Edgar L. Gärtner
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat in letzter Zeit wiederholt versucht, in der Energie- und Klimapolitik gegenüber dem aktivistischen Overkill der gegenwärtigen EU-Kommission „Zeichen“ zu setzen (wie man so schön sagt), indem er eine „regulatorische Pause“ forderte und potentielle Groß-Investoren mit dem Ziel einer „Reindustrialisierung“ Frankreichs zu pompösen Treffen im Pariser Elysée-Palast und im Schloss von Versailles einlud. Während die Initiativen Macrons in den deutschen Mainstream-Medien kaum erwähnt wurden, sahen nicht nur anglo-amerikanische, sondern auch (staatlich subventionierte) französische Mainstream-Medien darin eine grundsätzliche Infragestellung der „Klimapolitik“ der EU (so Laszlo Trankovits am 17. Mai in „Tichys Einblick“).
Dieser Eindruck wird verstärkt durch die offenbar von Frankreich im Verein mit einer „Atom-Allianz“ mitteleuropäischer Staaten jüngst organisierte Blockade der Abstimmung über die Umsetzung des „Green Deal“ der EU in der Energiepolitik. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Energiepolitik
Energiepolitik: Frankreich in der Falle des Sowohl-als-auch
Edgar L. Gärtner
Kernkraftwerk Cattenom an der Mosel (Wikipedia)
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und seine Ministerpräsidentin Elisabeth Borne sind dabei, die Franzosen auf einen harten Winter vorzubereiten. Das staatliche TV-Programm „France 2“ stimmt sein Publikum tagtäglich auf rotierende Stromsperren („Brown Outs“) von jeweils zwei Stunden ein, mit deren Hilfe der monopolistische Netzbetreiber RTE den im Januar schon bei einer mittelschweren Kältewelle drohenden flächendeckenden „Blackout“ verhindern will. Etwa 60 Prozent der Franzosen werden davon betroffen sein. Relativ sicher können sich nur die Bewohner der Pariser Kernstadt fühlen, weil die dort angesiedelten Ministerien, Kommandanturen, Geheimdienstzentralen, Generaldirektionen usw. als unabkömmlich für die Aufrechterhaltung der Staatsmacht gelten. Die Franzosen mussten mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen, dass bei planmäßigen Stromabschaltungen selbst die Notruf-Systeme außer Betrieb sein werden. Wer dann verunglückt, hat einfach Pech gehabt. Der Grund der ganzen Aufregung: Kurz vor dem meteorologischen Winteranfang stehen dem Land, in dem überwiegend elektrisch geheizt wird, nur etwa 30 Gigawatt, das heißt weniger als die Hälfte seiner Kernkraft-Kapazität von insgesamt 61,4 GW zur Verfügung. Weiterlesen
Ingenieure und Wissenschaftler ziehen Bilanz aus 20 Jahren Energiewende
Kritiker auf verlorenem Posten?
Edgar L. Gärtner
Diskussion vor dem CO2-freien Kamin im IBZ der Universität Stuttgart
Ingenieure sieht man so gut wie nie in deutschen TV-Talk Shows. Dabei gibt es unter den führenden Köpfen ingenieurwissenschaftlicher Fachbereiche durchaus Leute (inzwischen oft im Rentenalter), die mit Witz und Verve vortragen können. Das zeigte sich vom 8. bis zum 10. Juli 2022 im Internationalen Begegnungszentrum IBZ des Uni-Campus Stuttgart-Vaihingen. Dort hatte Prof. Dr. André Thess, Inhaber des Lehrstuhls für Energiespeicherung am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) für den 8. bis zum 10. Juli zu einer Fachtagung zum Thema „20 Jahre Energiewende“. Als Schirmherrn und Moderator der Veranstaltung gewann Prof. Thess (der in Dresden zu Hause ist) den bekannten Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner J. Patzelt. So war gewährleistet, dass die Diskussionen nicht in Fachsimpelei versandeten. Weiterlesen
Her mit der Kohle
Am sofortigen Stopp des „Kohleaussiegs“ führt wohl kein Weg vorbei
Deutschland steht selbst verschuldet vor einem unlösbaren Problem. Um die (gedankenlos) begonnene „Energiewende“ fortzusetzen, braucht das Land dringend neue Gaskraftwerke als Backup für die witterungsabhängige Elektrizitätserzeugung durch Wind- und Solarkraftwerke. Um die von der Berliner Ampelkoalition gesteckten Ziele zu erreichen, müssten in Deutschland schon in den kommenden acht Jahren 20 bis 50 neue große Gaskraftwerke der 800-Megawatt-Klasse gebaut werden. Doch kein Investor hat sich bislang bereit erklärt, die dafür benötigten Milliardenbeträge zu mobilisieren. Die großen Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard und andere haben sich in politisch korrekten Selbstverpflichtungen zum Net-Zero-Carbon-Ziel bekannt. Allein die Versechsfachung des Gaspreises gegenüber den Vorjahren (zeitweilig wurde eine Megawattstunde schon für 345 Euro gehandelt) dürfte aber schon ausreichen, um Investoren von der Finanzierung des Baus neuer Gaskraftwerke abzuhalten. Weiterlesen
EU-Ideologen steuern uns mit Farm2Fork in die Hungerkatastrophe
Edgar L. Gärtner
Bereits im letzten November, also Monate vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, habe ich an dieser Stelle auf drohende Hungersnöte wegen einer sprunghaften Erhöhung der Gas-, Stickstoffdünger- und Getreidepreise hingewiesen. Nach den Statistiken der Welternährungsorganisation FAO sind deshalb die Lebensmittelpreise im vergangenen Jahr weltweit schon um etwa 20 Prozent gestiegen. Eine Lebensmittel-Verteuerung in dieser Größenordnung hat im Jahre 2010 schon ausgereicht, um in nordafrikanischen Ländern die Revolte des „arabischen Frühling“ auszulösen. Schon in der ersten Woche nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine ist der Futures-Preis für Weizen um 40 Prozent gestiegen und ist danach noch weiter gestiegen, bevor der Markt sich wieder etwas beruhigte. Weiterlesen
Die Ukraine-Krise droht zum Offenbarungseid der EU-Energiepolitik zu werden
Grundsätzlich könnte die Energie eine Friedensbrücke sein
Edgar L. Gärtner
Da es ein europäisches Staatsvolk nicht gibt, ist die Europäische Union ein Gebilde, das nur durch zwischenstaatliche Verträge (und mehr und mehr durch finanzielle Erpressung) zusammengehalten wird. Leider werden die Grundlagen-Verträge der europäischen Einigung immer seltener eingehalten, was die regierende EU-Kommission zu einem anomischen Dingsbums macht, das die augustinische Bezeichnung „Räuberbande“ tendenziell zum Euphemismus werden lässt. Die abnehmende Treue der Westeuropäer gegenüber feierlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen führt jetzt im Streit um russisches Erdgas und die Souveränität der Ukraine an den Rand eines heißen Krieges.
Nach der Implosion des Sowjetreiches im Jahre 1991 schien die Marschrichtung zunächst klar. Kaum war der Kalte Krieg zu Ende, setzten sich Technokraten und Diplomaten aus West und Ost an den Verhandlungstisch, um den Energie-Charta-Vertrag (ECT) auszuhandeln. Dieser wurde im Jahre 1994 in Lissabon unterzeichnet und trat 1998 in Kraft. (Ich habe hier darüber berichtet.) Dieses weitreichende Vertragswerk mit einem permanenten Sekretariat in Brüssel sollte es erleichtern, die Energiewirtschaft der Ex-Sowjetrepubliken und der osteuropäischen Staaten in die europäischen und globalen Märkte zu integrieren. Um Investoren in Länder mit noch unsicherer Rechtslage zu locken, gewährt der Vertrag Auslandsinvestitionen in Kraftwerke und anderen Energie-Infrastrukturen einen besonderen Schutz. Bis 20 Jahre nach seinem eventuellen Austritt aus dem Vertrag kann ein Staat von privaten Energieproduzenten mithilfe nicht öffentlich tagender Schiedsgerichte noch zu hohen Schadensersatzzahlungen verpflichtet werden.
Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte am 2. September 2021 die Energiecharta für unwirksam. Weiterlesen
Grüne Taxonomie: Freut Euch nicht zu früh
Die Kernenergie behält in der EU die Rolle des Aschenputtels
Edgar L. Gärtner
Am 2. Februar wurde die ab 1. Januar 2022 geltende EU-Verordnung 2020/852, bekanntgeworden als Taxonomie als „grün“ klassifizierter Energiequellen, nach langem Tauziehen zwischen zwei Gruppen von EU-Mitgliedsstaaten endlich verabschiedet. Wichtigster Streitpunkt war bekanntlich die Frage, ob auch die Kernenergie als nachweislich „saubere“, das heißt aus EU-Sicht kohlenstoffarme Energie sich mit dem grünen Label schmücken darf. Dieses soll dazu dienen, im Rahmen des „Green Deal“ der EU Investitionen anzulocken. Wie erwartet, kam der stärkste Widerstand gegen die von Frankreich im Verein mit einigen ost- und nordeuropäischen EU-Mitgliedsstaaten eingebrachte Forderung von Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie auch Italien und Spanien, wo der „Atomausstieg“ seit längerem als unabänderliche „Beschlusslage“ gilt. Da Deutschland aber wegen des inzwischen ebenfalls beschlossenen „Kohleausstiegs“ auf Gaskraftwerke als Backup für die unsteten „Erneuerbaren“ angewiesen sein wird, drängte Berlin darauf, diese ebenfalls für eine Übergangszeit als „grün“ anzuerkennen, obwohl diese bis auf weiteres das Kriterium maximal 100 Gramm CO2 je erzeugter Kilowattstunde nicht erfüllen können. Weiterlesen
Wer sich „ganzheitliches“ Wissen anmaßt, hat logischerweise ein Problem mit der Freiheit
Interview mit Florian Müller im Magazin „Krautzone“, Heft 22
Sie waren auf einem katholischen Internat und wurden dort mit der sogenannten Orthogenese vertraut gemacht. Können Sie unseren Lesern in einfachen Worten erklären worum es sich bei der Orthogenese handelt und von welchen Prämissen sie ausgeht.
Oh, das ist lange her. Ich kann deshalb nur holzschnittartig antworten. Die Theorie der Orthogenese wurde vom weltbekannten französischen Jesuiten und Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin formuliert. Es handelt sich um den spekulativen Versuch einer Synthese zwischen der christlichen Schöpfungs- und Heilslehre und der Darwinschen Evolutionstheorie. Die Entwicklung von Geist und Materie streben nach Teilhard dem Punkt Omega zu, an dem sich die Materie im Menschen ihrer selbst bewusst werde. Ich lernte die Theorie Teilhards in Form der Ansprachen kennen, die der damalige Direktor des Bischöflichen Knabenkonvikts zu Fulda während der Mahlzeiten im Refektorium hielt. Diese Ansprachen fielen in die Zeit zwischen dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils und dem Ausbruch der Studentenrevolte. Die Ideen Teilhards hatten über den französischen Kardinal Henri de Lubac und den mit ihm befreundeten katholischen Philosophen Jacques Maritain auch einen gewissen Einfluss auf die progressive Kardinals-Fraktion des Konzils. Ich muss gestehen, dass mich diese schwärmerischen Ideen zunächst faszinierten – gerade auch, weil sie im Widerspruch zur offiziellen Lehre der Kirche standen. Insbesondere Teilhards (kommunistische) Idee der Verwandlung der Biosphäre in die Noosphäre hatte es mir angetan. Junge Menschen, insbesondere wenn sie sich mitten in der Pubertät befinden, springen ja gerne auf die neueste Mode. Wir machten da keine Ausnahme. Heute distanziere ich mich sowohl von Darwin als auch von Teilhard. Ich glaube nicht, dass der Mensch durch das Wechselspiel von Mutation und Selektion, das heißt durch Zufall aus affenähnlichen Vorfahren entstanden ist. Vermutlich wird man das „missing link“ zwischen beiden auch in Zukunft nicht finden. Teilhard de Chardin spielte übrigens eine unrühmliche Rolle bei der Interpretation des Schädel-Fundes von Piltdown, der das lang gesuchte „missing link“ darstellen sollte. Dieser stellte sich später als aus Affenknochen zusammengebastelte Fälschung heraus. Weiterlesen
Die EU verliert den Kampf um die Energie-Zukunft
Von Edgar L. Gärtner
Bildquelle: Vaclav Volrab / Shutterstock.com
Green Deal: Welche Rolle wird der Kernenergie künftig zugewiesen?
Ich gehöre gewiss nicht zu jenen, die den Gründervätern der (west-)europäischen Gemeinschaft, getrieben von viszeralem Antiamerikanismus, von vornherein fragwürdige Motive unterstellen. Seit fast einen halben Jahrhundert mehr oder weniger gleichzeitig in zwei Nachbarländern lebend, habe ich anfangs aus naheliegenden Gründen sogar die Einführung des Euro begrüßt. (Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Journalist mitgefeiert zu haben, als Wim Duisenberg im Frankfurter BfG-Hochhaus auf provisorisch verlegten blauen Teppichen die ersten Euro-Banknoten vorstellte.) Der Franzose Jean Monnet, einer der Architekten des westlichen Nachkriegs-Europa, war kein Berufspolitiker, sondern ein Geschäftsmann, der zunächst mit Cognac handelte, was ihn in meinen Augen ohnehin sympathisch machte. International bekannter wurde Jean Monnet allerdings als Koordinator eines kriegswirtschaftlichen Beschaffungs-Kartells der Entente im Ersten Weltkrieg. Eine ähnliche Funktion übte er im Zweiten Weltkrieg für die Alliierten in den USA aus. Das hatte zwar wenig mit freier Marktwirtschaft zu tun, doch wie auf dem freien Markt kam es dabei darauf an, die wirtschaftlich effizientesten Problemlösungen zu finden. Was er dabei gelernt hatte, setzte Monnet nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau der im Krieg weitgehend zerstörten europäischen Volkswirtschaften um.
Monnet wurde 1946 erster Chef des französischen Plan-Kommissariats. Er setzte dort ein umfassendes Modernisierungsprogramm der französischen Wirtschaft („Monnet-Plan“) ins Werk. Dieses beruhte auf einem starken Ausbau der französischen Stahl-Kapazität. Zusammen mit dem mit ihm befreundeten französischen Außenminister Robert Schumann gewann Monnet den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer für die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) im Jahre 1952. Monnet war von 1952 bis 1955 deren Präsident. Doch die Verwaltungsarbeit lag ihm nicht. Deshalb gab er das Amt wieder auf, blieb aber bis 1975 politisch einflussreich und engagierte sich insbesondere für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Schon drei Jahre nach der Gründung der Montanunion, im Juni 1955 stellten die Außenminister der sechs Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bei einem wichtigen Treffen im sizilianischen Messina fest, dass Ludwig Erhards Vision vom „Wohlstand für alle“ eines großen Marktes für preiswerte Energie im Überfluss bedarf. Dabei gingen sie bereits davon aus, dass die friedliche Nutzung der Atomenergie (die damals in den offiziellen Dokumenten tatsächlich noch so hieß) bald die Kohle als wichtigste Energiequelle ablösen würde. Weiterlesen
Emmanuel Macrons Klimagesetz
Von Edgar L. Gärtner
Der noch immer jung aussehende französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat Großes vor. Das ist bekannt. Vor allem will er die tiefe Spaltung der französischen Gesellschaft in „Links“ und „Rechts“ überwinden. Macron hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, bei der Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens von 2015 nachhaltigen Ruhm zu erwerben. Gilt doch das verlogene Pariser Vertragswerk als Meisterstück französischer Diplomatie. Deshalb kündigte er schon bei seiner Wahl im Jahre 2017 ein umfassendes Klimaschutzgesetz (loi sur le climat) an. Dieses soll sowohl die verschiedenen Formen der Energiegewinnung als auch des (sparsamen) Energieeinsatzes regeln. Um ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, war der Rat von Fachleuten offenbar zunächst wenig gefragt. Um dem Ruf der „Gelbwesten“ und anderer Bürgerbewegungen nach etwas mehr direkter Demokratie in der nach wie vor überzentralisierten Republik zumindest formal nachzugeben, berief die Regierung stattdessen eine „Convention citoyenne sur le climat“ ein. Diesem Bürger-Komitee gehörten 149 angeblich nach dem Zufallsprinzip ausgewählte einfache Franzosen an. Weiterlesen