die Energiegewinnung, sondern die Herstellung widerstandsfähiger Sinter-Formteile (Keramik) aus Diatomeenkohle. Dabei fiel ihm auf, dass die von ihm benutzten Brennstäbe viel heißer wurden als erwartet. Es musste eine chemische Reaktion abgelaufen sein, bei der viel mehr Wärmeenergie frei wurde, als in Form der Kohlenstoff-Oxidation investiert worden war. Doch diese Entdeckung ging in den Wirren der Wendezeit unter.
Florian Krass sah hingegen in dieser von Prof. Himmel nicht weiter verfolgten Entdeckung eine Möglichkeit, Kohle energetisch nutzen zu können, ohne damit das politisch lästige Nebenprodukt CO2 produzieren zu müssen. Das CO2 wird dabei mit Energiegewinn durch Ammoniak (NH3) neutralisiert. Anstelle des „bösen“ CO2 entsteht bei der chemischen Reaktion, der carbothermischen Nitridierung, am Ende Siliziumcarbid- und Siliziumnitridpulver, woraus hochwertige technische Keramik-Teile hergestellt werden können. In der freien Natur können Nitride, das heißt Verbindungen mit dem an sich reaktionsträgen Stickstoff, nur bei Abwesenheit von Sauerstoff entstehen und sind dem entsprechend äußerst selten. Die von Florian Krass zum Patent angemeldete carbothermische Nitridierung läuft demgegenüber, einmal in Gang gesetzt, unter Anwesenheit von Sauerstoff aus dem Sand (Silikat) in Form chemischer Wellen selbsttätig ab. Die SHS wurde erstmals zu Beginn der 1970er Jahre vom russischen Wissenschaftler Merzhanow vorgestellt. Gegen Ende der 1990er Jahre wurde sie von russischen und amerikanischen Forschern (siehe Anmerkung) eingehend beschrieben. Florian Krass schlägt vor, die stillgelegten deutschen Kernkraftwerke zu „Molekül-Kraftwerken“ für die Energiegewinnung und die gleichzeitige Produktion von Keramikpulver durch SHS umzurüsten, statt sie mit großem technischem Aufwand zu verschrotten.

Anmerkung: Arvind Varma, Alexander S. Rogachev, Alexander S. Mukasyan and Stephen Hwang: Combustion Synthesis of Advanced Materials: Principles and Applications, in: Advanced Chemical Engineering Vol. 24, Academic Press 1998. Als einfachstes Beispiel für eine SHS wird dort folgende Reaktion angeführt:

Ti + C -> TiC + 230 kJ/mol.

(Zuerst veröffentlicht am 4. Juli 2015 auf http://info.kopp-verlag.de/)