Abschied von der Aufklärung

Standbild des Marquis de Lafayette (Autor der Allgemeinen Menschenrechtserklärung) im zentralfranzösischen Le-Puy-en-Velay


Wissensanmaßung oder Gnostizismus in den Prognosemodellen

Edgar L. Gärtner
Wie sinnvoll ist es, die Verrücktheiten der Grünen aller Parteien mit dem Hinweis auf die europäische Aufklärung zurückzuweisen? Können sich die Grünen doch, wie es scheint, ebenso auf die Tradition der Aufklärung berufen wie ihre Kritiker. Besonders klar bekennen sich die Grünen zur Aufklärung, wenn sie sich als Musterschüler der US-Neocons gerieren. Deren Anliegen ist global governance, die Beherrschung der Welt durch die analytische Ausschaltung des gesunden Menschenverstandes.


Warum war im Paradies das Naschen vom Baum der Erkenntnis (von Gut und Böse) verboten? Die Mehrzahl derer, die sich heute auf die Aufklärung berufen, stellen sich diese Frage wohl gar nicht. Es geht hier selbstredend nicht darum, dem menschlichen Erkenntnisdrang grundsätzliche Grenzen zu setzen, sondern die Menschen davor zu warnen, selbst Gott zu spielen. Es geht gleichzeitig darum, die Menschen vor dem „Verlust der Mitte“ und dem Ende der Kontemplation durch die Anhäufung zusammenhangslosen Wissens zu bewahren. Nach Auffassung der historischen und aktuellen Aufklärer kann und sollte es prinzipielle Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit gar nicht geben. Die Begründung dafür lieferte das streng deterministische Weltbild des mechanischen Materialismus, das sich auf die Gravitationstheorie des englischen Mathematikers und Münzmeisters Sir Isaac Newton (1643 – 1727) stützte. Newton fand für die vom deutschen Astronomen Johannes Kepler (1571 – 1630) entdeckten elliptischen Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne die heute noch gültige mathematische und physikalische Erklärung. Was Gravitation ist und wie sie zustande kommt, wissen wir bis heute nicht. Es gibt darüber nur mehr oder weniger gewagte Vermutungen.


Die viel zitierte newtonsche Formel für die exakte Berechnung der Gravitationskraft gilt allerdings nur für die Anziehung zwischen zwei Himmelskörpern. Schon die Wechselwirkung zwischen drei Körpern ist mit dem newtonschen Instrumentarium der Differential- und Integralrechnung, wie es sich später zeigte, nicht mehr analysierbar. Newtons Formel galt und gilt noch heute nur für ein stark vereinfachtes Modell mit nur zwei Himmelskörpern, nicht jedoch für die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Sonne, Planeten und Trabanten im realen Sonnensystem. Weiterlesen

Wer sich „ganzheitliches“ Wissen anmaßt, hat logischerweise ein Problem mit der Freiheit

 

Interview mit Florian Müller im Magazin „Krautzone“, Heft 22

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Sie waren auf einem katholischen Internat und wurden dort mit der sogenannten Orthogenese vertraut gemacht. Können Sie unseren Lesern in einfachen Worten erklären worum es sich bei der Orthogenese handelt und von welchen Prämissen sie ausgeht.
Oh, das ist lange her. Ich kann deshalb nur holzschnittartig antworten. Die Theorie der Orthogenese wurde vom weltbekannten französischen Jesuiten und Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin formuliert. Es handelt sich um den spekulativen Versuch einer Synthese zwischen der christlichen Schöpfungs- und Heilslehre und der Darwinschen Evolutionstheorie. Die Entwicklung von Geist und Materie streben nach Teilhard dem Punkt Omega zu, an dem sich die Materie im Menschen ihrer selbst bewusst werde. Ich lernte die Theorie Teilhards in Form der Ansprachen kennen, die der damalige Direktor des Bischöflichen Knabenkonvikts zu Fulda während der Mahlzeiten im Refektorium hielt. Diese Ansprachen fielen in die Zeit zwischen dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils und dem Ausbruch der Studentenrevolte. Die Ideen Teilhards hatten über den französischen Kardinal Henri de Lubac und den mit ihm befreundeten katholischen Philosophen Jacques Maritain auch einen gewissen Einfluss auf die progressive Kardinals-Fraktion des Konzils. Ich muss gestehen, dass mich diese schwärmerischen Ideen zunächst faszinierten – gerade auch, weil sie im Widerspruch zur offiziellen Lehre der Kirche standen. Insbesondere Teilhards (kommunistische) Idee der Verwandlung der Biosphäre in die Noosphäre hatte es mir angetan. Junge Menschen, insbesondere wenn sie sich mitten in der Pubertät befinden, springen ja gerne auf die neueste Mode. Wir machten da keine Ausnahme. Heute distanziere ich mich sowohl von Darwin als auch von Teilhard. Ich glaube nicht, dass der Mensch durch das Wechselspiel von Mutation und Selektion, das heißt durch Zufall aus affenähnlichen Vorfahren entstanden ist. Vermutlich wird man das „missing link“ zwischen beiden auch in Zukunft nicht finden. Teilhard de Chardin spielte übrigens eine unrühmliche Rolle bei der Interpretation des Schädel-Fundes von Piltdown, der das lang gesuchte „missing link“ darstellen sollte. Dieser stellte sich später als aus Affenknochen zusammengebastelte Fälschung heraus. Weiterlesen