Michael Esfeld: Land ohne Mut.

Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung. 198 S. Achgut Edition, Berlin 2023. € 24,-


Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung. 198 S. Achgut Edition, Berlin 2023. € 24,-

Michael Esfeld lehrt als weltbekannter Wissenschaftsphilosoph an der Universität Lausanne und gehört als Mitglied der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu deren schärfsten Kritikern. Grund dafür war die Adhoc-Stellungsnahme vom 8. Dezember 2020, in der die Mehrheit von Esfelds Akademie-Kollegen den strengen Lockdown und den Versuch der Einführung einer Impf-Pflicht mit kaum getesteten Stoffen gegen die angeblich hochgefährliche Covid-19-Pandemie rechtfertigte. Bundeskanzlerin Angela Merkel berief sich bei der Aussetzung fundamentaler Freiheitsrechte ausdrücklich auf dieses Votum der Leopoldina. Diese beging damit, so Esfeld, die Todsünde des politischen Szientismus. Dieser besteht darin, sich als Forscher nicht auf die Feststellung von Tatsachen zu beschränken, sondern normative Aussagen über das gesellschaftlich Gute zu treffen. Das sei umso bedenklicher, als diese Aussagen immer öfter lediglich auf empirisch nicht abgestützten Modellrechnungen statt auf Beobachtung und Experiment beruhen. Esfeld dazu: „Es ist eine widerwärtige Arroganz von Wissenschaftlern, zu denken, dass Menschen, die nicht über dieselbe mathematisch-technische Intelligenz verfügen wie sie selbst, nicht selbstverantwortlich handeln können und sich daher von Wissenschaftlern vorgeben lassen müssen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben.“ Durch die Verbindung mit dem politischen Szientismus im Frühjahr 2020 trete die reale Postmoderne, die am 15. August 1971 mit der Aufhebung des Goldstandards durch US-Präsident Nixon begonnen habe, in ihre totalitäre Phase ein. Bis dahin habe die Rücknahme des Wahrheitskriteriums noch kaum zur Einschränkung von Freiheitsrechten geführt. Um dem politischen Szientismus als schlimmster Form der Scharlatanerie Einhalt zu gebieten, gibt es für Esfeld nur den Weg der Rückkehr zur Moderne durch die Einschränkung des staatlichen Einflusses auf die Wissenschaft. Esfeld gibt selbst zu, dass das nicht einfach sein wird. Was wäre aber, wenn der im vergangenen Jahr verstorbene französische Soziologe Bruno Latour recht behielte mit der Behauptung, dass wir nie modern gewesen sind?
Edgar L. Gärtner           (zuerst veröffentlicht in: eigentümlich frei Nr.238)