Von Edgar L. Gärtner
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Ohne die Quantenphysik, die uns an die Grenze des Erkennbaren geführt hat, wären im heutigen Leben allgegenwärtige technische Hilfsmittel wie Smartphones, Computer, Laser usw. nicht erfunden worden. Dennoch erscheint die Quantenphysik auch heute noch vielen als „unheimlich“. Es gibt leider die Tendenz, alle mit der Quantenphysik zusammenhängenden philosophischen und theologischen Fragen in den Bereich der Esoterik abzuschieben. Doch lässt sich zeigen, dass die großen Physiker ihre Entdeckungen gerade der Tatsache verdanken, dass sie sich solche Fragen gestellt haben. Die Behauptung, die Segnungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts seit der Renaissance gingen auf die Entscheidung führender Köpfe zurück, sich vornehmlich mit irdischen Dingen zu beschäftigen und diese naturalistisch zu erklären, gehört zu den Legenden, die von hochmütigen Vertretern der europäischen Aufklärung in die Welt gesetzt wurden. Bei einer weniger oberflächlichen Betrachtung der abendländischen Wissenschaftsgeschichte ergibt sich ein ganz anderes Bild: Fast alle großen Physiker und Mathematiker, die unser modernes Weltbild prägten, angefangen mit Galileo Galilei, Blaise Pascal und Isaac Newton, waren bekennende Christen. Das könnte man freilich damit zu erklären versuchen, dass die Genannten zur damaligen Zeit, in der die Kirche noch über viel Macht und Einfluss verfügte, kaum eine andere Wahl hatten.
Doch es war gerade Max Planck (1858-1947), der im gottlosen 20. Jahrhundert wirkende Begründer der Quantenphysik, der klar erkannte, warum die moderne Naturwissenschaft nur im christlichen Abendland aufkommen konnte: Gott gibt sich in der Bibel als Vernunftwesen zu erkennen. Er hat „diese Welt vernünftig und durch die Vernunft erkennbar geschaffen.“ Plancks feste Überzeugung: Wissenschaft und Glauben bedingen und ergänzen einander. Daran knüpft Wolfgang Leisenberg (geb. 1942) in seinem vor kurzem erschienen Buch „Die verbo(r)gene Wirklichkeit“ an. Leisenberg war Professor für Regelungstechnik und Systemdynamik an der Technischen Hochschule Mittelhessen und leitete gleichzeitig erfolgreich ein preisgekröntes Unternehmen für energiesparende thermische Verfahrenstechnik. Er möchte mit seinem Buch Christen, die mit dem heute als alternativlos auftretenden naturalistischen Weltbild konfrontiert sind, seriöse wissenschaftliche Argumente für die Verträglichkeit von wahrer Wissenschaft mit biblischem Glauben liefern. Als promovierter Elektro-Ingenieur ist er mit der „realen“ Wirklichkeit konfrontiert und versteht genügend von Mathematik, um einen Zugang zum Formalismus der Quantenphysik zu haben. Als wiedergeborener Christ interessieren ihn vornehmlich die Beiträge führender Quantenphysiker zum Verständnis von Materie, Geist und Bewusstsein.
Insbesondere die Quanten-Feldtheorie des verkannten deutschen Physik-Genies Burkhard Heim (1925 – 2001) hat es ihm offenbar angetan. Dieser liegt ein zwölfdimensionaler Hyperraum zugrunde. Dessen ersten vier Koordinaten (R3 und T1) beschreiben die Raumzeit, in der wir uns bewegen. Zum Diesseits gehören auch noch zwei Strukturkoordinaten (S2). Die übrigen sechs Koordinaten gehören zum Jenseits (Hyperraum). Zwei davon (I2) stehen für Informationen beziehungsweise Projektionen, die aus dem Hyperraum in unsere Raumzeit hineinwirken. Die in der Raumzeit experimentell nachweisbaren Felder und Teilchen erhalten dadurch ihre Eigenschaften. Die letzten vier zeitlosen Dimensionen (G4) bleiben für uns Menschen vollkommen rätselhaft. Nicht nur Heim sieht eine Steuerung unserer materiellen Welt aus dieser Dimension durch willentliche Veränderung der Wahrscheinlichkeiten, die wir wegen ihrer Unwahrscheinlichkeit als „Wunder“ wahrnehmen. So interpretiert der christliche Naturwissenschaftler und Theologe Horst Waldemar Beck (1933-2014) das im Neuen Testament berichtete Einhalten des Sturms auf dem See Genezareth durch Jesus Christus als Machtwort aus der Dimension G4.
Burkhard Heim zeigte, dass das Universum nicht, wie einst von Demokrit postuliert, von Materieteilchen seinen Ausgang genommen haben kann, sondern von einer hochsymmetrischen zeitlosen Quanten-Informationsstruktur. Das führt zwingend zur Frage, welche prima causa diese Struktur geschaffen hat. Heim bestätigte so, obwohl er als Agnostiker auftrat, die Schöpfungslehre des Johannes-Evangeliums: „Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.“
Nach der Theorie des französischen Physikers Émile Charon (1920-1998) können Elektronen als elementare Träger des Bewusstseins angesehen werden. So verfügt jedes Elektron durch ein „schwarzes Mikro-Loch“ über eine „innere Raumzeit“, die gleichzeitig als Schnittstelle zum Hyperraum fungiert. Sie ist mit Photonen gefüllt, deren Muster ein individuelles Gedächtnis bilden, denn die Zeit läuft im Inneren von schwarzen Löchern rückwärts und kann so „erinnert“ werden. Mit der in schwarzen Löchern rückwärts laufenden Zeit lässt sich wohl auch das Rätsel erklären, vor dem der bekannte amerikanische Hirnphysiologe Benjamin Libet (1916-2007) stand, als er experimentell herausfand, dass unser Zentralnervensystem auf Signale reagiert, bevor diese gesendet werden.
Neben Charon und Heim haben vor allem die theoretischen Physiker David Bohm (1917-1992) und Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) sowie dessen Schüler Thomas Görnitz (geb. 1943) eine ganzheitliche Beschreibung der Natur, in der auch Bewusstsein, Geist und Transzendenz ihren Platz haben, vorgeschlagen. Alle stofflich-energetischen Bewegungen und Umwandlungen erscheinen in David Bohms „Holomovement“ als Projektionen aus dem Hyperraum. Damit lassen sich Phänomene wie der „Spuk“ der Nichtlokalität und der verzögerungsfreien Verschränkung räumlich weit voneinander entfernter Elementarteilchen erklären, denn im zeitlosen Hyperraum gehören diese zusammen. Dadurch wird die Physik freilich mindestens so unanschaulich wie die Theologie der heiligen Dreifaltigkeit. Allerdings wird dadurch auch dem Laien klar, dass es die Physik letzten Endes mit Geist zu tun hat. So musste der agnostische amerikanische Star-Philosoph Thomas Nagel (geb. 1937) in seinem 2013 auch auf Deutsch erschienen Buch „Geist und Kosmos. Warum die materialistische Konzeption der Natur falsch ist“ eingestehen, dass das Bewusstsein sich einer naturalistischen Erklärung entzieht. Das hat dem alten Mann einigen Ärger eingebracht.
Wenn es stimmt, dass lebende Organismen ständig mit nicht lokal gespeicherten Informationen kommunizieren, dann ist die DNA wahrscheinlich gar nicht der primäre Träger der Erbinformation, sondern lediglich Empfänger nichtlokaler Information aus dem Hyperraum. Die Quanten-Muster aller Organismen waren nach dieser Vorstellung schon im Hyperraum beziehungsweise im kosmischen Bewusstsein in nicht manifester Form vorgebildet. Das erinnert nicht zufällig an die Archetypen-Theorie des noch heute maßgeblichen Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung (1875-1961). Nicht das Sein bestimmt also das Bewusstsein, wie Marx und Lenin lehrten, sondern das Bewusstsein kommt vor dem Sein. Die Entstehung neuer Arten als Projektionen aus dem Hyperraum in die irdische Raumzeit beruhte demnach auf einer Quantenauslese (Makroevolution), an die sich die irdische Auslese nach Darwin (Mikroevolution) anschließt. Das ist das „missing link“ der Evolutionstheorie und könnte erklären, warum große, zu neuen Bauplänen und Verhaltensweisen führende Gen-Mutationen nicht ziellos erfolgen und daher niemals funktionsuntüchtige „Übergangsformen“ erzeugt haben. Fossilien der von den Darwinisten postulierten zahlreichen „unfertigen“ Arten wurden denn auch nie gefunden. Zufällige, ungerichtete Klein-Mutationen werden hingegen mithilfe der darwinschen Selektion eliminiert, sofern sie nicht zufällig zu einem Überlebens-Vorteil führen. Deshalb dient die darwinsche Mikroevolution lediglich der Arterhaltung durch die Bildung von Unterarten. Es ist schlecht vorstellbar, dass auf diesem Wege neue Arten mit ganz anderen Bauplänen und Verhaltensweisen entstehen. Nur durch zielgerichtete Mutationen konnte im Kambrium vor etwa 530 Millionen Jahren in geologisch sehr kurzer Zeit eine der heutigen vergleichbare Artenvielfalt entstehen. Die Paläontologen sprechen von der Kambrischen Explosion. Davor gab es praktisch nur einzellige Organismen.
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, dem seine Endlichkeit bewusst wird. Die im Buch Genesis geschilderte Entstehung des Menschen kann so interpretiert werden, dass der Mensch als Gottes Ebenbild zunächst vollkommen war und sich frei im Hyperraum, das heißt in der Gegenwart Gottes bewegen konnte. Da er aber der Schlange, einem Geschöpf, mehr vertraute als seinem Schöpfer und selbst Gott sein wollte, landete er in der Endlichkeit der Raumzeit, behielt aber die Erinnerung an das verlorene Paradies. Der Mensch wird deshalb definiert als Brückenwesen zwischen Diesseits und Jenseits.
Der Mensch ist also nicht lediglich ein besonders intelligentes Tier, wie Darwin annahm, sondern, wie die Strukturtheorie von Berthold Heim zeigt, als einzige Organismenart transzendenzfähig. Damit existiert zum ersten Mal ein wissenschaftlicher Ansatz, um die Sonderstellung des Menschen zu belegen. Diese Definition erlaubt es uns auch, zu entscheiden, ob wir dem ausgestorbenen Homo neanderthalensis die Eigenschaft des Menschseins zusprechen können oder nicht. Als eindeutiger Hinweis auf die Transzendenzfähigkeit der Neandertaler kann demnach die zum Teil aufwändige Bestattung ihrer Toten gelten. Ich würde den Homo neanderthalensis aber trotzdem als Vormenschen bezeichnen, denn auch sein erfolgreicherer Konkurrent Homo sapiens sapiens ist nach dem Arzt und Philosophen Karl Jaspers (1883-1969) erst in der „Achsenzeit“ (800-200 v. Chr.), in der alle unsere heutigen Gedankensysteme ihren Ursprung haben, zum heutigen Menschen geworden.
Fazit: Seit dem Durchbruch der Quantenphysik in den 1920er Jahren nähern wir uns wieder dem mittelalterlichen Weltbild, in dem die sichtbare Welt eingebettet war in eine überirdische Wirklichkeit, die der Wissenschaft verschlossen bleibt, aber den Gott Suchenden ein Stück weit offenbart werden kann. Es zeigt sich dem für die verborgene Wirklichkeit Aufgeschlossenen eine bemerkenswerte Komplementarität zwischen biblischer Offenbarung und naturwissenschaftlicher Forschung, was allerdings nicht als Gottesbeweis herhalten kann. Eines solchen bedürfen Menschen, die aufgrund individueller Begegnung mit der frohen Botschaft zum Glauben an den Mensch gewordenen, für uns am Kreuz gestorbenen und wiederauferstandenen Gottessohn gefunden haben, auch gar nicht. Wolfgang Leisenbergs Buch wird vielen schwer verdaulich und manchen wohl als Provokation erscheinen. Aber Leser mit guter naturwissenschaftlicher Vorbildung werden daraus vielfältige Anregungen schöpfen können.