Für eine säkulare Republik Europa

 

Egon Flaig: Gegen den Strom. Zu Klampen Essay 2013 (Hrsg. Anne Hamilton). 254 Seiten. EUR 22,-

Download (2)Das handliche Buch stellt eine Art Vermächtnis des in Rostock lehrenden Althistorikers und Demokratietheoretikers Egon Flaig dar. Es beginnt mit einem Plädoyer für die Auflösung der Europäischen Union. Darin argumentiert Flaig keineswegs als Nationalist, sondern im Gegenteil als glühender Anhänger der europäischen Idee, der jedoch auf einem demokratischen Gründungsakt der EU besteht. Um diesen sei das Staatsvolk durch die „eurokratischen Apparatschiks“ betrogen worden. Es gebe nur einen Weg zu einem demokratischen Europa: den Weg, „den die zwölf Gründungsstaaten der USA gegangen sind.“ Die Bürger würden von der EU-Nomenklatura lediglich als bestechliche homines oeconomici, das heißt als Angehörige einer Tauschgesellschaft betrachtet. Die EU habe aber nur eine Zukunft, wenn sie zu einer echten politischen Gemeinschaft wird, deren Angehörige bereit sind, durch Opfer füreinander einzustehen. Die EU als Transfer- und Schulden-Union hingegen führe zum Wiederaufleben alter Feindschaften zwischen den Völkern. Die Nomenklatura der EU versuche durch eine postdemokratische „Diktatur des Guten“ den zentrifugalen Kräften entgegenzuwirken. Dabei schrecke sie nicht davor zurück, wesentliche Errungenschaften des Christentums und der Aufklärung zur Disposition zu stellen und ermuntere dadurch die Expansion des Islam in Europa. Dessen Eigenarten widmet Egon Flaig einen großen Teil seines Buches. Die Scharia sei die schlimmste Gefahr für Demokratie und Menschenrechte im 21. Jahrhundert, sagt er. Da die politische Klasse die von ihr beherrschten Völker nur als Tausch-Gesellschaften und nicht als opferbereite politische Gemeinschaften betrachte, finde sie nichts dabei, wenn über Jahrhunderte gewachsene Gemeinschaften durch immer mehr kulturfremde Einwanderer marginalisiert werden. „Demokratien benötigen Heldentum und Opfergänge in weit höherem Maße als andere Staatsformen“, mahnt Flaig. Deshalb benötige ein freiheitliches Gemeinwesen eine gewisse kulturelle Homogenität. Aus dem selben Grund dürfe der kulturelle Wandel nicht dem Markt überlassen werden. Wolle der Liberalismus der republikanischen Idee treu bleiben, dürfe er nicht zulassen, dass die „Gesellschaft“ die politische Identität einer Nation bestimmt. Demokratien müssten dem Wertewandel Grenzen setzen (etwa durch ein Burka-Verbot in ganz Europa). Er beruft sich dabei nicht nur auf den liberalen Klassiker Benjamin Constant, sondern auch auf Hannah Arendt und den früheren Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde. Die Political Correctness sei ein höchst gefährlicher Ersatz für eine republikanische Leitkultur, betont Flaig. Der durch moralische Ächtung logischen Denkens erzwungene Konformismus trete dabei an die Stelle des Wahrheitskriteriums. (Man kann das gut an der „Energiewende“ beobachten.) „Die ‚politische Korrektheit’ zerreibt zuerst den Glauben an das zwingende Argument und an die universale Verbindlichkeit von Wahrheitsansprüchen“, schreibt Flaig. „Da weder Wahrheit noch demokratische Regeln für diese Haltung irgendeine Verbindlichkeit haben, kommen nach dem Verfemen die Drohungen, die geschleuderten Steine, der Aufschrei, der Messerstich, das Bombenlegen…“ (Die rote SA lässt grüßen.) Mehr der (nicht unproblematischen) altgriech-römischen als der jüdisch-christlichen Tradition verpflichtet, warnt Flaig auch vor einer religiösen „Umgründung Europas.“ Das erste Gesetz der Geschichte laute: „Alles ist verlierbar“ und das zweite „Nichts ist umsonst.“ Deshalb müsse jede Republik die Erinnerung an die Opfer, die ihre Errichtung einst kostete, pflegen. Aber auch das Vergessen oder Verdrängen von Demütigungen gehöre zu den Voraussetzungen einer gesunden Nation. Nachhaltige europäische Friedensschlüsse beruhten auf der Klausel „vergeben und vergessen.“ (Im Vertrag von Versailles fehlt diese.) Da es den meisten von ihnen an historischem Bewusstsein mangele, seien Politiker und Journalisten zu einer „bildungsfernen Schicht“ geworden, klagt der Althistoriker (wohl zu Recht). Schade, dass Egon Flaig den christlichen Beitrag zur Zivilisierung Europas meines Erachtens etwas abwertet.            (Edgar L. Gärtner)