James Lovelock: Ein Vater des Klima-Alarmismus korrigiert sich

Doch die europäischen Medien nehmen davon keine Notiz

Der inzwischen 92-jährige britische Chemiker, Mediziner und Biophysiker James Lovelock wurde schon in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Säulenheiligen der ökologischen Bewegung, weil er zusammen mit der amerikanischen Mikrobiologin Lynn Margulis im Jahre 1979 die Gaia-Hypothese formulierte. Danach funktioniert die Erde mit ihrer Biosphäre als Ganzes wie ein Lebewesen, das sich durch spontane Selbstorganisation im Gleichgewicht hält. Ein eingängiges Beispiel dafür ist die Regulierung des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre, der über Hunderte von Millionen Jahre konstant bei 21 Volumenprozent geblieben ist, obwohl er, rein chemisch gesehen, längst wieder hätte verschwinden müssen. Denn Sauerstoff ist sehr reaktionsfreudig. Er verbindet sich leicht mit den Metallen der Erdkruste wie Silizium, Aluminium oder Eisen zu Metalloxiden und mit dem Kohlenstoff der Pflanzen zu Kohlenstoffdioxid CO2), einem reaktionsträgen Gas, das in den Atmosphären unserer unbelebten Nachbarplaneten Mars und Venus vorherrscht. Nur die Selbstorganisation (Autopoiesis) des Lebens kann erklären, warum der eigentlich lebensbedrohliche Sauerstoff nicht wieder aus der Atmosphäre verschwunden ist, nachdem er zunächst durch Blaualgen (Cyanobakterien) und später durch Grünalgen und höhere Landpflanzen als Abfallprodukt der Photosynthese in die Luft geriet. Als der Sauerstoffgehalt der Luft anstieg, gingen die meisten der bislang auf der Erde vorhandenen Lebewesen zugrunde. Nur Organismen, die über Enzyme für die Entgiftung des Sauerstoffs verfügten oder sich in sauerstofffreie ökologische Nischen zurückzogen, konnten überleben. Sänke der Sauerstoffgehalt auf 15 Prozent, könnte selbst gut getrocknetes Holz nicht mehr angezündet werden. Stiege er dagegen auf 25 Prozent, würden sogar feuchte Tropenwälder spontan in Flammen aufgehen. Der reale Sauerstoffgehalt der Luft liegt etwa in der Mitte zwischen den beiden Extremen. Das hat auch mich als jungen Biologen fasziniert. Noch bis zur Jahrhundertwende habe ich Lovelocks Bücher verschlungen.
Lovelock versuchte mit seiner Hypothese auch die Klimaentwicklung zu erklären. Dabei ging er davon aus, dass die langen Eiszeiten als Gaias Normalzustand und die vergleichsweise kurzen Warmzeiten als krankhafte Entgleisungen der Geophysiologie angesehen werden sollten. Er war einer der ersten, die vor einer gefährlichen Aufwärmung der Atmosphäre durch die Einleitung von immer mehr CO2 warnten und galt in der grünen Szene zu Recht als „Gottvater der Erderwärmung“. In seinem Buch „Gaias Rache“ (München 2007) rechnete Lovelook mit Milliarden von Todesopfern durch die Erderwärmung.
Deshalb hätte es eigentlich in unseren Massenmedien Schlagzeilen geben sollen, als der noch immer fleißig Bücher schreibende Greis jetzt in einem Interview mit der amerikanischen msbc-Mediengruppe verkündete, er habe sich geirrt, als er zusammen mit Al Gore und anderen Promis auf der Grundlage von Computer-Extrapolationen vor einer heraufziehenden Klimakatastrophe warnte. Die vorausgesagte galoppierende Erderwärmung sei nun schon zwölf Jahre lang ausgeblieben, obwohl der CO2-Gehalt der Luft in dieser Zeit munter weiter gestiegen ist. Wörtlich sagte Lovelock: „Das Problem ist, dass wir nicht wissen, was mit dem Klima los ist. Vor zwanzig Jahren dachten wir, das zu wissen und veröffentlichten alarmistische Bücher – meine eigenen eingeschlossen -, weil alles klar schien. Aber nichts von dem, was wir vorausgesagt haben, ist eingetreten.“ Leider hat kein einziges großes Medium in Europa von dieser radikalen Selbstkritik eines der Väter der grünen Bewegung berichtet. So funktioniert die Selbstgleichschaltung.

Das wissenschaftliche Renommee Lovelocks wird unter seinem öffentlichen Rückzieher wohl kaum leiden. Denn er hat außer gewagten Theorien auch technische Erfindungen in die Welt gesetzt, die der Umweltforschung zu sprunghaften Fortschritten verhalfen. Ohne den von Lovelock entwickelten Elektroneneinfangdetektor (ECD) hätte das „Ozonloch“ über der Antarktis nicht entdeckt werden können. Mit diesem Messinstrument werden auch heute noch Luftschadstoffe verschiedener Art wie etwa chlorierte Pestizide und Dioxine nachgewiesen. Im Unterschied zu den heute Ton angebenden „Klimaforschern“, die mehr am Computer als in der Natur arbeiten, vollzog sich Lovelocks Wissenschaftler-Karriere größtenteils außerhalb des staatlich besoldeten akademischen Establishments. Seine wichtigsten Entdeckungen machte er als unabhängiger Forscher im Auftrag der US-Raumfahrtorganisation NASA. In seinem eigenen Labor in einer umgebauten Scheune in Cornwall versucht der kreative Tausendsassa noch immer, alle seine theoretischen Aussagen experimentell zu testen. Das unterscheidet ihn von den meisten „Klimaforschern“, die dafür bezahlt werden, dass sie die politisch korrekte Erklärung der Klimaentwicklung ständig wiederkäuen.
Lovelock hat sich auch schon früher hin und wieder in der grünen Szene unbeliebt gemacht, weil er klar aussprach, dass Windräder und Solarpanele im Kampf gegen die Erderwärmung nutzlos sind und weil er wiederholt auf die Vorteile der friedlichen Nutzung der Kernenergie hinwies. In seinem Buch „Das Gaia-Prinzip“ (München-Zürich, 1991) nimmt die Entdeckung des natürlichen Kernreaktors von Oklo in Gabun einen besonderen Platz ein. Der dort ganz von selbst in Gang gekommene Kernspaltungsprozess in der freien Natur lief über Millionen von Jahren, hat aber in der Natur keinerlei Schäden hinterlassen. Daraus schloss Lovelock, dass die von den Grünen geschürte Atomangst weitgehend unbegründet ist.

Internet:

Apocalypse postponed. The Godfather of Global Warming says he, and Al Gore have been ‚alarmist’ about its effects

James Lovelock: Das Gaia-Prinzip. Die Biographie unseres Planeten

James Lovelock: Gaias Rache. Warum die Erde sich wehrt