Edgar L. Gärtner
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In Nord-Kalifornien tobten im Herbst 2018 Waldbrände, die an Dantes Inferno erinnern. Man zählte über 80 Todesopfer und über tausend Vermisste. Dagegen nimmt sich die verbrannte Fläche mit etwa 600 Quadratkilometern im Vergleich zu früheren Ereignissen eher bescheiden aus. Inzwischen sind die Feuer, dank verspäteter, dafür aber umso heftigerer Regenfälle erloschen. Die größte Zahl von Todesopfern (über 60) forderte das „Wild Fire“ um das Städtchen Paradise. Als ungewöhnlich gilt die Tatsache, dass die Brände diesmal nicht im Sommer, sondern zu vorgerückter Herbstzeit ausgebrochen sind, nachdem die üblichen Herbstregenfälle in diesem wie auch schon im vergangenen Jahr ungewöhnlich schwach ausgefallen waren. Insofern lag es für den scheidenden kalifornischen Gouverneur Jerry Brown nahe, die Ursache für diese „außergewöhnliche Situation“ im Klimawandel zu suchen, den US-Präsident Donald Trump leider nicht ernst nehme.
Langjährige Statistiken widersprechen jedoch dieser Erklärung. Häufige Waldbrände sind typisch für das mediterrane Klima, das gekennzeichnet ist durch eine ausgeprägte, oft extreme Trockenheit im heißen Sommer und ein Niederschlagsmaximum im milden Winterhalbjahr. Es gibt auf der Welt nur vier Zonen, auf die die Definition des Mittelmeerklimas zutrifft: der relativ schmale Küstensaum rund um das Mittelmeer, die Kap-Region Südafrikas, die Südspitzen Australiens und nicht zuletzt Kalifornien. Für die Pflanzen bringt das Mittelmeerklima extreme Standortbedingungen mit sich, weshalb man dort eine Vielzahl endemischer, d.h. nur dort heimischer Baum- und Straucharten antrifft. Einjährige Gräser und Kräuter verlegen ihre Winterruhe in den Sommer und erblühen, wenn sich die Pflanzen der gemäßigten Klimazonen auf die Winterruhe vorbereiten. Die an die lange Sommertrockenheit angepassten Bäume und Sträucher nennt man Xerophyten. Diese schützen sich durch eine dicke Rinde, durch eine Wachs- oder Harzschicht, durch Dornen und Stacheln und/oder die Einlagerung von Öltröpfchen vor der Austrocknung.
Doch was gegen die Austrocknung hilft, vergrößert gleichzeitig die Brennbarkeit der Vegetation. Ökologisch gesehen, ist das nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Mehr oder weniger regelmäßige, meist durch Blitzeinschläge ausgelöste kleinere Brandherde sorgen für eine Verjüngung der Vegetation und für die Beschleunigung des Stoffkreislaufs. Etliche Baum- und Straucharten sind an häufige Feuer-Passagen optimal angepasst. Man nennt sie deshalb Pyrophyten. Deren Samen bedürfen eines Wald- oder Buschbrandes, um überhaupt auskeimen zu können. Das bekannteste Beispiel dafür ist die im Mittelmeergebiet beheimatete Kermes-Eiche (Quercus coccifera). Deren stachlige kleinen Blätter enthalten so viel Öl, dass sie sich bestens als Kamin-Anzünder und Brandbeschleuniger eignen. Infolge der häufigen Verjüngung entsteht der für mediterrane Zonen typische Vegetationstyp Chaparral (spanisch Matorrral und französisch bzw. provenzalisch Garrigue genannt). Es handelt sich dabei um lichte Kiefern- und/oder immergrüne Eichenwälder mit Dornengestrüpp als Unterholz. Dieses wird normalerweise durch periodische Brände klein gehalten.
Gefahr ist im Verzug, wenn Menschen unbedacht in diesen Kreislauf eingreifen – etwa, indem sie den Chaparral durch Pflege-Maßnahmen in Hochwald umwandeln, um ihn für die Gewinnung von Bauholz nutzen zu können. Das zwischen den Bäumen aufwachsende Gestrüpp muss dann Schweiß treibend mechanisch oder durch kontrolliertes Abbrennen entfernt werden. Geschieht das nicht in regelmäßigen Abständen, sammelt sich am Waldboden bald so viel brennbares Material an, dass es bei Blitzeinschlägen oder menschlicher Unachtsamkeit beim Umgang mit Feuer zu Flächenbränden kommt, die nur schwer zu löschen sind, wenn sie von starken Winden angefacht werden. In Kalifornien sind das die trocken-heißen Santa-Ana-Winde, die im Herbst vom Hochbecken der Sierra Nevada Richtung Südkalifornien wehen. In der Provence sind das vor allem die orkanartigen Böen des kühlen Mistral-Windes, die durch das Rhône-Tal zum Mittelmeer fegen.
Im Unterschied zu Kalifornien blieb die Provence übrigens in diesem Jahr von Waldbränden weitgehend verschont. Im Verglich zum Vorjahr sank die verbrannte Waldfläche in der gesamten Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur von 8.475 auf ganze 152 Hektar, d.h. auf weniger als 2 Prozent. Zwar war die Hitzewelle, die in diesem Jahr Europa heimsuchte, auch in der Provence spürbar. Doch im Unterschied zu Mitteleuropa gingen hier den ganzen Sommer über von Zeit zu Zeit heftige Gewitterregen nieder. Im Spätsommer stand die Provence deshalb in sattem Grün da, während sich bei uns die Landschaft braun färbte und südlich von Berlin und in Niedersachsen Wald- bzw. Moorbrände ausbrachen. Die Niederschlagsmenge beeinflusst also deutlich das Waldbrand-Risiko. Noch wichtiger ist aber wohl die Häufigkeit starker Winde, denn in Südfrankreich wehte der Mistral in diesem Jahr auffällig selten. Das hing sehr wahrscheinlich mit dem über Mitteleuropa blockierten Hochdruckgebiet zusammen.
Mindestens ebenso wichtig wie der Einfluss des Wetters ist aber wohl der Pflege-Zustand der Wälder. Zwar ist auch das Wald- und Buschland der meisten Mittelmeerländer größtenteils ungepflegt, weil die hier dominierenden Aleppo-Kiefern (Pinus halepensis) wegen ihres krummen Wuchses und ihres hohen Harz-Gehaltes als Bau- und Brennholz kaum geeignet sind. Doch wurden gerade in Südfrankreich in den letzten Jahrzehnten große Anstrengungen unternommen, um die Waldbrandgefahr zu mindern. Das beginnt mit strengen Auflagen für Immobilienbesitzer in Gebieten mit erhöhtem Waldbrand-Risiko. Dazu gehört zum Beispiel die Verpflichtung, in einem Radius von 50 Metern um jedes frei stehende Haus weder Nadelhölzer noch Kermes-Eichen wachsen zu lassen. Wer sich nicht daran hält, bekommt bald ein Einschreiben mit Strafandrohung vom zuständigen Bürgermeisteramt. (Gerade solche Auflagen gibt es bislang in Kalifornien nicht. Im Gegenteil: Siedlungen wir Paradise wurden inmitten von Hochwäldern angelegt.) Aus eigener Erfahrung weiß ich, welche Arbeit damit verbunden ist, denn die Aleppo-Kiefern sprießen wie Unkraut aus dem Boden. Als noch hartnäckiger erweisen sich die Kermes-Eichen, die sich mithilfe von Wurzelsprossen (Rhizomen) vermehren, solange ihnen kein Feuer die Gelegenheit gibt, sich auch sexuell fortzupflanzen. Eine andere wichtige Vorsorgemaßnahme ist die mechanische Entfernung des Unterwuchses entlang aller Straßen. Zusätzlich stellen die Berufsfeuerwehren (Soldats du feu) in der Garrigue Wassertanks auf, um auch in dünn besiedelten Gebieten ohne Wasserleitungen rasch eingreifen zu können. Nicht zuletzt verfügt Frankreich über eine Flotte stets einsatzbereiter Lösch-Flugzeuge vom Typ Canadair.
Im westlichen Mittelmeergebiet gibt es außer Korkeichen (Quercus suber) und Edelkastanien (Castanea sativa), die aber beide leider nicht auf den verbreiteten Kalk-Böden gedeihen, nur wenige wirtschaftlich nutzbare Baumarten. Dagegen gedeiht an höheren Lagen der gesamten nordamerikanischen Westküste von British Columbia bis nach Mexiko die Gelb-Kiefer (Pinus ponderosa), die wertvolles schweres Holz liefert. Ausgewachsene Gelb-Kiefern, die Höhen zwischen 40 und 70 Metern erreichen können, bilden in der Regel lichte, parkartige Bestände, in denen Douglasien (Pseudotsuga menziesi) den Unterwuchs bilden. Im Unterschied zu den ausgewachsenen Gelb-Kiefern, die durch ihre über fünf Zentimeter dicke Rinde vor leichtem bis mäßigem Feuer geschützt sind, fangen die Douglasien leicht Feuer.
Bei der Bewirtschaftung der Gelb-Kiefer-Bestände kommt es also darauf an, die Douglasien an der Ausbreitung zu hindern. Das fällt am leichtesten, wenn man leichten Feuern kontrolliert ihren Lauf lässt. Diese Form der Bewirtschaftung wurde den amerikanischen Waldbauern jedoch durch die Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung der 1970er Jahre praktisch untersagt. Darauf hat im vergangenen Jahr bei einer Anhörung der republikanische, der Tea Party nahestehende US-Kongress-Abgeordnete Tom McClintock hingewiesen, der einen kalifornischen Wahlbezirk vertritt. Hinzu kam der Kampf grüner Lobby-Gruppen gegen das Bäumefällen allgemein, um den auf der Roten Liste stehenden Fleckenkauz (Strix occidentalis) zu schützen. Seit 1994 wurde deshalb das Fällen von Bäumen in manchen Gebieten ganz verboten. Nicht einmal das Ausdünnen von Beständen, um das Wachstum von „Zukunftsbäumen“ zu fördern, ist dort noch erlaubt. Die Folge war das unkontrollierte Wuchern des Douglasien-Unterwuchses. Dadurch erhöhte sich die Brandlast so stark, dass nun bei Blitzeinschlägen oder Funkenflug von überhitzten Stromleitungen auch die eigentlich wenig feuerempfindlichen Gelb-Kiefern Feuer fingen. (Nicht von ungefähr verloren die Aktien des Versorgers Pacific Gas & Electric, der für den Ausbruch des Waldbrandes verantwortlich gemacht wird, jüngst zwei Drittel ihres Wertes.) Brennen diese großen Bäume erst einmal, ist die Feuerbekämpfung bei starkem Wind sehr schwierig. Tom McClintock ging bei der zitierten Anhörung im US-Repräsentantenhaus so weit, zu erklären, eine geordnete Forstwirtschaft sei in den USA seit 45 Jahren nicht mehr möglich.
Präsident Donald Trump hatte also wohl recht, als er gegenüber dem scheidenden kalifornischen Gouverneur Jerry Brown darauf hinwies, nicht der Klimawandel sei schuld an der jüngsten Brandkatastrophe, sondern das Versagen des Staates, der in Kalifornien für die Bewirtschaftung von etwa der Hälfte der Waldfläche zuständig ist. Eine Ende Juni 2017 im Wissenschaftsmagazin Science vorgestellte Studie sieht übrigens einen weltweiten Trend abnehmender Häufigkeit von Waldbränden. Zwischen 1999 und 2017 sei die jährlich durch Feuer zerstörte Waldfläche im Schnitt um etwa ein Viertel zurückgegangen. Etwas aus dem Rahmen fällt da Portugal, wo während der Hitzewelle von 2003 nicht weniger als 4.249 Quadratkilometer Wald abbrannten. Das sind fast fünf Prozent der Gesamtfläche des Landes. Es brannten dort aber kaum natürliche mediterrane Wälder, sondern Eukalyptus-Plantagen für die Papier-Produktion. Eukalyptus-Bäume brennen wegen ihres hohen Ölgehalts wie Zunder. Besonders gut brennt der Abraum, der beim Ernten der Bäume aus Gründen der Kostenersparnis einfach liegen bleibt. Außerdem bringen diese schnell wachsenden Bäume wegen ihres hohen Wasserbedarfs den Wasserhaushalt großräumig durcheinander. Heute gibt es in Portugal kaum jemanden, der die Entscheidung für Eukalyptus-Plantagen nicht bedauert. Aber mit einem Klimawandel hat auch das nichts zu tun.
(Zuerst veröffentlicht am 24. November bei EIKE und am 4. Dezember im ef-magazin)