Gemeinderatsmitglieder persönlich haftbar für Gesundheitsschäden durch Windkraftanlagen

Edgar  L. Gärtner

Foto: Jörg Rehmann

Steinbach im Hunsrück (Foto: Jörg Rehmann)

In Deutschland stehen mittlerweile an die 25.000 Windkraftanlagen (WKA). Im Zuge des so genannten Repowering werden immer mehr kleinere ältere Anlagen durch 200 Meter hohe Monster ersetzt. In Waldgebieten werden, um der Abbremsung des Windes durch die Bäume zu umgehen, von vornherein solche Großanlagen errichtet. Auch die größten Windturbinen können, grob gerechnet, nur etwa 40 Prozent der Windenergie in elektrische Energie umwandeln. Der große Rest geht in Form von Schallwellen, das heißt periodischen Luftdruckschwankungen verloren. Die Frequenz dieser Wellen (ausgedrückt in Hertz) und damit der von uns Menschen wahrnehmbare Ton ist umso niedriger, je länger die Rotorenflügel sind. Anders ausgedrückt: Die Wellenlänge des von WKA erzeugten Wummerns wächst direkt mit der Länge der Rotorflügel.
Bei sehr tiefen Tönen unterhalb von 100 Hertz nimmt die zugeordnete Wellenlänge bis auf über hundert Meter zu. Objekte, die deutlich kleiner als die Wellenlänge sind, stellen für Schallwellen keine Hindernisse dar. Deshalb werden tiefe Töne allgemein sehr viel weiter übertragen als hohe. Jeder kann das im Alltag überprüfen: Wird in einem Party-Keller laute Disco-Musik abgespielt, dann hört man in den oberen Stockwerken eines Hauses und auf der Straße nur die Bässe und die große Trommel. Heute wissen die Mediziner, dass laute Brummtöne unterhalb von 100 Hertz alles andere als harmlos sind. Sie gelangen nicht nur über die Ohrmuschel, sondern auch über die Schädelknochen ins Innenohr und das darin sitzende Gleichgewichtsorgan.
Schätzungsweise 30 Prozent der Menschen reagieren sehr empfindlich auf Luftdruckschwankungen und erkranken daran, wenn sie ihnen dauerhaft ausgesetzt sind. Als besonders unangenehm werden tiefe Frequenzen unterhalb von 20 Hertz empfunden. Da diese Frequenzen von den meisten Menschen nicht mehr als Töne, sondern als Vibrationen wahrgenommen werden, sprechen Ingenieure und Mediziner hier von Infraschall. Große WKA gelten inzwischen bei Fachleuten geradezu als Infraschall-Generatoren. Allerdings sind sie beileibe nicht die einzige Quelle von Infraschall. Auch konventionelle Kraftwerke, Klimaanlagen oder Wärmepumpen können solche Frequenzen erzeugen. Und auch bei Naturphänomenen wie dem Föhn oder dem Mistral-Wind entsteht Infraschall. Genau genommen, handelt es sich dabei um nichts anderes als Infraschall, denn die dabei auftretenden Böen sind nur der untere Teil stehender Luftdruckwellen, die weit nach oben reichen, was an wellenartigen Wolkenbildern erkennbar ist. Die Tatsache, dass solche Phänomene natürlich sind, bedeutet aber nicht, dass sie harmlos sind. Es ist bekannt, dass sich in München bei Föhn die Zahl der Rettungseinsätze verdreifacht, weil viele Menschen unter den Luftdruckschwankungen leiden, während andere die laue Luft in Biergärten genießen.
Im Auftrag des deutschen Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau hat Prof. Dr.-Ing. Detlev Krahé von der Bergischen Universität Wuppertal zusammen mit privatwirtschaftlich arbeitenden Ingenieuren 1.300 Literaturstellen über gesundheitliche Auswirkungen von Infraschall ausgewertet und ein Untersuchungsdesign für die Ermittlung der Auswirkungen von Infraschall auf Menschen vorgeschlagen. Diese Arbeit mit 135 Seiten Umfang wurde unter dem Titel „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ (UBA Texte 40/2014) vom UBA allerdings nur ins Internet gestellt, aber nicht in gedruckter Form verbreitet. Bislang hat das UBA beziehungsweise dessen Dienstherrin Bundesumweltministerin Barbara Hendricks noch nichts getan, um das von Prof. Krahé und Mitarbeitern ausgearbeitete Untersuchungsdesign auch umzusetzen. Warum kann man sich denken. Die meisten der dort zitierten wissenschaftlichen Untersuchungen stammen übrigens aus England. Wohl aus diesem Grund muss dort ein Abstand von 3.000 Metern zwischen Windparks und Wohnsiedlungen eingehalten werden. In Deutschland jedoch weisen Gemeinden Windkraft-Vorranggebiete bis 400 Meter vor den ersten Wohngebäuden aus. So zum Beispiel die Stadt Ottweiler im Saarland.
Prof. Dr. Michael Elicker, ein an der Universität des Saarlandes und in Luxemburg lehrender Staatsrechtler, macht die Stadtverordneten von Ottweiler und darüber hinaus die gewählten Vertreter aller deutschen Gemeinden mit WKA-Plänen mit dem Hinweis auf die in der „Machbarkeitsstudie“ des UBA dokumentierten gesundheitsschädlichen Wirkungen von Infraschall darauf aufmerksam, dass sie unter Umständen mit ihrem Privatvermögen haften müssen, wenn im Umkreis von Windparks Gesundheitsschäden nachgewiesen werden. Parlamentarische Immunität gebe es bei uns in Deutschland nicht für die Mitglieder von Kommunalparlamenten, sondern nur für die gewählten Volksvertreter in den Landtagen und im Bundestag. Der im Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes verankerte Schutzauftrag des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen könne auch dann geltend gemacht werden, wenn nur ein bestimmter Teil der Bevölkerung anfällig für die nachgewiesenen Gesundheitsgefahren des Infraschalls sei.
Mit der DIN 45680 von 1997 gibt es in Deutschland eine Norm für die Ermittlung und Beurteilung tieffrequenter Geräuschemissionen. Diese Vorgabe gilt allerdings als längst überholt. Ihre Überarbeitung ist in Gang. Ob dabei wirklich Fortschritte erzielt werden, ist angesichts massiver Interessenskonflikte zurzeit fraglich. Aber selbst in ihrer alten Fassung ließe die DIN 45680 wohl keine Genehmigung von Windparks in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten zu, zumal die Infraschallbelastung der Bewohner aufgrund der Eigenheiten der Schallausbreitung kaum abschätzbar ist. Die Ausbreitung langer Schallwellen hängt nämlich nicht nur von der Entfernung und vom eventuellen Vorhandensein von Hindernissen ab, sondern auch von der Wetterlage. Viele Menschen haben schon die Erfahrung gemacht, dass sie bei Nebel auf einmal die Kirchenglocken relativ weit entfernter Nachbargemeinden hören. Das hängt damit zusammen, dass die Schallwellen bei Inversion an der Sprungschicht zwischen der unten liegenden kalten und der darüber liegenden warmen Luft reflektiert werden können. Im Nebel lässt sich übrigens gut beobachten, dass sich die von Windrädern verursachten Turbulenzen über fünf Kilometer hinziehen. Erst bei zehn Kilometer Abstand geht übrigens der von WKA erzeugte Infraschall im Hintergrundrauschen unter.
Der Oralchirurg Dr. med. Eckard Kuck (Bad Orb), der sich als Mitglied des Ärzteforums Emissionsschutz für strenge Lärm-Grenzewerte und Abstandsregelungen zwischen Windparks und Wohngebieten einsetzt, rechnet vor, dass nach der Umsetzung des von der schwarz-grünen hessischen Landesregierung in Wiesbaden beschlossenen Programms, auf zwei Prozent der Landesfläche WKA aufzustellen, alle drei Kilometer ein Windpark mit sechs WKA stehen würde. Hochgerechnet auf ganz Deutschland, würden etwa 1,4 Millionen Menschen unter dem Infraschall leiden. Zu den nachgewiesenen Wirkungen einer Infraschall-Exposition ab 75 db zählen Symptome wie unkontrolliertes Zucken der Augen, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Benommenheit, Konzentrationsschwäche, Depression, Verringerung der Herzleistung, hoher Blutdruck, Verminderung der Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit, Schwindelanfälle, Atembeschwerden, Verschlechterung des Hörvermögens und Tinnitus. So werden von der Energiewende am Ende wohl nur die Anwälte profitieren…

Literatur:

UBA-Texte 40/2014: Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall

Prof. Michael Elicker/Andreas Langenbahn: Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Großwindanlagen

Dr. med. Eckard Kuck Ärzteforum Emissionsschutz: Stellungnahme über Abstandsregelungen zu Windkraftanlagen an den bayerischen Ministerpräsidenten

(Zuerst veröffentlicht im Dez. 2014 in: KOPPexklusiv)